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Der höchste Stolz des Humanisten endlich ist die neulateinische Dichtung. Soweit sie den Humanismus charakterisieren hilft, muss auch sie hier behandelt werden.
Wie vollständig sie das Vorurteil für sich hatte, wie nahe ihr der entschiedene Sieg stand, wurde oben (S. 278) dargetan. Man darf von vornherein überzeugt sein, dass die geistvollste und meistentwickelte Nation der damaligen Welt nicht aus blosser Torheit, nicht ohne etwas Bedeutendes zu wollen, in der Poesie auf eine Sprache verzichtete wie die italienische ist. Eine übermächtige Tatsache muss sie dazu bestimmt haben.
Dies war die Bewunderung des Altertums. Wie jede echte, rückhaltlose Bewunderung erzeugte sie notwendig die Nachahmung. Auch in andern Zeiten und bei andern Völkern finden sich eine Menge vereinzelter Versuche nach diesem nämlichen Ziele hin, nur in Italien aber waren die beiden Hauptbedingungen der Fortdauer und Weiterbildung für die neulateinische Poesie vorhanden: ein allseitiges Entgegenkommen bei den Gebildeten der Nation und ein teilweises Wiedererwachen des antiken italischen Genius in den Dichtern selbst, ein wundersames Weiterklingen eines uralten Saitenspiels. Das Beste, was so entsteht, ist nicht mehr Nachahmung, sondern eigene freie Schöpfung. Wer in den Künsten keine abgeleiteten Formen vertragen kann, wer entweder schon das Altertum selber nicht schätzt oder es im Gegenteil für magisch unnahbar und unnachahmlich hält, wer endlich gegen Verstösse keine Nachsicht übt bei Dichtern, welche z. B. eine Menge Silbenquantitäten neu entdecken oder erraten mussten, der lasse diese Literatur beiseite. Ihre schönern Werke sind nicht geschaffen, um irgendeiner absoluten Kritik zu trotzen, sondern um den Dichter und viele Tausende seiner Zeitgenossen zu erfreuen1).
Am wenigsten Glück hatte man mit dem Epos aus Geschichten und Sagen des Altertums. Die wesentlichen Bedingungen einer lebendigen epischen Poesie werden bekanntlich nicht einmal den römischen Vorbildern, ja ausser Homer nicht einmal den Griechen zuerkannt; wie hätten sie sich bei den Lateinern der Renaissance finden sollen. Indes möchte doch die Africa des Petrarca im ganzen so viele und so begeisterte Leser und Hörer gefunden haben als irgendein Epos der neuern Zeit. Absicht und Entstehung des Gedichtes sind nicht ohne Interesse. Das 14. Jahrhundert erkannte mit ganz richtigem Gefühl in der Zeit des Zweiten Punischen Krieges die Sonnenhöhe des Römertums, und diese wollte und musste Petrarca behandeln. Wäre Silius Italicus schon entdeckt gewesen, so hätte er vielleicht einen andern Stoff gewählt, in dessen Ermangelung aber lag die Verherrlichung des ältern Scipio Africanus dem 14. Jahrhundert so nahe, dass schon ein anderer Dichter, Zanobi di Strada, sich diese Aufgabe gestellt hatte; nur aus Hochachtung für Petrarca zog er sein bereits vorgerücktes Gedicht zurück2). Wenn es irgendeine Berechtigung für die Africa gab, so lag sie darin, dass sich damals und später jedermann für Scipio interessierte, als lebte er noch, dass er für grösser galt als Alexander, Pompejus und Cäsar3). Wie viele neuere Epopöen haben sich eines für ihre Zeit so populären, im Grunde historischen und dennoch für die Anschauung mythischen Gegenstandes zu rühmen? An sich ist das Gedicht jetzt freilich ganz unlesbar. Für andere historische Sujets müssen wir auf die Literaturgeschichten verweisen.
