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Es ist keine blosse Willkür, wenn wir an die Betrachtung des gesellschaftlichen Lebens die der festlichen Aufzüge und Aufführungen anknüpfen. Die kunstvolle Pracht, welche das Italien der Renaissance dabei an den Tag legt1), wurde nur erreicht durch dasselbe Zusammenleben aller Stände, welches auch die Grundlage der italienischen Gesellschaft ausmacht. Im Norden hatten die Klöster, die Höfe und die Bürgerschaften ihre besondern Feste und Aufführungen wie in Italien, allein dort waren dieselben nach Stil und Inhalt getrennt, hier dagegen durch eine allgemeine Bildung und Kunst zu einer gemeinsamen Höhe entwickelt. Die dekorierende Architektur, welche diesen Festen zu Hülfe kam, verdient ein eigenes Blatt in der Kunstgeschichte, obgleich sie uns nur noch als ein Phantasiebild gegenübersteht, das wir aus den Beschreibungen zusammenlegen müssen. Hier beschäftigt uns das Fest selber als ein erhöhter Moment im Dasein des Volkes, wobei die religiösen, sittlichen und poetischen Ideale des letztern eine sichtbare Gestalt annehmen. Das italienische Festwesen in seiner höhern Form ist ein wahrer Uebergang aus dem Leben in die Kunst. Die beiden Hauptformen festlicher Aufführung sind ursprünglich, wie überall im Abendlande, das Mysterium, d. h. die dramatisierte heilige Geschichte oder Legende und die Prozession, d. h. der bei irgendeinem kirchlichen Anlass entstehende Prachtaufzug. Nun waren in Italien schon die Aufführungen der Mysterien im ganzen offenbar prachtvoller, zahlreicher und durch die parallele Entwicklung der bildenden Kunst und der Poesie geschmackvoller als anderswo. Sodann scheidet sich aus ihnen nicht bloss wie im übrigen Abendlande zunächst die Posse aus und dann das übrige weltliche Drama, sondern frühe schon auch eine auf den schönen und reichen Anblick berechnete Pantomime mit Gesang und Ballett. Aus der Prozession aber entwickelt sich in den eben gelegenen italienischen Städten mit ihren breiten2), wohlgepflasterten Strassen der Trionfo, d. h. der Zug von Kostümierten zu Wagen und zu Fuss, erst von überwiegend geistlicher, dann mehr und mehr von weltlicher Bedeutung. Fronleichnamsprozession und Karnevalszug berühren sich hier in einem gemeinsamen Prachtstil, welchem sich dann auch fürstliche Einzüge anschliessen. Auch die übrigen Völker verlangten bei solchen Gelegenheiten bisweilen den grössten Aufwand, in Italien allein aber bildete sich eine kunstgerechte Behandlungsweise, die den Zug als sinnvolles Ganzes komponierte und ausstattete. Was von diesen Dingen heute noch in Uebung ist, kann nur ein armer Ueberrest heissen. Kirchliche sowohl als fürstliche Aufzüge haben sich des dramatischen Elementes, der Kostümierung, fast völlig entledigt, weil man den Spott fürchtet und weil die gebildeten Klassen, welche ehemals diesen Dingen ihre volle Kraft widmeten, aus verschiedenen Gründen keine Freude mehr daran haben können. Auch am Karneval sind die grossen Maskenzüge ausser Uebung. Was noch weiterlebt, wie z. B. die einzelnen geistlichen Masken bei Umzügen von Bruderschaften, ja selbst das pomphafte Rosalienfest zu Palermo, verrät deutlich, wie weit sich die höhere Bildung von diesen Dingen zurückgezogen hat.
