Startseite - Impressum - Datenschutzerklärung - News - Kraft tanken - Spirituelles - Kunst - Technik - Literatur - Kultur - Politik - Architektur - Spaß - Psychologie - Spiele - Fotos + Animationen - Gästebuch - Persönliches - Blog - susannealbers - mein Youtube Kanal - erstes Rätsel - Renaissance Forum - Chat - Quiz - Rätselverzeichnis - Wie alles begann ... - Zufallsrätsel - Zufallsspiel - letztes Rätsel
Galerie - A - B - C - D - E - F- G - H - I - J - K - L - M - N - O - P - Q - R - S - T - U - V - W - X - Y - Z |
Wie nun die meisten italienischen Staaten in ihrem Innern Kunstwerke, d. h. bewusste, von der Reflexion abhängige, auf genau berechneten sichtbaren Grundlagen ruhende Schöpfungen waren, so musste auch ihr Verhältnis zueinander und zum Ausland ein Werk der Kunst sein. Dass sie fast sämtlich auf ziemlich neuen Usurpationen beruhen, ist für ihre auswärtigen Beziehungen so verhängnisvoll wie für das Innere. Keiner erkennt den andern ohne Rückhalt an; dasselbe Glücksspiel, welches bei Gründung und Befestigung der eigenen Herrschaft gewaltet hat, mag auch gegen den Nachbar walten. Hängt es doch gar nicht immer von dem Gewaltherrscher ab, ob er ruhig sitzen wird oder nicht. Das Bedürfnis, sich zu vergrössern, sich überhaupt zu rühren, ist allen Illegitimen eigen. So wird Italien die Heimat einer »auswärtigen Politik«, welche dann allmählich auch in andern Ländern die Stelle eines anerkannten Rechtszustandes vertreten hat. Die völlig objektive, von Vorurteilen wie von sittlichen Bedenken freie Behandlung der internationalen Dinge erreicht bisweilen eine Vollendung, in welcher sie elegant und grossartig erscheint, während das Ganze den Eindruck eines bodenlosen Abgrundes hervorbringt.
Diese Ränke, Liguen, Rüstungen, Bestechungen und Verrätereien machen zusammen die äussere Geschichte des damaligen Italiens aus. Lange Zeit war besonders Venedig der Gegenstand allgemeiner Anklagen, als wollte es ganz Italien erobern oder allgemach so herunterbringen, dass ein Staat nach dem andern ihm ohnmächtig in die Arme fallen müsse1). Bei näherm Zusehen wird man jedoch inne, dass dieser Weheruf sich nicht aus dem Volk, sondern aus der Umgebung der Fürsten und Regierungen erhebt, welche fast sämtlich bei ihren Untertanen schwer verhasst sind, während Venedig durch sein leidlich mildes Regiment ein allgemeines Zutrauen geniesst2). Auch Florenz, mit seinen knirschenden Untertanenstädten, fand sich Venedig gegenüber in mehr als schiefer Stellung, selbst wenn man den Handelsneid und das Fortschreiten Venedigs in der Romagna nicht in Betracht zog. Endlich brachte es die Liga von Cambray (S. 96) wirklich dahin, denjenigen Staat zu schwächen, den ganz Italien mit vereinten Kräften hätte stützen sollen.
Allein auch alle übrigen versehen sich des Allerschlimmsten zu einander, wie das eigene böse Gewissen es jedem eingibt, und sind fortwährend zum Aeussersten bereit. Lodovico Moro, die Aragonesen von Neapel, Sixtus IV. hielten in ganz Italien die allergefährlichste Unruhe wach, der Kleinern zu geschweigen. Hätte sich dieses entsetzliche Spiel nur auf Italien beschränkt! Allein die Natur der Dinge brachte es mit sich, dass man sich nach fremder Intervention und Hülfe umsah, hauptsächlich nach Franzosen und Türken.