Reicher und ausgiebiger war schon das Weiterdichten am antiken Mythus, das Ausfüllen der poetischen Lücken in demselben. Hier griff auch die italienische Dichtung früh ein, schon mit der Teseide des Boccaccio, welche als dessen bestes poetisches Werk gilt. Lateinisch dichtete Maffeo Vegio unter Martin V. ein dreizehntes Buch zur Aeneide; dann finden sich eine Anzahl kleinerer Versuche zumal in der Art des Claudian, eine Meleagris, eine Hesperis usw. Das Merkwürdigste aber sind die neu ersonnenen Mythen, welche die schönsten Gegenden Italiens mit einer Urbevölkerung von Göttern, Nymphen, Genien und auch Hirten erfüllen, wie denn überhaupt hier das Epische und das Bukolische nicht mehr zu trennen sind. Dass in den bald erzählenden, bald dialogischen Eklogen seit Petrarca das Hirtenleben schon beinah völlig4) konventionell, als Hülle beliebiger Phantasien und Gefühle behandelt ist, wird bei späterm Anlass wieder hervorzuheben sein; hier handelt es sich nur um die neuen Mythen. Deutlicher als sonst irgendwo verrät es sich hier, dass die alten Götter in der Renaissance eine doppelte Bedeutung haben: einerseits ersetzen sie allerdings die allgemeinen Begriffe und machen die allegorischen Figuren unnötig, zugleich aber sind sie auch ein freies, selbständiges Element der Poesie, ein Stück neutrale Schönheit, welches jeder Dichtung beigemischt und stets neu kombiniert werden kann. Keck voran ging Boccaccio mit seiner imaginären Götter- und Hirtenwelt der Umgebung von Florenz, in seinem Ninfale d'Ameto und Ninfale fiesolano, welche italienisch gedichtet sind. Das Meisterwerk aber möchte wohl der Sarca des Pietro Bembo5) sein: die Werbung des Flussgottes jenes Namens um die Nymphe Garda, das prächtige Hochzeitsmahl in einer Höhle am Monte Baldo, die Weissagungen der Manto, Tochter des Tiresias, von der Geburt des Kindes Mincius, von der Gründung Mantuas und vom künftigen Ruhme des Virgil, der als Sohn des Mincius und der Nymphe von Andes, Maja, geboren werden wird. Zu diesem stattlichen humanistischen Rokoko fand Bembo sehr schöne Verse und eine Schlussanrede an Virgil, um welche ihn jeder Dichter beneiden kann. Man pflegt dergleichen als blosse Deklamation gering zu achten, worüber, als über eine Geschmackssache, mit niemanden zu rechten ist.
Ferner entstanden umfangreiche epische Gedichte biblischen und kirchlichen Inhaltes in Hexametern. Nicht immer bezweckten die Verfasser damit eine kirchliche Beförderung oder die Erwerbung päpstlicher Gunst; bei den Besten, und auch bei Ungeschicktern wie Battista Mantuano, dem Verfasser der Parthenice, wird man ein ganz ehrliches Verlangen voraussetzen dürfen, mit ihrer gelehrten lateinischen Poesie dem Heiligen zu dienen, womit freilich ihre halbheidnische Auffassung des Katholizismus nur zu wohl zusammenstimmte. Gyraldus zählt ihrer eine Anzahl auf, unter welchen Vida mit seiner Christiade, Sannazaro mit seinen drei Gesängen »De partu Virginis« in erster Reihe stehen. Sannazaro imponiert durch den gleichmässigen gewaltigen Fluss, in welchen er Heidnisches und Christliches ungescheut zusammendrängt, durch die plastische Kraft der Schilderung, durch die vollkommen schöne Arbeit. Er hatte sich nicht vor der Vergleichung zu fürchten, als er die Verse von Virgils vierter Ekloge in den Gesang der Hirten an der Krippe verflocht. Im Gebiet des Jenseitigen hat er da und dort einen Zug dantesker Kühnheit, wie z. B. König David im Limbus der Patriarchen sich zu Gesang und Weissagung erhebt, oder wie der Ewige thronend in seinem Mantel, der von Bildern alles elementaren Daseins schimmert, die himmlischen Geister anredet. Andere Male bringt er unbedenklich die alte Mythologie mit seinem Gegenstande in Verbindung, ohne doch eigentlich barock zu erscheinen, weil er die Heidengötter nur gleichsam als Einrahmung benutzt, ihnen keine Hauptrollen zuteilt. Wer das künstlerische Vermögen jener Zeit in seinem vollen Umfange kennen lernen will, darf sich gegen ein Werk wie dieses nicht abschliessen. Sannazaros Verdienst erscheint um so viel grösser, da sonst die Vermischung von Christlichem und Heidnischem in der Poesie viel leichter stört als in der bildenden Kunst; letztere kann das Auge dabei beständig durch irgendeine bestimmte, greifbare Schönheit schadlos halten und ist überhaupt von der Sachbedeutung ihrer Gegenstände viel unabhängiger als die Poesie, indem die Einbildungskraft bei ihr eher an der Form, bei der Poesie eher an der Sache weiterspinnt. Der gute Battista Mantuano in seinem6) Festkalender hatte einen andern Ausweg versucht; statt Götter und Halbgötter der heiligen Geschichte dienen zu lassen, bringt er sie, wie die Kirchenväter taten, in Gegensatz zu derselben; während der Engel Gabriel zu Nazareth die Jungfrau grüsst, ist ihm Mercur vom Karmel her nachgeschwebt und lauscht nun an der Pforte; dann berichtet er das Gehörte den versammelten Göttern und bewegt sie damit zu den äussersten Entschlüssen. Andere Male7) freilich müssen bei ihm Thetis, Ceres, Aeolus usw. wieder der Madonna und ihrer Herrlichkeit gutwillig untertan sein.
