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Wir brauchen Nestbeschmutzer

Lafontaine, Drewermann, Effenberg: Der Psychoanalytiker Arno Gruen über die Notwendigkeit von Querulanten und Provokateuren

Warum reagieren viele Parteigänger und politische Freunde so geschockt auf Lafontaines jüngstes Buch?

Lafontaine hat eine Abrechnung geschrieben. Er benennt Personen, er benennt Umstände, und er äußert sich vehement zu den Gefahren, die die fortschreitende Globalisierung für den menschlichen Umgang in dieser Gesellschaft mit sich bringt. Natürlich schrieb er dieses Buch, weil er auf seine Art eigenmächtig denkt, weil er arrogant und überzeugt ist von sich selbst. Das gilt aber für alle Politiker. Wenn endlich jemand offen sagt, was zu sagen ist, dann schockiert das alle. Lafontaine wird also zu einem Nestbeschmutzer gemacht, denn er spricht offen aus, was viele in seiner Partei dachten, wussten oder ahnten.

Man schlägt den Sack und meint den Esel.

Genau so ist es. Lafontaine beschreibt Dinge, von denen man ahnt, dass er Recht haben könnte und die deswegen Angst verursachen. Es wird ihm vorgeworfen, er beschmutze seine eigene Partei und den Bundeskanzler. Darum geht es gar nicht. Es geht darum, dass uns jemand die Arbeit abgenommen hat, den Finger auf die Wunde zu legen, was ja eigentlich etwas Positives sein sollte. Das aber goutieren wir nicht, denn damit hält er uns den Spiegel unserer eigenen Unfähigkeit vor.

Welcher Unfähigkeit?

Der Unfähigkeit von uns, diese Probleme selbst zu benennen, weil wir Angst davor haben, mit uns selbst oder anderen ins Gericht zu gehen. Lafontaine ist ja der Einzige gewesen, der von Anfang an gesagt hat, was die Globalisierung den Menschen antut. Er wagt es zu sagen, dass Profit nicht der einzige Gott sein soll, sondern der Mensch sollte auch wichtig sein. Damit verstößt er ja gegen das Gängige. Mit seinem Buch - dieser Aktion - hat er einen Spiegel aufgestellt, in den jetzt jeder - ob Parteifreund oder Publikum - schaut und sieht: Aha, da hatte einer den Mut, aufzustehen und nicht sitzen zu bleiben. Wissen Sie eigentlich, wie viele Menschen davon träumen, es Lafontaine gleichzutun? Doch sie trauen sich nicht.

Warum nicht?

Ein Kindheitsproblem. Was wir sehr früh wahrgenommen haben, beeinflusst entscheidend unsere Haltung zu Mut, Ehrlichkeit uns selbst gegenüber und zu jener Kraft, die uns aus dem warmen Sessel treibt, auch wenn's draußen zieht. Wie passiert das? Als Kind fühlen wir auf fast instinktive Art und Weise, wie unsere Mutter, wie unser Vater fühlt. Streiten sich die beiden oder merkt das Kind, dass etwas nicht stimmt, hat es das Bedürfnis zu trösten. Doch allermeistens schickt die Mutter das Kind weg. Denn sie kann sich nicht vorstellen, wie ein kleines Kind sie trösten kann. Obwohl das Kind also merkt, etwas ist mit Mutter und Vater nicht in Ordnung, wird ihm klargemacht, dass man es nicht brauche. Die Reaktion ist: Das Kind muss seine eigenen Gefühle verleugnen. Dies führt zu verheerenden Verwerfungen. Es opfert also das eigene Gefühl und wird, ohne es zu wollen, zum Opfer. Zu diesem Beispiel gesellen sich im Kinderleben einige hundert, und irgendwann hat sich ein Kokon aus Opferhaltungen manifestiert, der, hübsch verdrängt, darauf lauert, auseinander zu brechen.

Aber zu den Opfern gehören die Täter. Wo bleiben die?

