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Neue Kühe fürs Land

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Ein supertoller Artikel von Marcus Rohwetter Datum 12.4.2010 – 06:33 Uhr Quelle DIE ZEIT, 08.04.2010 Nr. 15
Neue Kühe fürs Land
Ein bizarrer Schilderstreit könnte Städten und Gemeinden teuer zu stehen kommen.

Es tut sich was auf deutschen Straßen: Hunderttausende Verkehrsschilder müssen ersetzt werden, weil sie aus der Mode gekommen sind. Als ob wir sonst keine Sorgen hätten: Das Männchen auf dem Zebrastreifenschild darf keinen Hut mehr tragen.

Man muss schon sehr genau hinschauen, um überhaupt zu bemerken, dass zahlreiche Schilder in zwei Versionen an heimischen Alleen, Autobahnen, Einbahnstraßen und Sackgassen stehen. Etwa die runden blauen an den Fußwegen: In der alten Fassung trägt die Frau mit dem Mädchen an der Hand eine Sechziger-Jahre-Frisur und einen schmal geschnittenen Rock. In der neuen Fassung fehlt die Haarpracht, während der Rock lampenschirmartig daherkommt. Moderner sieht das aus, sachlicher, irgendwie piktogrammiger. Aber eigentlich ist es völlig wurscht, solange jeder weiß, was gemeint ist. Und das wusste ja auch bisher jeder.

Trotzdem müssen jetzt sämtliche Altschilder ersetzt werden. Sie widersprechen nämlich den jüngsten Designrichtlinien – die freilich ihrerseits bereits 18 Jahre alt sind. Damals wurden die Verkehrszeichen grafisch überarbeitet. Die alten Schilder sollten ursprünglich so lange gültig bleiben, bis sie rostzerfressen von der Stange rutschen, und eigentlich war das ziemlich vernünftig, denn die Änderungen sind ja minimal. Zum Herbst vergangenen Jahres aber wurde diese lebensnahe Regel außer Kraft gesetzt. Seitdem gilt: Die Altschilder sind ungültig. Also weg damit. Angeordnet haben das vor mehr als einem Jahr der frühere Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee und sein Kollege vom Umweltressort, Sigmar Gabriel (beide SPD). Und zahlen sollen die Kommunen, die zwar kein Geld für Theater und Schwimmbäder haben, jetzt aber rund 200 Euro für jedes neue Schild berappen müssen.

Wie teuer die Wiederaufforstung des Schilderwaldes insgesamt wird und wie lange sie dauert, lässt sich kaum abschätzen. Denn, so heißt es in der damaligen ministeriellen Verordnung: »Die Zahl der Verkehrszeichen, die in Deutschland aufgestellt sind, ist nicht genau bekannt.« Einig sei man sich bloß darüber, dass es »zu viele« seien.

Also müssen die Kommunen ihre Schilder erst einmal suchen lassen, bevor sie sie ersetzen.

Derweil können sich Autofahrer die Reisezeit durch eine Partie »Finde den Unterschied« verkürzen: Überholverbote gelten neuerdings bloß für Autos mit flachen Kotflügeln oder Lkw mit Doppelbereifung. Auf dem Gehweg parkt besser nicht, wer ein Stufenheckauto besitzt. Sogar Tiere haben sich der Straßenverkehrsordnung angepasst: Die neue Kuh im rot umrandeten Dreieck sieht aus, als hätte sie ein Stück Weidezaun verschluckt – zumindest ist sie ihr Hohlkreuz losgeworden. Und der Wildwechsel-Hirsch springt neuerdings in einem etwas flacheren Winkel ab. Was waidmännisch betrachtet sicher korrekt ist, aber letztlich nebensächlich, wenn einem ein Zwölfender erst mal auf der Kühlerhaube hockt.

Schon streiten spitzfindige Juristen darüber, ob Falschparker ihren Strafzettel überhaupt bezahlen müssen, wenn das Halteverbot falsch beschildert wurde. Dazu muss man wissen: Halteverbote beginnen jetzt, wenn der Pfeil oben steht.

Früher stand er nämlich unten. Aber wo gehört der Pfeil nun hin? Und wo nicht? Wahrscheinlich werden solche Fragen für die nächsten paar Jahre deutsche Verwaltungsgerichte beschäftigen. Damit eines Tages auch höchstrichterlich geklärt ist, wann ein Pfeil den Designidealen der Straßenverkehrsordnung entspricht. Diese verlangt im Übrigen nun ausschließlich kantige Pfeile. Die bisher verwendeten, leicht abgerundeten »Herzpfeile« sollen demgegenüber verschwinden. Und das ist ausnahmsweise auch gut so. Denn Herzlichkeit hat im Straßenverkehr nun wirklich nichts zu suchen.

Von Marcus Rohwetter Datum 12.4.2010 – 06:33 Uhr Quelle DIE ZEIT, 08.04.2010 Nr. 15
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