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Kant: Kritik der praktischen Vernunft
VorredeWarum
diese Kritik nicht eine Kritik der reinen praktischen, sondern schlechthin
der praktischen Vernunft überhaupt betitelt wird, obgleich der Parallelism
derselben mit der speculativen das erstere zu erfordern scheint, darüber
giebt diese Abhandlung hinreichenden Aufschluß. Sie soll blos darthun, daß
es reine praktische Vernunft gebe, und kritisirt in dieser Absicht ihr ganzes
praktisches Vermögen. Wenn es ihr hiemit gelingt, so bedarf sie das reine
Vermögen selbst nicht zu kritisiren, um zu sehen, ob sich die Vernunft mit
einem solchen als einer bloßen Anmaßung nicht übersteige (wie es wohl mit
der speculativen geschieht). Denn wenn sie als reine Vernunft wirklich praktisch
ist, so beweiset sie ihre und ihrer Begriffe Realität durch die That, und
alles Vernünfteln wider die Möglichkeit, es zu sein, ist vergeblich. Mit
diesem Vermögen steht auch die transscendentale Freiheit nunmehr fest, und
zwar in derjenigen absoluten Bedeutung genommen, worin die speculative Vernunft
beim Gebrauche des Begriffs der Causalität sie bedurfte, um sich wider die
Antinomie zu retten, darin sie unvermeidlich geräth, wenn sie in der Reihe
der Causalverbindung sich das Unbedingte denken will, welchen Begriff sie
aber nur problematisch, als nicht unmöglich zu denken, aufstellen konnte,
ohne ihm seine objective Realität zu sichern, sondern allein um nicht durch
vorgebliche Unmöglichkeit dessen, was sie doch wenigstens als denkbar gelten
lassen muß, in ihrem Wesen angefochten und in einen Abgrund des Scepticisms
gestürzt zu werden. Der Begriff der Freiheit, so fern dessen
Realität durch ein apodiktisches Gesetz der praktischen Vernunft bewiesen
ist, macht nun den Schlußstein von dem ganzen Gebäude eines Systems der
reinen, selbst der speculativen Vernunft aus, und alle andere Begriffe (die
von Gott und Unsterblichkeit), welche als bloße Ideen in dieser ohne Haltung
bleiben, schließen sich nun an ihn an und bekommen mit ihm und durch ihn
Bestand und objective Realität, d.i. die Möglichkeit derselben wird dadurch
bewiesen, daß Freiheit wirklich ist; denn diese Idee offenbart sich durchs
moralische Gesetz. Freiheit ist aber auch die einzige unter
allen Ideen der speculativen Vernunft, wovon wir die Möglichkeit a priori
wissen, ohne sie doch einzusehen, weil sie die Bedingung* des moralischen
Gesetzes ist, welches wir wissen. Die Ideen von Gott und Unsterblichkeit
sind aber nicht Bedingungen des moralischen Gesetzes, sondern nur Bedingungen
des nothwendigen Objects eines durch dieses Gesetz bestimmten Willens, d.i.
des bloß praktischen Gebrauchs unserer reinen Vernunft; also können wir
von jenen Ideen auch, ich will nicht bloß sagen, nicht die Wirklichkeit,
sondern auch nicht einmal die Möglichkeit zu erkennen und einzusehen behaupten.
Gleichwohl aber sind die Bedingungen der Anwendung des moralisch bestimmten
Willens auf sein ihm a priori gegebenes Object (das höchste Gut).
Folglich kann und muß ihre Möglichkeit in dieser praktischen Beziehung angenommen
werden, ohne sie doch theoretisch zu erkennen und einzusehen. Für die letztere
Forderung ist in praktischer Absicht genug, daß sie keine innere Unmöglichkeit
(Widerspruch) enthalten. Hier ist nun ein in Vergleichung mit der speculativen
Vernunft bloß subjectiver Grund des Fürwahrhaltens, der doch einer eben
so reinen, aber praktischen Vernunft objectiv gültig ist, dadurch den Ideen
von Gott und Unsterblichkeit vermittelst des Begriffs der Freiheit objective
Realität und Befugniß, ja subjective Nothwendigkeit (Bedürfniß der reinen
Vernunft) sie anzunehmen verschafft wird, ohne daß dadurch doch die Vernunft
im theoretischen Erkenntnisse erweitert, sondern nur die Möglichkeit, die
vorher nur Problem war, hier Assertion wird, gegeben und so der praktische
Gebrauch der Vernunft mit den Elementen des theoretischen verknüpft wird.
Und dieses Bedürfniß ist nicht etwa ein hypothetisches einer beliebigen
Absicht der Speculation, daß man etwas annehmen müsse, wenn man zur Vollendung
des Vernunftgebrauchs in der Speculation hinaufsteigen will, sondern ein
gesetzliches, etwas anzunehmen, ohne welches nicht geschehen kann, was man
sich zur Absicht seines Thuns und Lassens unnachlaßlich setzen soll. Es wäre allerdings befriedigender für
unsere speculative Vernunft, ohne diesen Umschweif jene Aufgaben für sich
aufzulösen und sie als Einsicht zum praktischen Gebrauche aufzubewahren;
allein es ist einmal mit unserem Vermögen der Speculation nicht so gut bestellt.
Diejenige, welche sich solcher hohen Erkenntnisse rühmen, sollten damit
nicht zurückhalten, sondern sie öffentlich zur Prüfung und Hochschätzung
darstellen. Sie wollen beweisen; wohlan! so mögen sie denn beweisen, und
die Kritik legt ihnen als Siegern ihre ganze Rüstung zu Füßen. Quid statis?
Nolint. Atqui licet esse beatis. - Da sie also in der That nicht wollen,
vermuthlich weil sie nicht können, so müssen wir jene doch nur wiederum
zur Hand nehmen, um die Begriffe von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit,
für welche die Speculation nicht hinreichende Gewährleistung ihrer Möglichkeit
findet, in moralischem Gebrauche der Vernunft zu suchen und auf demselben
zu gründen. Hier erklärt sich auch allererst das
Räthsel der Kritik, wie man dem übersinnlichen Gebrauche der Kategorien
in der Speculation objective Realität absprechen und ihnen doch in Ansehung
der Objecte der reinen praktischen Vernunft diese Realität zugestehen könne;
denn vorher muß dieses nothwendig inconsequent aussehen, so lange man einen
solchen praktischen Gebrauch nur dem Namen nach kennt. Wird man aber jetzt
durch eine vollständige Zergliederung des letzteren inne, daß gedachte Realität
hier gar auf keine theoretische Bestimmung der Kategorien und Erweiterung
des Erkenntnisses zum Übersinnlichen hinausgehe, sondern nur hiedurch gemeint
sei, daß ihnen in dieser Beziehung überall ein Object zukomme, weil sie
entweder in der nothwendigen Willensbestimmung a priori enthalten,
oder mit dem Gegenstande derselben unzertrennlich verbunden sind, so verschwindet
jene Inconsequenz, weil man einen anderen Gebrauch von jenen Begriffen macht,
als speculative Vernunft bedarf. Dagegen eröffnet sich nun eine vorher kaum
zu erwartende und sehr befriedigende Bestätigung der consequenten Denkungsart
der speculativen Kritik darin, daß, da diese die Gegenstände der Erfahrung
als solche und darunter selbst unser eigenes Subject nur für Erscheinungen
gelten zu lassen, ihnen aber gleichwohl Dinge an sich selbst zum Grunde
zu legen, also nicht alles Übersinnliche für Erdichtung und dessen Begriff
für leer an Inhalt zu halten einschärfte: praktische Vernunft jetzt für
sich selbst, und ohne mit der speculativen Verabredung getroffen zu haben,
einem übersinnlichen Gegenstande der Kategorie der Causalität, nämlich der
Freiheit, Realität verschafft (obgleich als praktischem Begriffe auch nur
zum praktischen Gebrauche), also dasjenige, was dort bloß gedacht werden
konnte, durch ein Factum bestätigt. Hiebei erhält nun zugleich die befremdliche,
obzwar unstreitige, Behauptung der speculativen Kritik, daß sogar das denkende
Subject ihm selbst in der inneren Anschauung bloß Erscheinung sei, in der
Kritik der praktischen Vernunft auch ihre volle Bestätigung, so gut, daß
man auf sie kommen muß, wenn die erstere diesen Satz auch gar nicht bewiesen
hätte**. Hiedurch verstehe ich auch, warum die
erheblichsten Einwürfe wider die Kritik, die mir bisher noch vorgekommen
sind, sich gerade um diese zwei Angel drehen: nämlich einerseits im theoretischen
Erkenntniß geleugnete und im praktischen behauptete objective Realität der
auf Noumenen angewandten Kategorien, andererseits die paradoxe Forderung,
sich als Subject der Freiheit zum Noumen, zugleich aber auch in Absicht
auf die Natur zum Phänomen in seinem eigenen empirischen Bewußtsein zu machen.
Denn so lange man sich noch keine bestimmte Begriffe von Sittlichkeit und
Freiheit machte, konnte man nicht errathen, was man einerseits der vorgeblichen
Erscheinung als Noumen zum Grunde legen wolle, und andererseits, ob es überall
auch möglich sei, sich noch von ihm einen Begriff zu machen, wenn man vorher
alle Begriffe des reinen Verstandes im theoretischen Gebrauche schon ausschließungsweise
den bloßen Erscheinungen gewidmet hätte. Nur eine ausführliche Kritik der
praktischen Vernunft kann alle diese Mißdeutung heben und die consequente
Denkungsart, welche eben ihren größten Vorzug ausmacht, in ein helles Licht
setzen. So viel zur Rechtfertigung, warum in
diesem Werke die Begriffe und Grundsätze der reinen speculativen Vernunft,
welche doch ihre besondere Kritik schon erlitten haben, hier hin und wieder
nochmals der Prüfung unterworfen werden, welches dem systematischen Gange
einer zu errichtenden Wissenschaft sonst nicht wohl geziemt (da abgeurtheilte
Sachen billig nur angeführt und nicht wiederum in Anrechnung gebracht werden
müssen), doch hier erlaubt, ja nöthig war: weil die Vernunft mit jenen Begriffen
im Übergange zu einem ganz anderen Gebrauche betrachtet wird, als den sie
dort von ihnen machte. Ein solcher Übergang macht aber eine Vergleichung
des älteren mit dem neuern Gebrauche nothwendig, um das neue Gleis von dem
vorigen wohl zu unterscheiden und zugleich den Zusammenhang derselben bemerken
zu lassen. Man wird also Betrachtungen dieser Art, unter andern diejenige,
welche nochmals auf den Begriff der Freiheit, aber im praktischen Gebrauche
der reinen Vernunft, gerichtet worden, nicht wie Einschiebsel betrachten,
die etwa nur dazu dienen sollen, um Lücken des kritischen Systems der speculativen
Vernunft auszufüllen (denn dieses ist in seiner Absicht vollständig) und,
wie es bei einem übereilten Baue herzugehen pflegt, hintennach noch Stützen
und Strebepfeiler anzubringen, sondern als wahre Glieder, die den Zusammenhang
des Systems bemerklich machen, um Begriffe, die dort nur problematisch vorgestellt
werden konnten, jetzt in ihrer realen Darstellung einsehen zu lassen. Diese
Erinnerung geht vornehmlich den Begriff der Freiheit an, von dem man mit
Befremdung bemerken muß, daß noch so viele ihn ganz wohl einzusehen und
die Möglichkeit derselben erklären zu können sich rühmen, indem sie ihn
bloß in psychologischer Beziehung betrachten, indessen daß, wenn sie ihn
vorher in transscendentaler genau erwogen hätten, sie sowohl seine Unentbehrlichkeit
als problematischen Begriffs in vollständigem Gebrauche der speculativen
Vernunft, als auch die völlige Unbegreiflichkeit desselben hätten erkennen
und, wenn sie nachher mit ihm zum praktischen Gebrauche gingen, gerade auf
die nämliche Bestimmung des letzteren in Ansehung seiner Grundsätze von
selbst hätten kommen müssen, zu welcher sie sich sonst so ungern verstehen
wollen. Der Begriff der Freiheit ist der Stein des Anstoßes für alle Empiristen,
aber auch der Schlüssel zu den erhabensten praktischen Grundsätzen für kritische
Moralisten, die dadurch einsehen, daß sie nothwendig rational verfahren
müssen. Um deswillen ersuche ich den Leser, das, was zum Schlusse der Analytik
über diesen Begriff gesagt wird, nicht mit flüchtigem Auge zu übersehen.
Ob ein solches System, als hier von
der reinen praktischen Vernunft aus der Kritik der letzteren entwickelt
wird, viel oder wenig Mühe gemacht habe, um vornehmlich den rechten Gesichtspunkt,
aus dem das Ganze derselben richtig vorgezeichnet werden kann, nicht zu
verfehlen, muß ich den Kennern einer dergleichen Arbeit zu beurtheilen überlassen.
Es setzt zwar die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten voraus, aber nur
in so fern, als diese mit dem Princip der Pflicht vorläufige Bekanntschaft
macht und eine bestimmte Formel derselben angiebt und rechtfertigt***; sonst
besteht es durch sich selbst. Daß die Eintheilung aller praktischen Wissenschaften
zur Vollständigkeit nicht mit beigefügt worden, wie es die Kritik der speculativen
Vernunft leistete, dazu ist auch gültiger Grund in der Beschaffenheit dieses
praktischen Vernunftvermögens anzutreffen. Denn die besondere Bestimmung
der Pflichten als Menschenpflichten, um sie einzutheilen, ist nur möglich,
wenn vorher das Subject dieser Bestimmung (der Mensch) nach der Beschaffenheit,
mit der er wirklich ist, obzwar nur so viel als in Beziehung auf Pflicht
überhaupt nöthig ist, erkannt worden; diese aber gehört nicht in eine Kritik
der praktischen Vernunft überhaupt, die nur die Principien ihrer Möglichkeit,
ihres Umfanges und Grenzen vollständig ohne besondere Beziehung auf die
menschliche Natur angeben soll. Die Eintheilung gehört also hier zum System
der Wissenschaft, nicht zum System der Kritik. Ich habe einem gewissen wahrheitliebenden
und scharfen, dabei also doch immer achtungswürdigen Recensenten jener Grundlegung
zur Metaphysik der Sitten auf seinen Einwurf, daß der Begriff des Guten
dort nicht (wie es seiner Meinung nach nöthig gewesen wäre) vor dem moralischen
Princip festgesetzt worden****, in dem zweiten Hauptstücke der Analytik,
wie ich hoffe, Genüge gethan; eben so auch auf manche andere Einwürfe Rücksicht
genommen, die mir von Männern zu Händen gekommen sind, die den Willen blicken
lassen, daß die Wahrheit auszumitteln ihnen am Herzen liegt (denn die, so
nur ihr altes System vor Augen haben, und bei denen schon vorher beschlossen
ist, was gebilligt oder mißbilligt werden soll, verlangen doch keine Erörterung,
die ihrer Privatabsicht im Wege sein könnte); und so werde ich es auch fernerhin
halten. Wenn es um die Bestimmung eines besonderen
Vermögens der menschlichen Seele nach seinen Quellen, Inhalte und Grenzen
zu thun ist, so kann man zwar nach der Natur des menschlichen Erkenntnisses
nicht anders als von den Theilen derselben, ihrer genauen und (so viel als
nach der jetzigen Lage unserer schon erworbenen Elemente derselben möglich
ist) vollständigen Darstellung anfangen. Aber es ist noch eine zweite Aufmerksamkeit,
die mehr philosophisch und architektonisch ist: nämlich die Idee des Ganzen
richtig zu fassen und aus derselben alle jene Theile in ihrer wechselseitigen
Beziehung auf einander vermittelst der Ableitung derselben von dem Begriffe
jenes Ganzen in einem reinen Vernunftvermögen ins Auge zu fassen. Diese
Prüfung und Gewährleistung ist nur durch die innigste Bekanntschaft mit
dem System möglich, und die, welche in Ansehung der ersteren Nachforschung
verdrossen gewesen, also diese Bekanntschaft zu erwerben nicht der Mühe
werth geachtet haben, gelangen nicht zur zweiten Stufe, nämlich der Übersicht,
welche eine synthetische Wiederkehr zu demjenigen ist, was vorher analytisch
gegeben worden, und es ist kein Wunder, wenn sie allerwärts Inconsequenzen
finden, obgleich die Lücken, die diese vermuthen lassen, nicht im System
selbst, sondern blos in ihrem eigenen unzusammenhängenden Gedankengange
anzutreffen sind. Ich besorge in Ansehung dieser Abhandlung
nichts von dem Vorwurfe, eine neue Sprache einführen zu wollen, weil die
Erkenntnißart sich hier von selbst der Popularität nähert. Dieser Vorwurf
konnte auch niemanden in Ansehung der ersteren Kritik beifallen, der sie
nicht blos durchgeblättert, sondern durchgedacht hatte. Neue Worte zu künsteln,
wo die Sprache schon so an Ausdrücken für gegebene Begriffe keinen Mangel
hat, ist eine kindische Bemühung, sich unter der Menge, wenn nicht durch
neue und wahre Gedanken, doch durch einen neuen Lappen auf dem alten Kleide
auszuzeichnen. Wenn daher die Leser jener Schrift populärere Ausdrücke wissen,
die doch dem Gedanken eben so angemessen sind, als mir jene zu sein scheinen,
oder etwa die Nichtigkeit dieser Gedanken selbst, mithin zugleich jedes
Ausdrucks, der ihn bezeichnet, darzuthun sich getrauen: so würden sie mich
durch das erstere sehr verbinden, denn ich will nur verstanden sein, in
Ansehung des zweiten aber sich ein Verdienst um die Philosophie erwerben.
So lange aber jene Gedanken noch stehen, zweifele ich sehr, daß ihnen angemessene
und doch gangbarere Ausdrücke dazu aufgefunden werden dürften.***** Auf diese Weise wären denn nunmehr die
Principien a priori zweier Vermögen des Gemüths, des Erkenntniß-
und Begehrungsvermögens, ausgemittelt und nach den Bedingungen, dem Umfange
und Grenzen ihres Gebrauchs bestimmt, hiedurch aber zu einer systematischen,
theoretischen sowohl als praktischen Philosophie als Wissenschaft sicherer
Grund gelegt. Was Schlimmeres könnte aber diesen Bemühungen
wohl nicht begegnen, als wenn jemand die unerwartete Entdeckung machte,
daß es überall gar kein Erkenntniß a priori gebe, noch geben könne.
Allein es hat hiemit keine Noth. Es wäre eben so viel, als ob jemand durch
Vernunft beweisen wollte, daß es keine Vernunft gebe. Denn wir sagen nur,
daß wir etwas durch Vernunft erkennen, wenn wir uns bewußt sind, daß wir
es auch hätten wissen können, wenn es uns auch nicht so in der Erfahrung
vorgekommen wäre; mithin ist Vernunfterkenntniß und Erkenntniß a priori
einerlei. Aus einem Erfahrungssatze Nothwendigkeit (ex pumice aquam)
auspressen wollen, mit dieser auch wahre Allgemeinheit (ohne welche kein
Vernunftschluß, mithin auch nicht der Schluß aus der Analogie, welche eine
wenigstens präsumirte Allgemeinheit und objective Nothwendigkeit ist und
diese also doch immer voraussetzt) einem Urtheile verschaffen wollen, ist
gerader Widerspruch. Subjective Nothwendigkeit, d.i. Gewohnheit, statt der
objectiven, die nur in Urtheilen a priori stattfindet, unterschieben,
heißt der Vernunft das Vermögen absprechen, über den Gegenstand zu urtheilen,
d.i. ihn, und was ihm zukomme, zu erkennen, und z.B. von dem, was öfters
und immer auf einen gewissen vorhergehenden Zustand folgte, nicht sagen,
daß man aus diesem auf jenes schließen könne (denn das würde objective Nothwendigkeit
und Begriff von einer Verbindung a priori bedeuten), sondern nur
ähnliche Fälle (mit den Thieren auf ähnliche Art) erwarten dürfe, d.i. den
Begriff der Ursache im Grunde als falsch und bloßen Gedankenbetrug verwerfen.