Zunächst sind die Bevölkerungen selber durchweg für Frankreich eingenommen. Mit einer grauenerregenden Naivetät gesteht Florenz von jeher seine alte guelfische Sympathie für die Franzosen ein3). Und als Karl VIII. wirklich im Süden der Alpen erschien, fiel ihm ganz Italien mit einem Jubel zu, welcher ihm und seinen Leuten selber ganz wunderlich vorkam4). In der Phantasie der Italiener (man denke an Savonarola) lebte das Idealbild eines grossen, weisen und gerechten Retters und Herrschers, nur war es nicht mehr wie bei Dante der Kaiser, sondern der capetingische König von Frankreich. Mit seinem Rückzug war die Täuschung im ganzen dahin, doch hat es noch lange gedauert, bis man einsah, wie vollständig Karl VIII., Ludwig XII. und Franz I. ihr wahres Verhältnis zu Italien verkannten und von welch untergeordneten Beweggründen sie sich leiten liessen. Anders als das Volk suchten die Fürsten sich Frankreichs zu bedienen. Als die französisch-englischen Kriege zu Ende waren, als Ludwig XI. seine diplomatischen Netze nach allen Seiten hin auswarf, als vollends Karl von Burgund sich in abenteuerlichen Plänen wiegte, da kamen ihnen die italienischen Kabinette von allen Seiten entgegen, und die französische Intervention musste früher oder später eintreten, auch ohne die Ansprüche auf Neapel und Mailand, so gewiss als sie z. B. in Genua und Piemont schon längst stattgefunden hatte. Die Venezianer erwarteten sie schon 14625). Welche Todesangst Herzog Galeazzo Maria von Mailand während des Burgunderkrieges ausstand, als er, scheinbar sowohl mit Ludwig XI. als mit Karl verbündet, den Ueberfall beider fürchten musste, zeigt seine Korrespondenz6) in schlagender Weise. Das System eines Gleichgewichtes der vier italienischen Hauptstaaten, wie Lorenzo magnifico es verstand, war doch nur das Postulat eines lichten, optimistischen Geistes, welcher über frevelnde Experimental-Politik wie über florentinischen Guelfen-Aberglauben hinaus war und sich bemühte, das beste zu hoffen. Als Ludwig XI. ihm im Kriege gegen Ferrante von Neapel und Sixtus IV. Hülfstruppen anbot, sagte er: »Ich vermag noch nicht, meinen Nutzen der Gefahr ganz Italiens vorzuziehen; wollte Gott, es fiele den französischen Königen niemals ein, ihre Kräfte in diesem Lande zu versuchen! Wenn es dazu kommt, so ist Italien verloren7).« Für andere Fürsten dagegen ist der König von Frankreich abwechselnd Mittel oder Gegenstand des Schreckens, und sie drohen mit ihm, sobald sie aus irgendeiner Verlegenheit keinen bequemern Ausweg wissen. Vollends glaubten die Päpste, ohne alle eigene Gefahr mit Frankreich operieren zu dürfen, und Innocenz VIII. meinte noch, er könne schmollend sich nach dem Norden zurückziehen, um von da mit einem französischen Heere als Eroberer nach Italien zurückzukehren8).
Denkende Menschen sahen also die fremde Eroberung schon lange vor dem Zuge Karls VIII. voraus9). Und als Karl wieder über die Alpen zurück war, lag es recht klar vor aller Augen, dass nunmehr eine Aera der Interventionen begonnen habe. Fortan verflicht sich Unglück mit Unglück, man wird zu spät inne, dass Frankreich und Spanien, die beiden Hauptintervenienten, inzwischen moderne Grossmächte geworden sind, dass sie sich nicht mehr mit oberflächlichen Huldigungen begnügen können, sondern um Einfluss und Besitz in Italien auf den Tod kämpfen müssen. Sie haben angefangen, den zentralisierten italienischen Staaten zu gleichen, ja dieselben nachzuahmen, nur in kolossalem Masstab. Die Absichten auf Länderraub und Ländertausch nehmen eine Zeitlang einen Flug ins Unbedingte hinaus. Das Ende aber war bekanntlich ein totales Uebergewicht Spaniens, welches als Schwert und Schild der Gegenreformation auch das Papsttum in eine lange Abhängigkeit brachte. Die traurige Reflexion der Philosophen bestand dann einzig darin, nachzuweisen, wie alle die, welche die Barbaren gerufen, ein schlechtes Ende genommen hätten.
