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Leonardos Werkstatt - eine "HTL" der Renaissance

Flugmaschinen, Getriebe, Schwungräder - vor 500 Jahren erfunden, heute unverzichtbar

Die künstlerische und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Welt führte bei Leonardo da Vinci zu zahlreichen Erfindungen und Visionen. Diese Neuerungen, die zum Teil von seinen Zeitgenossen nicht verstanden oder sogar abgelehnt wurden, fanden erst später, manchmal erst im 20. Jahrhundert, ihre Realisierung.

Leonardos Ideen und Entwürfe für Maschinen waren ein Beitrag zur Erleichterung vieler Aufgaben, die in seiner Umgebung zu bewältigen waren. Unter Erhaltung von Gleichförmigkeit und Präzision sollte die Arbeit schneller und leichter durchführbar sein. Als Berater von Staatsoberhäuptern, Heerführern und Adelsfamilien wirkte Leonardo als Konstrukteur, Ingenieur, Architekt, Geologe und Meister des Artilleriewesens. Anhand seiner Zeichnungen läßt sich der Stand der mechanischen Künste im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts bestimmen.

Leonardo ging bei Verrocchio, der Goldschmied, Maler, Dekorateur und Bildhauer war, in die Lehre. Verrocchios Werkstatt wurde den vielfältigsten Anforderungen gerecht. Diese Werkstatt, in der Leonardo 12 oder 13 Jahre seines Lebens zubrachte, glich weniger dem Atelier eines Künstlers im klassischen Sinn, sondern viel eher der Werkstatt eines Handwerkers. Diese bestand meist aus einer sogenannten "bottega", einem gedrängten, gekälkten Raum, den keinerlei Glas nach außen abschloß. Die Unterkunft befand sich entweder im rückwärtigen Teil oder im ersten Stockwerk. An den Wänden hingen - zwischen Skizzen, Plänen und Modellen - die unterschiedlichsten Werkzeuge. Junge Lehrlinge und Assistenten - die gewöhnlich unter dem Dach des Meisters wohnten und mit ihm an einem Tisch aßen - arbeiteten dort gleichzeitig an verschiedenen Aufgaben.

In seiner Produktion sowie in seiner Lebensweise unterschied sich der toskanische Künstler des 15. Jahrhunderts kaum von einem einfachen Handwerksmann. Selbst ein erlesenes oder besonders originelles Werkstück wurde nur in seltenen Fällen signiert. Die Kategorie des schöpferischen Individuums war ihm fremd. Fast immer arbeitete er mit einer Gruppe zusammen - er überließ es gern einem Schüler, ein Werk zu vollenden, an dem er monatelang gearbeitet hatte.

Die Schüler sollten die Zeichnungen in der Sammlung der Werkstatt studieren und kopieren, was zur Vereinheitlichung des Stils der Werkstatt beitrug. Werkstatt-zeichnungen, z. B. solche von Maschinen, waren mitunter in einem Code beschriftet, um sie geheimzuhalten. Leonardo hatte seinerseits die Gewohnheit, in Spiegelschrift von rechts nach links zu schreiben.

Der Unterricht, der in der "bottega" erteilt wurde, entsprach den Prinzipien der Ausbildung zum Handwerker. Die Lehrlinge sollten innerhalb der "bottega" auf traditionelle Weise lernen, sich der Disziplin und dem Geist eines Meisters unterzuordnen.

Auch Leonardo lernte von seinem Meister Verrocchio. Während Leonardos Lehrzeit goß Verrocchios Werkstatt die große Kupferkugel für die "Laterne des Duomo". Leonardo hatte hier die Gelegenheit, sich mit den Problemen technischer Natur vertraut zu machen. Er erwarb Kenntnisse in Physik und Mechanik.

Im Alter von 30 Jahren verfaßte Leonardo einen Brief an Lodovico Sforza, in dem er ihm seine Dienste und seine vielfältigen Talente anbot. Die Aufzählung der etwa 36 unterschiedlichen Fertigkeiten kann als Maßstab für Leonardos Interessen zu jener Zeit gelten. 30 der genannten Fertigkeiten sind technischer Natur, sechs gehören zum Bereich der Kunst.

Tausende von Zeichnungen und Studien aus der Geometrie, der Mechanik und dem Ingenieurwesen verweisen auf Leonardos Forschungsdrang. Sein Interesse galt vor allem der gesteigerten Leistungskraft von Maschinen. Während dem Techniker heute Energiequellen wie Gas, Strom oder Verbrennungsmotor zur Verfügung stehen, machte Leonardo das Fehlen einer solchen Kraftquelle ständig zu schaffen. Aus diesem Grund suchte er nach neuen Möglichkeiten, Hin- und Herbewegung in

eine Drehbewegung umzusetzen, das wesentliche Element aller Maschinen. Zu diesem Zweck experimentierte er mit Zahngesperre, Getrieben, Nocken, Flaschenzügen, Kurbeln und Zahnrädern; bediente sich der Wind- und Muskelkraft, des Federantriebs und des Schwungrades.

1490 gründete Leonardo seine eigene Werkstatt, in die er Helfer und Lehrlinge aufnahm. Seine Geldknappheit war unter anderem bedingt durch die notwendige Aufrechterhaltung des Betriebes in seiner Werkstatt. Leonardos Werkstatt in Mailand muß Handwerker aller Art umfaßt haben, um seine verschiedenartigen Aufträge für die Sforza auszuführen und viele seiner Schüler waren beispielsweise Maschinenbauer, Schlosser und Glasschneider.

Als eifrigem Bewunderer der Schriften Aristoteles, hegte Leonardo den Wunsch, all seine Erfindungen in die Form einer Universalenzyklopädie zu gießen, um sie so der Nachwelt weiterzugeben. Seine Erkenntnisse reichten vom Gebiet der Technik, vom Bau neuartiger Kriegsgeräte über die Hydraulik bis zum Entwurf von Flugmaschinen über den Bereich der Optik bis zu Geologie und Anatomie. Leonardos Studien der Mechanik liefern den Gelehrten heute ein äußerst umfangreiches Corpus der Technik der Renaissance.

Quellen:
Serge Bramly. Leonardo da Vinci. Hamburg, 1995.
Peter Burke. Die Renaissance in Italien. Berlin, 1992.
Kenneth Clark. Leonardo da Vinci. Hamburg, 1969.
Charles Gibbs-Smith. Die Erfindungen von Leonardo da Vinci. Stuttgart, 1988.
Anton Neumayr. Kunst und Medizin. Wien, 1996.

 

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Alle Rechte an den Texten hat wahrscheinlich das Historische Museum Schottenstift in Wien. Für jegliche Veröffentlichungen waren die Texte als Pressedokumentation kostenlos im Internet verfügbar.

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