Diesem Mangel der objectiven und daraus folgenden allgemeinen Gültigkeit
dadurch abhelfen wollen, daß man doch keinen Grund sähe, andern vernünftigen
Wesen eine andere Vorstellungsart beizulegen, wenn das einen gültigen Schluß
abgäbe, so würde uns unsere Unwissenheit mehr Dienste zu Erweiterung unserer
Erkenntniß leisten, als alles Nachdenken. Denn blos deswegen, weil wir andere
vernünftige Wesen außer dem Menschen nicht kennen, würden wir ein Recht
haben, sie als so beschaffen anzunehmen, wie wir uns erkennen, d.i. wir
würden sie wirklich kennen. Ich erwähne hier nicht einmal, daß nicht die
Allgemeinheit des Fürwahrhaltens die objective Gültigkeit eines Urtheils
(d.i. die Gültigkeit desselben als Erkenntnisses) beweise, sondern, wenn
jene auch zufälliger Weise zuträfe, dieses doch noch nicht einen Beweis
der Übereinstimmung mit dem Object abgeben könne; vielmehr die objective
Gültigkeit allein den Grund einer nothwendigen allgemeinen Einstimmung ausmache. Hume würde sich bei diesem System des
allgemeinen Empirisms in Grundsätzen auch sehr wohl befinden; denn er verlangte,
wie bekannt, nichts mehr, als daß statt aller objectiven Bedeutung der Nothwendigkeit
im Begriffe der Ursache eine blos subjective, nämlich Gewohnheit, angenommen
werde, um der Vernunft alles Urtheil über Gott, Freiheit und Unsterblichkeit
abzusprechen; und er verstand sich gewiß sehr gut darauf, um, wenn man ihm
nur die Principien zugestand, Schlüsse mit aller logischen Bündigkeit daraus
zu folgern. Aber so allgemein hat selbst Hume den Empirism nicht gemacht,
um auch die Mathematik darin einzuschließen. Er hielt ihre Sätze für analytisch,
und wenn das seine Richtigkeit hätte, würden sie in der That auch apodiktisch
sein, gleichwohl aber daraus kein Schluß auf ein Vermögen der Vernunft,
auch in der Philosophie apodiktische Urtheile, nämlich solche, die synthetisch
wären (wie der Satz der Causalität), zu fällen, gezogen werden können. Nähme
man aber den Empirism der Principien allgemein an, so wäre auch Mathematik
damit eingeflochten. Wenn nun diese mit der Vernunft, die
blos empirische Grundsätze zuläßt, in Widerstreit geräth, wie dieses in
der Antinomie, da Mathematik die unendliche Theilbarkeit des Raumes unwidersprechlich
beweiset, der Empirism aber sie nicht verstatten kann, unvermeidlich ist:
so ist die größte mögliche Evidenz der Demonstration mit den vorgeblichen
Schlüssen aus Erfahrungsprincipien in offenbarem Widerspruch, und nun muß
man wie der Blinde des Cheselden fragen: was betrügt mich, das Gesicht oder
Gefühl? (Denn der Empirism gründet sich auf einer gefühlten, der Rationalism
aber auf einer eingesehenen Nothwendigkeit.) Und so offenbart sich der allgemeine
Empirism als den ächten Scepticism, den man dem Hume fälschlich in so unbeschränkter
Bedeutung beilegte******, da er wenigstens einen sicheren Probirstein der
Erfahrung an der Mathematik übrig ließ, statt daß jener schlechterdings
keinen Probirstein derselben (der immer nur in Principien a priori angetroffen
werden kann) verstattet, obzwar diese doch nicht aus bloßen Gefühlen, sondern
auch aus Urtheilen besteht. Doch da es in diesem philosophischen
und kritischen Zeitalter schwerlich mit jenem Empirism Ernst sein kann,
und er vermuthlich nur zur Übung der Urtheilskraft, und um durch den Contrast
die Nothwendigkeit rationaler Principien a priori in ein helleres
Licht zu setzen, aufgestellt wird: so kann man es denen doch Dank wissen,
die sich mit dieser sonst eben nicht belehrenden Arbeit bemühen wollen. Anmerkungen: * Damit man hier nicht Inconsequenzen
anzutreffen wähne, wenn ich jetzt die Freiheit die Bedingung des moralischen
Gesetzes nenne und in der Abhandlung nachher behaupte, daß das moralische
Gesetz die Bedingung sei, unter der wir uns allererst der Freiheit bewußt
werden können, so will ich nur erinnern, daß die Freiheit allerdings die
ratio essendi des moralischen Gesetzes, das moralische Gesetz aber
die ratio cognoscendi der Freiheit sei. Denn wäre nicht das moralische
Gesetz in unserer Vernunft eher deutlich gedacht, so würden wir uns niemals
berechtigt halten, so etwas, als Freiheit ist (ob diese gleich sich nicht
widerspricht), anzunehmen. Wäre aber keine Freiheit, so würde das moralische
Gesetz in uns gar nicht anzutreffen sein. ** Die Vereinigung der Causalität als
Freiheit mit ihr als Naturmechanism, davon die erste durchs Sittengesetz,
die zweite durchs Naturgesetz, und zwar in einem und demselben Subjecte,
dem Menschen, fest steht, ist unmöglich, ohne diesen in Beziehung auf das
erstere als Wesen an sich selbst, auf das zweite aber als Erscheinung, jenes
im reinen, dieses im empirischen Bewußtsein vorzustellen. Ohne dieses ist
der Widerspruch der Vernunft mit sich selbst unvermeidlich. *** Ein Recensent, der etwas zum Tadel
dieser Schrift sagen wollte, hat es besser getroffen, als er wohl selbst
gemeint haben mag, indem er sagt: daß darin kein neues Princip der Moralität,
sondern nur eine neue Formel aufgestellt worden. Wer wollte aber auch einen
neuen Grundsatz aller Sittlichkeit einführen und diese gleichsam zuerst
erfinden? gleich als ob vor ihm die Welt in dem, was Pflicht sei, unwissend
oder in durchgängigem Irrthume gewesen wäre. Wer aber weiß, was dem Mathematiker
eine Formel bedeutet, die das, was zu thun sei, um eine Aufgabe zu befolgen,
ganz genau bestimmt und nicht verfehlen läßt, wird eine Formel, welche dieses
in Ansehung aller Pflicht überhaupt thut, nicht für etwas Unbedeutendes
und Entbehrliches halten. ****
Man könnte mir noch den Einwurf machen, warum ich nicht auch den Begriff
des Begehrungsvermögens, oder des Gefühls der Lust vorher erklärt habe;
obgleich dieser Vorwurf unbillig sein würde, weil man diese Erklärung, als
in der Psychologie gegeben, billig sollte voraussetzen können. Es könnte
aber freilich die Definition daselbst so eingerichtet sein, daß das Gefühl
der Lust der Bestimmung des Begehrungsvermögens zum Grunde gelegt würde
(wie es auch wirklich gemeinhin so zu geschehen pflegt), dadurch aber das
oberste Princip der praktischen Philosophie nothwendig empirisch ausfallen
müßte, welches doch allererst auszumachen ist und in dieser Kritik gänzlich
widerlegt wird. Daher will ich diese Erklärung hier so geben, wie sie sein
muß, um diesen streitigen Punkt wie billig im Anfange unentschieden zu lassen.
Leben ist das Vermögen eines Wesens, nach Gesetzen des Begehrungsvermögens
zu handeln. Das Begehrungsvermögen ist das Vermögen desselben, durch seine
Vorstellungen Ursache von der Wirklichkeit der Gegenstände dieser Vorstellungen
zu sein. Lust ist die Vorstellung der Übereinstimmung des Gegenstandes oder
der Handlung mit den subjectiven Bedingungen des Lebens, d.i. mit dem Vermögen
der Causalität einer Vorstellung in Ansehung der Wirklichkeit ihres Objects
(oder der Bestimmung der Kräfte des Subjects zur Handlung es hervorzubringen).
Mehr brauche ich nicht zum Behuf der Kritik von Begriffen, die aus der Psychologie
entlehnt werden, das übrige leistet die Kritik selbst. Man wird leicht gewahr,
daß die Frage, ob die Lust dem Begehrungsvermögen jederzeit zum Grunde gelegt
werden müsse, oder ob sie auch unter gewissen Bedingungen nur auf die Bestimmung
desselben folge, durch diese Erklärung unentschieden bleibt; denn sie ist
aus lauter Merkmalen des reinen Verstandes, d.i. Kategorien, zusammengesetzt,
die nichts Empirisches enthalten. Eine solche Behutsamkeit ist in der ganzen
Philosophie sehr empfehlungswürdig und wird dennoch oft verabsäumt, nämlich
seinen Urtheilen vor der vollständigen Zergliederung des Begriffs, die oft
nur sehr spät erreicht wird, durch gewagte Definition nicht vorzugreifen.
Man wird auch durch den ganzen Lauf der Kritik (der theoretischen sowohl
als praktischen Vernunft) bemerken, daß sich in demselben mannigfaltige
Veranlassung vorfinde, manche Mängel im alten dogmatischen Gange der Philosophie
zu ergänzen und Fehler abzuändern, die nicht eher bemerkt werden, als wenn
man von Begriffen einen Gebrauch der Vernunft macht, der aufs Ganze derselben
geht. *****
Mehr (als jene Unverständlichkeit) besorge ich hier hin und wieder Mißdeutung
in Ansehung einiger Ausdrücke, die ich mit größter Sorgfalt aussuchte, um
den Begriff nicht verfehlen zu lassen, darauf sie weisen. So hat in der
Tafel der Kategorien der praktischen Vernunft in dem Titel der Modalität
das Erlaubte und Unerlaubte (praktisch-objectiv Mögliche und Unmögliche)
mit der nächstfolgenden Kategorie der Pflicht und des Pflichtwidrigen im
gemeinen Sprachgebrauche beinahe einerlei Sinn; hier aber soll das erstere
dasjenige bedeuten, was mit einer blos möglichen praktischen Vorschrift
in Einstimmung oder Widerstreit ist (wie etwa die Auflösung aller Probleme
der Geometrie und Mechanik), das zweite, was in solcher Beziehung auf ein
in der Vernunft überhaupt wirklich liegendes Gesetz steht; und dieser Unterschied
der Bedeutung ist auch dem gemeinen Sprachgebrauche nicht ganz fremd, wenn
gleich etwas ungewöhnlich. So ist es z.B. einem Redner als solchem unerlaubt,
neue Worte oder Wortfügungen zu schmieden; dem Dichter ist es in gewissem
Maße erlaubt; in keinem von beiden wird hier an Pflicht gedacht. Denn wer
sich um den Ruf eines Redners bringen will, dem kann es niemand wehren.
Es ist hier nur um den Unterschied der Imperativen unter problematischem,
assertorischem und apodiktischem Bestimmungsgrunde zu thun. Eben so habe
ich in derjenigen Note, wo ich die moralischen Ideen praktischer Vollkommenheit
in verschiedenen philosophischen Schulen gegen einander stellte, die Idee
der Weisheit von der der Heiligkeit unterschieden, ob ich sie gleich selbst
im Grunde und objectiv für einerlei erklärt habe. Allein ich verstehe an
diesem Orte darunter nur diejenige Weisheit, die sich der Mensch (der Stoiker)
anmaßt, also subjectiv als Eigenschaft dem Menschen angedichtet. (Vielleicht
könnte der Ausdruck Tugend, womit der Stoiker auch großen Staat trieb, besser
das Charakteristische seiner Schule bezeichnen.) Aber der Ausdruck eines
Postulats der reinen praktischen Vernunft konnte noch am meisten Mißdeutung
veranlassen, wenn man damit die Bedeutung vermengte, welche die Postulate
der reinen Mathematik haben, und welche apodiktische Gewißheit bei sich
führen. Aber diese postuliren die Möglichkeit einer Handlung, deren Gegenstand
man a priori theoretisch mit völliger Gewißheit als möglich voraus
erkannt hat. Jenes aber postulirt die Möglichkeit eines Gegenstandes (Gottes
und der Unsterblichkeit der Seele) selbst aus apodiktischen praktischen
Gesetzen, also nur zum Behuf einer praktischen Vernunft; da denn diese Gewißheit
der postulirten Möglichkeit gar nicht theoretisch, mithin auch nicht apodiktisch,
d.i. in Ansehung des Objects erkannte Nothwendigkeit, sondern in Ansehung
des Subjects zu Befolgung ihrer objectiven, aber praktischen Gesetze nothwendige
Annehmung, mithin bloß nothwendige Hypothesis ist. Ich wußte für diese subjective,
aber doch wahre und unbedingte Vernunftnothwendigkeit keinen besseren Ausdruck
auszufinden. ****** Namen, welche einen Sectenanhang
bezeichnen, haben zu aller Zeit viel Rechtsverdrehung bei sich geführt;
ungefähr so, als wenn jemand sagte: N. ist ein Idealist. Denn ob
er gleich durchaus nicht allein einräumt, sondern darauf dringt, daß unseren
Vorstellungen äußerer Dinge wirkliche Gegenstände äußerer Dinge correspondiren,
so will er doch, daß die Form der Anschauung derselben nicht ihnen, sondern
nur dem menschlichen Gemüthe anhänge. Einleitung. Von der Idee einer Kritik der praktischen Vernunft Der theoretische Gebrauch der Vernunft
beschäftigte sich mit Gegenständen des bloßen Erkenntnißvermögens, und eine
Kritik derselben in Absicht auf diesen Gebrauch betraf eigentlich nur das
reine Erkenntnißvermögen, weil dieses Verdacht erregte, der sich auch hernach
bestätigte, daß es sich leichtlich über seine Grenzen unter unerreichbare
Gegenstände, oder gar einander widerstreitende Begriffe verlöre. Mit dem
praktischen Gebrauche der Vernunft verhält es sich schon anders. In diesem
beschäftigt sich die Vernunft mit Bestimmungsgründen des Willens, welcher
ein Vermögen ist, den Vorstellungen entsprechende Gegenstände entweder hervorzubringen,
oder doch sich selbst zu Bewirkung derselben (das physische Vermögen mag
nun hinreichend sein, oder nicht), d.i. seine Causalität, zu bestimmen.
Denn da kann wenigstens die Vernunft zur Willensbestimmung gelangen und
hat so fern immer objective Realität, als es nur auf das Wollen ankommt.
Hier ist also die erste Frage: ob reine Vernunft zur Bestimmung des Willens
für sich allein zulange, oder ob sie nur als empirisch-bedingte ein Bestimmungsgrund
derselben sein könne. Nun tritt hier ein durch die Kritik der reinen Vernunft
gerechtfertigter, obzwar keiner empirischen Darstellung fähiger Begriff
der Causalität, nämlich der der Freiheit, ein, und wenn wir anjetzt Gründe
ausfindig machen können, zu beweisen, daß diese Eigenschaft dem menschlichen
Willen (und so auch dem Willen aller vernünftigen Wesen) in der That zukomme,
so wird dadurch nicht allein dargethan, daß reine Vernunft praktisch sein
könne, sondern daß sie allein und nicht die empirisch-beschränkte unbedingterweise
praktisch sei. Folglich werden wir nicht eine Kritik der reinen praktischen,
sondern nur der praktischen Vernunft überhaupt zu bearbeiten haben. Denn
reine Vernunft, wenn allererst dargethan worden, daß es eine solche gebe,
bedarf keiner Kritik. Sie ist es, welche selbst die Richtschnur zur Kritik
alles ihres Gebrauchs enthält. Die Kritik der praktischen Vernunft überhaupt
hat also die Obliegenheit, die empirisch bedingte Vernunft von der Anmaßung
abzuhalten, ausschließungsweise den Bestimmungsgrund des Willens allein
abgeben zu wollen. Der Gebrauch der reinen Vernunft, wenn, daß es eine solche
gebe, ausgemacht ist, ist allein immanent; der empirisch-bedingte, der sich
die Alleinherrschaft anmaßt, ist dagegen transscendent und äußert sich in
Zumuthungen und Geboten, die ganz über ihr Gebiet hinausgehen, welches gerade
das umgekehrte Verhältniß von dem ist, was von der reinen Vernunft im speculativen
Gebrauche gesagt werden konnte. Indessen, da es immer noch reine Vernunft
ist, deren Erkenntniß hier dem praktischen Gebrauche zum Grunde liegt, so
wird doch die Eintheilung einer Kritik der praktischen Vernunft dem allgemeinen
Abrisse nach der der speculativen gemäß angeordnet werden müssen. Wir werden
also eine Elementarlehre und Methodenlehre derselben, in jener als dem ersten
Theile eine Analytik als Regel der Wahrheit und eine Dialektik als Darstellung
und Auflösung des Scheins in Urtheilen der praktischen Vernunft haben müssen.
Allein die Ordnung in der Unterabtheilung der Analytik wird wiederum das
Umgewandte von der in der Kritik der reinen speculativen Vernunft sein.
Denn in der gegenwärtigen werden wir von Grundsätzen anfangend zu Begriffen
und von diesen allererst, wo möglich, zu den Sinnen gehen; da wir hingegen
bei der speculativen Vernunft von den Sinnen anfingen und bei den Grundsätzen
endigen mußten. Hievon liegt der Grund nun wiederum darin: daß wir es jetzt
mit einem Willen zuthun haben und die Vernunft nicht im Verhältniß auf Gegenstände,
sondern auf diesen Willen und dessen Causalität zu erwägen haben, da denn
die Grundsätze der empirisch unbedingten Causalität den Anfang machen müssen,
nach welchem der Versuch gemacht werden kann, unsere Begriffe von dem Bestimmungsgrunde
eines solchen Willens, ihrer Anwendung auf Gegenstände, zuletzt auf das
Subject und dessen Sinnlichkeit, allererst festzusetzen. Das Gesetz der
Causalität aus Freiheit, d.i. irgend ein reiner praktischer Grundsatz, macht
hier unvermeidlich den Anfang und bestimmt die Gegenstände, worauf er allein
bezogen werden kann. Erster
Theil. Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft Erstes
Buch. Die Analytik der reinen praktischen Vernunft Erstes
Hauptstück. Von den Grundsätzen der reinen praktischen Vernunft Praktische
Grundsätze sind Sätze, welche eine allgemeine Bestimmung des Willens enthalten,
die mehrere praktische Regeln unter sich hat. Sie sind subjectiv oder Maximen,
wenn die Bedingung nur als für den Willen des Subjects gültig von ihm angesehen
wird; objectiv aber oder praktische Gesetze, wenn jene als objectiv, d.i.
für den Willen jedes vernünftigen Wesens gültig, erkannt wird. Anmerkung. Wenn man annimmt, daß reine Vernunft
einen praktisch, d.i. zur Willensbestimmung hinreichenden Grund in sich
enthalten könne, so giebt es praktische Gesetze; wo aber nicht, so werden
alle praktische Grundsätze bloße Maximen sein. In einem pathologisch-afficirten
Willen eines vernünftigen Wesens kann ein Widerstreit der Maximen wider
die von ihm selbst erkannte praktische Gesetze angetroffen werden. Z.B.
es kann sich jemand zur Maxime machen, keine Beleidigung ungerächt zu erdulden,
und doch zugleich einsehen, daß dieses kein praktisches Gesetz, sondern
nur seine Maxime sei, dagegen als Regel für den Willen eines jeden vernünftigen
Wesens in einer und derselben Maxime mit sich selbst nicht zusammen stimmen
könne. In der Naturerkenntniß sind die Principien dessen, was geschieht,
(z.B. das Princip der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung in der Mittheilung
der Bewegung) zugleich Gesetze der Natur; denn der Gebrauch der Vernunft
ist dort theoretisch und durch die Beschaffenheit des Objects bestimmt.
In der praktischen Erkenntniß, d.i. derjenigen, welche es blos mit Bestimmungsgründen
des Willens zu thun hat, sind Grundsätze, die man sich macht, darum noch
nicht Gesetze, darunter man unvermeidlich stehe, weil die Vernunft im Praktischen
es mit dem Subjecte zu thun hat, nämlich dem Begehrungsvermögen, nach dessen
besonderer Beschaffenheit sich die Regel vielfältig richten kann. - Die
praktische Regel ist jederzeit ein Product der Vernunft, weil sie Handlung
als Mittel zur Wirkung als Absicht vorschreibt. Diese Regel ist aber für
ein Wesen, bei dem Vernunft nicht ganz allein Bestimmungsgrund des Willens
ist, ein Imperativ, d.i. eine Regel, die durch ein Sollen, welches die objective
Nöthigung der Handlung ausdrückt, bezeichnet wird, und bedeutet, daß, wenn
die Vernunft den Willen gänzlich bestimmte, die Handlung unausbleiblich
nach dieser Regel geschehen würde. Die Imperativen gelten also objectiv
und sind von Maximen, als subjectiven Grundsätzen, gänzlich unterschieden.