Offen und ohne alle Scheu setzte man sich im 15. Jahrhundert auch mit den Türken in Verbindung; es schien dies ein Mittel politischer Wirkung wie ein anderes. Der Begriff einer solidarischen »abendländischen Christenheit« hatte schon im Verlauf der Kreuzzüge bisweilen bedenklich gewankt, und Friedrich II. mochte demselben bereits entwachsen sein, allein das erneute Vordringen des Orients, die Not und der Untergang des griechischen Reiches hatte im ganzen wieder die frühere Stimmung der Abendländer (wenn auch nicht ihren Eifer) erneuert. Hievon macht Italien eine durchgängige Ausnahme; so gross der Schrecken vor den Türken und die wirkliche Gefahr sein mochte, so ist doch kaum eine bedeutendere Regierung, welche nicht irgendeinmal frevelhaft mit Mohammed II. und seinen Nachfolgern einverstanden gewesen wäre gegen andere italienische Staaten. Und wo es nicht geschah, da traute es doch jeder dem andern zu - es war noch immer nicht so schlimm als was z. B. die Venezianer dem Thronerben Alfons von Neapel Schuld gaben, dass er Leute geschickt habe, um die Zisternen von Venedig zu vergiften10). Von einem Verbrecher wie Sigismondo Malatesta erwartete man nichts Besseres, als dass er die Türken nach Italien rufen möchte11). Aber auch die Aragonesen von Neapel, welchen Mohammed - angeblich von andern italienischen Regierungen12) aufgereizt - eines Tages Otranto wegnahm, hetzten hernach den Sultan Bajazeth II. gegen Venedig13). Ebendasselbe liess sich Lodovico Moro zuschulden kommen; »das Blut der Gefallenen und der Jammer der bei den Türken Gefangenen schreit gegen ihn zu Gott um Rache«, sagt der Annalist des Staates. In Venedig, wo man alles wusste, war es auch bekannt, dass Giovanni Sforza, Fürst von Pesaro, der Vetter des Moro, die nach Mailand reisenden türkischen Gesandten beherbergt hatte14). Von den Päpsten des 15. Jahrhunderts sind die beiden ehrenwertesten, Nicolaus V. und Pius II., in tiefstem Kummer wegen der Türken gestorben, letzterer sogar unter den Anstalten einer Kreuzfahrt, die er selber leiten wollte; ihre Nachfolger dagegen veruntreuen die aus der ganzen Christenheit gesammelten Türkengelder und entweihen den darauf gegründeten Ablass zu einer Geldspekulation für sich15). Innocenz VIII. gibt sich zum Kerkermeister des geflüchteten Prinzen Dschem her, gegen ein von dessen Bruder Bajazeth II. zu zahlendes Jahrgeld, und Alexander VI. unterstützt in Konstantinopel die Schritte des Lodovico Moro zur Förderung eines türkischen Angriffes auf Venedig (1498), worauf ihm dieses mit einem Konzil droht16). Man sieht, dass das berüchtigte Bündnis Franz I. mit Soliman II. nichts in seiner Art Neues und Unerhörtes war.
Uebrigens gab es auch einzelne Bevölkerungen, welchen sogar der Uebergang an die Türken nicht mehr als etwas besonders Schreckliches erschien. Selbst wenn sie nur gegen drückende Regierungen damit gedroht haben sollten, so wäre dies doch ein Zeichen, dass man mit dem Gedanken halbenweges vertraut geworden war. Schon um 1480 gibt Battista Mantovano deutlich zu verstehen, dass die meisten Anwohner der adriatischen Küste etwas der Art voraussehen und dass namentlich Ancona es wünsche17). Als die Romagna unter Leo X. sich sehr bedrückt fühlte, sagte einst ein Abgeordneter von Ravenna dem Legaten Kardinal Giulio Medici ins Gesicht: »Monsignore, die erlauchte Republik Venedig will uns nicht, um keinen Streit mit der Kirche zu bekommen, wenn aber der Türke nach Ragusa kommt, so werden wir uns ihm übergeben18).«
Angesichts der damals schon begonnenen Unterjochung Italiens durch die Spanier ist es ein leidiger, aber doch gar nicht grundloser Trost, dass nunmehr das Land wenigstens vor der Barbarisierung durch die Türkenherrschaft geschützt war19). Sich selber hätte es bei der Entzweiung seiner Herrschaft schwerlich vor diesem Schicksal bewahrt.
Wenn man nach all diesem von der damaligen italienischen Staatskunst etwas Gutes sagen soll, so kann sich dies nur auf die objektive, vorurteilslose Behandlung solcher Fragen beziehen, welche nicht durch Furcht, Leidenschaft oder Bosheit bereits getrübt waren. Hier gibt es kein Lehnswesen im nordischen Sinne mit künstlich abgeleiteten Rechten, sondern die Macht, welche jeder besitzt, besitzt er (in der Regel) wenigstens faktisch ganz. Hier gibt es keinen Geleitsadel, welcher im Gemüt der Fürsten den abstrakten Ehrenpunkt mit all seinen wunderlichen Folgerungen aufrecht hielte, sondern Fürsten und Ratgeber sind darin eins, dass nur nach der Lage der Dinge, nach den zu erreichenden Zwecken zu handeln sei. Gegen die Menschen, die man benützt, gegen die Verbündeten, woher sie auch kommen mögen, existiert kein Kastenhochmut, der irgend jemanden abschrecken könnte, und zu allem Ueberfluss redet der Stand der Condottieren, wo die Herkunft völlig gleichgültig ist, vernehmlich genug von der wirklichen Macht. Endlich kennen die Regierungen, als gebildete Despoten, ihr eigenes Land und die Länder ihrer Nachbarn ungleich genauer, als ihre nordischen Zeitgenossen die ihrigen, und berechnen die Leistungsfähigkeit von Freund und Feind in ökonomischer wie in moralischer Hinsicht bis ins einzelste; sie erscheinen, trotz den schwersten Irrtümern, als geborene Statistiker.