Die volle Blüte des Festwesens tritt erst mit dem entschiedenen Siege des Modernen, mit dem 15. Jahrhundert ein3), wenn nicht etwa Florenz dem übrigen Italien auch hierin vorangegangen war. Wenigstens war man hier schon früh quartierweise organisiert für öffentliche Aufführungen, welche einen sehr grossen künstlerischen Aufwand voraussetzen. So jene Darstellung der Hölle auf einem Gerüst und auf Barken im Arno, 1. Mai 1304, wobei unter den Zuschauern die Brücke alla Carraja zusammenbrach4). Auch dass später Florentiner als Festkünstler, festaiuoli, im übrigen Italien reisen konnten5), beweist eine frühe Vervollkommnung zu Hause. Suchen wir nun die wesentlichsten Vorzüge des italienischen Festwesens gegenüber dem Auslande vorläufig auszumitteln, so steht in erster Linie der Sinn des entwickelten Individuums für Darstellung des Individuellen, d. h. die Fähigkeit, eine vollständige Maske zu erfinden, zu tragen und zu agieren. Maler und Bildhauer halfen dann bei weitem nicht bloss zur Dekoration des Ortes, sondern auch zur Ausstattung der Personen mit, und gaben Tracht, Schminke (S. 400 f.) und anderweitige Ausstattung an. Das zweite ist die Allverständlichkeit der poetischen Grundlage. Bei den Mysterien war dieselbe im ganzen Abendlande gleich gross, indem die biblischen und legendarischen Historien von vornherein jedermann bekannt waren, für alles übrige aber war Italien im Vorteil. Für die Rezitationen einzelner heiliger oder profan-idealer Gestalten besass es eine volltönende lyrische Poesie, welche Gross und Klein gleichmässig hinreissen konnte6). Sodann verstand der grösste Teil der Zuschauer (in den Städten) die mythologischen Figuren und erriet wenigstens leichter als irgendwo die allegorischen und geschichtlichen, weil sie einem allverbreiteten Bildungskreise entnommen waren. Dies bedarf einer nähern Bestimmung. Das ganze Mittelalter war die Zeit des Allegorisierens in vorzugsweisem Sinne gewesen; seine Theologie und Philosophie behandelte ihre Kategorien dergestalt als selbständige Wesen7), dass Dichtung und Kunst es scheinbar leicht hatten, dasjenige beizufügen, was noch zur Persönlichkeit fehlte. Hierin stehen alle Länder des Okzidents auf gleicher Stufe; aus ihrer Gedankenwelt können sich überall Gestalten erzeugen, nur dass Ausstattung und Attribute in der Regel rätselhaft und unpopulär ausfallen werden. Letzteres ist auch in Italien häufig der Fall, und zwar selbst während der ganzen Renaissance und noch über dieselbe hinaus. Es genügt dazu, dass irgendein Prädikat der betreffenden allegorischen Gestalt auf unrichtige Weise durch ein Attribut übersetzt werde. Selbst Dante ist durchaus nicht frei von solchen falschen Uebertragungen8), und aus der Dunkelheit seiner Allegorien überhaupt hat er sich bekanntlich eine wahre Ehre gemacht9). Petrarca in seinen Trionfi will wenigstens die Gestalten des Amor, der Keuschheit, des Todes, der Fama usw. deutlich, wenn auch in Kürze schildern. Andere dagegen überladen ihre Allegorien mit lauter verfehlten Attributen. In den Satiren des Vinciguerra10) z. B. wird der Neid mit »rauhen eisernen Zähnen«, die Gefrässigkeit als sich auf die Lippen beissend, mit wirrem, struppigem Haar usw. geschildert, letzteres wahrscheinlich, um sie als gleichgültig gegen alles, was nicht Essen ist, zu bezeichnen. Wie übel sich vollends die bildende Kunst bei solchen Missverständnissen befand, können wir hier nicht erörtern. Sie durfte sich wie die Poesie glücklich schätzen, wenn die Allegorie durch eine mythologische Gestalt, d. h. durch eine vom Altertum her vor der Absurdität gesicherte Kunstform ausgedrückt werden konnte, wenn statt des Krieges Mars, statt der Jagdlust Diana11) usw. zu gebrauchen war. Nun gab es in Kunst und Dichtung auch besser gelungene Allegorien, und von denjenigen Figuren dieser Art, welche bei italienischen Festzügen auftraten, wird man wenigstens annehmen dürfen, dass das Publikum sie deutlich und sprechend charakterisiert verlangte, weil es durch seine sonstige Bildung angeleitet war, dergleichen zu verstehen. Auswärts, zumal am burgundischen Hofe, liess man sich damals noch sehr undeutsame Figuren, auch blosse Symbole gefallen, weil es noch eine Sache der Vornehmheit war, eingeweiht zu sein oder zu scheinen. Bei dem berühmten Fasanengelübde von 145312) ist die schöne junge Reiterin, welche als Freudenkönigin daherzieht, die einzige erfreuliche Allegorie; die kolossalen Tischaufsätze mit Automaten und lebendigen Personen sind entweder blosse Spielereien oder mit einer platten moralischen Zwangsauslegung behaftet. In einer nackten weiblichen Statue am Büfett, die ein lebendiger Löwe hütete, sollte man Konstantinopel und seinen künftigen Retter, den Herzog von Burgund ahnen. Der Rest, mit Ausnahme einer Pantomime (Jason in Kolchis), erscheint entweder sehr tiefsinnig oder ganz sinnlos; der Beschreiber des Festes, Olivier selbst, kam als »Kirche« kostümiert in dem Turme auf dem Rücken eines Elefanten, den ein Riese führte, und sang eine lange Klage über den Sieg der Ungläubigen13).