Jene bestimmen aber entweder die Bedingungen der Causalität des vernünftigen
Wesens, als wirkender Ursache, bloß in Ansehung der Wirkung und Zulänglichkeit
zu derselben, oder sie bestimmen nur den Willen, er mag zur Wirkung hinreichend
sein oder nicht. Die erstere würden hypothetische Imperativen sein und bloße
Vorschriften der Geschicklichkeit enthalten; die zweiten würden dagegen
kategorisch und allein praktische Gesetze sein. Maximen sind also zwar Grundsätze,
aber nicht Imperativen. Die Imperativen selber aber, wenn sie bedingt sind,
d.i. nicht den Willen schlechthin als Willen, sondern nur in Ansehung einer
begehrten Wirkung bestimmen, d.i. hypothetische Imperativen sind, sind zwar
praktische Vorschriften, aber keine Gesetze. Die letzteren müssen den Willen
als Willen, noch ehe ich frage, ob ich gar das zu einer begehrten Wirkung
erforderliche Vermögen habe, oder was mir, um diese hervorzubringen, zu
thun sei, hinreichend bestimmen, mithin kategorisch sein, sonst sind es
keine Gesetze: weil ihnen die Nothwendigkeit fehlt, welche, wenn sie praktisch
sein soll, von pathologischen, mithin dem Willen zufällig anklebenden Bedingungen
unabhängig sein muß. Saget jemanden, z.B. daß er in der Jugend arbeiten
und sparen müsse, um im Alter nicht zu darben: so ist dieses eine richtige
und zugleich wichtige praktische Vorschrift des Willens. Man sieht aber
leicht, daß der Wille hier auf etwas Anderes verwiesen werde, wovon man
voraussetzt, daß er es begehre, und dieses Begehren muß man ihm, dem Thäter
selbst, überlassen, ob er noch andere Hülfsquellen außer seinem selbst erworbenen
Vermögen vorhersehe, oder ob er gar nicht hoffe alt zu werden, oder sich
denkt im Falle der Noth dereinst schlecht behelfen zu können. Die Vernunft,
aus der allein alle Regel, die Nothwendigkeit enthalten soll, entspringen
kann, legt in diese ihre Vorschrift zwar auch Nothwendigkeit (denn ohne
das wäre sie kein Imperativ), aber diese ist nur subjectiv bedingt, und
man kann sie nicht in allen Subjecten in gleichem Grade voraussetzen. Zu
ihrer Gesetzgebung aber wird erfordert, daß sie blos sich selbst vorauszusetzen
bedürfe, weil die Regel nur alsdann objectiv und allgemein gültig ist, wenn
sie ohne zufällige, subjective Bedingungen gilt, die ein vernünftig Wesen
von dem andern unterscheiden. Nun sagt jemanden, er solle niemals lügenhaft
versprechen, so ist dies eine Regel, die blos seinen Willen betrifft; die
Absichten, die der Mensch haben mag, mögen durch denselben erreicht werden
können, oder nicht; das bloße Wollen ist das, was durch jene Regel völlig
a priori bestimmt werden soll. Findet sich nun, daß diese Regel praktisch
richtig sei, so ist sie ein Gesetz, weil sie ein kategorischer Imperativ
ist. Also beziehen sich praktische Gesetze allein auf den Willen, unangesehen
dessen, was durch die Causalität desselben ausgerichtet wird, und man kann
von der letztern (als zur Sinnenwelt gehörig) abstrahiren, um sie rein zu
haben. §
2. Lehrsatz I Alle
praktische Principien, die ein Object (Materie) des Begehrungsvermögens
als Bestimmungsgrund des Willens voraussetzen, sind insgesammt empirisch
und können keine praktische Gesetze abgeben. Ich verstehe unter der Materie des Begehrungsvermögens
einen Gegenstand, dessen Wirklichkeit begehrt wird. Wenn die Begierde nach
diesem Gegenstande nun vor der praktischen Regel vorhergeht und die Bedingung
ist, sie sich zum Princip zu machen, so sage ich (erstlich): dieses Princip
ist alsdann jederzeit empirisch. Denn der Bestimmungsgrund der Willkür ist
alsdann die Vorstellung eines Objects und dasjenige Verhältniß derselben
zum Subject, wodurch das Begehrungsvermögen zur Wirklichmachung desselben
bestimmt wird. Ein solches Verhältniß aber zum Subject heißt die Lust an
der Wirklichkeit eines Gegenstandes. Also müßte diese als Bedingung der
Möglichkeit der Bestimmung der Willkür vorausgesetzt werden. Es kann aber
von keiner Vorstellung irgend eines Gegenstandes, welche sie auch sei, a
priori erkannt werden, ob sie mit Lust oder Unlust verbunden, oder indifferent
sein werde. Also muß in solchem Falle der Bestimmungsgrund der Willkür jederzeit
empirisch sein, mithin auch das praktische materiale Princip, welches ihn
als Bedingung voraussetzte. Da nun (zweitens) ein Princip, das sich
nur auf die subjective Bedingung der Empfänglichkeit einer Lust oder Unlust
(die jederzeit nur empirisch erkannt und nicht für alle vernünftige Wesen
in gleicher Art gültig sein kann) gründet, zwar wohl für das Subject, das
sie besitzt, zu ihrer Maxime, aber auch für diese selbst (weil es ihm an
objectiver Nothwendigkeit, die a priori erkannt werden muß, mangelt)
nicht zum Gesetze dienen kann, so kann ein solches Princip niemals ein praktisches
Gesetz abgeben. §
3. Lehrsatz II Alle
materiale praktische Principien sind, als solche, insgesammt von einer und
derselben Art und gehören unter das allgemeine Princip der Selbstliebe oder
eigenen Glückseligkeit. Die Lust aus der Vorstellung der Existenz
einer Sache, so fern sie ein Bestimmungsgrund des Begehrens dieser Sache
sein soll, gründet sich auf der Empfänglichkeit des Subjects, weil sie von
dem Dasein eines Gegenstandes abhängt; mithin gehört sie dem Sinne (Gefühl)
und nicht dem Verstande an, der eine Beziehung der Vorstellung auf ein Object
nach Begriffen, aber nicht auf das Subject nach Gefühlen ausdrückt. Sie
ist also nur so fern praktisch, als die Empfindung der Annehmlichkeit, die
das Subject von der Wirklichkeit des Gegenstandes erwartet, das Begehrungsvermögen
bestimmt. Nun ist aber das Bewußtsein eines vernünftigen Wesens von der
Annehmlichkeit des Lebens, die ununterbrochen sein ganzes Dasein begleitet,
die Glückseligkeit, und das Princip, diese sich zum höchsten Bestimmungsgrunde
der Willkür zu machen, das Princip der Selbstliebe. Also sind alle materiale
Principien, die den Bestimmungsgrund der Willkür in der aus irgend eines
Gegenstandes Wirklichkeit zu empfindenden Lust oder Unlust setzen, so fern
gänzlich von einerlei Art, daß sie insgesammt zum Princip der Selbstliebe
oder eigenen Glückseligkeit gehören. Folgerung. Alle materiale praktische Regeln setzen
den Bestimmungsgrund des Willens im unteren Begehrungsvermögen, und, gäbe
es gar keine blos formale Gesetze desselben, die den Willen hinreichend
bestimmten, so würde auch kein oberes Begehrungsvermögen eingeräumt werden
können. Anmerkung
I. Man muß sich wundern, wie sonst scharfsinnige
Männer einen Unterschied zwischen dem unteren und oberen Begehrungsvermögen
darin zu finden glauben können, ob die Vorstellungen, die mit dem Gefühl
der Lust verbunden sind, in den Sinnen, oder dem Verstande ihren Ursprung
haben. Denn es kommt, wenn man nach den Bestimmungsgründen des Begehrens
frägt und sie in einer von irgend etwas erwarteten Annehmlichkeit setzt,
gar nicht darauf an, wo die Vorstellung dieses vergnügenden Gegenstandes
herkomme, sondern nur wie sehr sie vergnügt. Wenn eine Vorstellung, sie
mag immerhin im Verstande ihren Sitz und Ursprung haben, die Willkür nur
dadurch bestimmen kann, daß sie ein Gefühl einer Lust im Subjecte voraussetzt,
so ist, daß sie ein Bestimmungsgrund der Willkür sei, gänzlich von der Beschaffenheit
des inneren Sinnes abhängig, daß dieser nämlich dadurch mit Annehmlichkeit
afficirt werden kann. Die Vorstellungen der Gegenstände mögen noch so ungleichartig,
sie mögen Verstandes-, selbst Vernunftvorstellungen im Gegensatze der Vorstellungen
der Sinne sein, so ist doch das Gefühl der Lust, wodurch jene doch eigentlich
nur den Bestimmungsgrund des Willens ausmachen, (die Annehmlichkeit, das
Vergnügen, das man davon erwartet, welches die Thätigkeit zur Hervorbringung
des Objects antreibt) nicht allein so fern von einerlei Art, daß es jederzeit
blos empirisch erkannt werden kann, sondern auch sofern, als es eine und
dieselbe Lebenskraft, die sich im Begehrungsvermögen äußert, afficirt und
in dieser Beziehung von jedem anderen Bestimmungsgrunde in nichts als dem
Grade verschieden sein kann. Wie würde man sonst zwischen zwei der Vorstellungsart
nach gänzlich verschiedenen Bestimmungsgründen eine Vergleichung der Größe
nach anstellen können, um den, der am meisten das Begehrungsvermögen afficirt,
vorzuziehen? Eben derselbe Mensch kann ein ihm lehrreiches Buch, das ihm
nur einmal zu Händen kommt, ungelesen zurückgeben, um die Jagd nicht zu
versäumen, in der Mitte einer schönen Rede weggehen, um zur Mahlzeit nicht
zu spät zu kommen, eine Unterhaltung durch vernünftige Gespräche, die er
sonst sehr schätzt, verlassen, um sich an den Spieltisch zu setzen, sogar
einen Armen, dem wohlzuthun ihm sonst Freude ist, abweisen, weil er jetzt
eben nicht mehr Geld in der Tasche hat, als er braucht, um den Eintritt
in die Komödie zu bezahlen. Beruht die Willensbestimmung auf dem Gefühle
der Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit, die er aus irgend einer Ursache
erwartet, so ist es ihm gänzlich einerlei, durch welche Vorstellungsart
er afficirt werde. Nur wie stark, wie lange, wie leicht erworben und oft
wiederholt diese Annehmlichkeit sei, daran liegt es ihm, um sich zur Wahl
zu entschließen. So wie demjenigen, der Gold zur Ausgabe braucht, gänzlich
einerlei ist, ob die Materie desselben, das Gold, aus dem Gebirge gegraben,
oder aus dem Sande gewaschen ist, wenn es nur allenthalben für denselben
Werth angenommen wird, so frägt kein Mensch, wenn es ihm blos an der Annehmlichkeit
des Lebens gelegen ist, ob Verstandes- oder Sinnesvorstellungen, sondern
nur wie viel und großes Vergnügen sie ihm auf die längste Zeit verschaffen. Nur diejenigen, welche der reinen Vernunft
das Vermögen, ohne Voraussetzung irgend eines Gefühls den Willen zu bestimmen,
gerne abstreiten möchten, können sich so weit von ihrer eigenen Erklärung
verirren, das, was sie selbst vorher auf ein und eben dasselbe Princip gebracht
haben, dennoch hernach für ganz ungleichartig zu erklären. So findet sich
z.B., daß man auch an bloßer Kraftanwendung, an dem Bewußtsein seiner Seelenstärke
in Überwindung der Hindernisse, die sich unserem Vorsatze entgegensetzen,
an der Cultur der Geistestalente u.s.w. Vergnügen finden könne, und wir
nennen das mit Recht feinere Freuden und Ergötzungen, weil sie mehr wie
andere in unserer Gewalt sind, sich nicht abnutzen, das Gefühl zu noch mehrerem
Genuß derselben vielmehr stärken und, indem sie ergötzen, zugleich cultiviren.
Allein sie darum für eine andere Art, den Willen zu bestimmen, als blos
durch den Sinn, auszugeben, da sie doch einmal zur Möglichkeit jener Vergnügen
ein darauf in uns angelegtes Gefühl als erste Bedingung dieses Wohlgefallens
voraussetzen, ist gerade so, als wenn Unwissende, die gerne in der Metaphysik
pfuschern möchten, sich die Materie so fein, so überfein, daß sie selbst
darüber schwindlig werden möchten, denken und dann glauben, auf diese Art
sich ein geistiges und doch ausgedehntes Wesen erdacht zu haben. Wenn wir
es mit dem Epikur bei der Tugend aufs bloße Vergnügen aussetzen, das sie
verspricht, um den Willen zu bestimmen: so können wir ihn hernach nicht
tadeln, daß er dieses mit denen der gröbsten Sinne für ganz gleichartig
hält; denn man hat gar nicht Grund ihm aufzubürden, daß er die Vorstellungen,
wodurch dieses Gefühl in uns erregt würde, blos den körperlichen Sinnen
beigemessen hätte. Er hat von vielen derselben den Quell, so viel man errathen
kann, eben sowohl in dem Gebrauch des höheren Erkenntnißvermögens gesucht;
aber das hinderte ihn nicht und konnte ihn auch nicht hindern, nach genanntem
Princip das Vergnügen selbst, das uns jene allenfalls intellectuelle Vorstellungen
gewähren, und wodurch sie allein Bestimmungsgründe des Willens sein können,
gänzlich für gleichartig zu halten. Consequent zu sein, ist die größte Obliegenheit
eines Philosophen und wird doch am seltensten angetroffen. Die alten griechischen
Schulen geben uns davon mehr Beispiele, als wir in unserem synkretistischen
Zeitalter antreffen, wo ein gewisses Coalitionssystem widersprechender Grundsätze
voll Unredlichkeit und Seichtigkeit erkünstelt wird, weil es sich einem
Publicum besser empfiehlt, das zufrieden ist, von allem etwas und im ganzen
nichts zu wissen und dabei in allen Sätteln gerecht zu sein. Das Princip
der eigenen Glückseligkeit, so viel Verstand und Vernunft bei ihm auch gebraucht
werden mag, würde doch für den Willen keine andere Bestimmungsgründe, als
die dem unteren Begehrungsvermögen angemessen sind, in sich fassen, und
es giebt also entweder gar kein oberes Begehrungsvermögen, oder reine Vernunft
muß für sich allein praktisch sein, d.i. ohne Voraussetzung irgend eines
Gefühls, mithin ohne Vorstellungen des Angenehmen oder Unangenehmen als
der Materie des Begehrungsvermögens, die jederzeit eine empirische Bedingung
der Principien ist, durch die bloße Form der praktischen Regel den Willen
bestimmen können. Alsdann allein ist Vernunft nur, so fern sie für sich
selbst den Willen bestimmt (nicht im Dienste der Neigungen ist), ein wahres
oberes Begehrungsvermögen, dem das pathologisch bestimmbare untergeordnet
ist, und wirklich, ja specifisch von diesem unterschieden, so daß sogar
die mindeste Beimischung von den Antrieben der letzteren ihrer Stärke und
Vorzuge Abbruch thut, so wie das mindeste Empirische, als Bedingung in einer
mathematischen Demonstration, ihre Würde und Nachdruck herabsetzt und vernichtet.
Die Vernunft bestimmt in einem praktischen Gesetze unmittelbar den Willen,
nicht vermittelst eines dazwischen kommenden Gefühls der Lust und Unlust,
selbst nicht an diesem Gesetze, und nur, daß sie als reine Vernunft praktisch
sein kann, macht es ihr möglich, gesetzgebend zu sein. Anmerkung
II. Glücklich zu sein, ist nothwendig das
Verlangen jedes vernünftigen, aber endlichen Wesens und also ein unvermeidlicher
Bestimmungsgrund seines Begehrungsvermögens. Denn die Zufriedenheit mit
seinem ganzen Dasein ist nicht etwa ein ursprünglicher Besitz und eine Seligkeit,
welche ein Bewußtsein seiner unabhängigen Selbstgenugsamkeit voraussetzen
würde, sondern ein durch seine endliche Natur selbst ihm aufgedrungenes
Problem, weil es bedürftig ist, und dieses Bedürfniß betrifft die Materie
seines Begehrungsvermögens, d.i. etwas, was sich auf ein subjectiv zum Grunde
liegendes Gefühl der Lust oder Unlust bezieht, dadurch das, was es zur Zufriedenheit
mit seinem Zustande bedarf, bestimmt wird. Aber eben darum, weil dieser
materiale Bestimmungsgrund von dem Subjecte blos empirisch erkannt werden
kann, ist es unmöglich diese Aufgabe als ein Gesetz zu betrachten, weil
dieses als objectiv in allen Fällen und für alle vernünftige Wesen eben
denselben Bestimmungsgrund des Willens enthalten müßte. Denn obgleich der
Begriff der Glückseligkeit der praktischen Beziehung der Objecte aufs Begehrungsvermögen
allerwärts zum Grunde liegt, so ist er doch nur der allgemeine Titel der
subjectiven Bestimmungsgründe und bestimmt nichts specifisch, darum es doch
in dieser praktischen Aufgabe allein zu thun ist, und ohne welche Bestimmung
sie gar nicht aufgelöset werden kann. Worin nämlich jeder seine Glückseligkeit
zu setzen habe, kommt auf jedes sein besonderes Gefühl der Lust und Unlust
an, und selbst in einem und demselben Subject auf die Verschiedenheit des
Bedürfnisses nach den Abänderungen dieses Gefühls, und ein subjectiv nothwendiges
Gesetz (als Naturgesetz) ist also objectiv ein gar sehr zufälliges praktisches
Princip, das in verschiedenen Subjecten sehr verschieden sein kann und muß,
mithin niemals ein Gesetz abgeben kann, weil es bei der Begierde nach Glückseligkeit
nicht auf die Form der Gesetzmäßigkeit, sondern lediglich auf die Materie
ankommt, nämlich ob und wieviel Vergnügen ich in der Befolgung des Gesetzes
zu erwarten habe. Principien der Selbstliebe können zwar allgemeine Regeln
der Geschicklichkeit (Mittel zu Absichten auszufinden) enthalten, alsdann
sind es aber blos theoretische Principien* (z.B. wie derjenige, der gerne
Brot essen möchte, sich eine Mühle auszudenken habe). Aber praktische Vorschriften,
die sich auf sie gründen, können niemals allgemein sein, denn der Bestimmungsgrund
des Begehrungsvermögens ist auf das Gefühl der Lust und Unlust, das niemals
als allgemein auf dieselben Gegenstände gerichtet angenommen werden kann,
gegründet. Aber gesetzt, endliche vernünftige Wesen
dächten auch in Ansehung dessen, was sie für Objecte ihrer Gefühle des Vergnügens
oder Schmerzens anzunehmen hätten, imgleichen sogar in Ansehung der Mittel,
deren sie sich bedienen müssen, um die erstern zu erreichen, die andern
abzuhalten, durchgehends einerlei, so würde das Princip der Selbstliebe
dennoch von ihnen durchaus für kein praktisches Gesetz ausgegeben werden
können; denn diese Einhelligkeit wäre selbst doch nur zufällig. Der Bestimmungsgrund
wäre immer doch nur subjectiv gültig und blos empirisch und hätte diejenige
Nothwendigkeit nicht, die in einem jeden Gesetze gedacht wird, nämlich die
objective aus Gründen a priori; man müßte denn diese Nothwendigkeit
gar nicht für praktisch, sondern für blos physisch ausgeben, nämlich daß
die Handlung durch unsere Neigung uns eben so unausbleiblich abgenöthigt
würde, als das Gähnen, wenn wir andere gähnen sehen. Man würde eher behaupten
können, daß es gar keine praktische Gesetze gebe, sondern nur Anrathungen
zum Behuf unserer Begierden, als daß blos subjective Principien zum Range
praktischer Gesetze erhoben würden, die durchaus objective und nicht blos
subjective Nothwendigkeit haben und durch Vernunft a priori, nicht
durch Erfahrung (so empirisch allgemein diese auch sein mag) erkannt sein
müssen. Selbst die Regeln einstimmiger Erscheinungen werden nur Naturgesetze
(z.B. die mechanischen) genannt, wenn man sie entweder wirklich a priori
erkennt, oder doch (wie bei den chemischen) annimmt, sie würden a
priori aus objectiven Gründen erkannt werden, wenn unsere Einsicht tiefer
ginge. Allein bei blos subjectiven praktischen Principien wird das ausdrücklich
zur Bedingung gemacht, daß ihnen nicht objective, sondern subjective Bedingungen
der Willkür zum Grunde liegen müssen; mithin, daß sie jederzeit nur als
bloße Maximen, niemals aber als praktische Gesetze vorstellig gemacht werden
dürfen. Diese letztere Anmerkung scheint beim ersten Anblicke bloße Wortklauberei
zu sein; allein sie ist die Wortbestimmung des allerwichtigsten Unterschiedes,
der nur in praktischen Untersuchungen in Betrachtung kommen mag. Anmerkungen:
*
Sätze, welche in der Mathematik oder Naturlehre praktisch genannt werden,
sollten eigentlich technisch heißen. Denn um die Willensbestimmung ist es
diesen Lehren gar nicht zu thun; sie zeigen nur das Mannigfaltige der möglichen
Handlung an, welches eine gewisse Wirkung hervorzubringen hinreichend ist,
und sind also eben so theoretisch als alle Sätze, welche die Verknüpfung
der Ursache mit einer Wirkung aussagen. Wem nun die letztere beliebt, der
muß sich auch gefallen lassen, die erstere zu sein.
§
4. Lehrsatz III Wenn
ein vernünftiges Wesen sich seine Maximen als praktische allgemeine Gesetze
denken soll, so kann es sich dieselbe nur als solche Principien denken,
die nicht der Materie, sondern blos der Form nach den Bestimmungsgrund des
Willens enthalten. Die Materie eines praktischen Princips
ist der Gegenstand des Willens. Dieser ist entweder der Bestimmungsgrund
des letzteren oder nicht. Ist er der Bestimmungsgrund desselben, so würde
die Regel des Willens einer empirischen Bedingung (dem Verhältnisse der
bestimmenden Vorstellung zum Gefühle der Lust und Unlust) unterworfen, folglich
kein praktisches Gesetz sein. Nun bleibt von einem Gesetze, wenn man alle
Materie, d.i. jeden Gegenstand des Willens, (als Bestimmungsgrund) davon
absondert, nichts übrig, als die bloße Form einer allgemeinen Gesetzgebung.
Also kann ein vernünftiges Wesen sich seine subjectiv-praktische Principien,
d.i. Maximen, entweder gar nicht zugleich als allgemeine Gesetze denken,
oder es muß annehmen, daß die bloße Form derselben, nach der jene sich zur
allgemeinen Gesetzgebung schicken, sie für sich allein zum praktischen Gesetze
mache. Anmerkung. Welche Form in der Maxime sich zur allgemeinen
Gesetzgebung schicke, welche nicht, das kann der gemeinste Verstand ohne
Unterweisung unterscheiden. Ich habe z.B. es mir zur Maxime gemacht, mein
Vermögen durch alle sichere Mittel zu vergrößern. Jetzt ist ein Depositum
in meinen Händen, dessen Eigenthümer verstorben ist und keine Handschrift
darüber zurückgelassen hat. Natürlicherweise ist dies der Fall meiner Maxime.
Jetzt will ich nur wissen, ob jene Maxime auch als allgemeines praktisches
Gesetz gelten könne. Ich wende jene also auf gegenwärtigen Fall an und frage,
ob sie wohl die Form eines Gesetzes annehmen, mithin ich wohl durch meine
Maxime zugleich ein solches Gesetz geben könnte: daß jedermann ein Depositum
ableugnen dürfe, dessen Niederlegung ihm niemand beweisen kann. Ich werde
sofort gewahr, daß ein solches Princip, als Gesetz, sich selbst vernichten
würde, weil es machen würde, daß es gar kein Depositum gäbe. Ein praktisches
Gesetz, was ich dafür erkenne, muß sich zur allgemeinen Gesetzgebung qualificiren;
dies ist ein identischer Satz und also für sich klar. Sage ich nun: mein
Wille steht unter einem praktischen Gesetze, so kann ich nicht meine Neigung
(z.B. im gegenwärtigen Falle meine Habsucht) als den zu einem allgemeinen
praktischen Gesetze schicklichen Bestimmungsgrund desselben anführen; denn
diese, weit gefehlt daß sie zu einer allgemeinen Gesetzgebung tauglich sein
sollte, so muß sie vielmehr in der Form eines allgemeinen Gesetzes sich
selbst aufreiben. Es ist daher wunderlich, wie, da die
Begierde zur Glückseligkeit, mithin auch die Maxime, dadurch sich jeder
diese letztere zum Bestimmungsgrunde seines Willens setzt, allgemein ist,
es verständigen Männern habe in den Sinn kommen können, es darum für ein
allgemein praktisches Gesetz auszugeben. Denn da sonst ein allgemeines Naturgesetz
alles einstimmig macht, so würde hier, wenn man der Maxime die Allgemeinheit
eines Gesetzes geben wollte, grade das äußerste Widerspiel der Einstimmung,
der ärgste Widerstreit und die gänzliche Vernichtung der Maxime selbst und
ihrer Absicht erfolgen. Denn der Wille Aller hat alsdann nicht ein und dasselbe
Object, sondern ein jeder hat das seinige (sein eigenes Wohlbefinden), welches
sich zwar zufälligerweise auch mit anderer ihren Absichten, die sie gleichfalls
auf sich selbst richten, vertragen kann, aber lange nicht zum Gesetze hinreichend
ist, weil die Ausnahmen, die man gelegentlich zu machen befugt ist, endlos
sind und gar nicht bestimmt in eine allgemeine Regel befaßt werden können.
Es kommt auf diese Art eine Harmonie heraus, die derjenigen ähnlich ist,
welche ein gewisses Spottgedicht auf die Seeleneintracht zweier sich zu
Grunde richtenden Eheleute schildert: O wundervolle Harmonie, was er will,
will auch sie etc., oder was von der Anheischigmachung König Franz des Ersten
gegen Kaiser Karl den Fünften erzählt wird: was mein Bruder Karl haben will
(Mailand), das will ich auch haben. Empirische Bestimmungsgründe taugen
zu keiner allgemeinen äußeren Gesetzgebung, aber auch eben so wenig zur
innern; denn jeder legt sein Subject, ein anderer aber ein anderes Subject
der Neigung zum Grunde, und in jedem Subject selber ist bald die, bald eine
andere im Vorzuge des Einflusses. Ein Gesetz ausfindig zu machen, das sie
inssammt unter dieser Bedingung, nämlich mit allerseitiger Einstimmung,
regierte, ist schlechterdings unmöglich. §
5. Aufgabe I Vorausgesetzt,
daß die bloße gesetzgebende Form der Maximen allein der zureichende Bestimmungsgrund
eines Willens sei: die Beschaffenheit desjenigen Willens zu finden, der
dadurch allein bestimmbar ist. Da die bloße Form des Gesetzes lediglich
von der Vernunft vorgestellt werden kann und mithin kein Gegenstand der
Sinne ist, folglich auch nicht unter die Erscheinungen gehört: so ist die
Vorstellung derselben als Bestimmungsgrund des Willens von allen Bestimmungsgründen
der Begebenheiten in der Natur nach dem Gesetze der Causalität unterschieden,
weil bei diesen die bestimmenden Gründe selbst Erscheinungen sein müssen.
