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Der Verkauf der Philosophischen Secten

deichhausen65

Der Verkauf der Philosophischen Secten.

Jupiter. Merkur. Die Philosophen Pythagoras, Diogenes, Demokritus, Heraklitus, Sokrates, Chrysippus, und ein Pyrrhonist, als Sclaven. Verschiedene Käufer.

Jupiter zu zwey Bedienten. Du, setze die Bänke in Ordnung und mache Platz für die Ankommenden! – Und du hohle die Waaren heraus und stelle sie auf; aber bürste und putze sie vorher tüchtig heraus, damit sie gut ins Auge fallen und recht viele Liebhaber herbeylocken. Du, Merkur, thue den Aufruf und mache mit gutem Glücke! bekannt, daß sich die Käufer nunmehr einfinden können. Wir haben Philosophische Charakter von allen Arten und Secten zu verkaufen. Sollte es jemandem nicht gelegen seyn, sogleich baar zu bezahlen, so geben wir, gegen Stellung eines Bürgen, auf ein Jahr Credit.

Merkur. Es kommen schon viele Käufer zusammen, wir wollen zum Werke schreiten um die Leute nicht ohne Noth aufzuhalten.

Jupiter. Gut! machen wir den Anfang!

Merkur. Wen wollen wir zuerst vorführen?

Jupiter. Den Ionier dort, mit den langen dichten Locken, denn er sieht wirklich einem ganz venerablen Burschen gleich.

Merkur. Hay da, Pythagoras! steige herab, und laß dich von den Herren hier besehen.

Jupiter zum Merkur. Ruf’ ihn aus!

Merkur. Hier, meine Herren, biete ich das beste Stück in unserm ganzen Lager aus; einen höchst respectablen und vortreflichen Charakter. Wer hat Lust zu kaufen? wer möchte gern »mehr seyn als ein Mensch?« wer verlangt »die Harmonie des Ganzen« kennen zu lernen, und »nach seinem Tode wieder aufzuleben?«

Käufer. Er sieht keinem gemeinen Menschen gleich. Was kann er denn?

Merkur. Arithmetik, Astronomie, Magie, Geometrie, Musik, Taschenspielerkunst. – Es ist ein großer Wahrsager, das kannst du mir glauben!

Käufer. Darf ich ihn selbst ein wenig ausfragen?

Merkur. Frage in Gottes Nahmen!

Käufer. Woher bist du?

Pythagoras. Von Samos.

Käufer. Wo bist du erzogen worden?

Pythagoras. In Ägypten, bey den dortigen Weisen.

Käufer. Wenn ich dich nun kaufe, was willst du mich lehren?

Pythagoras. Lehren werd’ ich dich nichts: aber ich werde dir alles wieder in Erinnerung bringen.

Käufer. Wie willst du das machen?

Pythagoras. Zuerst werde ich deine Seele ausreinigen, und allen Schmutz der sich darinn angesetzt hat, auswaschen.

Käufer. Bilde dir einmal ein das sey geschehen: was wird nun erfordert um mich in den Stand der Wiedererinnerung zu setzen?

Pythagoras. Fürs erste, eine langwierige Stille der Seele, und ein funfjähriges Schweigen ohne ein Wort zu sprechen.

Käufer. Mein vortreflicher Herr, da muß er einen Stummen2) in die Lehre nehmen. Ich verlange keine Bildsäule zu seyn, ich muß meine Zunge brauchen dürfen. – Aber wenn die fünf Schweigjahre endlich vorbey sind, wie weiter?

Pythagoras. Dann wirst du tüchtig in der praktischen Musik und in der Geometrie geübt werden.

Käufer. Das ist lustig; um weise zu werden, muß man also vorher zur Cither singen können?

Pythagoras. Wenn du das kannst, dann mußt du zählen lernen.

Käufer. Das kann ich jetzt schon.

Pythagoras. Wie zählst du dann?

Käufer. Eins, zwey, drey, vier –

Pythagoras. Siehst du, – was du für vier hältst, ist zehn3) und ein vollkommenes Dreyeck4), und unser großer Schwur.

Käufer. Bey der wundervollen vier! so göttliche und geheimnißreiche Dinge sind mir in meinem Leben nie vor die Ohren gekommen!

Pythagoras. Hernach, guter Freund, sollst du das Wesen der Erde, der Luft, des Wassers und des Feuers, und ihre Kräfte, Figur und Bewegung kennen lernen.

Käufer. Feuer, Wasser, Luft, haben also eine Figur?