Die Gesichter der Täter verschwimmen. Der Ursprung sind natürlich die Eltern und andere Erzieher, dann aber die gesellschaftlichen Mechanismen wie jener der Globalisierung. Aber wenn ein Lafontaine, der katholische Erneuerer Drewermann, eine Rosa Luxemburg - ja bis hin zu Jesus Christus - auf den Plan treten, werden sie zu Stellvertretern jener Täter, die uns einmal zu Opfern werden ließen. Man will sich rächen. Das Gefühl wohnt vielen von uns inne. Die öffentlichen Reaktionen auf jene Personen kennt jeder.

Drewermann und Lafontaine leben noch.

Im Geiste von manchem sind sie erledigt. Wer an den Hebeln von institutioneller Macht sitzt und dabei seine menschlichen Instinkte vom Gefühl des Miteinanders unterdrückt, sagt sich ab einem bestimmten Moment: »Weg mit unbequemen Leuten! Aufräumen mit Hirngespinsten! Sauberen Tisch machen mit Querulanten!«

Wie klar sind diese Organigramme wirklich?

Sehr klar. Denn sie verheißen Ablenkung von der eigenen Unfähigkeit, sich noch infrage stellen zu können. Die Technokraten ohne Mitgefühl sind überall. Mitgefühl meint ja nicht, dass man nicht sachlich ist, im Gegenteil: Die Sachlichkeit der Globalisierung ist ja so immens, dass wichtige Aspekte unserer Wahrnehmung, wie die Bedürfnisse nach Wärme und Mitmenschlichkeit, einfach ausgeschaltet werden. In diesem Sinne würde ich sagen, dass Lafontaine eben so sachlich ist, zu erkennen, dass er seinen Wahrnehmungsbereich vergrößern musste, um als Ökonom für Wirtschaft und Menschen gleichermaßen zu arbeiten.

Hatte Lafontaine in seiner Kindheit auch zu kämpfen? Ein bisschen nach Rache riecht sein Buch ja auch.

Der Mann ist kein Engel. Natürlich will er Popularität. Und natürlich will er Macht. Aber seine Wahrnehmungsbereitschaft ist offenbar größer als die der anderen. Mir ist es egal, ob er Opfer wurde in der Kindheit. Ich weiß nur, dass er den Mumm hatte, aufzustehen und zu gehen. Und er hatte den Mumm, Meinungen zu vertreten, die nicht opportun sind heute. Schlagworte wie Globalisierung, Turbokapitalismus und Rendite werden mittlerweile gebraucht wie Bibelzitate damals. Bleibt das menschliche Mitgefühl auf der Strecke, werden psychische Verwerfungen entstehen, die das Zusammenleben nicht einfacher machen. Das hat Lafontaine erkannt.

Aber er steht als Verlierer da.

Kommt drauf an, auf welcher Seite man steht. In der subjektiven Wahrnehmung der Nesthocker, bei Lafontaines SPD, sicher ja. Die Querdenker, also die Mutigen, sehen sich natürlich positiv. Er kann sagen, ich habe meine Ideale nicht verraten. Aber was ist mit dem normalen Menschen auf der Straße? Den will man ja als Provokateur auch erreichen. Man will den Mut weitergeben. In einer Londoner Studie über niedere Beamte fanden Psychologen heraus, dass die Herzprobleme, Krebsleiden und psychischen Verwerfungen ungleich höher sind als bei denen, die bereits Karriere gemacht haben.

Warum?

Sie müssen mehr einstecken, als sie austeilen dürfen. Doch bei Befragungen stellte sich heraus: Sie merken es gar nicht, wie sehr sie darunter leiden. Sie sagen, es sei normal so. Diese Menschen, von denen ich rede, sind dieselben, die sich über die Provokateure in einer Gesellschaft erregen. Wenn jemand sagt, was er wirklich denkt, meint, fühlen wir uns bedroht. Man wird so zum wahren Verlierer. Es ist eben nicht viel anders als die Geschichte vom Kaiser ohne Kleider: Alle bewundern diesen Mann, wie er nackt - eine Provokation sondergleichen - durch die Stadt geht, doch nur ein kleines Kind sagt: Kuckt mal, der ist ja nackt. Sofort stürzen sich die Menschen auf das Kind, um ihm den Mund zu verbieten. In diesem Sinne hat auch Lafontaine sein Buch platziert: Runter mit den Fratzen!