Wenn aber auch kein anderer Bestimmungsgrund des Willens für diesen zum
Gesetz dienen kann, als blos jene allgemeine gesetzgebende Form: so muß
ein solcher Wille als gänzlich unabhängig von dem Naturgesetz der Erscheinungen,
nämlich dem Gesetze der Causalität, beziehungsweise auf einander gedacht
werden. Eine solche Unabhängigkeit aber heißt Freiheit im strengsten, d.i.
transscendentalen, Verstande. Also ist ein Wille, dem die bloße gesetzgebende
Form der Maxime allein zum Gesetze dienen kann, ein freier Wille. §
6. Aufgabe II Vorausgesetzt,
daß ein Wille frei sei, das Gesetz zu finden, welches ihn allein nothwendig
zu bestimmen tauglich ist. Da die Materie des praktischen Gesetzes,
d.i. ein Object der Maxime, niemals anders als empirisch gegeben werden
kann, der freie Wille aber, als von empirischen (d.i. zur Sinnenwelt gehörigen)
Bedingungen unabhängig, dennoch bestimmbar sein muß: so muß ein freier Wille,
unabhängig von der Materie des Gesetzes, dennoch einen Bestimmungsgrund
in dem Gesetze antreffen. Es ist aber außer der Materie des Gesetzes nichts
weiter in demselben als die gesetzgebende Form enthalten. Also ist die gesetzgebende
Form, so fern sie in der Maxime enthalten ist, das einzige, was einen Bestimmungsgrund
des Willens ausmachen kann. Anmerkung. Freiheit und unbedingtes praktisches
Gesetz weisen also wechselsweise auf einander zurück. Ich frage hier nun
nicht: ob sie auch in der That verschieden seien, und nicht vielmehr ein
unbedingtes Gesetz blos das Selbstbewußtsein einer reinen praktischen Vernunft,
diese aber ganz einerlei mit dem positiven Begriffe der Freiheit sei; sondern
wovon unsere Erkenntniß des unbedingt Praktischen anhebe, ob von der Freiheit,
oder dem praktischen Gesetze. Von der Freiheit kann es nicht anheben; denn
deren können wir uns weder unmittelbar bewußt werden, weil ihr erster Begriff
negativ ist, noch darauf aus der Erfahrung schließen, denn Erfahrung giebt
uns nur das Gesetz der Erscheinungen, mithin den Mechanism der Natur, das
gerade Widerspiel der Freiheit, zu erkennen. Also ist es das moralische
Gesetz, dessen wir uns unmittelbar bewußt werden (so bald wir uns Maximen
des Willens entwerfen), welches sich uns zuerst darbietet und, indem die
Vernunft jenes als einen durch keine sinnliche Bedingungen zu überwiegenden,
ja davon gänzlich unabhängigen Bestimmungsgrund darstellt, gerade auf den
Begriff der Freiheit führt. Wie ist aber auch das Bewußtsein jenes moralischen
Gesetzes möglich? Wir können uns reiner praktischer Gesetze bewußt werden,
eben so wie wir uns reiner theoretischer Grundsätze bewußt sind, indem wir
auf die Nothwendigkeit, womit sie uns die Vernunft vorschreibt, und auf
Absonderung aller empirischen Bedingungen, dazu uns jene hinweiset, Acht
haben. Der Begriff eines reinen Willens entspringt aus den ersteren, wie
das Bewußtsein eines reinen Verstandes aus dem letzteren. Daß dieses die
wahre Unterordnung unserer Begriffe sei, und Sittlichkeit uns zuerst den
Begriff der Freiheit entdecke, mithin praktische Vernunft zuerst der speculativen
das unauflöslichste Problem mit diesem Begriffe aufstelle, um sie durch
denselben in die größte Verlegenheit zu setzen, erhellt schon daraus: daß,
da aus dem Begriffe der Freiheit in den Erscheinungen nichts erklärt werden
kann, sondern hier immer Naturmechanism den Leitfaden ausmachen muß, überdem
auch die Antinomie der reinen Vernunft, wenn sie zum Unbedingten in der
Reihe der Ursachen aufsteigen will, sich bei einem so sehr wie bei dem andern
in Unbegreiflichkeiten verwickelt, indessen daß doch der letztere (Mechanism)
wenigstens Brauchbarkeit in Erklärung der Erscheinungen hat, man niemals
zu dem Wagstücke gekommen sein würde, Freiheit in die Wissenschaft einzuführen,
wäre nicht das Sittengesetz und mit ihm praktische Vernunft dazu gekommen
und hätte uns diesen Begriff nicht aufgedrungen. Aber auch die Erfahrung
bestätigt diese Ordnung der Begriffe in uns. Setzet, daß jemand von seiner
wollüstigen Neigung vorgiebt, sie sei, wenn ihm der beliebte Gegenstand
und die Gelegenheit dazu vorkämen, für ihn ganz unwiderstehlich: ob, wenn
ein Galgen vor dem Hause, da er diese Gelegenheit trifft, aufgerichtet wäre,
um ihn sogleich nach genossener Wollust daran zu knüpfen, er alsdann nicht
seine Neigung bezwingen würde. Man darf nicht lange rathen, was er antworten
würde. Fragt ihn aber, ob, wenn sein Fürst ihm unter Androhung derselben
unverzögerten Todesstrafe zumuthete, ein falsches Zeugniß wider einen ehrlichen
Mann, den er gerne unter scheinbaren Vorwänden verderben möchte, abzulegen,
ob er da, so groß auch seine Liebe zum Leben sein mag, sie wohl zu überwinden
für möglich halte. Ob er es thun würde, oder nicht, wird er vielleicht sich
nicht getrauen zu versichern; daß es ihm aber möglich sei, muß er ohne Bedenken
einräumen. Er urtheilt also, daß er etwas kann, darum weil er sich bewußt
ist, daß er es soll, und erkennt in sich die Freiheit, die ihm sonst ohne
das moralische Gesetz unbekannt geblieben wäre. §
7. Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft Handle
so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Princip einer allgemeinen
Gesetzgebung gelten könne. Anmerkung. Die reine Geometrie hat Postulate als
praktische Sätze, die aber nichts weiter enthalten als die Voraussetzung,
daß man etwas thun könne, wenn etwa gefordert würde, man solle es thun und
diese sind die einzigen Sätze derselben, die ein Dasein betreffen. Es sind
also praktische Regeln unter einer problematischen Bedingung des Willens.
Hier aber sagt die Regel: man solle schlechthin auf gewisse Weise verfahren.
Die praktische Regel ist also unbedingt, mithin als kategorisch praktischer
Satz a priori vorgestellt, wodurch der Wille schlechterdings und
unmittelbar (durch die praktische Regel selbst, die also hier Gesetz ist)
objectiv bestimmt wird. Denn reine, an sich praktische Vernunft ist hier
unmittelbar gesetzgebend. Der Wille wird als unabhängig von empirischen
Bedingungen, mithin, als reiner Wille, durch die bloße Form des Gesetzes
als bestimmt gedacht und dieser Bestimmungsgrund als die oberste Bedingung
aller Maximen angesehen. Die Sache ist befremdlich genug und hat ihres gleichen
in der ganzen übrigen praktischen Erkenntniß nicht. Denn der Gedanke a
priori von einer möglichen allgemeinen Gesetzgebung, der also blos problematisch
ist, wird, ohne von der Erfahrung oder irgend einem äußeren Willen etwas
zu entlehnen, als Gesetz unbedingt geboten. Es ist aber auch nicht eine
Vorschrift, nach welcher eine Handlung geschehen soll, dadurch eine begehrte
Wirkung möglich ist (denn da wäre die Regel immer physisch bedingt), sondern
eine Regel, die blos den Willen in Ansehung der Form seiner Maximen a
priori bestimmt, und da ist ein Gesetz, welches blos zum Behuf der subjectiven
Form der Grundsätze dient, als Bestimmungsgrund durch die objective Form
eines Gesetzes überhaupt, wenigstens zu denken nicht unmöglich. Man kann
das Bewußtsein dieses Grundgesetzes ein Factum der Vernunft nennen, weil
man es nicht aus vorhergehenden Datis der Vernunft, z.B. dem Bewußtsein
der Freiheit (denn dieses ist uns nicht vorher gegeben), herausvernünfteln
kann, sondern weil es sich für sich selbst uns aufdringt als synthetischer
Satz a priori, der auf keiner, weder reinen noch empirischen, Anschauung
gegründet ist, ob er gleich analytisch sein würde, wenn man die Freiheit
des Willens voraussetzte, wozu aber, als positivem Begriffe, eine intellectuelle
Anschauung erfordert werden würde, die man hier gar nicht annehmen darf.
Doch muß man, um dieses Gesetz ohne Mißdeutung als gegeben anzusehen, wohl
bemerken: daß es kein empirisches, sondern das einzige Factum der reinen
Vernunft sei, die sich dadurch als ursprünglich gesetzgebend (sic volo,
sic jubeo) ankündigt. Folgerung. Reine Vernunft ist für sich allein praktisch
und giebt (dem Menschen) ein allgemeines Gesetz, welches wir das Sittengesetz
nennen. Anmerkung. Das vorher genannte Factum ist unleugbar.
Man darf nur das Urtheil zergliedern, welches die Menschen über die Gesetzmäßigkeit
ihrer Handlungen fällen: so wird man jederzeit finden, daß, was auch die
Neigung dazwischen sprechen mag, ihre Vernunft dennoch, unbestechlich und
durch sich selbst gezwungen, die Maxime des Willens bei einer Handlung jederzeit
an den reinen Willen halte, d.i. an sich selbst, indem sie sich als a
priori praktisch betrachtet. Dieses Princip der Sittlichkeit nun, eben
um der Allgemeinheit der Gesetzgebung willen, die es zum formalen obersten
Bestimmungsgrunde des Willens unangesehen aller subjectiven Verschiedenheiten
desselben macht, erklärt die Vernunft zugleich zu einem Gesetze für alle
vernünftige Wesen, so fern sie überhaupt einen Willen, d.i. ein Vermögen
haben, ihre Causalität durch die Vorstellung von Regeln zu bestimmen, mithin
so fern sie der Handlungen nach Grundsätzen, folglich auch nach praktischen
Principien a priori (denn diese haben allein diejenige Nothwendigkeit,
welche die Vernunft zum Grundsatze fordert) fähig sind. Es schränkt sich
also nicht blos auf Menschen ein, sondern geht auf alle endliche Wesen,
die Vernunft und Willen haben, ja schließt sogar das unendliche Wesen als
oberste Intelligenz mit ein. Im ersteren Falle aber hat das Gesetz die Form
eines Imperativs, weil man an jenem zwar als vernünftigem Wesen einen reinen,
aber als mit Bedürfnissen und sinnlichen Bewegursachen afficirtem Wesen
keinen heiligen Willen, d.i. einen solchen, der keiner dem moralischen Gesetze
widerstreitenden Maximen fähig wäre, voraussetzen kann. Das moralische Gesetz
ist daher bei jenen ein Imperativ, der kategorisch gebietet, weil das Gesetz
unbedingt ist; das Verhältniß eines solchen Willens zu diesem Gesetze ist
Abhängigkeit, unter dem Namen der Verbindlichkeit, welche eine Nöthigung,
obzwar durch bloße Vernunft und deren objectives Gesetz, zu einer Handlung
bedeutet, die darum Pflicht heißt, weil eine pathologisch afficirte (obgleich
dadurch nicht bestimmte, mithin auch immer freie) Willkür einen Wunsch bei
sich führt, der aus subjectiven Ursachen entspringt, daher auch dem reinen
objectiven Bestimmungsgrunde oft entgegen sein kann und also eines Widerstandes
der praktischen Vernunft, der ein innerer, aber intellectueller Zwang genannt
werden kann, als moralischer Nöthigung bedarf. In der allergnugsamsten Intelligenz
wird die Willkür als keiner Maxime fähig, die nicht zugleich objectiv Gesetz
sein könnte, mit Recht vorgestellt, und der Begriff der Heiligkeit, der
ihr um deswillen zukommt, setzt sie zwar nicht über alle praktische, aber
doch über alle praktisch-einschränkende Gesetze, mithin Verbindlichkeit
und Pflicht weg. Diese Heiligkeit des Willens ist gleichwohl eine praktische
Idee, welche nothwendig zum Urbilde dienen muß, welchem sich ins Unendliche
zu nähern das einzige ist, was allen endlichen vernünftigen Wesen zusteht,
und welche das reine Sittengesetz, das darum selbst heilig heißt, ihnen
beständig und richtig vor Augen hält, von welchem ins Unendliche gehenden
Progressus seiner Maximen und Unwandelbarkeit derselben zum beständigen
Fortschreiten sicher zu sein, d.i. Tugend, das Höchste ist, was endliche
praktische Vernunft bewirken kann, die selbst wiederum wenigstens als natürlich
erworbenes Vermögen nie vollendet sein kann, weil die Sicherheit in solchem
Falle niemals apodiktische Gewißheit wird und als Überredung sehr gefährlich
ist. §
8. Lehrsatz IV Die Autonomie des Willens ist das alleinige
Princip aller moralischen Gesetze und der ihnen gemäßen Pflichten: alle
Heteronomie der Willkür gründet dagegen nicht allein gar keine Verbindlichkeit,
sondern ist vielmehr dem Princip derselben und der Sittlichkeit des Willens
entgegen. In der Unabhängigkeit nämlich von aller Materie des Gesetzes (nämlich
einem begehrten Objecte) und zugleich doch Bestimmung der Willkür durch
die bloße allgemeine gesetzgebende Form, deren eine Maxime fähig sein muß,
besteht das alleinige Princip der Sittlichkeit. Jene Unabhängigkeit aber
ist Freiheit im negativen, diese eigene Gesetzgebung aber der reinen und
als solche praktischen Vernunft ist Freiheit im positiven Verstande. Also
drückt das moralische Gesetz nichts anders aus, als die Autonomie der reinen
praktischen Vernunft, d.i. der Freiheit, und diese ist selbst die formale
Bedingung aller Maximen, unter der sie allein mit dem obersten praktischen
Gesetze zusammenstimmen können. Wenn daher die Materie des Wollens, welche
nichts anders als das Object einer Begierde sein kann, die mit dem Gesetz
verbunden wird, in das praktische Gesetz als Bedingung der Möglichkeit desselben
hineinkommt, so wird daraus Heteronomie der Willkür, nämlich Abhängigkeit
vom Naturgesetze, irgend einem Antriebe oder Neigung zu folgen, und der
Wille giebt sich nicht selbst das Gesetz, sondern nur die Vorschrift zur
vernünftigen Befolgung pathologischer Gesetze; die Maxime aber, die auf
solche Weise niemals die allgemein-gesetzgebende Form in sich enthalten
kann, stiftet auf diese Weise nicht allein keine Verbindlichkeit, sondern
ist selbst dem Princip einer reinen praktischen Vernunft, hiemit also auch
der sittlichen Gesinnung entgegen, wenn gleich die Handlung, die daraus
entspringt, gesetzmäßig sein sollte. Anmerkung
I. Zum praktischen Gesetze muß also niemals
eine praktische Vorschrift gezählt werden, die eine materiale (mithin empirische)
Bedingung bei sich führt. Denn das Gesetz des reinen Willens, der frei ist,
setzt diesen in eine ganz andere Sphäre als die empirische, und die Nothwendigkeit,
die es ausdrückt, da sie keine Naturnothwendigkeit sein soll, kann also
blos in formalen Bedingungen der Möglichkeit eines Gesetzes überhaupt bestehen.
Alle Materie praktischer Regeln beruht immer auf subjectiven Bedingungen,
die ihr keine Allgemeinheit für vernünftige Wesen, als lediglich die bedingte
(im Falle ich dieses oder jenes begehre, was ich alsdann thun müsse, um
es wirklich zu machen) verschaffen, und sie drehen sich insgesammt um das
Princip der eigenen Glückseligkeit. Nun ist freilich unleugbar, daß alles
Wollen auch einen Gegenstand, mithin eine Materie haben müsse; aber diese
ist darum nicht eben der Bestimmungsgrund und Bedingung der Maxime; denn
ist sie es, so läßt diese sich nicht in allgemein gesetzgebender Form darstellen,
weil die Erwartung der Existenz des Gegenstandes alsdann die bestimmende
Ursache der Willkür sein würde, und die Abhängigkeit des Begehrungsvermögens
von der Existenz irgend einer Sache dem Wollen zum Grunde gelegt werden
müßte, welche immer nur in empirischen Bedingungen gesucht werden und daher
niemals den Grund zu einer nothwendigen und allgemeinen Regel abgeben kann.
So wird fremder Wesen Glückseligkeit das Object des Willens eines vernünftigen
Wesens sein können. Wäre sie aber der Bestimmungsgrund der Maxime, so müßte
man voraussetzen, daß wir in dem Wohlsein anderer nicht allein ein natürliches
Vergnügen, sondern auch ein Bedürfniß finden, so wie die sympathetische
Sinnesart bei Menschen es mit sich bringt. Aber dieses Bedürfniß kann ich
nicht bei jedem vernünftigen Wesen (bei Gott gar nicht) voraussetzen. Also
kann zwar die Materie der Maxime bleiben, sie muß aber nicht die Bedingung
derselben sein, denn sonst würde diese nicht zum Gesetze taugen. Also die
bloße Form eines Gesetzes, welches die Materie einschränkt, muß zugleich
ein Grund sein, diese Materie zum Willen hinzuzufügen, aber sie nicht vorauszusetzen.
Die Materie sei z.B. meine eigene Glückseligkeit. Diese, wenn ich sie jedem
beilege (wie ich es denn in der That bei endlichen Wesen thun darf), kann
nur alsdann ein objectives praktisches Gesetz werden, wenn ich anderer ihre
in dieselbe mit einschließe. Also entspringt das Gesetz, anderer Glückseligkeit
zu befördern, nicht von der Voraussetzung, daß dieses ein Object für jedes
seine Willkür sei, sondern blos daraus, daß die Form der Allgemeinheit,
die die Vernunft als Bedingung bedarf, einer Maxime der Selbstliebe die
objective Gültigkeit eines Gesetzes zu geben, der Bestimmungsgrund des Willens
wird, und also war das Object (anderer Glückseligkeit) nicht der Bestimmungsgrund
des reinen Willens, sondern die bloße gesetzliche Form war es allein, dadurch
ich meine auf Neigung gegründete Maxime einschränkte, um ihr die Allgemeinheit
eines Gesetzes zu verschaffen und sie so der reinen praktischen Vernunft
angemessen zu machen, aus welcher Einschränkung, und nicht dem Zusatz einer
äußeren Triebfeder, alsdann der Begriff der Verbindlichkeit, die Maxime
meiner Selbstliebe auch auf die Glückseligkeit anderer zu erweitern, allein
entspringen konnte. Anmerkung
II. Das gerade Widerspiel des Princips der
Sittlichkeit ist: wenn das der eigenen Glückseligkeit zum Bestimmungsgrunde
des Willens gemacht wird, wozu, wie ich oben gezeigt habe, alles überhaupt
gezählt werden muß, was den Bestimmungsgrund, der zum Gesetze dienen soll,
irgend worin anders als in der gesetzgebenden Form der Maxime setzt. Dieser
Widerstreit ist aber nicht blos logisch, wie der zwischen empirisch-bedingten
Regeln, die man doch zu nothwendigen Erkenntnißprincipien erheben wollte,
sondern praktisch und würde, wäre nicht die Stimme der Vernunft in Beziehung
auf den Willen so deutlich, so unüberschreibar, selbst für den gemeinsten
Menschen so vernehmlich, die Sittlichkeit gänzlich zu Grunde richten; so
aber kann sie sich nur noch in den kopfverwirrenden Speculationen der Schulen
erhalten, die dreist genug sind, sich gegen jene himmlische Stimme taub
zu machen, um eine Theorie, die kein Kopfbrechen kostet, aufrecht zu erhalten. Wenn ein dir sonst beliebter Umgangsfreund
sich bei dir wegen eines falschen abgelegten Zeugnisses dadurch zu rechtfertigen
vermeinte, daß er zuerst die seinem Vorgeben nach heilige Pflicht der eigenen
Glückseligkeit vorschützte, alsdann die Vortheile herzählte, die er sich
alle dadurch erworben, die Klugheit namhaft machte, die er beobachtet, um
wider alle Entdeckung sicher zu sein, selbst wider die von Seiten deiner
selbst, dem er das Geheimniß darum allein offenbart, damit er es zu aller
Zeit ableugnen könne; dann aber im ganzen Ernst vorgäbe, er habe eine wahre
Menschenpflicht ausgeübt: so würdest du ihm entweder gerade ins Gesicht
lachen, oder mit Abscheu davon zurückbeben, ob du gleich, wenn jemand blos
auf eigene Vortheile seine Grundsätze gesteuert hat, wider diese Maßregeln
nicht das mindeste einzuwenden hättest. Oder setzet, es empfehle euch jemand
einen Mann zum Haushalter, dem ihr alle eure Angelegenheiten blindlings
anvertrauen könnet, und, um euch Zutrauen einzuflößen, rühmte er ihn als
einen klugen Menschen, der sich auf seinen eigenen Vortheil meisterhaft
verstehe, auch als einen rastlos wirksamen, der keine Gelegenheit dazu ungenutzt
vorbeigehen ließe, endlich, damit auch ja nicht Besorgnisse wegen eines
pöbelhaften Eigennutzes desselben im Wege ständen, rühmte er, wie er recht
fein zu leben verstände, nicht im Geldsammeln oder brutaler Üppigkeit, sondern
in der Erweiterung seiner Kenntnisse, einem wohlgewählten belehrenden Umgange,
selbst im Wohlthun der Dürftigen sein Vergnügen suchte, übrigens aber wegen
der Mittel (die doch ihren Werth oder Unwerth nur vom Zwecke entlehnen)
nicht bedenklich wäre, und fremdes Geld und Gut ihm hiezu, so bald er nur
wisse, daß er es unentdeckt und ungehindert thun könne, so gut wie sein
eigenes wäre: so würdet ihr entweder glauben, der Empfehlende habe euch
zum besten, oder er habe den Verstand verloren. - So deutlich und scharf
sind die Grenzen der Sittlichkeit und der Selbstliebe abgeschnitten, daß
selbst das gemeinste Auge den Unterschied, ob etwas zu der einen oder der
andern gehöre, gar nicht verfehlen kann. Folgende wenige Bemerkungen können
zwar bei einer so offenbaren Wahrheit überflüssig scheinen, allein sie dienen
doch wenigstens dazu, dem Urtheile der gemeinen Menschenvernunft etwas mehr
Deutlichkeit zu verschaffen. Das Princip der Glückseligkeit kann
zwar Maximen, aber niemals solche abgeben, die zu Gesetzen des Willens tauglich
wären, selbst wenn man sich die allgemeine Glückseligkeit zum Objecte machte.