Sannazaros Ruhm, die Menge seiner Nachahmer, die begeisterte Huldigung der Grössten jener Zeit - dies alles zeigt, wie sehr er seinem Jahrhundert nötig und wert war. Für die Kirche beim Beginn der Reformation löste er das Problem: völlig klassisch und doch christlich zu dichten, und Leo sowohl als Clemens sagten ihm lauten Dank dafür.
Endlich wurde in Hexametern oder Distichen auch die Zeitgeschichte behandelt, bald mehr erzählend, bald mehr panegyrisch, in der Regel aber zu Ehren eines Fürsten oder Fürstenhauses. So entstand eine Sphorcias, eine Borseïs, eine Borgias, eine Triultias usw., freilich mit gänzlichem Verfehlen des Zweckes, denn wer irgend berühmt und unsterblich geblieben ist, der blieb es nicht durch diese Art von Gedichten, gegen welche die Welt einen unvertilgbaren Widerwillen hat, selbst wenn sich gute Dichter dazu hergeben. Ganz anders wirken kleinere, genreartig und ohne Pathos ausgeführte Einzelbilder aus dem Leben der berühmten Männer, wie z. B. das schöne Gedicht von Leos X. Jagd bei Palo8) oder die »Reise Julius II.« von Hadrian von Corneto (S. 151). Glänzende Jagdschilderungen jener Art gibt es auch von Ercole Strozza, von dem eben genannten Hadrian u. a. m., und es ist schade, wenn sich der moderne Leser durch die zugrunde liegende Schmeichelei abschrecken oder erzürnen lässt. Die Meisterschaft der Behandlung und der bisweilen nicht unbedeutende geschichtliche Wert sichern diesen anmutigen Dichtungen ein längeres Fortleben als manche jetzt namhafte Poesien unserer Zeit haben dürfen.
Im ganzen sind diese Sachen immer um so viel besser, je massiger die Einmischung des Pathetischen und Allgemeinen ist. Es gibt einzelne kleinere epische Dichtungen von berühmten Meistern, die durch barockes mythologisches Dreinfahren unbewusst einen unbeschreiblich komischen Eindruck hervorbringen. So das Trauergedicht des Ercole Strozza9) auf Cesare Borgia (S. 145 f.). Man hört die klagende Rede der Roma, welche all ihre Hoffnung auf die spanischen Päpste Calixt III. und Alexander VI. gesetzt hatte und dann Cesare für den Verheissenen hielt, dessen Geschichte durchgegangen wird bis zur Katastrophe des Jahres 1503. Dann frägt der Dichter die Muse, welches in jenem Augenblick10) die Ratschlüsse der Götter gewesen, und Erato erzählt: auf dem Olymp nahmen Pallas für die Spanier, Venus für die Italiener Partei; beide umfassten Jupiters Knie, worauf er sie küsste, begütigte und sich ausredete, er vermöge nichts gegen das von den Parzen gesponnene Schicksal, die Götterverheissungen würden sich aber erfüllen durch das Kind vom Hause Este-Borgia11); nachdem er die abenteuerliche Urgeschichte beider Familien erzählt, beteuert er, dem Cesare so wenig die Unvergänglichkeit schenken zu können als einst - trotz grosser Fürbitten - einem Memnon oder Achill; endlich schliesst er mit dem Troste, Cesare werde vorher noch im Krieg viele Leute umbringen. Nun geht Mars nach Neapel und bereitet Krieg und Streit, Pallas aber eilt nach Nepi und erscheint dort dem kranken Cesare unter der Gestalt Alexanders VI.; nach einigen Vermahnungen, sich zu schicken und sich mit dem Ruhme seines Namens zu begnügen, verschwindet die päpstliche Göttin »wie ein Vogel«.