Wenn aber auch die Allegorien der italienischen Dichtungen, Kunstwerke und Feste an Geschmack und Zusammenhang im ganzen höher stehen, so bilden sie doch nicht die starke Seite. Der entscheidende Vorteil14) lag vielmehr darin, dass man hier ausser den Personifikationen des Allgemeinen auch historische Repräsentanten desselben Allgemeinen in Menge kannte, daß man an die dichterische Aufzählung wie an die künstlerische Darstellung zahlreicher berühmter Individuen gewöhnt war. Die Göttliche Komödie, die Trionfi des Petrarca, die Amorosa Visione des Boccaccio - lauter Werke, welche hierauf gegründet sind -, ausserdem die ganze grosse Ausweitung der Bildung durch das Altertum hatten die Nation mit diesem historischen Element vertraut gemacht. Und nun erschienen diese Gestalten auch bei Festzügen entweder völlig individualisiert, als bestimmte Masken, oder wenigstens als Gruppen, als charakteristisches Geleite einer allegorischen Hauptfigur oder Hauptsache. Man lernte dabei überhaupt gruppenweise komponieren, zu einer Zeit, da die prachtvollsten Aufführungen im Norden zwischen unergründliche Symbolik und buntes, sinnloses Spiel geteilt waren.
Wir beginnen mit der vielleicht ältesten Gattung, den Mysterien1). Sie gleichen im ganzen denjenigen des übrigen Europa; auch hier werden auf öffentlichen Plätzen, in Kirchen, in Klosterkreuzgängen grosse Gerüste errichtet, welche oben ein verschließbares Paradies, ganz unten bisweilen eine Hölle enthalten und dazwischen die eigentliche Scena, welche sämtliche irdische Lokalitäten des Dramas nebeneinander darstellt; auch hier beginnt das biblische oder legendarische Drama nicht selten mit einem theologischen Vordialog von Aposteln, Kirchenvätern, Propheten, Sibyllen und Tugenden und schliesst je nach Umständen mit einem Tanz. Dass die halbkomischen Intermezzi von Nebenpersonen in Italien ebenfalls nicht fehlen, scheint sich von selbst zu verstehen, doch tritt dies Element nicht so derb hervor wie im Norden16). Für das Auf- und Niederschweben auf künstlichen Maschinen, einen Hauptreiz aller Schaulust, war in Italien wahrscheinlich die Uebung viel grösser als anderswo, und bei den Florentinern gab es schon im 14. Jahrhundert spöttische Reden, wenn die Sache nicht ganz geschickt ging17). Bald darauf erfand Brunellesco für das Annunziatenfest auf Piazza S. Felice jenen unbeschreiblich kunstreichen Apparat einer von zwei Engelkreisen umschwebten Himmelskugel, von welcher Gabriel in einer mandelförmigen Maschine niederflog, und Cecca gab Ideen und Mechanik für ähnliche Feste an18).