Mit solchen Menschen konnte man unterhandeln, man konnte sie zu überzeugen, d. h. durch tatsächliche Gründe zu bestimmen hoffen. Als der grosse Alfonso von Neapel (1434) Gefangener des Filippo Maria Visconti geworden war, wußte er diesen zu überzeugen, daß die Herrschaft des Hauses Anjou über Neapel statt der seinigen die Franzosen zu Herrn von Italien machen würde, und jener liess ihn ohne Lösegeld frei und schloss ein Bündnis mit ihm20). Schwerlich hätte ein nordischer Fürst so gehandelt und gewiss keiner von der sonstigen Moralität des Visconti. Ein festes Vertrauen auf die Macht tatsächlicher Gründe beweist auch der berühmte Besuch, welchen Lorenzo magnifico - unter allgemeiner Bestürzung der Florentiner - dem treulosen Ferrante in Neapel abstattete, der gewiss in der Versuchung und nicht zu gut dazu war, ihn als Gefangenen da zu behalten21). Denn dass man einen mächtigen Fürsten verhaften und dann nach Ausstellung einiger Unterschriften und andern tiefen Kränkungen wieder lebendig entlassen könne, wie Karl der Kühne mit Ludwig XI. zu Péronne tat (1468), erschien den Italienern als Torheit22), so dass Lorenzo entweder gar nicht mehr oder ruhmbedeckt zurückerwartet wurde. Es ist in dieser Zeit zumal von venezianischen Gesandten eine Kunst der politischen Ueberredung aufgewandt worden, von welcher man diesseits der Alpen erst durch die Italiener einen Begriff bekam, und welche ja nicht nach den offiziellen Empfangsreden beurteilt werden darf, denn diese gehören der humanistischen Schulrhetorik an. An Derbheiten und Naivetäten fehlte es im diplomatischen Verkehr auch nicht23), trotz aller sonst sehr entwickelten Etikette. Fast rührend aber erscheint uns ein Geist wie Macchiavell in seinen »Legazioni«. Mangelhaft instruiert, kümmerlich ausgestattet, als untergeordneter Agent behandelt, verliert er niemals seinen freien, hohen Beobachtungsgeist und seine Lust des anschaulichen Berichtens. - Italien ist und bleibt dann vorzugsweise das Land der politischen »Instruktionen« und »Relationen«; trefflich unterhandelt wurde gewiss auch in andern Reichen, allein nur hier sind aus schon so früher Zeit zahlreiche Denkmäler vorhanden. Schon die grosse Depesche aus den letzten Lebenswochen des geängsteten Ferrante von Neapel (17. Januar 1494) von der Hand des Pontano an das Kabinett Alexanders VI. gerichtet, gibt den höchsten Begriff von dieser Gattung von Staatsschriften, und diese ist uns nur beiläufig und als eine aus einer grossen Anzahl von Depeschen Pontanos mitgeteilt worden24). Wie vieles von ähnlicher Bedeutung und Lebendigkeit aus andern Kabinetten des sinkenden 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts mag noch verborgen liegen, des Späteren zu geschweigen. - Von dem Studium des Menschen, als Volk wie als Individuum, welches mit dem Studium der Verhältnisse bei diesen Italienern Hand in Hand ging, wird in einem besondern Abschnitte die Rede sein.
Startseite - Impressum - Datenschutzerklärung - News - Kraft tanken - Spirituelles - Kunst - Technik - Literatur - Kultur - Politik - Architektur - Spaß - Psychologie - Spiele - Fotos + Animationen - Gästebuch - Persönliches - Blog - susannealbers - mein Youtube Kanal - erstes Rätsel - Renaissance Forum - Chat - Quiz - Rätselverzeichnis - Wie alles begann ... - Zufallsrätsel - Zufallsspiel - letztes Rätsel
Galerie - A - B - C - D - E - F- G - H - I - J - K - L - M - N - O - P - Q - R - S - T - U - V - W - X - Y - Z |
Startseite - © Copyright 2004-2023 - Susanne Albers - Kiehlufer 125 - D 12059 Berlin