Denn weil dieser ihre Erkenntniß auf lauter Erfahrungsdatis beruht, weil
jedes Urtheil darüber gar sehr von jedes seiner Meinung, die noch dazu selbst
sehr veränderlich ist, abhängt, so kann es wohl generelle, aber niemals
universelle Regeln, d.i. solche, die im Durchschnitte am öftersten zutreffen,
nicht aber solche, die jederzeit und nothwendig gültig sein müssen, geben,
mithin können keine praktische Gesetze darauf gegründet werden. Eben darum
weil hier ein Object der Willkür der Regel derselben zum Grunde gelegt und
also vor dieser vorhergehen muß, so kann diese nicht worauf anders als auf
das, was man empfiehlt, und also auf Erfahrung bezogen und darauf gegründet
werden, und da muß die Verschiedenheit des Urtheils endlos sein. Dieses
Princip schreibt also nicht allen vernünftigen Wesen eben dieselbe praktische
Regeln vor, ob sie zwar unter einem gemeinsamen Titel, nämlich dem der Glückseligkeit,
stehen. Das moralische Gesetz wird aber nur darum als objectiv nothwendig
gedacht, weil es für jedermann gelten soll, der Vernunft und Willen hat. Die Maxime der Selbstliebe (Klugheit)
räth blos an; das Gesetz der Sittlichkeit gebietet. Es ist aber doch ein
großer Unterschied zwischen dem, wozu man uns anräthig ist, und dem, wozu
wir verbindlich sind. Was nach dem Princip der Autonomie der
Willkür zu thun sei, ist für den gemeinsten Verstand ganz leicht und ohne
Bedenken einzusehen; was unter Voraussetzung der Heteronomie derselben zu
thun sei, schwer und erfordert Weltkenntniß; d.i. was Pflicht sei, bietet
sich jedermann von selbst dar; was aber wahren, dauerhaften Vortheil bringe,
ist allemal, wenn dieser auf das ganze Dasein erstreckt werden soll, in
undurchdringliches Dunkel eingehüllt und erfordert viel Klugheit, um die
praktische darauf gestimmte Regel durch geschickte Ausnahmen auch nur auf
erträgliche Art den Zwecken des Lebens anzupassen. Gleichwohl gebietet das
sittliche Gesetz jedermann, und zwar die pünktlichste, Befolgung. Es muß
also zu der Beurtheilung dessen, was nach ihm zu thun sei, nicht so schwer
sein, daß nicht der gemeinste und ungeübteste Verstand selbst ohne Weltklugheit
damit umzugehen wüßte. Dem kategorischen Gebote der Sittlichkeit
Genüge zu leisten, ist in jedes Gewalt zu aller Zeit, der empirisch-bedingten
Vorschrift der Glückseligkeit, nur selten und bei weitem nicht auch nur
in Ansehung einer einzigen Absicht für jedermann möglich. Die Ursache ist,
weil es bei dem ersteren nur auf die Maxime ankommt, die ächt und rein sein
muß, bei der letzteren aber auch auf die Kräfte und das physische Vermögen,
einen begehrten Gegenstand wirklich zu machen. Ein Gebot, daß jedermann
sich glücklich zu machen suchen sollte, wäre thöricht; denn man gebietet
niemals jemanden das, was er schon unausbleiblich von selbst will. Man müßte
ihm blos die Maßregeln gebieten, oder vielmehr darreichen, weil er nicht
alles das kann, was er will. Sittlichkeit aber gebieten unter dem Namen
der Pflicht, ist ganz vernünftig; denn deren Vorschrift will erstlich eben
nicht jedermann gerne gehorchen, wenn sie mit Neigungen im Widerstreite
ist, und was die Maßregeln betrifft, wie er dieses Gesetz befolgen könne,
so dürfen diese hier nicht gelehrt werden; denn was er in dieser Beziehung
will, das kann er auch. Der im Spiel verloren hat, kann sich
wohl über sich selbst und seine Unklugheit ärgern, aber wenn er sich bewußt
ist, im Spiel betrogen (obzwar dadurch gewonnen) zu haben, so muß er sich
selbst verachten, so bald er sich mit dem sittlichen Gesetze vergleicht.
Dieses muß also doch wohl etwas Anderes, als das Princip der eigenen Glückseligkeit
sein. Denn zu sich selber sagen zu müssen: ich bin ein Nichtswürdiger, ob
ich gleich meinen Beutel gefüllt habe, muß doch ein anderes Richtmaß des
Urtheils haben, als sich selbst Beifall zu geben und zu sagen: ich bin ein
kluger Mensch, denn ich habe meine Casse bereichert. Endlich ist noch etwas in der Idee unserer
praktischen Vernunft, welches die Übertretung eines sittlichen Gesetzes
begleitet, nämlich ihre Strafwürdigkeit. Nun läßt sich mit dem Begriffe
einer Strafe, als einer solchen, doch gar nicht das Theilhaftigwerden der
Glückseligkeit verbinden. Denn obgleich der, so da straft, wohl zugleich
die gütige Absicht haben kann, diese Strafe auch auf diesen Zweck zu richten,
so muß sie doch zuvor als Strafe, d.i. als bloßes Übel, für sich selbst
gerechtfertigt sein, so daß der Gestrafte, wenn es dabei bliebe, und er
auch auf keine sich hinter dieser Härte verbergende Gunst hinaussähe, selbst
gestehen muß, es sei ihm Recht geschehen, und sein Loos sei seinem Verhalten
vollkommen angemessen. In jeder Strafe als solcher muß zuerst Gerechtigkeit
sein, und diese macht das Wesentliche dieses Begriffs aus. Mit ihr kann
zwar auch Gütigkeit verbunden werden, aber auf diese hat der Strafwürdige
nach seiner Aufführung nicht die mindeste Ursache sich Rechnung zu machen.
Also ist Strafe ein physisches Übel, welches, wenn es auch nicht als natürliche
Folge mit dem moralisch Bösen verbunden wäre, doch als Folge nach Principien
einer sittlichen Gesetzgebung verbunden werden müßte. Wenn nun alles Verbrechen,
auch ohne auf die physischen Folgen in Ansehung des Thäters zu sehen, für
sich strafbar ist, d.i. Glückseligkeit (wenigstens zum Theil) verwirkt,
so wäre es offenbar ungereimt zu sagen: das Verbrechen habe darin eben bestanden,
daß er sich eine Strafe zugezogen hat, indem er seiner eigenen Glückseligkeit
Abbruch that (welches nach dem Princip der Selbstliebe der eigentliche Begriff
alles Verbrechens sein müßte). Die Strafe würde auf diese Art der Grund
sein, etwas ein Verbrechen zu nennen, und die Gerechtigkeit müßte vielmehr
darin bestehen, alle Bestrafung zu unterlassen und selbst die natürliche
zu verhindern; denn alsdann wäre in der Handlung nichts Böses mehr, weil
die Übel, die sonst darauf folgten, und um deren willen die Handlung allein
böse hieß, nunmehr abgehalten wären. Vollends aber alles Strafen und Belohnen
nur als das Maschinenwerk in der Hand einer höheren Macht anzusehen, welches
vernünftige Wesen dadurch zu ihrer Endabsicht (der Glückseligkeit) in Thätigkeit
zu setzen allein dienen sollte, ist gar zu sichtbar ein alle Freiheit aufhebender
Mechanism ihres Willens, als daß es nöthig wäre uns hiebei aufzuhalten. Feiner noch, obgleich eben so unwahr,
ist das Vorgeben derer, die einen gewissen moralischen besondern Sinn annehmen,
der, und nicht die Vernunft, das moralische Gesetz bestimmte, nach welchem
das Bewußtsein der Tugend unmittelbar mit Zufriedenheit und Vergnügen, das
des Lasters aber mit Seelenunruhe und Schmerz verbunden wäre, und so alles
doch auf Verlangen nach eigener Glückseligkeit aussetzen. Ohne das hieher
zu ziehen, was oben gesagt worden, will ich nur die Täuschung bemerken,
die hiebei vorgeht. Um den Lasterhaften als durch das Bewußtsein seiner
Vergehungen mit Gemüthsunruhe geplagt vorzustellen, müssen sie ihn der vornehmsten
Grundlage seines Charakters nach schon zum voraus als wenigstens in einigem
Grade moralisch gut, so wie den, welchen das Bewußtsein pflichtmäßiger Handlungen
ergötzt, vorher schon als tugendhaft vorstellen. Also mußte doch der Begriff
der Moralität und Pflicht vor aller Rücksicht auf diese Zufriedenheit vorhergehen
und kann von dieser gar nicht abgeleitet werden. Nun muß man doch die Wichtigkeit
dessen, was wir Pflicht nennen, das Ansehen des moralischen Gesetzes und
den unmittelbaren Werth, den die Befolgung desselben der Person in ihren
eigenen Augen giebt, vorher schätzen, um jene Zufriedenheit in dem Bewußtsein
seiner Angemessenheit zu derselben und den bitteren Verweis, wenn man sich
dessen Übertretung vorwerfen kann, zu fühlen. Man kann also diese Zufriedenheit
oder Seelenunruhe nicht vor der Erkenntniß der Verbindlichkeit fühlen und
sie zum Grunde der letzteren machen. Man muß wenigstens auf dem halben Wege
schon ein ehrlicher Mann sein, um sich von jenen Empfindungen auch nur eine
Vorstellung machen zu können. Daß übrigens, so wie vermöge der Freiheit
der menschliche Wille durchs moralische Gesetz unmittelbar bestimmbar ist,
auch die öftere Ausübung diesem Bestimmungsgrunde gemäß subjectiv zuletzt
ein Gefühl der Zufriedenheit mit sich selbst wirken könne, bin ich gar nicht
in Abrede; vielmehr gehört es selbst zur Pflicht, dieses, welches eigentlich
allein das moralische Gefühl genannt zu werden verdient, zu gründen und
zu cultiviren; aber der Begriff der Pflicht kann davon nicht abgeleitet
werden, sonst müßten wir uns ein Gefühl eines Gesetzes als eines solchen
denken und das zum Gegenstande der Empfindung machen, was nur durch Vernunft
gedacht werden kann; welches, wenn es nicht ein platter Widerspruch werden
soll, allen Begriff der Pflicht ganz aufheben und an deren Statt blos ein
mechanisches Spiel feinerer, mit den gröberen bisweilen in Zwist gerathender
Neigungen setzen würde. Wenn wir nun unseren formalen obersten
Grundsatz der reinen praktischen Vernunft (als einer Autonomie des Willens)
mit allen bisherigen materialen Principien der Sittlichkeit vergleichen,
so können wir in einer Tafel alle übrige als solche, dadurch wirklich zugleich
alle mögliche andere Fälle außer einem einzigen formalen erschöpft sind,
vorstellig machen und so durch den Augenschein beweisen, daß es vergeblich
sei, sich nach einem andern Princip als dem jetzt vorgetragenen umzusehen.
- Alle mögliche Bestimmungsgründe des Willens sind nämlich entweder blos
subjectiv und also empirisch, oder auch objectiv und rational; beide aber
entweder äußere oder innere. [Praktische materiale Bestimmungsgründe im Princip der Sittlichkeit]
Die auf der linken Seite stehende sind
insgesammt empirisch und taugen offenbar gar nicht zum allgemeinen Princip
der Sittlichkeit. Aber die auf der rechten Seite gründen sich auf der Vernunft
(denn Vollkommenheit als Beschaffenheit der Dinge und die höchste Vollkommenheit,
in Substanz vorgestellt, d.i. Gott, sind beide nur durch Vernunftbegriffe
zu denken). Allein der erstere Begriff, nämlich der Vollkommenheit, kann
entweder in theoretischer Bedeutung genommen werden, und da bedeutet er
nichts, als Vollständigkeit eines jeden Dinges in seiner Art (transscendentale),
oder eines Dinges blos als Dinges überhaupt (metaphysische), und davon kann
hier nicht die Rede sein. Der Begriff der Vollkommenheit in praktischer
Bedeutung aber ist die Tauglichkeit oder Zulänglichkeit eines Dinges zu
allerlei Zwecken. Diese Vollkommenheit als Beschaffenheit des Menschen,
folglich innerliche, ist nichts anders als Talent und, was dieses stärkt
oder ergänzt, Geschicklichkeit. Die höchste Vollkommenheit in Substanz,
d.i. Gott, folglich äußerliche, (in praktischer Absicht betrachtet) ist
die Zulänglichkeit dieses Wesens zu allen Zwecken überhaupt. Wenn nun also
uns Zwecke vorher gegeben werden müssen, in Beziehung auf welche der Begriff
der Vollkommenheit (einer inneren an uns selbst, oder einer äußeren an Gott)
allein Bestimmungsgrund des Willens werden kann, ein Zweck aber als Object,
welches vor der Willensbestimmung durch eine praktische Regel vorhergehen
und den Grund der Möglichkeit einer solchen enthalten muß, mithin die Materie
des Willens, als Bestimmungsgrund desselben genommen, jederzeit empirisch
ist, mithin zum Epikurischen Princip der Glückseligkeitslehre, niemals aber
zum reinen Vernunftprincip der Sittenlehre und der Pflicht dienen kann (wie
denn Talente und ihre Beförderung nur, weil sie zu Vortheilen des Lebens
beitragen, oder der Wille Gottes, wenn Einstimmung mit ihm ohne vorhergehendes,
von dessen Idee unabhängiges praktisches Princip zum Objecte des Willens
genommen worden, nur durch die Glückseligkeit, die wir davon erwarten, Bewegursache
desselben werden können), so folgt erstlich, daß alle hier aufgestellte
Principien material sind, zweitens, daß sie alle mögliche materiale Principien
befassen, und daraus endlich der Schluß: daß, weil materiale Principien
zum obersten Sittengesetz ganz untauglich sind (wie bewiesen worden), das
formale praktische Princip der reinen Vernunft, nach welchem die bloße Form
einer durch unsere Maximen möglichen allgemeinen Gesetzgebung den obersten
und unmittelbaren Bestimmungsgrund des Willens ausmachen muß, das einzige
mögliche sei, welches zu kategorischen Imperativen, d.i. praktischen Gesetzen
(welche Handlungen zur Pflicht machen), und überhaupt zum Princip der Sittlichkeit
sowohl in der Beurtheilung, als auch der Anwendung auf den menschlichen
Willen in Bestimmung desselben tauglich ist. I.
Von der Deduction der Grundsätze der
reinen praktischen Vernunft Diese
Analytik thut dar, daß reine Vernunft praktisch sein, d.i. für sich, unabhängig
von allem Empirischen, den Willen bestimmen könne - und dieses zwar durch
ein Factum, worin sich reine Vernunft bei uns in der That praktisch beweiset,
nämlich die Autonomie in dem Grundsatze der Sittlichkeit, wodurch sie den
Willen zur That bestimmt. - Sie zeigt zugleich, daß dieses Factum mit dem
Bewußtsein der Freiheit des Willens unzertrennlich verbunden, ja mit ihm
einerlei sei, wodurch der Wille eines vernünftigen Wesens, das, als zur
Sinnenwelt gehörig, sich gleich anderen wirksamen Ursachen nothwendig den
Gesetzen der Causalität unterworfen erkennt, im Praktischen doch zugleich
sich auf einer andern Seite, nämlich als Wesen an sich selbst, seines in
einer intelligibelen Ordnung der Dinge bestimmbaren Daseins bewußt ist,
zwar nicht einer besondern Anschauung seiner selbst, sondern gewissen dynamischen
Gesetzen gemäß, die die Causalität desselben in der Sinnenwelt bestimmen
können; denn daß Freiheit, wenn sie uns beigelegt wird, uns in eine intelligibele
Ordnung der Dinge versetze, ist anderwärts hinreichend bewiesen worden.
Wenn wir nun damit den analytischen
Theil der Kritik der reinen speculativen Vernunft vergleichen, so zeigt
sich ein merkwürdiger Contrast beider gegen einander. Nicht Grundsätze,
sondern reine sinnliche Anschauung (Raum und Zeit) war daselbst das erste
Datum, welches Erkenntniß a priori und zwar nur für Gegenstände der
Sinne möglich machte. - Synthetische Grundsätze aus bloßen Begriffen ohne
Anschauung waren unmöglich, vielmehr konnten diese nur in Beziehung auf
jene, welche sinnlich war, mithin auch nur auf Gegenstände möglicher Erfahrung
stattfinden, weil die Begriffe des Verstandes, mit dieser Anschauung verbunden,
allein dasjenige Erkenntniß möglich machen, welches wir Erfahrung nennen.
- Über die Erfahrungsgegenstände hinaus, also von Dingen als Noumenen, wurde
der speculativen Vernunft alles Positive einer Erkenntniß mit völligem Rechte
abgesprochen. - Doch leistete diese so viel, daß sie den Begriff der Noumenen,
d.i. die Möglichkeit, ja Nothwendigkeit dergleichen zu denken, in Sicherheit
setzte und z.B. die Freiheit, negativ betrachtet, anzunehmen als ganz verträglich
mit jenen Grundsätzen und Einschränkungen der reinen theoretischen Vernunft
wider alle Einwürfe rettete, ohne doch von solchen Gegenständen irgend etwas
Bestimmtes und Erweiterndes zu erkennen zu geben, indem sie vielmehr alle
Aussicht dahin gänzlich abschnitt. Dagegen giebt das moralische Gesetz,
wenn gleich keine Aussicht, dennoch ein schlechterdings aus allen Datis
der Sinnenwelt und dem ganzen Umfange unseres theoretischen Vernunftgebrauchs
unerklärliches Factum an die Hand, das auf eine reine Verstandeswelt Anzeige
giebt, ja diese sogar positiv bestimmt und uns etwas von ihr, nämlich ein
Gesetz, erkennen läßt. Dieses Gesetz soll der Sinnenwelt, als
einer sinnlichen Natur, (was die vernünftigen Wesen betrifft) die Form einer
Verstandeswelt, d.i. einer übersinnlichen Natur, verschaffen, ohne doch
jener ihrem Mechanism Abbruch zu thun. Nun ist Natur im allgemeinsten Verstande
die Existenz der Dinge unter Gesetzen. Die sinnliche Natur vernünftiger
Wesen überhaupt ist die Existenz derselben unter empirisch bedingten Gesetzen,
mithin für die Vernunft Heteronomie. Die übersinnliche Natur eben derselben
Wesen ist dagegen ihre Existenz nach Gesetzen, die von aller empirischen
Bedingung unabhängig sind, mithin zur Autonomie der reinen Vernunft gehören.
Und da die Gesetze, nach welchen das Dasein der Dinge vom Erkenntniß abhängt,
praktisch sind: so ist die übersinnliche Natur, so weit wir uns einen Begriff
von ihr machen können, nichts anders als eine Natur unter der Autonomie
der reinen praktischen Vernunft. Das Gesetz dieser Autonomie aber ist das
moralische Gesetz, welches also das Grundgesetz einer übersinnlichen Natur
und einer reinen Verstandeswelt ist, deren Gegenbild in der Sinnenwelt,
aber doch zugleich ohne Abbruch der Gesetze derselben existiren soll. Man
könnte jene die urbildliche (natura archetypa), die wir blos in der
Vernunft erkennen, diese aber, weil sie die mögliche Wirkung der Idee der
ersteren als Bestimmungsgrundes des Willens enthält, die nachgebildete (natura
ectypa)nennen. Denn in der That versetzt uns das moralische Gesetz der
Idee nach in eine Natur, in welcher reine Vernunft, wenn sie mit dem ihr
angemessenen physischen Vermögen begleitet wäre, das höchste Gut hervorbringen
würde, und bestimmt unseren Willen die Form der Sinnenwelt, als einem Ganzen
vernünftiger Wesen, zu ertheilen. Daß diese Idee wirklich unseren Willensbestimmungen
gleichsam als Vorzeichnung zum Muster liege, bestätigt die gemeinste Aufmerksamkeit
auf sich selbst. Wenn die Maxime, nach der ich ein Zeugniß
abzulegen gesonnen bin, durch die praktische Vernunft geprüft wird, so sehe
ich immer darnach, wie sie sein würde, wenn sie als allgemeines Naturgesetz
gölte. Es ist offenbar, in dieser Art würde es jedermann zur Wahrhaftigkeit
nöthigen. Denn es kann nicht mit der Allgemeinheit eines Naturgesetzes bestehen,
Aussagen für beweisend und dennoch als vorsetzlich unwahr gelten zu lassen.
Eben so wird die Maxime, die ich in Ansehung der freien Disposition über
mein Leben nehme, sofort bestimmt, wenn ich mich frage, wie sie sein müßte,
damit sich eine Natur nach einem Gesetze derselben erhalte. Offenbar würde
niemand in einer solchen Natur sein Leben willkürlich endigen können, denn
eine solche Verfassung würde keine bleibende Naturordnung sein, und so in
allen übrigen Fällen. Nun ist aber in der wirklichen Natur, so wie sie ein
Gegenstand der Erfahrung ist, der freie Wille nicht von selbst zu solchen
Maximen bestimmt, die für sich selbst eine Natur nach allgemeinen Gesetzen
gründen könnten, oder auch in eine solche, die nach ihnen angeordnet wäre,
von selbst paßten; vielmehr sind es Privatneigungen, die zwar ein Naturganzes
nach pathologischen (physischen) Gesetzen, aber nicht eine Natur, die allein
durch unsern Willen nach reinen praktischen Gesetzen möglich wäre, ausmachen.
Gleichwohl sind wir uns durch die Vernunft eines Gesetzes bewußt, welchem,
als ob durch unseren Willen zugleich eine Naturordnung entspringen müßte,
alle unsere Maximen unterworfen sind. Also muß dieses die Idee einer nicht
empirisch-gegebenen und dennoch durch Freiheit möglichen, mithin übersinnlichen
Natur sein, der wir, wenigstens in praktischer Beziehung, objective Realität
geben, weil wir sie als Object unseres Willens als reiner vernünftiger Wesen
ansehen. Der Unterschied also zwischen den Gesetzen
einer Natur, welcher der Wille unterworfen ist, und einer Natur, die einem
Willen (in Ansehung dessen, was Beziehung desselben auf seine freie Handlungen
hat) unterworfen ist, beruht darauf, daß bei jener die Objecte Ursachen
der Vorstellungen sein müssen, die den Willen bestimmen, bei dieser aber
der Wille Ursache von den Objecten sein soll, so daß die Causalität desselben
ihren Bestimmungsgrund lediglich in reinem Vernunftvermögen liegen hat,
welches deshalb auch eine reine praktische Vernunft genannt werden kann. Die zwei Aufgaben also: wie reine Vernunft
einerseits a priori Objecte erkennen und wie sie andererseits unmittelbar
ein Bestimmungsgrund des Willens, d.i. der Causalität des vernünftigen Wesens
in Ansehung der Wirklichkeit der Objecte, (blos durch den Gedanken der Allgemeingültigkeit
ihrer eigenen Maximen als Gesetzes) sein könne, sind sehr verschieden. Die erste, als zur Kritik der reinen
speculativen Vernunft gehörig, erfordert, daß zuvor erklärt werde, wie Anschauungen,
ohne welche uns überall kein Object gegeben und also auch keines synthetisch
erkannt werden kann, a priori möglich sind, und ihre Auflösung fällt
dahin aus, daß sie insgesammt nur sinnlich sind, daher auch kein speculatives
Erkenntniß möglich werden lassen, das weiter ginge, als mögliche Erfahrung
reicht, und daß daher alle Grundsätze jener reinen speculativen Vernunft
nichts weiter ausrichten, als Erfahrung entweder von gegebenen Gegenständen,
oder denen, die ins Unendliche gegeben werden mögen, niemals aber vollständig
gegeben sind, möglich zu machen. Die zweite, als zur Kritik der praktischen
Vernunft gehörig, fordert keine Erklärung, wie die Objecte des Begehrungsvermögens
möglich sind, denn das bleibt als Aufgabe der theoretischen Naturerkenntniß
der Kritik der speculativen Vernunft überlassen, sondern nur, wie Vernunft
die Maxime des Willens bestimmen könne, ob es nur vermittelst empirischer
Vorstellungen als Bestimmungsgründe geschehe, oder ob auch reine Vernunft
praktisch und ein Gesetz einer möglichen, gar nicht empirisch erkennbaren
Naturordnung sein würde. Die Möglichkeit einer solchen übersinnlichen Natur,
deren Begriff zugleich der Grund der Wirklichkeit derselben durch unseren
freien Willen sein könne, bedarf keiner Anschauung a priori (einer
intelligibelen Welt), die in diesem Falle, als übersinnlich, für uns auch
unmöglich sein müßte. Denn es kommt nur auf den Bestimmungsgrund des Wollens
in den Maximen desselben an, ob jener empirisch, oder ein Begriff der reinen
Vernunft (von der Gesetzmäßigkeit derselben überhaupt) sei, und wie er letzteres
sein könne. Ob die Causalität des Willens zur Wirklichkeit der Objecte zulange,
oder nicht, bleibt den theoretischen Principien der Vernunft zu beurtheilen
überlassen, als Untersuchung der Möglichkeit der Objecte des Wollens, deren
Anschauung also in der praktischen Aufgabe gar kein Moment derselben ausmacht.