Die geistlichen Brüderschaften oder die Quartiere, welche die Besorgung und zum Teil die Aufführung selbst übernahmen, verlangten je nach Massgabe ihres Reichtums wenigstens in den grössern Städten den Aufwand aller erreichbaren Mittel der Kunst. Eben dasselbe darf man voraussetzen, wenn bei grossen fürstlichen Festen neben dem weltlichen Drama oder der Pantomime auch noch Mysterien aufgeführt werden. Der Hof des Pietro Riario (S. 137), der von Ferrara usw. liessen es dabei gewiss nicht an der ersinnlichsten Pracht fehlen19). Vergegenwärtigt man sich das szenische Talent und die reichen Trachten der Schauspieler, die Darstellung der Oertlichkeiten durch ideale Dekorationen des damaligen Baustils, durch Laubwerk und Teppiche, endlich als Hintergrund die Prachtbauten der Piazza einer grossen Stadt oder die lichten Säulenhallen eines Palasthofes, eines grossen Klosterhofes, so ergibt sich ein überaus reiches Bild.
Wie aber das weltliche Drama eben durch eine solche Ausstattung zu Schaden kam, so ist auch wohl die höhere poetische Entwicklung des Mysteriums selber durch dieses unmässige Vordrängen der Schaulust gehemmt worden. In den erhaltenen Texten findet man ein meist sehr dürftiges dramatisches Gewebe mit einzelnen schönen lyrisch-rhetorischen Stellen, aber nichts von jenem grossartigen symbolischen Schwung, der die »Autos sagramentales« eines Calderon auszeichnet. Bisweilen mag in kleinern Städten, bei ärmerer Ausstattung, die Wirkung dieser geistlichen Dramen auf das Gemüt eine stärkere gewesen sein. Es kommt vor20), daß einer jener grossen Bussprediger, von welchen im letzten Abschnitt die Rede sein wird, Roberto da Lecce, den Kreis seiner Fastenpredigten während der Pestzeit 1448 in Perugia mit einer Karfreitagsaufführung der Passion beschliesst; nur wenige Personen traten auf, aber das ganze Volk weinte laut. Freilich kamen bei solchen Anlässen Rührungsmittel zur Anwendung, welche dem Gebiet des herbsten Naturalismus entnommen waren. Es bildet eine Parallele zu den Gemälden eines Matteo da Siena, zu den Tongruppen eines Guido Mazzoni, wenn der den Christus vorstellende Autor mit Striemen bedeckt und scheinbar Blut schwitzend, ja aus der Seitenwunde blutend auftreten musste21).
Die besondern Anlässe zur Aufführung von Mysterien, abgesehen von gewissen grossen Kirchenfesten, fürstlichen Vermählungen usw. sind sehr verschieden. Als z. B. S. Bernardino von Siena durch den Papst heilig gesprochen wurde (1450), gab es, wahrscheinlich auf dem grossen Platz seiner Vaterstadt, eine Art von dramatischer Nachahmung (rappresentazione) seiner Kanonisation22), nebst Speise und Trank für jedermann. Oder ein gelehrter Mönch feiert seine Promotion zum Doktor der Theologie durch Aufführung der Legende des Stadtpatrons23). König Karl VIII. war kaum nach Italien hinabgestiegen, als ihn die Herzogin Witwe Blanca von Savoyen zu Turin mit einer Art von halbgeistlicher Pantomime empfing24), wobei zuerst eine Hirtenszene »das Gesetz der Natur«, dann ein Zug der Erzväter »das Gesetz der Gnade« vorzustellen zensiert war; darauf folgten die Geschichten des Lancelot vom See, und die »von Athen«. Und so wie der König nur in Chieri anlangte, wartete man ihm wieder mit einer Pantomime auf, die ein Wochenbette mit vornehmem Besuch darstellte. Wenn aber irgendein Kirchenfest einen allgemeinen Anspruch auf die höchste Anstrengung hatte, so war es Fronleichnam, an dessen Feier sich ja in Spanien jene besondere Gattung von Poesie (S. 442) anschloss. Für Italien besitzen wir wenigstens die pomphafte Schilderung des Corpus Domini, welches Pius II. 1462 in Viterbo abhielt25).