Hat denn jede Gesellschaft den Nestbeschmutzer, den sie verdient?

Hübsche Frage, sie klingt so zwingend. Aber ist sie auch logisch?

Na, wenn man in der Geschichte zurückgeht, fallen einem doch ...

... andere Querulanten und Provokateure ein? Einigen wir uns darauf, dass man sie braucht, denn die erhalten die Menschheit aufrecht. Im Alten Testament, waren es die Propheten, die diese Rolle spielten. Sie versuchten immer wieder, die Menschen auf den rechten Weg zu bringen. Sie waren kritisch, sie wurden gehasst. Sie waren die ersten Quertreiber zu Beginn unserer Zeitrechnung.

Aber sie gelten uns als Heilige ...

... in gewisser Weise werden Lafontaine und Drewermann, die Kommunisten zur Zeit Hitlers, selbst Schindler, solch Etikett bekommen. Menschen, die uns zum Denken und zur Selbstkonfrontation führen können, müssen nicht heilig gesprochen werden. Es reicht, was sie leisten. Ich denke an Abraham Lincoln, den Präsidenten während des amerikanischen Bürgerkriegs. Er wurde von vielen als Nestbeschmutzer gesehen. Lincoln verfügte, dass Deserteure, die vom Schlachtfeld geflohen waren, nicht zum Tode verurteilt wurden. Es gab eine schreckliche Aufregung. Er sagte: »Wer von uns würde denn nicht Angst vor einem Schlachtfeld haben?« Und: »Eines Tages, wenn ich dieses Amt niederlege, wird es nicht darauf ankommen, wie viele Freunde ich habe, sondern ob ich noch mit mir selbst Freund sein kann.« Alles Menschen, die nicht einfach nur auf Image, auf Rollenspiel trainiert waren. Mir fallen auch Bischof Tutu, Willy Brandt und Eugen Drewermann ein. Drewermann ist auch einer von denjenigen, die die Wahrheit sprechen. Aber die Position, die er einnimmt, gefährdet ihn bei der bürokratischen Kirche. Das ist der Grund, warum auch er als Nestbeschmutzer dargestellt wird. Es geht ihm nicht darum, wie andere ihn sehen.

Wie groß ist denn die Chance, dass aus einer Provokation auch eine Veränderung erwächst?

Die Menschen müssen in den Spiegel sehen und sich fragen: Bleibe ich mir treu? Jesus Christus ist ein fabelhaftes Beispiel. Er hat ja auch nicht aufgegeben, er blieb sich selbst treu, noch am Kreuz. Obwohl uns die Kirche andauernd mit ihrer Bürokratie und ihrem Konservatismus konfrontiert, gab es immer wieder Kirchenleute, Christen, die bei ihrer eigenen Wahrnehmung, ihren ureigensten menschlichen Bedürfnissen blieben. Tiefenpsychologische Untersuchungen haben ergeben, dass etwa 30 Prozent aller Menschen ausschließlich Liebe und Entgegenkommen in ihrer Kindheit erlebt haben.

Und 70 Prozent sind Neurotiker?

Mit diesem Wort bin ich vorsichtig.

Aber ...

... ich weiß, was Sie denken. Und ich widerspreche Ihnen auch nicht. In den USA haben viele Soldaten nach dem Vietnamkrieg einen so genannten post-traumatic-Stress entwickelt. Etwa drei Viertel der Veteranen brachen irgendwann nach dem Ende des Krieges mit dieser Krankheit zusammen. Die anderen hatten sich, aufgrund ihrer stabilen Erziehung, einfach nicht an Gräueltaten und Massenvergewaltigungen beteiligt. Die gleiche Untersuchung wurde an Zivilisten gemacht, eine der größten Studien überhaupt. Auch dort ergab sich die Zahl, dass diejenigen, die ein gesundes selbstkritisches Empfinden haben, sich infrage stellen konnten, liebevolle Eltern hatten und selbst liebevolle Eltern wurden. Eine dritte Studie, die diese - geringe - Zahl psychisch Stabiler untermauert, wurde mit tausend deutschen Kriegsgefangenen gemacht. Fast 70 Prozent von ihnen waren entweder Hardcore-Nazis, Mitläufer oder deutsche Patrioten. Der »glückliche« Rest machte gerade mal ein Viertel aus. Übrigens steht dieser Zahl auch eine andere gegenüber. Nämlich die, die keine eigene Identität entwickelt haben, die nach Führungspositionen gieren. Das sind immerhin auch 30 Prozent innerhalb einer Gesellschaft. Das sind die Leute, die uns Angst machen sollten. Das sind auch diejenigen, die immer andere Opfer suchen, um sich selbst als aufrecht gehend zu erleben. Die Lafontaine jetzt als Nestbeschmutzer sehen, müssen sich fragen lassen, ob sie nicht zu dieser Klientel gehören.