Nur auf die Willensbestimmung und den Bestimmungsgrund der Maxime desselben
als eines freien Willens kommt es hier an, nicht auf den Erfolg. Denn wenn
der Wille nur für die reine Vernunft gesetzmäßig ist, so mag es mit dem
Vermögen desselben in der Ausführung stehen, wie es wolle, es mag nach diesen
Maximen der Gesetzgebung einer möglichen Natur eine solche wirklich daraus
entspringen, oder nicht, darum bekümmert sich die Kritik, die da untersucht,
ob und wie reine Vernunft praktisch, d.i. unmittelbar willenbestimmend,
sein könne, gar nicht. In diesem Geschäfte kann sie also ohne
Tadel und muß sie von reinen praktischen Gesetzen und deren Wirklichkeit
anfangen. Statt der Anschauung aber legt sie denselben den Begriff ihres
Daseins in der intelligibelen Welt, nämlich der Freiheit, zum Grunde. Denn
dieser bedeutet nichts anders, und jene Gesetze sind nur in Beziehung auf
Freiheit des Willens möglich, unter Voraussetzung derselben aber nothwendig,
oder umgekehrt, diese ist nothwendig, weil jene Gesetze als praktische Postulate
nothwendig sind. Wie nun dieses Bewußtsein der moralischen Gesetze oder,
welches einerlei ist, das der Freiheit möglich sei, läßt sich nicht weiter
erklären, nur die Zulässigkeit derselben in der theoretischen Kritik gar
wohl vertheidigen. Die Exposition des obersten Grundsatzes
der praktischen Vernunft ist nun geschehen, d.i. erstlich, was er enthalte,
daß er gänzlich a priori und unabhängig von empirischen Principien
für sich bestehe, und dann, worin er sich von allen anderen praktischen
Grundsätzen unterscheide, gezeigt worden. Mit der Deduction, d.i. der Rechtfertigung
seiner objectiven und allgemeinen Gültigkeit und der Einsicht der Möglichkeit
eines solchen synthetischen Satzes a priori, darf man nicht so gut
fortzukommen hoffen, als es mit den Grundsätzen des reinen theoretischen
Verstandes anging. Denn diese bezogen sich auf Gegenstände möglicher Erfahrung,
nämlich auf Erscheinungen, und man konnte beweisen, daß nur dadurch, daß
diese Erscheinungen nach Maßgabe jener Gesetze unter die Kategorien gebracht
werden, diese Erscheinungen als Gegenstände der Erfahrung erkannt werden
können, folglich alle mögliche Erfahrung diesen Gesetzen angemessen sein
müsse. Einen solchen Gang kann ich aber mit der Deduction des moralischen
Gesetzes nicht nehmen. Denn es betrifft nicht das Erkenntniß von der Beschaffenheit
der Gegenstände, die der Vernunft irgend wodurch anderwärts gegeben werden
mögen, sondern ein Erkenntniß, so fern es der Grund von der Existenz der
Gegenstände selbst werden kann und die Vernunft durch dieselbe Causalität
in einem vernünftigen Wesen hat, d.i. reine Vernunft, die als ein unmittelbar
den Willen bestimmendes Vermögen angesehen werden kann. Nun ist aber alle menschliche Einsicht
zu Ende, so bald wir zu Grundkräften oder Grundvermögen gelangt sind; denn
deren Möglichkeit kann durch nichts begriffen, darf aber auch eben so wenig
beliebig erdichtet und angenommen werden. Daher kann uns im theoretischen
Gebrauche der Vernunft nur Erfahrung dazu berechtigen, sie anzunehmen. Dieses
Surrogat, statt einer Deduction aus Erkenntnißquellen a priori empirische
Beweise anzuführen, ist uns hier aber in Ansehung des reinen praktischen
Vernunftvermögens auch benommen. Denn was den Beweisgrund seiner Wirklichkeit
von der Erfahrung herzuholen bedarf, muß den Gründen seiner Möglichkeit
nach von Erfahrungsprincipien abhängig sein, für dergleichen aber reine
und doch praktische Vernunft schon ihres Begriffs wegen unmöglich gehalten
werden kann. Auch ist das moralische Gesetz gleichsam als ein Factum der
reinen Vernunft, dessen wir uns a priori bewußt sind und welches
apodiktisch gewiß ist, gegeben, gesetzt daß man auch in der Erfahrung kein
Beispiel, da es genau befolgt wäre, auftreiben könnte. Also kann die objective
Realität des moralischen Gesetzes durch keine Deduction, durch alle Anstrengung
der theoretischen, speculativen oder empirisch unterstützten Vernunft, bewiesen
und also, wenn man auch auf die apodiktische Gewißheit Verzicht thun wollte,
durch Erfahrung bestätigt und so a posteriori bewiesen werden, und
steht dennoch für sich selbst fest. Etwas anderes aber und ganz Widersinnisches
tritt an die Stelle dieser vergeblich gesuchten Deduction des moralischen
Princips, nämlich daß es umgekehrt selbst zum Princip der Deduction eines
unerforschlichen Vermögens dient, welches keine Erfahrung beweisen, die
speculative Vernunft aber (um unter ihren kosmologischen Ideen das Unbedingte
seiner Causalität nach zu finden, damit sie sich selbst nicht widerspreche)
wenigstens als möglich annehmen mußte, nämlich das der Freiheit, von der
das moralische Gesetz, welches selbst keiner rechtfertigenden Gründe bedarf,
nicht blos die Möglichkeit, sondern die Wirklichkeit an Wesen beweiset,
die dies Gesetz als für sie verbindend erkennen. Das moralische Gesetz ist
in der That ein Gesetz der Causalität durch Freiheit und also der Möglichkeit
einer übersinnlichen Natur, so wie das metaphysische Gesetz der Begebenheiten
in der Sinnenwelt ein Gesetz der Causalität der sinnlichen Natur war, und
jenes bestimmt also das, was speculative Philosophie unbestimmt lassen mußte,
nämlich das Gesetz für eine Causalität, deren Begriff in der letzteren nur
negativ war, und verschafft diesem also zuerst objective Realität. Diese Art von Creditiv des moralischen
Gesetzes, da es selbst als ein Princip der Deduction der Freiheit als einer
Causalität der reinen Vernunft aufgestellt wird, ist, da die theoretische
Vernunft wenigstens die Möglichkeit einer Freiheit anzunehmen genöthigt
war, zu Ergänzung eines Bedürfnisses derselben statt aller Rechtfertigung
a priori völlig hinreichend. Denn das moralische Gesetz beweiset
seine Realität dadurch auch für die Kritik der speculativen Vernunft genugthuend,
daß es einer blos negativ gedachten Causalität, deren Möglichkeit jener
unbegreiflich und dennoch sie anzunehmen nöthig war, positive Bestimmung,
nämlich den Begriff einer den Willen unmittelbar (durch die Bedingung einer
allgemeinen gesetzlichen Form seiner Maximen) bestimmenden Vernunft, hinzufügt
und so der Vernunft, die mit ihren Ideen, wenn sie speculativ verfahren
wollte, immer überschwenglich wurde, zum erstenmale objective, obgleich
nur praktische Realität zu geben vermag und ihren transscendenten Gebrauch
in einen immanenten (im Felde der Erfahrung durch Ideen selbst wirkende
Ursachen zu sein) verwandelt. Die Bestimmung der Causalität der Wesen
in der Sinnenwelt als einer solchen konnte niemals unbedingt sein, und dennoch
muß es zu aller Reihe der Bedingungen nothwendig etwas Unbedingtes, mithin
auch eine sich gänzlich von selbst bestimmende Causalität geben. Daher war
die Idee der Freiheit als eines Vermögens absoluter Spontaneität nicht ein
Bedürfniß, sondern, was deren Möglichkeit betrifft, ein analytischer Grundsatz
der reinen speculativen Vernunft. Allein da es schlechterdings unmöglich
ist, ihr gemäß ein Beispiel in irgend einer Erfahrung zu geben, weil unter
den Ursachen der Dinge als Erscheinungen keine Bestimmung der Causalität,
die schlechterdings unbedingt wäre, angetroffen werden kann, so konnten
wir nur den Gedanken von einer freihandelnden Ursache, wenn wir diesen auf
ein Wesen in der Sinnenwelt, so fern es andererseits auch als Noumenon betrachtet
wird, anwenden, vertheidigen, indem wir zeigten, daß es sich nicht widerspreche,
alle seine Handlungen als physisch bedingt, so fern sie Erscheinungen sind,
und doch zugleich die Causalität derselben, so fern das handelnde Wesen
ein Verstandeswesen ist, als physisch unbedingt anzusehen und so den Begriff
der Freiheit zum regulativen Princip der Vernunft zu machen, wodurch ich
zwar den Gegenstand, dem dergleichen Causalität beigelegt wird, gar nicht
erkenne, was er sei, aber doch das Hinderniß wegnehme, in dem ich einerseits
in der Erklärung der Weltbegebenheiten, mithin auch der Handlungen vernünftiger
Wesen, dem Mechanismus der Naturnothwendigkeit, vom Bedingten zur Bedingung
ins Unendliche zurückzugehen, Gerechtigkeit widerfahren lasse, andererseits
aber der speculativen Vernunft den für sie leeren Platz offen erhalte, nämlich
das Intelligibele, um das Unbedingte dahin zu versetzen. Ich konnte aber diesen Gedanken nicht
realisiren, d.i. ihn nicht in Erkenntniß eines so handelnden Wesens auch
nur blos seiner Möglichkeit nach verwandeln. Diesen leeren Platz füllt nun
reine praktische Vernunft durch ein bestimmtes Gesetz der Causalität in
einer intelligibelen Welt (durch Freiheit), nämlich das moralische Gesetz,
aus. Hiedurch wächst nun zwar der speculativen Vernunft in Ansehung ihrer
Einsicht nichts zu, aber doch in Ansehung der Sicherung ihres problematischen
Begriffs der Freiheit, welchem hier objective und, obgleich nur praktische,
dennoch unbezweifelte Realität verschafft wird. Selbst den Begriff der Causalität,
dessen Anwendung, mithin auch Bedeutung eigentlich nur in Beziehung auf
Erscheinungen, um sie zu Erfahrungen zu verknüpfen, stattfindet (wie die
Kritik der reinen Vernunft beweiset), erweitert sie nicht so, daß sie seinen
Gebrauch über gedachte Grenzen ausdehne. Denn wenn sie darauf ausginge,
so müßte sie zeigen wollen, wie das logische Verhältniß des Grundes und
der Folge bei einer anderen Art von Anschauung, als die sinnliche ist, synthetisch
gebraucht werden könne, d.i. wie causa noumenon möglich sei; welches
sie gar nicht leisten kann, worauf sie aber auch als praktische Vernunft
gar nicht Rücksicht nimmt, indem sie nur den Bestimmungsgrund der Causalität
des Menschen als Sinnenwesens (welche gegeben ist) in der reinen Vernunft
(die darum praktisch heißt) setzt und also den Begriff der Ursache selbst,
von dessen Anwendung auf Objecte zum Behuf theoretischer Erkenntnisse sie
hier gänzlich abstrahiren kann (weil dieser Begriff immer im Verstande,
auch unabhängig von aller Anschauung, a priori angetroffen wird),
nicht um Gegenstände zu erkennen, sondern die Causalität in Ansehung derselben
überhaupt zu bestimmen, also in keiner andern als praktischen Absicht braucht
und daher den Bestimmungsgrund des Willens in die intelligibele Ordnung
der Dinge verlegen kann, indem sie zugleich gerne gesteht, das, was der
Begriff der Ursache zur Erkenntniß dieser Dinge für eine Bestimmung haben
möge, gar nicht zu verstehen. Die Causalität in Ansehung der Handlungen
des Willens in der Sinnenwelt muß sie allerdings auf bestimmte Weise erkennen,
denn sonst könnte praktische Vernunft wirklich keine That hervorbringen.
Aber den Begriff, den sie von ihrer eigenen Causalität als Noumenon macht,
braucht sie nicht theoretisch zum Behuf der Erkenntniß ihrer übersinnlichen
Existenz zu bestimmen und also ihm so fern Bedeutung geben zu können. Denn
Bedeutung bekommt er ohnedem, obgleich nur zum praktischen Gebrauche, nämlich
durchs moralische Gesetz. Auch theoretisch betrachtet bleibt er immer ein
reiner, a priori gegebener Verstandesbegriff, der auf Gegenstände
angewandt werden kann, sie mögen sinnlich oder nicht sinnlich gegeben werden;
wiewohl er im letzteren Falle keine bestimmte theoretische Bedeutung und
Anwendung hat, sondern blos ein formaler, aber doch wesentlicher Gedanke
des Verstandes von einem Objecte überhaupt ist. Die Bedeutung, die ihm die
Vernunft durchs moralische Gesetz verschafft, ist lediglich praktisch, da
nämlich die Idee des Gesetzes einer Causalität (des Willens) selbst Causalität
hat, oder ihr Bestimmungsgrund ist. II. Von der Befugniß der reinen Vernunft im praktischen Gebrauche zu einer Erweiterung, die ihr im speculativen für sich nicht möglich ist An
dem moralischen Princip haben wir ein Gesetz der Causalität aufgestellt,
welches den Bestimmungsgrund der letzteren über alle Bedingungen der Sinnenwelt
wegsetzt, und den Willen, wie er als zu einer intelligibelen Welt gehörig
bestimmbar sei, mithin das Subject dieses Willens (den Menschen) nicht blos
als zu einer reinen Verstandeswelt gehörig, obgleich in dieser Beziehung
als uns unbekannt (wie es nach der Kritik der reinen speculativen Vernunft
geschehen konnte) gedacht, sondern ihn auch in Ansehung seiner Causalität
vermittelst eines Gesetzes, welches zu gar keinem Naturgesetze der Sinnenwelt
gezählt werden kann, bestimmt, also unser Erkenntniß über die Grenzen der
letzteren erweitert, welche Anmaßung doch die Kritik der reinen Vernunft
in aller Speculation für nichtig erklärte. Wie ist nun hier praktischer
Gebrauch der reinen Vernunft mit dem theoretischen eben derselben in Ansehung
der Grenzbestimmung ihres Vermögens zu vereinigen? David Hume, von dem man sagen kann,
daß er alle Anfechtung der Rechte einer reinen Vernunft, welche eine gänzliche
Untersuchung derselben nothwendig machten, eigentlich anfing, schloß so.
Der Begriff der Ursache ist ein Begriff, der die Nothwendigkeit der Verknüpfung
der Existenz des Verschiedenen und zwar, so fern es verschieden ist, enthält,
so daß, wenn A gesetzt wird, ich erkenne, daß etwas davon ganz Verschiedenes,
B, nothwendig auch existiren müsse. Nothwendigkeit kann aber nur
einer Verknüpfung beigelegt werden, so fern sie a priori erkannt
wird; denn die Erfahrung würde von einer Verbindung nur zu erkennen geben,
daß sie sei, aber nicht, daß sie so nothwendigerweise sei. Nun ist es, sagt
er, unmöglich, die Verbindung, die zwischen einem Dinge und einem anderen
(oder einer Bestimmung und einer anderen, ganz von ihr verschiedenen), wenn
sie nicht in der Wahrnehmung gegeben werden, a priori und als nothwendig
zu erkennen. Also ist der Begriff einer Ursache selbst lügenhaft und betrügerisch
und ist, am gelindesten davon zu reden, eine so fern noch zu entschuldigende
Täuschung, da die Gewohnheit (eine subjective Nothwendigkeit), gewisse Dinge
oder ihre Bestimmungen öfters neben oder nach einander ihrer Existenz nach
als sich beigesellt wahrzunehmen, unvermerkt für eine objective Nothwendigkeit,
in den Gegenständen selbst eine solche Verknüpfung zu setzen, genommen und
so der Begriff einer Ursache erschlichen und nicht rechtmäßig erworben ist,
ja auch niemals erworben oder beglaubigt werden kann, weil er eine an sich
nichtige, chimärische, vor keiner Vernunft haltbare Verknüpfung fordert,
der gar kein Object jemals correspondiren kann. - So ward nun zuerst in
Ansehung alles Erkenntnisses, das die Existenz der Dinge betrifft (die Mathematik
blieb also davon noch ausgenommen), der Empirismus als die einzige Quelle
der Principien eingeführt, mit ihm aber zugleich der härteste Scepticism
selbst in Ansehung der ganzen Naturwissenschaft (als Philosophie). Denn
wir können nach solchen Grundsätzen niemals aus gegebenen Bestimmungen der
Dinge ihrer Existenz nach auf eine Folge schließen (denn dazu würde der
Begriff einer Ursache, der die Nothwendigkeit einer solchen Verknüpfung
enthält, erfordert werden), sondern nur nach der Regel der Einbildungskraft
ähnliche Fälle wie sonst erwarten, welche Erwartung aber niemals sicher
ist, sie mag auch noch so oft eingetroffen sein. Ja bei keiner Begebenheit
könnte man sagen: es müsse etwas vor ihr vorhergegangen sein, worauf sie
nothwendig folgte, d.i. sie müsse eine Ursache haben, und also, wenn man
auch noch so öftere Fälle kennte, wo dergleichen vorherging, so daß eine
Regel davon abgezogen werden konnte, so könnte man darum es nicht als immer
und nothwendig sich auf die Art zutragend annehmen, und so müsse man dem
blinden Zufalle, bei welchem aller Vernunftgebrauch aufhört, auch sein Recht
lassen, welches denn den Scepticism in Ansehung der von Wirkungen zu Ursachen
aufsteigenden Schlüsse fest gründet und unwiderleglich macht. Die Mathematik war so lange noch gut
weggekommen, weil Hume dafür hielt, daß ihre Sätze alle analytisch wären,
d.i. von einer Bestimmung zur andern um der Identität willen, mithin nach
dem Satze des Widerspruchs fortschritten (welches aber falsch ist, indem
sie vielmehr alle synthetisch sind, und, obgleich z.B. die Geometrie es
nicht mit der Existenz der Dinge, sondern nur ihrer Bestimmung a priori
in einer möglichen Anschauung zu thun hat, dennoch eben so gut wie durch
Causalbegriffe von einer Bestimmung A zu einer ganz verschiedenen
B, als dennoch mit jener nothwendig verknüpft, übergeht). Aber endlich
muß jene wegen ihrer apodiktischen Gewißheit so hochgepriesene Wissenschaft
doch dem Empirismus in Grundsätzen aus demselben Grunde, warum Hume an der
Stelle der objectiven Nothwendigkeit in dem Begriffe der Ursache die Gewohnheit
setzte, auch unterliegen und sich unangesehen alles ihres Stolzes gefallen
lassen, ihre kühne, a priori Beistimmung gebietende Ansprüche herabzustimmen,
und den Beifall für die Allgemeingültigkeit ihrer Sätze von der Gunst der
Beobachter erwarten, die als Zeugen es doch nicht weigern würden zu gestehen,
daß sie das, was der Geometer als Grundsätze vorträgt, jederzeit auch so
wahrgenommen hätten, folglich, ob es gleich eben nicht nothwendig wäre,
doch fernerhin, es so erwarten zu dürfen, erlauben würden. Auf diese Weise
führt Humens Empirism in Grundsätzen auch unvermeidlich auf den Scepticism
selbst in Ansehung der Mathematik, folglich in allem wissenschaftlichen
theoretischen Gebrauche der Vernunft (denn dieser gehört entweder zur Philosophie,
oder zur Mathematik). Ob der gemeine Vernunftgebrauch (bei einem so schrecklichen
Umsturz, als man den Häuptern der Erkenntniß begegnen sieht) besser durchkommen,
und nicht vielmehr noch unwiederbringlicher in eben diese Zerstörung alles
Wissens werde verwickelt werden, mithin ein allgemeiner Scepticism nicht
aus denselben Grundsätzen folgen müsse (der freilich aber nur die Gelehrten
treffen würde), das will ich jeden selbst beurtheilen lassen. Was nun meine Bearbeitung in der Kritik
der reinen Vernunft betrifft, die zwar durch jene Humische Zweifellehre
veranlaßt ward, doch viel weiter ging und das ganze Feld der reinen theoretischen
Vernunft im synthetischen Gebrauche, mithin auch desjenigen, was man Metaphysik
überhaupt nennt, befaßte: so verfuhr ich in Ansehung der den Begriff der
Causalität betreffenden Zweifel des schottischen Philosophen auf folgende
Art. Daß Hume, wenn er (wie es doch auch fast überall geschieht) die Gegenstände
der Erfahrung für Dinge an sich selbst nahm, den Begriff der Ursache für
trüglich und falsches Blendwerk erklärte, daran that er ganz recht; denn
von Dingen an sich selbst und deren Bestimmungen als solchen kann nicht
eingesehen werden, wie darum, weil etwas A gesetzt wird, etwas anderes
B auch nothwendig gesetzt werden müsse, und also konnte er eine solche
Erkenntniß a priori von Dingen an sich selbst gar nicht einräumen.
