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Leonardos Werkstatt - ein Vorläufer der modernen Lehrlingsausbildung

Ein Blick in die Werkstätte der Renaissance in Italien

Im Florenz des 15. Jahrhunderts entstanden Gilden oder Zünfte, die als "Künste" bezeichnet wurden und die in die "höheren Künste" (die "edlen" Berufe) und in die "niederen Künste" (die einfacheren Handwerke wie Schmied, Schuhmacher, Steinmetz) unterteilt wurden. Besonders bedeutend waren die Gilden der Händler, der Geldwechsler und Bankiers, während die "niederen Künste", die keinen gesellschaftlichen Aufstieg erlaubten, weit unter diesen Gilden standen.

Als unehelich geborener Sohn von Ser Piero blieb Leonardo da Vinci der Zugang zur Universität versperrt. Er hatte keine Möglichkeit, den Beruf seines Vaters, der Notar war, zu ergreifen, sondern mußte einen handwerklichen Beruf erlernen, der weit unter der sozialen Stellung des Berufes seines Vaters angesiedelt war.

Auch für Maler, Bildhauer und Steinmetze galt die Zunft als Organisationseinheit. Zünfte hatten mehrere Funktionen. Sie regelten die Beziehungen zwischen Dienstherren, Meistern, Gesellen und Lehrlingen und bestimmten die Qualitätsmaßstäbe. Bedürftigen Mitgliedern liehen oder spendeten sie Geld, das aus Mitgliedsbeiträgen oder Vermächtnissen zusammenkam. Die Zünfte veranstalteten auch Gottesdienste zu Ehren des jeweiligen Schutzpatrons. Ein beliebter Patron für Malerzünfte war der hl. Lukas, da er angeblich ein Portrait der Jungfrau Maria gemalt hatte.

In Padua und Venedig z. B. hatten die Maler eine eigene Zunft; an anderen Orten waren sie Teil einer größeren Zunft. In Florenz gehörten sie zur Zunft der "Ärzte und Apotheker", besaßen allerdings eine eigene Bruderschaft oder Gilde, die "Compagnia di San Luca" oder "Lukas - Bruderschaft", der auch Leonardo im Jahr 1472 beitrat.

Die Statuten der Malerzunft von Venedig aus dem 13. Jahrhundert, die auch während des 15. und 16. Jahrhunderts ihre Gültigkeit bewahrten, legten fest, daß ein Handwerker 5 bis 7 Jahre als Lehrling (garzone) und 2 bis 3 Jahre als Geselle (lavorante) arbeiten mußte, bevor er "promovieren", ein Meisterstück anfertigen und Meister (maestro) werden durfte, mit dem Recht, selbst eine Werkstatt zu eröffnen. Die Lehrzeit betrug somit mindestens 7 und höchstens 10 Jahre.

Im allgemeinen gehörten Lehrlinge zur erweiterten Familie ihres Meisters, wohnten in seinem Haus, wurden von ihm verköstigt und mit Kleidern versehen. Manchmal wurde der Meister für seine Unterweisung bezahlt.

Die Werkstatt unterschied sich allgemein kaum von der eines Handwerkers. Bei der sogenannten "bottega" handelte es sich meist um einen engen Raum, den keinerlei Glas nach außen hin abschloß. Die Unterkunft befand sich im rückwärtigen Teil oder im ersten Stockwerk. An den Wänden hingen Werkzeuge zwischen Skizzen, Plänen und Modellen der in Arbeit befindlichen Aufträge.

Junge Lehrlinge und Assistenten arbeiteten dort gleichzeitig an verschiedenen Aufgaben. Für die Maler bestand ein wichtiger Teil ihrer Ausbildung darin, die Zeichnungen in der Sammlung der Werkstatt zu studieren und nachzuahmen, was zur Vereinheitlichung des Stils der Werkstatt und zur Bewahrung ihrer Tradition führte.

Leonardos Lehrmeister und eigene Werkstätte

Ab 1469 ging Leonardo bei dem Goldschmied Verrocchio in die Lehre. In dieser Werkstatt brachte Leonardo 12 bis 13 Jahre seines Lebens zu. Auch hier folgte der Unterricht den Prinzipien der Ausbildung zum Handwerker. Die Lehrlinge, die vor allem deshalb eingestellt wurden, weil sie billige Arbeitskräfte waren oder für ihre Ausbildung bezahlten, begannen mit den niedrigsten Arbeiten: Besorgungen machen, den Boden fegen, Pinsel reinigen, den Gips anrühren.

Sie qualifizierten und verbesserten sich allmählich durch Nachahmung, indem sie die Handreichungen der älteren Lehrlinge kopierten und die traditionellen Regeln befolgten.

Auch Leonardo mußte sich seinem Meister Verrocchio gegenüber fügen. Er absolvierte nicht nur zur Gänze einen normalen Ausbildungsgang, sondern blieb auch, nachdem er selbst Meister geworden war, mehrere Jahre lang als Mitarbeiter bei ihm.

1490 gründete Leonardo seine eigene Werkstatt, in die er Helfer und Lehrlinge aufnahm. Auch hier wurde nach den Prinzipien der "bottega" gearbeitet. Im 15. Jahrhundert unterschied sich der toskanische Künstler in seiner Produktion und in seiner Lebensweise kaum von einem einfachen Handwerksmann. Selten wurde ein Werkstück signiert, auch wenn es noch so originell war. Der Künstler arbeitete fast immer mit einer Gruppe zusammen. Oft beauftragte er einen Schüler mit der Fertigstellung eines Werkes, an dem er selbst monatelang gearbeitet hatte.

Leonardo pflegte auch an den Porträts seiner Schüler Hand anzulegen. Der "Mann in der Brera" mit der Inschrift "Vita si scias uti longa est", muß z. B. das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Schüler und Meister sein. Angesichts dieser in Leonardos Werkstatt befolgten Methode ist es schwierig, den jeweils beschäftigten Schüler festzustellen, zumal die Belege für deren individuellen Stil sehr spärlich sind. Boltraffio ist einer der wenigen Schüler, deren späteres Werk manchen Rückschluß darauf erlaubt, was er in Leonardos Werkstatt gemalt haben könnte.

Zu Leonardos Lieblingsschülern zählte Giacomo, den er im Jahr 1490 aufnahm und dem er den Spitznamen "Salai" gab. Obwohl der Junge diebisch und verlogen war, schloß ihn Leonardo in sein Herz.

Der Werkstättenbetrieb zu Leonardos Zeit erinnert an die Lehrlingsausbildung von heute. Auch heute erfolgt die Ausbildung nach besonderen Ausbildungsverordnungen, die die Ausbildungsdauer (2 bis 3 Jahre), das Ausbildungsprogramm und die Prüfungsanforderungen festlegen. Nach Absolvierung der Lehrzeit erfolgt die Gesellenprüfung und nach einer 3 bis 5 jährigen Tätigkeit ist der Geselle zur Meisterprüfung zugelassen. Wer sie bestanden hat ist dazu berechtigt, den Meistertitel zu führen.

Quellen:
Peter Burke. Die Renaissance in Italien. Berlin, 1992.
Serge Bramly. Leonardo da Vinci. Hamburg, 1995.
Kenneth Clark. Leonardo da Vinci. Hamburg 1969.

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Alle Rechte an den Texten hat wahrscheinlich das Historische Museum Schottenstift in Wien. Für jegliche Veröffentlichungen waren die Texte als Pressedokumentation kostenlos im Internet verfügbar.

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