Woher kommt das Phänomen des Beifalls für Lafontaine oder Drewermann nach dem Motto: Wir haben schon immer gewusst, die SPD ist ein übler Haufen, die katholische Kirche erst recht?

Beifall von der falschen Seite kommt immer von denen, die sich selbst nicht ansehen können, die kein Profil, keine Vorbilder, keine eigene Meinung haben. Diese Menschen suchen irgendwo draußen den Feind. Die Linken finden ihn bei den Rechten, die Rechten bei den Linken.

Menschen ohne Identität?

Das würde ich sagen. Das sind leider die Leute, die andauernd Radau machen. Das ist aber auch leider der Grund, warum die Bedrohung für eine demokratische Gesellschaft von denen ausgeht, die in ihrer Kindheit die wenigste Liebe erlebt haben und deswegen lernten, sich selbst zu hassen. Sie projizieren ihren Hass auf andere, fühlen sich nur wohl, wenn sie Feinde finden. Das ist auch eine der Wurzeln des Fremdenhasses. Ich denke an Haider in Österreich. Österreicher wählen jemanden, der ihnen verspricht, ja, du darfst jemanden hassen, das ist okay. Und wenn wir diesen Feind identifiziert haben, wird alles besser werden. Aber dass der Feind in uns selbst ist, ich habe es bereits erwähnt, sagt den gestörten Menschen niemand.

Also heißt das Ziel einer therapeutischen Behandlung: Stülpe den Dämon aus, und lerne, dich selbst zu lieben?

Ja, denn bei diesem Ziel haben die Hasser keine Chance, und die Lincolns, Lafontaines und Drewermanns hätten eine Chance auf faire Auseinandersetzung, und Jesus und die Luxemburgs und Liebknechts wären älter geworden.

Woran scheitert es?

Das Ziel ist ideal. Da die meisten glauben, unsere Kinderzeit liege zu lange zurück, um noch einen besonderen Wert zu haben, kommen sie nicht an die Wurzel des Übels.

Gibt es auch positive Beispiele?

Leider viel weniger. Als Kind konnte Albert Einstein nicht sprechen. Man dachte, er sei geistesgestört. Mit neun Jahren landete er deshalb bei einem Neurologen. Als er fast 70 war, erzählte er, was damals passiert war: Instinktiv hatte er erkannt, dass er durch sein Schweigen erstens keinen Fehler machen konnte und zweitens seine Kindheitssicht auf die Dinge für sich behalten konnte. Kind Albert sah die Welt so, wie er sie für wahr hielt. Einstein ist überzeugt, dass jene Welt zur Basis seiner Relativitätstheorie wurde. Das zeigt: Wird man nicht verbogen, bleibt man im Kopf klar. In einer Verhaltensstudie bei einem Volk in Guinea zeigte sich etwas anderes: Ein vierjähriger Junge bekommt ein Stück Brot. Seine zweijährige Schwester will, dass er etwas abgibt. Er gibt es ihr natürlich nicht, denn in seiner Wahrnehmung ist es seins. Sie fängt an zu weinen. Er fängt an zu weinen. Die Mutter kommt auf die Kinder zu, die jetzt lächeln. Sie nimmt dieses Stückchen Brot, teilt es in zwei. Na, was tut sie?

Sie verteilt es an beide?