Einen empirischen Ursprung dieses Begriffs konnte der scharfsinnige Mann
noch weniger verstatten, weil dieser geradezu der Nothwendigkeit der Verknüpfung
widerspricht, welche das Wesentliche des Begriffs der Causalität ausmacht;
mithin ward der Begriff in die Acht erklärt, und in seine Stelle trat die
Gewohnheit im Beobachten des Laufs der Wahrnehmungen. Aus meinen Untersuchungen aber ergab
es sich, daß die Gegenstände, mit denen wir es in der Erfahrung zu thun
haben, keinesweges Dinge an sich selbst, sondern blos Erscheinungen sind,
und daß, obgleich bei Dingen an sich selbst gar nicht abzusehen ist, ja
unmöglich ist einzusehen, wie, wenn A gesetzt wird, es widersprechend
sein solle, B, welches von A ganz verschieden ist, nicht zu
setzen (die Nothwendigkeit der Verknüpfung zwischen A als Ursache
und B als Wirkung), es sich doch ganz wohl denken lasse, daß sie
als Erscheinungen in einer Erfahrung auf gewisse Weise (z.B. in Ansehung
der Zeitverhältnisse) nothwendig verbunden sein müssen und nicht getrennt
werden können, ohne derjenigen Verbindung zu widersprechen, vermittelst
deren diese Erfahrung möglich ist, in welcher sie Gegenstände und uns allein
erkennbar sind. Und so fand es sich auch in der That: so daß ich den Begriff
der Ursache nicht allein nach seiner objectiven Realität in Ansehung der
Gegenstände der Erfahrung beweisen, sondern ihn auch als Begriff a priori
wegen der Nothwendigkeit der Verknüpfung, die er bei sich führt, deduciren,
d.i. seine Möglichkeit aus reinem Verstande ohne empirische Quellen darthun,
und so, nach Wegschaffung des Empirismus seines Ursprungs, die unvermeidliche
Folge desselben, nämlich den Scepticism, zuerst in Ansehung der Naturwissenschaft,
dann auch, wegen des ganz vollkommen aus denselben Gründen Folgenden, in
Ansehung der Mathematik, beider Wissenschaften, die auf Gegenstände möglicher
Erfahrung bezogen werden, und hiemit den totalen Zweifel an allem, was theoretische
Vernunft einzusehen behauptet, aus dem Grunde heben konnte. Aber wie wird es mit der Anwendung dieser
Kategorie der Causalität (und so auch aller übrigen; denn ohne sie läßt
sich kein Erkenntniß des Existirenden zu Stande bringen) auf Dinge, die
nicht Gegenstände möglicher Erfahrung sind, sondern über dieser ihre Grenze
hinaus liegen? Denn ich habe die objective Realität dieser Begriffe nur
in Ansehung der Gegenstände möglicher Erfahrung deduciren können. Aber eben
dieses, daß ich sie auch nur in diesem Falle gerettet habe, daß ich gewiesen
habe, es lassen sich dadurch doch Objecte denken, obgleich nicht a priori
bestimmen: dieses ist es, was ihnen einen Platz im reinen Verstande
giebt, von dem sie auf Objecte überhaupt (sinnliche, oder nicht sinnliche)
bezogen werden. Wenn etwas noch fehlt, so ist es die Bedingung der Anwendung
dieser Kategorien und namentlich der der Causalität auf Gegenstände, nämlich
die Anschauung, welche, wo sie nicht gegeben ist, die Anwendung zum Behuf
der theoretischen Erkenntniß des Gegenstandes als Noumenon unmöglich macht,
die also, wenn es jemand darauf wagt, (wie auch in der Kritik der reinen
Vernunft geschehen) gänzlich verwehrt wird, indessen daß doch immer die
objective Realität des Begriffs bleibt, auch von Noumenen gebraucht werden
kann, aber ohne diesen Begriff theoretisch im mindesten bestimmen und dadurch
ein Erkenntniß bewirken zu können. Denn daß dieser Begriff auch in Beziehung
auf ein Object nichts Unmögliches enthalte, war dadurch bewiesen, daß ihm
sein Sitz im reinen Verstande bei aller Anwendung auf Gegenstände der Sinne
gesichert war, und ob er gleich hernach etwa, auf Dinge an sich selbst (die
nicht Gegenstände der Erfahrung sein können) bezogen, keiner Bestimmung
zur Vorstellung eines bestimmten Gegenstandes zum Behuf einer theoretischen
Erkenntniß fähig ist, so konnte er doch immer noch zu irgend einem anderen
(vielleicht dem praktischen) Behuf einer Bestimmung zur Anwendung desselben
fähig sein, welches nicht sein würde, wenn nach Hume dieser Begriff der
Causalität etwas, das überall zu denken unmöglich ist, enthielte. Um nun diese Bedingung der Anwendung
des gedachten Begriffs auf Noumenen ausfindig zu machen, dürfen wir nur
zurücksehen, weswegen wir nicht mit der Anwendung desselben auf Erfahrungsgegenstände
zufrieden sind, sondern ihn auch gern von Dingen an sich selbst brauchen
möchten. Denn da zeigt sich bald, daß es nicht eine theoretische, sondern
praktische Absicht sei, welche uns dieses zur Nothwendigkeit macht. Zur
Speculation würden wir, wenn es uns damit auch gelänge, doch keinen wahren
Erwerb in Naturkenntniß und überhaupt in Ansehung der Gegenstände, die uns
irgend gegeben werden mögen, machen, sondern allenfalls einen weiten Schritt
vom Sinnlichbedingten (bei welchem zu bleiben und die Kette der Ursachen
fleißig durchzuwandern wir so schon genug zu thun haben) zum Übersinnlichen
thun, um unser Erkenntniß von der Seite der Gründe zu vollenden und zu begrenzen,
indessen daß immer eine unendliche Kluft zwischen jener Grenze und dem,
was wir kennen, unausgefüllt übrig bliebe, und wir mehr einer eiteln Fragsucht,
als einer gründlichen Wißbegierde Gehör gegeben hätten. Außer dem Verhältnisse aber, darin der
Verstand zu Gegenständen (im theoretischen Erkenntnisse) steht, hat er auch
eines zum Begehrungsvermögen, das darum der Wille heißt, und der reine Wille,
so fern der reine Verstand (der in solchem Falle Vernunft heißt) durch die
bloße Vorstellung eines Gesetzes praktisch ist. Die objective Realität eines
reinen Willens oder, welches einerlei ist, einer reinen praktischen Vernunft
ist im moralischen Gesetze a priori gleichsam durch ein Factum gegeben;
denn so kann man eine Willensbestimmung nennen, die unvermeidlich ist, ob
sie gleich nicht auf empirischen Principien beruht. Im Begriffe eines Willens
aber ist der Begriff der Causalität schon enthalten, mithin in dem eines
reinen Willens der Begriff einer Causalität der Freiheit, d.i. die nicht
nach Naturgesetzen bestimmbar, folglich keiner empirischen Anschauung als
Beweises seiner Realität fähig ist, dennoch aber in dem reinen praktischen
Gesetze a priori seine objective Realität, doch (wie leicht einzusehen)
nicht zum Behufe des theoretischen, sondern blos praktischen Gebrauchs der
Vernunft, vollkommen rechtfertigt. Nun ist der Begriff eines Wesens, das
freien Willen hat, der Begriff einer causa noumenon, und daß sich
dieser Begriff nicht selbst widerspreche, dafür ist man schon dadurch gesichert,
daß der Begriff einer Ursache als gänzlich vom reinen Verstande entsprungen,
zugleich auch seiner objectiven Realität in Ansehung der Gegenstände überhaupt
durch die Deduction gesichert, dabei seinem Ursprunge nach von allen sinnlichen
Bedingungen unabhängig, also für sich auf Phänomene nicht eingeschränkt
(es sei denn, wo ein theoretischer bestimmter Gebrauch davon gemacht werden
wollte), auf Dinge als reine Verstandeswesen allerdings angewandt werden
könne. Weil aber dieser Anwendung keine Anschauung, als die jederzeit nur
sinnlich sein kann, untergelegt werden kann, so ist causa noumenon in
Ansehung des theoretischen Gebrauchs der Vernunft, obgleich ein möglicher,
denkbarer, dennoch leerer Begriff. Nun verlange ich aber auch dadurch nicht
die Beschaffenheit eines Wesens, so fern es einen reinen Willen hat, theoretisch
zu kennen; es ist mir genug, es dadurch nur als ein solches zu bezeichnen,
mithin nur den Begriff der Causalität mit dem der Freiheit (und was davon
unzertrennlich ist, mit dem moralischen Gesetze als Bestimmungsgrunde derselben)
zu verbinden; welche Befugniß mir vermöge des reinen, nicht empirischen
Ursprungs des Begriffs der Ursache allerdings zusteht, indem ich davon keinen
anderen Gebrauch, als in Beziehung auf das moralische Gesetz, das seine
Realität bestimmt, d.i. nur einen praktischen Gebrauch, zu machen mich befugt
halte. Hätte ich mit Humen dem Begriffe der
Causalität die objective Realität im theoretischen Gebrauche nicht allein
in Ansehung der Sachen an sich selbst (des Übersinnlichen), sondern auch
in Ansehung der Gegenstände der Sinne genommen: so wäre er aller Bedeutung
verlustig und als ein theoretisch unmöglicher Begriff für gänzlich unbrauchbar
erklärt worden, und, da von nichts sich auch kein Gebrauch machen läßt,
der praktische Gebrauch eines theoretisch-nichtigen Begriffs ganz ungereimt
gewesen. Nun aber der Begriff einer empirisch unbedingten Causalität theoretisch
zwar leer (ohne darauf sich schickende Anschauung), aber immer doch möglich
ist und sich auf ein unbestimmt Object bezieht, statt dieses aber ihm doch
an dem moralischen Gesetze, folglich in praktischer Beziehung, Bedeutung
gegeben wird, so habe ich zwar keine Anschauung, die ihm seine objective
theoretische Realität bestimmte, aber er hat nichts desto weniger wirkliche
Anwendung, die sich in concreto in Gesinnungen oder Maximen darstellen
läßt, d.i. praktische Realität, die angegeben werden kann; welches denn
zu seiner Berechtigung selbst in Absicht auf Noumenen hinreichend ist. Aber diese einmal eingeleitete objective
Realität eines reinen Verstandesbegriffs im Felde des Übersinnlichen giebt
nunmehr allen übrigen Kategorien, obgleich immer nur so fern mit dem Bestimmungsgrunde
des reinen Willens (dem moralischen Gesetze) in nothwendiger Verbindung
stehen, auch objective, nur keine andere als blos praktisch-anwendbare Realität,
indessen sie auf theoretische Erkenntnisse dieser Gegenstände, als Einsicht
der Natur derselben durch reine Vernunft, nicht den mindesten Einfluß hat,
um dieselbe zu erweitern. Wie wir denn auch in der Folge finden werden,
daß sie immer nur auf Wesen als Intelligenzen, und an diesen auch nur auf
das Verhältniß der Vernunft zum Willen, mithin immer nur aufs Praktische
Beziehung haben und weiter hinaus sich kein Erkenntniß derselben anmaßen;
was aber mit ihnen in Verbindung noch sonst für Eigenschaften, die zur theoretischen
Vorstellungsart solcher übersinnlichen Dinge gehören, herbeigezogen werden
möchten, diese insgesammt alsdann gar nicht zum Wissen, sondern nur zur
Befugniß (in praktischer Absicht aber gar zur Nothwendigkeit) sie anzunehmen
und vorauszusetzen gezählt werden, selbst da, wo man übersinnliche Wesen
(als Gott) nach einer Analogie, d.i. dem reinen Vernunftverhältnisse, dessen
wir in Ansehung der sinnlichen uns praktisch bedienen, und so der reinen
theoretischen Vernunft durch die Anwendung aufs Übersinnliche, aber nur
in praktischer Absicht, zum Schwärmen ins Überschwengliche nicht den mindesten
Vorschub giebt. Zweites Hauptstück.Von dem Begriffe eines Gegenstandes der reinen praktischen Vernunft Unter dem Begriffe eines Gegenstandes
der praktischen Vernunft verstehe ich die Vorstellung eines Objects als
einer möglichen Wirkung durch Freiheit. Ein Gegenstand der praktischen Erkenntniß
als einer solchen zu sein, bedeutet also nur die Beziehung des Willens auf
die Handlung, dadurch er oder sein Gegentheil wirklich gemacht würde, und
die Beurtheilung, ob etwas ein Gegenstand der reinen praktischen Vernunft
sei, oder nicht, ist nur die Unterscheidung der Möglichkeit oder Unmöglichkeit,
diejenige Handlung zu wollen, wodurch, wenn wir das Vermögen dazu hätten
(worüber die Erfahrung urtheilen muß), ein gewisses Object wirklich werden
würde. Wenn das Object als der Bestimmungsgrund unseres Begehrungsvermögens
angenommen wird, so muß die physische Möglichkeit desselben durch freien
Gebrauch unserer Kräfte vor der Beurtheilung, ob es ein Gegenstand der praktischen
Vernunft sei oder nicht, vorangehen. Dagegen wenn das Gesetz a priori
als der Bestimmungsgrund der Handlung, mithin diese als durch reine
praktische Vernunft bestimmt betrachtet werden kann, so ist das Urtheil,
ob etwas ein Gegenstand der reinen praktischen Vernunft sei oder nicht,
von der Vergleichung mit unserem physischen Vermögen ganz unabhängig, und
die Frage ist nur, ob wir eine Handlung, die auf die Existenz eines Objects
gerichtet ist, wollen dürfen, wenn dieses in unserer Gewalt wäre, mithin
muß die moralische Möglichkeit der Handlung vorangehen; denn da ist nicht
der Gegenstand, sondern das Gesetz des Willens der Bestimmungsgrund derselben. Die alleinigen Objecte einer praktischen
Vernunft sind also die vom Guten und Bösen. Denn durch das erstere versteht
man einen nothwendigen Gegenstand des Begehrungs-, durch das zweite des
Verabscheuungsvermögens, beides aber nach einem Princip der Vernunft. Wenn der Begriff des Guten nicht von
einem vorhergehenden praktischen Gesetze abgeleitet werden, sondern diesem
vielmehr zum Grunde dienen soll, so kann er nur der Begriff von etwas sein,
dessen Existenz Lust verheißt und so die Causalität des Subjects zur Hervorbringung
desselben, d.i. das Begehrungsvermögen, bestimmt. Weil es nun unmöglich
ist a priori einzusehen, welche Vorstellung mit Lust, welche hingegen
mit Unlust werde begleitet sein, so käme es lediglich auf Erfahrung an,
es auszumachen, was unmittelbar gut oder böse sei. Die Eigenschaft des Subjects,
worauf in Beziehung diese Erfahrung allein angestellt werden kann, ist das
Gefühl der Lust und Unlust, als eine dem inneren Sinne angehörige Receptivität,
und so würde der Begriff von dem, was unmittelbar gut ist, nur auf das gehen,
womit die Empfindung des Vergnügens unmittelbar verbunden ist, und der von
dem schlechthin Bösen auf das, was unmittelbar Schmerz erregt, allein bezogen
werden müssen. Weil aber das dem Sprachgebrauche schon zuwider ist, der
das Angenehme vom Guten, das Unangenehme vom Bösen unterscheidet und verlangt,
daß Gutes und Böses jederzeit durch Vernunft, mithin durch Begriffe, die
sich allgemein mittheilen lassen, und nicht durch bloße Empfindung, welche
sich auf einzelne Subjecte und deren Empfänglichkeit einschränkt, beurtheilt
werde, gleichwohl aber für sich selbst mit keiner Vorstellung eines Objects
a priori eine Lust oder Unlust unmittelbar verbunden werden kann,
so würde der Philosoph, der sich genöthigt glaubte, ein Gefühl der Lust
seiner praktischen Beurtheilung zum Grunde zu legen, gut nennen, was ein
Mittel zum Angenehmen, und Böses, was Ursache der Unannehmlichkeit und des
Schmerzens ist; denn die Beurtheilung des Verhältnisses der Mittel zu Zwecken
gehört allerdings zur Vernunft. Obgleich aber Vernunft allein vermögend
ist, die Verknüpfung der Mittel mit ihren Absichten einzusehen (so daß man
auch den Willen durch das Vermögen der Zwecke definiren könnte, indem sie
jederzeit Bestimmungsgründe des Begehrungsvermögens nach Principien sind),
so würden doch die praktischen Maximen, die aus dem obigen Begriffe des
Guten blos als Mittel folgten, nie etwas für sich selbst, sondern immer
nur irgend wozu Gutes zum Gegenstande des Willens enthalten: das Gute würde
jederzeit blos das Nützliche sein, und das, wozu es nutzt, müßte allemal
außerhalb dem Willen in der Empfindung liegen. Wenn diese nun, als angenehme
Empfindung, vom Begriffe des Guten unterschieden werden müßte, so würde
es überall nichts unmittelbar Gutes geben, sondern das Gute nur in den Mitteln
zu etwas anderm, nämlich irgend einer Annehmlichkeit, gesucht werden müssen.
Es ist eine alte Formel der Schulen:
nihil appetimus, nisi sub ratione boni; nihil aversamur, nisi sub ratione
mali; und sie hat einen oft richtigen, aber auch der Philosophie oft
sehr nachtheiligen Gebrauch, weil die Ausdrücke des boni und mali
eine Zweideutigkeit enthalten, daran die Einschränkung der Sprache Schuld
ist, nach welcher sie eines doppelten Sinnes fähig sind, und daher die praktischen
Gesetze unvermeidlich auf Schrauben stellen und die Philosophie, die im
Gebrauche derselben gar wohl der Verschiedenheit des Begriffs bei demselben
Worte inne werden, aber doch keine besondere Ausdrücke dafür finden kann,
zu subtilen Distinctionen nöthigen, über die man sich nachher nicht einigen
kann, indem der Unterschied durch keinen angemessenen Ausdruck unmittelbar
bezeichnet werden konnte.* Die deutsche Sprache hat das Glück,
die Ausdrücke zu besitzen, welche diese Verschiedenheit nicht übersehen
lassen. Für das, was die Lateiner mit einem einzigen Worte bonum benennen,
hat sie zwei sehr verschiedene Begriffe und auch eben so verschiedene Ausdrücke:
für bonum das Gute und das Wohl, für malum das Böse und das
Übel (oder Weh), so daß es zwei ganz verschiedene Beurtheilungen sind, ob
wir bei einer Handlung das Gute und Böse derselben, oder unser Wohl und
Weh (Übel) in Betrachtung ziehen. Hieraus folgt schon, daß obiger psychologischer
Satz wenigstens noch sehr ungewiß sei, wenn er so übersetzt wird: wir begehren
nichts, als in Rücksicht auf unser Wohl oder Weh; dagegen er, wenn man ihn
so giebt: wir wollen nach Anweisung der Vernunft nichts, als nur so fern
wir es für gut oder böse halten, ungezweifelt gewiß und zugleich ganz klar
ausgedrückt wird. Das Wohl oder Übel bedeutet immer nur
eine Beziehung auf unseren Zustand der Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit,
des Vergnügens und Schmerzens, und wenn wir darum ein Object begehren oder
verabscheuen, so geschieht es nur, so fern es auf unsere Sinnlichkeit und
das Gefühl der Lust und Unlust, das es bewirkt, bezogen wird. Das Gute oder
Böse bedeutet aber jederzeit eine Beziehung auf den Willen, so fern dieser
durchs Vernunftgesetz bestimmt wird, sich etwas zu seinem Objecte zu machen;
wie er denn durch das Object und dessen Vorstellung niemals unmittelbar
bestimmt wird, sondern ein Vermögen ist, sich eine Regel der Vernunft zur
Bewegursache einer Handlung (dadurch ein Object wirklich werden kann) zu
machen. Das Gute oder Böse wird also eigentlich auf Handlungen, nicht auf
den Empfindungszustand der Person bezogen, und sollte etwas schlechthin
(und in aller Absicht und ohne weitere Bedingung) gut oder böse sein oder
dafür gehalten werden, so würde es nur die Handlungsart, die Maxime des
Willens und mithin die handelnde Person selbst als guter oder böser Mensch,
nicht aber eine Sache sein, die so genannt werden könnte. Man mochte also immer den Stoiker auslachen,
der in den heftigsten Gichtschmerzen ausrief: Schmerz, du magst mich noch
so sehr foltern, ich werde doch nie gestehen, daß du etwas Böses (kakon,
malum) seist! er hatte doch recht. Ein Übel war es, das fühlte
er, und das verrieth sein Geschrei; aber daß ihm dadurch ein Böses anhinge,
hatte er gar nicht Ursache einzuräumen; denn der Schmerz verringert den
Werth seiner Person nicht im mindesten, sondern nur den Werth seines Zustandes.