Man verzichtet indes unnützerweise auf einen bisweilen grossen Genuss, wenn man alles perhorresziert, worein antike Mythologie wohl oder übel verwoben ist; bisweilen hat die Kunst diesen an sich konventionellen Bestandteil so sehr geadelt als in Malerei und Skulptur. Auch fehlt es sogar für den Liebhaber nicht an Anfängen der Parodie (S. 189 f.) z. B. in der Macaroneide, wozu dann das komische Götterfest des Giovanni Bellini bereits eine Parallele bildet.
Manche erzählende Gedichte in Hexametern sind auch blosse Exerzitien oder Bearbeitungen von Relationen in Prosa, welche letztere der Leser vorziehen wird, wo er sie findet. Am Ende wurde bekanntlich alles, jede Fehde und jede Zeremonie, besungen, auch von den deutschen Humanisten der Reformationszeit12). Indes würde man Unrecht tun, dies bloss dem Müssiggang und der übergrossen Leichtigkeit im Versemachen zuzuschreiben. Bei den Italienern wenigstens ist es ein ganz entschiedener Ueberfluss an Stilgefühl, wie die gleichzeitige Masse von italienischen Berichten, Geschichtsdarstellungen und selbst Pamphleten in Terzinen beweist. So gut Niccolò da Uzzano sein Plakat mit einer neuen Staatsverfassung, Macchiavelli seine Uebersicht der Zeitgeschichte, ein Dritter das Leben Savonarolas, ein Vierter die Belagerung von Piombino durch Alfons den Grossen13) usw. in diese schwierige italienische Versart gossen, um eindringlicher zu wirken, ebensogut mochten viele andere für ihr Publikum des Hexameters bedürfen, um es zu fesseln. Was man in dieser Form vertragen konnte und begehrte, zeigt am besten die didaktische Poesie. Diese nimmt im 16. Jahrhundert einen ganz erstaunlichen Aufschwung, um das Goldmachen, das Schachspiel, die Seidenzucht, die Astronomie, die venerische Seuche u. dgl. in Hexametern zu besingen, wozu noch mehrere umfassende italienische Dichtungen kommen. Man pflegt dergleichen heutzutage ungelesen zu verdammen, und inwiefern diese Lehrgedichte wirklich lesenswert sind, wüssten auch wir nicht zu sagen14). Eins nur ist gewiss, dass Epochen, die der unsrigen an Schönheitssinn unendlich überlegen waren, dass die spätgriechische und die römische Welt und die Renaissance die betreffende Gattung von Poesie nicht entbehren konnten. Man mag dagegen einwenden, dass heute nicht der Mangel an Schönheitssinn, sondern der grössere Ernst und die universalistische Behandlung alles Lehrenswerten die poetische Form ausschlossen, was wir auf sich beruhen lassen.
Eines dieser didaktischen Werke wird noch jetzt hie und da wieder aufgelegt: der Zodiacus des Lebens, von Marcellus Palingenius, einem ferraresischen Kryptoprotestanten. An die höchsten Fragen von Gott, Tugend und Unsterblichkeit knüpft der Verfasser die Besprechung vieler Verhältnisse des äussern Lebens und ist von dieser Seite auch eine nicht zu verachtende sittengeschichtliche Autorität. Im wesentlichen jedoch geht sein Gedicht schon aus dem Rahmen der Renaissance heraus, wie denn auch, seinem ernsten Lehrzweck gemäss, bereits die Allegorie der Mythologie den Rang abläuft.
Pontificem addiderat, flaminis lustralibus omneis Corporis ablutum labes, Diis Juppiter ipsis etc. |
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