Nein, typisch europäisch gedacht. Sie gibt dem Jungen beide Teile zurück. Der guckt in seine Hand - plötzlich hat er zwei Stückchen - dann steckt er das eine davon in den Mund und gibt das andere von sich aus der Kleinen. Da wir in unserer Sozialisation glauben, Kinder könnten von sich aus nicht teilen, hätten wir das Brot selbst an beide Kinder verteilt. Gelernt hätte das Kind daraus nichts, denn es muss hinnehmen. Ich fürchte, unsere Kultur engt uns von Anfang an ein und treibt uns weg von dem, was wir sein könnten.

Hier war die Mutter ein pädagogisch geschickter Schiedsrichter. Aber wer klärt die Fronten zwischen einem Provokateur und denen, die sogleich hyperventilieren?

Was wäre denn mit Joschka Fischer? Er müsste doch wissen, wie es ist, als Andersdenkender angegriffen zu werden. Aber nein, er ist ja jetzt Bestandteil der Macht. Gerhard Schröder? Der auch nicht, er ist Gefangener seines Rollenspiels: Wie sehe ich am besten aus? Die Kämpfer von einst haben sich weiterentwickelt. Die Frage ist nur: Wohin?

Dorthin, wo einst die saßen, denen sie Eier an den Kopf warfen oder im »Pflasterstrand« ordentlich einschenkten.

Wer sich wandelt, wird sich ja nicht gleich untreu. Menschen, die bei ihren Wandlungen die Hoffnungen für eine menschliche Welt behalten, dafür auch einstehen, möglichst täglich als Politiker, würde ich nicht als Anpasser bezeichnen.

Hat sich Fischer angepasst?

Er hat sich an das Machtdenken angepasst. Er ist nicht mehr da, wo er in den sechziger Jahren war. Das ist immer die Schwierigkeit für Menschen, dass, wenn sie an die Macht kommen, sie oftmals den Zugang zu ihrer menschlichen Hoffnung verlieren. Das Grausame am Kosovo-Krieg war ja, dass man handeln musste. Ob Fischer allerdings in dieser Form in den Krieg ziehen musste, bezweifle ich. Er hat der Macht gegenüber Gehorsam gezeigt - etwas, was er als Jugendlicher bekämpfte. Henry Miller hat am Beispiel Rimbauds - der Dichter war erst Revolutionär, später Sklavenhändler - dargestellt, was Rebellen wirklich wollen und was aus ihnen wird. Er sagte: »Draußen, für immer draußen, so sitzen sie auf der Türschwelle des Mutterschoßes. Sie wollen Fesseln sprengen, aber die geheime Bindung zur Mutter zehrt sie innerlich auf und lässt ihnen keine Ruhe.« Fischer gibt das ja gelegentlich schon mal zu.

Wir haben bisher nur über Männer gesprochen. Haben sich die Frauen damit abgefunden, der Gesellschaft keinen Spiegel vorhalten zu können, und finden deshalb als Provokateurinnen nicht statt?

Kurz gesagt: Frauen sind ihrem mitfühlenden, einfühlenden Teil viel näher als Männer. So ist zu erklären, dass sie eher depressiv werden als aggressiv. Sind Männer feinfühlig, sagt man »Softie« zu ihnen oder Schlappschwanz. Deshalb kämpfen Männer eher mit gewalttätigen Mitteln, das fällt auf. Wenn Frauen sich aus dem Fenster lehnen, werden sie als Feministinnen abgekanzelt. Das hat sie geprägt und entmutigt.

Die Fragen stellte Marc Kayser

Arno Gruen, 1923 in Berlin geboren, emigrierte 1936 in die USA, wo er 1961 als Psychoanalytiker promovierte. Er war als Professor und Therapeut an verschiedenen Universitäten und Kliniken tätig. Daneben führt er seit 1958 eine psychoanalytische Praxis. Er lebt und praktiziert heute in Zürich. Demnächst erscheint sein neues Buch »Der Fremde in uns«

Arno Gruen, 1923 in Berlin geboren, emigrierte 1936 in die USA, wo er 1961 als Psychoanalytiker promovierte. Er war als Professor und Therapeut an verschiedenen Universitäten und Kliniken tätig. Daneben führt er seit 1958 eine psychoanalytische Praxis. Er lebt und praktiziert heute in Zürich. Demnächst erscheint sein neues Buch »Der Fremde in uns«

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