Der Zug selber, welcher sich von einem kolossalen Prachtzelt vor S. Francesco durch die Hauptstrasse nach dem Domplatz bewegte, war das wenigste dabei; die Kardinäle und reichern Prälaten hatten den Weg stückweise unter sich verteilt und nicht nur für fortlaufende Schattentücher, Mauerteppiche26), Kränze u. dgl. gesorgt, sondern lauter eigene Schaubühnen errichtet, wo während des Zuges kurze historische und allegorische Szenen aufgeführt wurden. Man ersieht aus dem Bericht nicht ganz klar, ob alles von Menschen oder einiges von drapierten Figuren dargestellt wurde27), jedenfalls war der Aufwand sehr gross.
Da sah man einen leidenden Christus zwischen singenden Engelknaben; ein Abendmahl in Verbindung mit der Gestalt des S. Thomas von Aquino; den Kampf des Erzengels Michael mit den Dämonen; Brunnen mit Wein und Orchester von Engeln; ein Grab des Herrn mit der ganzen Szene der Auferstehung; endlich auf dem Domplatz das Grab der Maria, welches sich nach dem Hochamt und dem Segen eröffnete; von Engeln getragen schwebte die Mutter Gottes singend nach dem Paradies, wo Christus sie krönte und dem ewigen Vater zuführte. In der Reihe jener Szenen an der Hauptstrasse sticht diejenige des Kardinal Vizekanzlers Roderigo Borgia - des spätern Alexander VI. - besonders hervor durch Pomp und dunkle Allegorie28). Ausserdem tritt dabei die damals beginnende Vorliebe für festlichen Kanonendonner29) zutage, welche dem Haus Borgia noch ganz besonders eigen war. Kürzer geht Pius II. hinweg über die in demselben Jahr zu Rom abgehaltene Prozession mit dem aus Griechenland erworbenen Schädel des h. Andreas. Auch dabei zeichnete sich Roderigo Borgia durch besondere Pracht aus, sonst aber hatte das Fest etwas Profanes, indem sich ausser den nie fehlenden Musikengeln auch noch andere Masken zeigten, auch »starke Männer«, d. h. Herkulesse, welche allerlei Turnkünste mögen vorgebracht haben.
Die rein oder überwiegend weltlichen Aufführungen waren besonders an den grössern Fürstenhöfen ganz wesentlich auf die geschmackvolle Pracht des Anblicks berechnet, dessen einzelne Elemente in einem mythologischen und allegorischen Zusammenhang standen, soweit ein solcher sich gerne und angenehm erraten liess. Das Barocke fehlte nicht; riesige Tierfiguren, aus welchen plötzlich Scharen von Masken herauskamen, wie z. B. bei einem fürstlichen Empfang (1465) zu Siena30) aus einer goldenen Wölfin ein ganzes Ballett von zwölf Personen hervorstieg; belebte Tafelaufsätze, wenn auch nicht in der sinnlosen Dimension wie beim Herzog von Burgund (S. 439); das meiste aber hatte einen künstlerischen und poetischen Zug.
Die Vermischung des Dramas mit der Pantomime am Hofe von Ferrara wurde bereits bei Anlass der Poesie (S. 348) geschildert. Weltberühmt waren dann die Festlichkeiten, welche Kardinal Pietro Riario 1473 in Rom gab, bei der Durchreise der zur Braut des Prinzen Ercole von Ferrara bestimmten Lianora von Aragon31). Die eigentlichen Dramen sind hier noch lauter Mysterien kirchlichen Inhalts, die Pantomimen dagegen mythologisch; man sah Orpheus mit den Tieren, Perseus und Andromeda, Ceres von Drachen, Bacchus und Ariadne von Panthern gezogen, dann die Erziehung des Achill; hierauf ein Ballett der berühmten Liebespaare der Urzeit und einer Schar von Nymphen; dieses wurde unterbrochen durch einen Ueberfall räuberischer Kentauren, welche dann Herkules besiegte und von dannen jagte. Eine Kleinigkeit, aber für den damaligen Formensinn bezeichnend, ist folgende: Wenn bei allen Festen lebende Figuren als Statuen in Nischen, auf und an Pfeilern und Triumphbogen vorkamen und sich dann doch mit Gesang und Deklamation als lebend erwiesen, so waren sie dazu durch natürliche Farbe und Gewandung berechtigt; in den Sälen des Riario aber fand sich unter andern ein lebendes und doch völlig vergoldetes Kind, welches aus einem Brunnen Wasser um sich spritzte32).
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