Pythagoras. Augenscheinlich; denn wie könnten sie sich ohne Figur oder bestimmte Gestalt bewegen? Überdieß wirst du noch einsehen, daß die Gottheit eine Zahl und Harmonie ist.

Käufer. Das ist erstaunlich!5)

Pythagoras. Und doch ist es lange noch nicht alles. Du wirst, zum Exempel, lernen, daß du selbst, der für eine einzelne Person passirt, ein andrer zu seyn scheinst und ein anderer bist.

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Der Verkauf u. s. w. Ich gestehe daß dieser Dialog, den alle mir bekannten Übersetzer und Commentatoren Lukians für eines seiner vorzüglichsten Werke erklären, in meinen Augen eines seiner schlechtesten ist, und daß ich ihn weder, wie Jensius, longe facetissimum finde, noch, mit dem Englischen Übersetzer D. Fränklin (der hierin das Echo des ehrlichen Moses dü Soul ist) der Meinung bin, »daß Lukian in diesem Dialog die absurden Meinungen, Eigenheiten und Grundsätze jeder Secte mit unendlicher Laune durchgezogen habe.« Die erste und wesentlichste Eigenschaft eines satyrischen Werkes ist, daß dem Verspotteten kein Unrecht geschehe. Das Lächerliche muß in der Sache liegen, nicht vorsetzlich hineingebracht, oder dem Belachten hinter seinem Rücken aufgeheftet werden. Witz und Laune können auch wohl bloßes Persiflage in einer fröhlichen Stunde unterhaltend machen: aber dann muß es wenigstens unschuldig seyn. In diesem Aufsatze hat sich Lukian gegen die Philosophen alles erlaubt; Verdrehung und Verfälschung ihrer Lehrsätze, geflissentliche Mißdeutungen, elende Volkssagen und Mährchen, kein Mittel ist ihm zu schlecht, um die größten und vortreflichsten Männer aus dieser Classe, selbst einen Pythagoras, Sokrates, Plato, Demokritus, Aristoteles, dem Spott eines ungelehrten Leserpöbels Preis zu geben. Ob das bißchen attisches Salz, womit alle diese Scurrilitäten bestreut sind, und das Beyspiel des Aristophanes, der sich an Sokrates auf ähnliche Art, wiewohl mit unendlich mal mehr Witz und Laune versündigte, hinlänglich sey, einen solchen Muthwillen zu entschuldigen, kann doch wohl keine Frage seyn; und wie unzulänglich sich Lukian selbst deßwegen gerechtfertigt habe, werden wir aus dem folgenden Stücke (Das Schiff oder die Wünsche; in vorliegender Auswahl nicht enthalten) sehen. Übrigens setzt dieser Dialog einige Bekanntschaft mit der Geschichte der Griechischen Philosophie bey den Lesern voraus, deren Mangel durch Anmerkungen nur sehr unzulänglich ersetzt werden könnte.
 
Im Griechischen: den Sohn des Krösus, welcher taub und stumm gebohren war. Herodot I. 34 u. 85.
 
weil die Zahl vier, drey, zwey und eins in sich begreift, und diese vier Zahlen zusammengenommen zehn ausmachen.
 
Dieß wird durch die Figur anschaulich, worin jede Seite des durch sie construirten Dreyecks vier oder eine Tetras ist.
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Es würde einen allzuweitläuftigen Commentar erfordern, wenn ich, um den Pythagoras gegen diese Plattitüden zu rechtfertigen, mich in eine Erklärung seines Systems und seiner philosophischen Sprache (die überdieß ein noch unaufgelößtes Räthsel ist) einlassen wollte. Lukian (dem es, bemerktermaßen, nur darum zu thun ist den Pythagoras zu schicaniren und lächerlich zu machen, ohne sich darum zu bekümmern, wieviel oder wenig er ihm Unrecht dabey thut) nimmt z. B. das Wort Zahl hier in der gewöhnlichen Bedeutung: Pythagoras hingegen gebrauchte dieses Wort, (aus Ursachen, die nicht dieses Ortes sind) um dasjenige was wir das Wesen der Dinge nennen zu bezeichnen. Die Zahlen worüber Lukian spottet sind also nicht arithmetische, sondern intelligible Zahlen, und wenn in der Pythagorischen Sprache Gott eine Zahl, oder die Zahl aller Zahlen heist, so ist dieß im Grunde weder mehr noch weniger, als wenn wir ihn, mit einem eben so unbegreiflichen Ausdruck, das Wesen der Wesen nennen.

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