Eine einzige Lüge, deren er sich bewußt gewesen wäre, hätte seinen Muth
niederschlagen müssen; aber der Schmerz diente nur zur Veranlassung, ihn
zu erheben, wenn er sich bewußt war, daß er ihn durch keine unrechte Handlung
verschuldet und sich dadurch strafwürdig gemacht habe. Was wir gut nennen sollen, muß in jedes
vernünftigen Menschen Urtheil ein Gegenstand des Begehrungsvermögens sein,
und das Böse in den Augen von jedermann ein Gegenstand des Abscheues; mithin
bedarf es außer dem Sinne zu dieser Beurtheilung noch Vernunft. So ist es
mit der Wahrhaftigkeit im Gegensatze mit der Lüge, so mit der Gerechtigkeit
im Gegensatz der Gewaltthätigkeit etc. bewandt. Wir können aber etwas ein
Übel nennen, welches doch jedermann zugleich für gut, bisweilen mittelbar,
bisweilen gar unmittelbar, erklären muß. Der eine chirurgische Operation
an sich verrichten läßt, fühlt sie ohne Zweifel als ein Übel; aber durch
Vernunft erklärt er und jedermann sie für gut. Wenn aber jemand, der friedliebende
Leute gerne neckt und beunruhigt, endlich einmal anläuft und mit einer tüchtigen
Tracht Schläge abgefertigt wird: so ist dieses allerdings ein Übel, aber
jedermann giebt dazu seinen Beifall und hält es an sich für gut, wenn auch
nichts weiter daraus entspränge; ja selbst der, der sie empfängt, muß in
seiner Vernunft erkennen, daß ihm Recht geschehe, weil er die Proportion
zwischen dem Wohlbefinden und Wohlverhalten, welche die Vernunft ihm unvermeidlich
vorhält, hier genau in Ausübung gebracht sieht. Es kommt allerdings auf unser Wohl und
Weh in der Beurtheilung unserer praktischen Vernunft gar sehr viel und,
was unsere Natur als sinnlicher Wesen betrifft, alles auf unsere Glückseligkeit
an, wenn diese, wie Vernunft es vorzüglich fordert, nicht nach der vorübergehenden
Empfindung, sondern nach dem Einflusse, den diese Zufälligkeit auf unsere
ganze Existenz und die Zufriedenheit mit derselben hat, beurtheilt wird;
aber alles überhaupt kommt darauf doch nicht an. Der Mensch ist ein bedürftiges
Wesen, so fern er zur Sinnenwelt gehört, und so fern hat seine Vernunft
allerdings einen nicht abzulehnenden Auftrag von Seiten der Sinnlichkeit,
sich um das Interesse derselben zu bekümmern und sich praktische Maximen,
auch in Absicht auf die Glückseligkeit dieses und wo möglich auch eines
zukünftigen Lebens, zu machen. Aber er ist doch nicht so ganz Thier, um
gegen alles, was Vernunft für sich selbst sagt, gleichgültig zu sein und
diese blos zum Werkzeuge der Befriedigung seines Bedürfnisses als Sinnenwesens
zu gebrauchen. Denn im Werthe über die bloße Thierheit erhebt ihn das gar
nicht, daß er Vernunft hat, wenn sie ihm nur zum Behuf desjenigen dienen
soll, was bei Thieren der Instinct verrichtet; sie wäre alsdann nur eine
besondere Manier, deren sich die Natur bedient hätte, um den Menschen zu
demselben Zwecke, dazu sie Thiere bestimmt hat, auszurüsten, ohne ihn zu
einem höheren Zwecke zu bestimmen. Er bedarf also freilich nach dieser einmal
mit ihm getroffenen Naturanstalt Vernunft, um sein Wohl und Weh jederzeit
in Betrachtung zu ziehen, aber er hat sie überdem noch zu einem höheren
Behuf, nämlich auch das, was an sich gut oder böse ist, und worüber reine,
sinnlich gar nicht interessirte Vernunft nur allein urtheilen kann, nicht
allein mit in Überlegung zu nehmen, sondern diese Beurtheilung von jener
gänzlich zu unterscheiden und sie zur obersten Bedingung der letzteren zu
machen. In dieser Beurtheilung des an sich Guten
und Bösen, zum Unterschiede von dem, was nur beziehungsweise auf Wohl oder
Übel so genannt werden kann, kommt es auf folgende Punkte an. Entweder ein
Vernunftprincip wird schon an sich als der Bestimmungsgrund des Willens
gedacht, ohne Rücksicht auf mögliche Objecte des Begehrungsvermögens (also
blos durch die gesetzliche Form der Maxime), alsdann ist jenes Princip praktisches
Gesetz a priori, und reine Vernunft wird für sich praktisch zu sein
angenommen. Das Gesetz bestimmt alsdann unmittelbar den Willen, die ihm
gemäße Handlung ist an sich selbst gut, ein Wille, dessen Maxime jederzeit
diesem Gesetze gemäß ist, ist schlechterdings, in aller Absicht, gut und
die oberste Bedingung alles Guten: oder es geht ein Bestimmungsgrund des
Begehrungsvermögens vor der Maxime des Willens vorher, der ein Object der
Lust und Unlust voraussetzt, mithin etwas, das vergnügt oder schmerzt, und
die Maxime der Vernunft, jene zu befördern, diese zu vermeiden, bestimmt
die Handlungen, wie sie beziehungsweise auf unsere Neigung, mithin nur mittelbar
(in Rücksicht auf einen anderweitigen Zweck, als Mittel zu demselben) gut
sind, und diese Maximen können alsdann niemals Gesetze, dennoch aber vernünftige
praktische Vorschriften heißen. Der Zweck selbst, das Vergnügen, das wir
suchen, ist im letzteren Falle nicht ein Gutes, sondern ein Wohl, nicht
ein Begriff der Vernunft, sondern ein empirischer Begriff von einem Gegenstande
der Empfindung; allein der Gebrauch des Mittels dazu, d.i. die Handlung
(weil dazu vernünftige Überlegung erfordert wird), heißt dennoch gut, aber
nicht schlechthin, sondern nur in Beziehung auf unsere Sinnlichkeit, in
Ansehung ihres Gefühls der Lust und Unlust; der Wille aber, dessen Maxime
dadurch afficirt wird, ist nicht ein reiner Wille, der nur auf das geht,
wobei reine Vernunft für sich selbst praktisch sein kann. Hier ist nun der Ort, das Paradoxon
der Methode in einer Kritik der praktischen Vernunft zu erklären: daß nämlich
der Begriff des Guten und Bösen nicht vor dem moralischen Gesetze (dem er
dem Anschein nach sogar zum Grunde gelegt werden müßte), sondern nur (wie
hier auch geschieht) nach demselben und durch dasselbe bestimmt werden müsse.
Wenn wir nämlich auch nicht wüßten, daß das Princip der Sittlichkeit ein
reines, a priori den Willen bestimmendes Gesetz sei, so müßten wir
doch, um nicht ganz umsonst (gratis) Grundsätze anzunehmen, es anfänglich
wenigstens unausgemacht lassen, ob der Wille blos empirische, oder auch
reine Bestimmungsgründe a priori habe; denn es ist wider alle Grundregeln
des philosophischen Verfahrens, das, worüber man allererst entscheiden soll,
schon zum voraus als entschieden anzunehmen. Gesetzt, wir wollten nun vom
Begriffe des Guten anfangen, um davon die Gesetze des Willens abzuleiten,
so würde dieser Begriff von einem Gegenstande (als einem guten) zugleich
diesen als den einigen Bestimmungsgrund des Willens angeben. Weil nun dieser
Begriff kein praktisches Gesetz a priori zu seiner Richtschnur hatte,
so könnte der Probirstein des Guten oder Bösen in nichts anders, als in
der Übereinstimmung des Gegenstandes mit unserem Gefühle der Lust oder Unlust
gesetzt werden, und der Gebrauch der Vernunft könnte nur darin bestehen,
theils diese Lust oder Unlust im ganzen Zusammenhange mit allen Empfindungen
meines Daseins, theils die Mittel, mir den Gegenstand derselben zu verschaffen,
zu bestimmen. Da nun, was dem Gefühle der Lust gemäß sei, nur durch Erfahrung
ausgemacht werden kann, das praktische Gesetz aber der Angabe nach doch
darauf als Bedingung gegründet werden soll, so würde geradezu die Möglichkeit
praktischer Gesetze a priori ausgeschlossen: weil man vorher nöthig
zu finden meinte, einen Gegenstand für den Willen auszufinden, davon der
Begriff als eines Guten den allgemeinen, obzwar empirischen Bestimmungsgrund
des Willens ausmachen müsse. Nun aber war doch vorher nöthig zu untersuchen,
ob es nicht auch einen Bestimmungsgrund des Willens a priori gebe
(welcher niemals irgendwo anders, als an einem reinen praktischen Gesetze,
und zwar so fern dieses die bloße gesetzliche Form ohne Rücksicht auf einen
Gegenstand den Maximen vorschreibt, wäre gefunden worden). Weil man aber
schon einen Gegenstand nach Begriffen des Guten und Bösen zum Grunde alles
praktischen Gesetzes legte, jener aber ohne vorhergehendes Gesetz nur nach
empirischen Begriffen gedacht werden konnte, so hatte man sich die Möglichkeit,
ein reines praktisches Gesetz auch nur zu denken, schon zum voraus benommen;
da man im Gegentheil, wenn man dem letzteren vorher analytisch nachgeforscht
hätte, gefunden haben würde, daß nicht der Begriff des Guten als eines Gegenstandes
das moralische Gesetz, sondern umgekehrt das moralische Gesetz allererst
den Begriff des Guten, so fern es diesen Namen schlechthin verdient, bestimme
und möglich mache. Diese Anmerkung, welche blos die Methode
der obersten moralischen Untersuchungen betrifft, ist von Wichtigkeit. Sie
erklärt auf einmal den veranlassenden Grund aller Verirrungen der Philosophen
in Ansehung des obersten Princips der Moral. Denn sie suchten einen Gegenstand
des Willens auf, um ihn zur Materie und dem Grunde eines Gesetzes zu machen
(welches alsdann nicht unmittelbar, sondern vermittelst jenes an das Gefühl
der Lust oder Unlust gebrachten Gegenstandes der Bestimmungsgrund des Willens
sein sollte), anstatt daß sie zuerst nach einem Gesetze hätten forschen
sollen, das a priori und unmittelbar den Willen und diesem gemäß
allererst den Gegenstand bestimmte. Nun mochten sie diesen Gegenstand der
Lust, der den obersten Begriff des Guten abgeben sollte, in der Glückseligkeit,
in der Vollkommenheit, im moralischen Gefühle, oder im Willen Gottes setzen,
so war ihr Grundsatz allemal Heteronomie, sie mußten unvermeidlich auf empirische
Bedingungen zu einem moralischen Gesetze stoßen: weil sie ihren Gegenstand,
als unmittelbaren Bestimmungsgrund des Willens, nur nach seinem unmittelbaren
Verhalten zum Gefühl, welches allemal empirisch ist, gut oder böse nennen
konnten. Nur ein formales Gesetz, d.i. ein solches, welches der Vernunft
nichts weiter als die Form ihrer allgemeinen Gesetzgebung zur obersten Bedingung
der Maximen vorschreibt, kann a priori ein Bestimmungsgrund der praktischen
Vernunft sein. Die Alten verriethen indessen diesen Fehler dadurch unverhohlen,
daß sie ihre moralische Untersuchung gänzlich auf die Bestimmung des Begriffs
vom höchsten Gut, mithin eines Gegenstandes setzten, welchen sie nachher
zum Bestimmungsgrunde des Willens im moralischen Gesetze zu machen gedachten:
ein Object, welches weit hinterher, wenn das moralische Gesetz allererst
für sich bewährt und als unmittelbarer Bestimmungsgrund des Willens gerechtfertigt
ist, dem nunmehr seiner Form nach a priori bestimmten Willen als
Gegenstand vorgestellt werden kann, welches wir in der Dialektik der reinen
praktischen Vernunft uns unterfangen wollen. Die Neueren, bei denen die
Frage über das höchste Gut außer Gebrauch gekommen, zum wenigsten nur Nebensache
geworden zu sein scheint, verstecken obigen Fehler (wie in vielen andern
Fällen) hinter unbestimmten Worten, indessen daß man ihn gleichwohl aus
ihren Systemen hervorblicken sieht, da er alsdann allenthalben Heteronomie
der praktischen Vernunft verräth, daraus nimmermehr ein a priori allgemein
gebietendes moralisches Gesetz entspringen kann. Da nun die Begriffe des Guten und Bösen
als Folgen der Willensbestimmung a priori auch ein reines praktisches
Princip, mithin eine Causalität der reinen Vernunft voraussetzen: so beziehen
sie sich ursprünglich nicht (etwa als Bestimmungen der synthetischen Einheit
des Mannigfaltigen gegebener Anschauungen in einem Bewußtsein) auf Objecte,
wie die reinen Verstandesbegriffe oder Kategorien der theoretisch gebrauchten
Vernunft, sie setzen diese vielmehr als gegeben voraus; sondern sie sind
insgesammt modi einer einzigen Kategorie, nämlich der der Causalität,
so fern der Bestimmungsgrund derselben in der Vernunftvorstellung eines
Gesetzes derselben besteht, welches als Gesetz der Freiheit die Vernunft
sich selbst giebt und dadurch sich a priori als praktisch beweiset.
Da indessen die Handlungen einerseits zwar unter einem Gesetze, das kein
Naturgesetz, sondern ein Gesetz der Freiheit ist, folglich zu dem Verhalten
intelligibeler Wesen, andererseits aber doch auch als Begebenheiten in der
Sinnenwelt zu den Erscheinungen gehören, so werden die Bestimmungen einer
praktischen Vernunft nur in Beziehung auf die letztere, folglich zwar den
Kategorien des Verstandes gemäß, aber nicht in der Absicht eines theoretischen
Gebrauchs desselben, um das Mannigfaltige der (sinnlichen) Anschauung unter
ein Bewußtsein a priori zu bringen, sondern nur um das Mannigfaltige
der Begehrungen der Einheit des Bewußtseins einer im moralischen Gesetze
gebietenden praktischen Vernunft oder eines reinen Willens a priori zuunterwerfen,
Statt haben können. Diese Kategorien der Freiheit, denn
so wollen wir sie statt jener theoretischen Begriffe als Kategorien der
Natur benennen, haben einen augenscheinlichen Vorzug vor den letzteren,
daß, da diese nur Gedankenformen sind, welche nur unbestimmt Objecte überhaupt
für jede uns mögliche Anschauung durch allgemeine Begriffe bezeichnen, diese
hingegen, da sie auf die Bestimmung einer freien Willkür gehen (der zwar
keine Anschauung völlig correspondirend gegeben werden kann, die aber, welches
bei keinen Begriffen des theoretischen Gebrauchs unseres Erkenntnißvermögens
stattfindet, ein reines praktisches Gesetz a priori zum Grunde liegen
hat), als praktische Elementarbegriffe statt der Form der Anschauung (Raum
und Zeit), die nicht in der Vernunft selbst liegt, sondern anderwärts, nämlich
von der Sinnlichkeit, hergenommen werden muß, die Form eines reinen Willens
in ihr, mithin dem Denkungsvermögen selbst, als gegeben zum Grunde liegen
haben; dadurch es denn geschieht, daß, da es in allen Vorschriften der reinen
praktischen Vernunft nur um die Willensbestimmung, nicht um die Naturbedingungen
(des praktischen Vermögens) der Ausführung seiner Absicht zu thun ist, die
praktischen Begriffe a priori in Beziehung auf das oberste Princip
der Freiheit sogleich Erkenntnisse werden und nicht auf Anschauungen warten
dürfen, um Bedeutung zu bekommen, und zwar aus diesem merkwürdigen Grunde,
weil sie die Wirklichkeit dessen, worauf sie sich beziehen, (die Willensgesinnung)
selbst hervorbringen, welches gar nicht die Sache theoretischer Begriffe
ist. Nur muß man wohl bemerken, daß diese Kategorien nur die praktische
Vernunft überhaupt angehen und so in ihrer Ordnung von den moralisch noch
unbestimmten und sinnlich bedingten zu denen, die, sinnlich unbedingt, blos
durchs moralische Gesetz bestimmt sind, fortgehen. Tafel 1. Subjectiv, nach Maximen (Willensmeinungen
des Individuum) 2. Praktische
Regeln des Begehens(praeceptivae)Praktische Regeln des Unterlassens(prohibitivae)Praktische
Regeln der Ausnahmen(exceptivae). 3. Auf
die PersönlichkeitAuf den Zustand der PersonWechselseitig einer Person auf
den Zustand der anderen. 4. Das
Erlaubte und Unerlaubte Die
Pflicht und das Pflichtwidrige Vollkommene
und unvollkommene Pflicht. Man wird hier bald gewahr, daß in dieser
Tafel die Freiheit als eine Art von Causalität, die aber empirischen Bestimmungsgründen
nicht unterworfen ist, in Ansehung der durch sie möglichen Handlungen als
Erscheinungen in der Sinnenwelt betrachtet werde, folglich sich auf die
Kategorien ihrer Naturmöglichkeit beziehe, indessen daß doch jede Kategorie
so allgemein genommen wird, daß der Bestimmungsgrund jener Causalität auch
außer der Sinnenwelt in der Freiheit als Eigenschaft eines intelligibelen
Wesens angenommen werden kann, bis die Kategorien der Modalität den Übergang
von praktischen Principien überhaupt zu denen der Sittlichkeit, aber nur
problematisch einleiten, welche nachher durchs moralische Gesetz allererst
dogmatisch dargestellt werden können. Ich füge hier nichts weiter zur Erläuterung
gegenwärtiger Tafel bei, weil sie für sich verständlich genug ist. Dergleichen
nach Principien abgefaßte Eintheilung ist aller Wissenschaft ihrer Gründlichkeit
sowohl als Verständlichkeit halber sehr zuträglich. So weiß man z.B. aus
obiger Tafel und der ersten Nummer derselben sogleich, wovon man in praktischen
Erwägungen anfangen müsse: von den Maximen, die jeder auf seine Neigung
gründet, den Vorschriften, die für eine Gattung vernünftiger Wesen, so fern
sie in gewissen Neigungen übereinkommen, gelten, und endlich dem Gesetze,
welches für alle unangesehen ihrer Neigungen gilt, u.s.w. Auf diese Weise
übersieht man den ganzen Plan von dem, was man zu leisten hat, sogar jede
Frage der praktischen Philosophie, die zu beantworten, und zugleich die
Ordnung, die zu befolgen ist. Anmerkungen:
* Überdem ist der Ausdruck sub ratione
boni auch zweideutig. Denn er kann so viel sagen: wir stellen uns etwas
als gut vor, wenn und weil wir es begehren (wollen); aber auch: wir begehren
etwas darum, weil wir es uns als gut vorstellen, so daß entweder die Begierde
der Bestimmungsgrund des Begriffs des Objects als eines Guten, oder der
Begriff des Guten der Bestimmungsgrund des Begehrens (des Willens) sei;
da denn das sub ratione boni im ersteren Falle bedeuten würde, wir
wollen etwas unter der Idee des Guten, im zweiten, zu Folge dieser Idee,
welche vor dem Wollen als Bestimmungsgrund desselben vorhergehen muß.
Von der Typik der reinen praktischen UrtheilskraftDie Begriffe des Guten und Bösen bestimmen
dem Willen zuerst ein Object. Sie stehen selbst aber unter einer praktischen
Regel der Vernunft, welche, wenn sie reine Vernunft ist, den Willen a
priori in Ansehung seines Gegenstandes bestimmt. Ob nun eine uns in
der Sinnlichkeit mögliche Handlung der Fall sei, der unter der Regel stehe,
oder nicht, dazu gehört praktische Urtheilskraft, wodurch dasjenige, was
in der Regel allgemein (in abstracto) gesagt wurde, auf eine Handlung
in concreto angewandt wird. Weil aber eine praktische Regel der reinen
Vernunft erstlich, als praktisch, die Existenz eines Objects betrifft und
zweitens, als praktische Regel der reinen Vernunft, Nothwendigkeit in Ansehung
des Daseins der Handlung bei sich führt, mithin praktisches Gesetz ist und
zwar nicht Naturgesetz durch empirische Bestimmungsgründe, sondern ein Gesetz
der Freiheit, nach welchem der Wille unabhängig von allem Empirischen (blos
durch die Vorstellung eines Gesetzes überhaupt und dessen Form) bestimmbar
sein soll, alle vorkommende Fälle zu möglichen Handlungen aber nur empirisch,
d.i. zur Erfahrung und Natur gehörig, sein können: so scheint es widersinnisch,
in der Sinnenwelt einen Fall antreffen zu wollen, der, da er immer so fern
nur unter dem Naturgesetze steht, doch die Anwendung eines Gesetzes der
Freiheit auf sich verstatte, und auf welchen die übersinnliche Idee des
sittlich Guten, das darin in concreto dargestellt werden soll, angewandt
werden könne. Also ist die Urtheilskraft der reinen praktischen Vernunft
eben denselben Schwierigkeiten unterworfen, als die der reinen theoretischen,
welche letztere gleichwohl, aus denselben zu kommen, ein Mittel zur Hand
hatte: nämlich da es in Ansehung des theoretischen Gebrauchs auf Anschauungen
ankam, darauf reine Verstandesbegriffe angewandt werden könnten, dergleichen
Anschauungen (obzwar nur von Gegenständen der Sinne) doch a priori,
mithin, was die Verknüpfung des Mannigfaltigen in denselben betrifft, den
reinen Verstandesbegriffen a priori gemäß (als Schemate) gegeben
werden können. Hingegen ist das sittlich Gute etwas dem Objecte nach Übersinnliches,
für das also in keiner sinnlichen Anschauung etwas Correspondirendes gefunden
werden kann, und die Urtheilskraft unter Gesetzen der reinen praktischen
Vernunft scheint daher besonderen Schwierigkeiten unterworfen zu sein, die
darauf beruhen, daß ein Gesetz der Freiheit auf Handlungen als Begebenheiten,
die in der Sinnenwelt geschehen und also so fern zur Natur gehören, angewandt
werden soll. Allein hier eröffnet sich doch wieder
eine günstige Aussicht für die reine praktische Urtheilskraft. Es ist bei
der Subsumtion einer mir in der Sinnenwelt möglichen Handlung unter einem
reinen praktischen Gesetze nicht um die Möglichkeit der Handlung als einer
Begebenheit in der Sinnenwelt zu thun; denn die gehört für die Beurtheilung
des theoretischen Gebrauchs der Vernunft nach dem Gesetze der Causalität,
eines reinen Verstandesbegriffs, für den sie ein Schema in der sinnlichen
Anschauung hat. Die physische Causalität, oder die Bedingung, unter der
sie stattfindet, gehört unter die Naturbegriffe, deren Schema transscendentale
Einbildungskraft entwirft. Hier aber ist es nicht um das Schema eines Falles
nach Gesetzen, sondern um das Schema (wenn dieses Wort hier schicklich ist)
eines Gesetzes selbst zu thun, weil die Willensbestimmung (nicht die Handlung
in Beziehung auf ihren Erfolg) durchs Gesetz allein, ohne einen anderen
Bestimmungsgrund, den Begriff der Causalität an ganz andere Bedingungen
bindet, als diejenige sind, welche die Naturverknüpfung ausmachen. Dem Naturgesetze als Gesetze, welchem
die Gegenstände sinnlicher Anschauung als solche unterworfen sind, muß ein
Schema, d.i. ein allgemeines Verfahren der Einbildungskraft (den reinen
Verstandesbegriff, den das Gesetz bestimmt, den Sinnen a priori darzustellen),
correspondiren. Aber dem Gesetze der Freiheit (als einer gar nicht sinnlich
bedingten Causalität) mithin auch dem Begriffe des unbedingt Guten kann
keine Anschauung, mithin kein Schema zum Behuf seiner Anwendung in concreto
untergelegt werden. Folglich hat das Sittengesetz kein anderes die Anwendung
desselben auf Gegenstände der Natur vermittelndes Erkenntnißvermögen, als
den Verstand (nicht die Einbildungskraft), welcher einer Idee der Vernunft
nicht ein Schema der Sinnlichkeit, sondern ein Gesetz, aber doch ein solches,
das an Gegenständen der Sinne in concreto dargestellt werden kann,
mithin ein Naturgesetz, aber nur seiner Form nach, als Gesetz zum Behuf
der Urtheilskraft unterlegen kann, und dieses können wir daher den Typus
des Sittengesetzes nennen. Die Regel der Urtheilskraft unter Gesetzen
der reinen praktischen Vernunft ist diese: Frage dich selbst, ob die Handlung,
die du vorhast, wenn sie nach einem Gesetze der Natur, von der du selbst
ein Theil wärest, geschehen sollte, sie du wohl als durch deinen Willen
möglich ansehen könntest. Nach dieser Regel beurtheilt in der That jedermann
Handlungen, ob sie sittlich gut oder böse sind. So sagt man: Wie, wenn ein
jeder, wo er seinen Vortheil zu schaffen glaubt, sich erlaubte, zu betrügen,
oder befugt hielte, sich das Leben abzukürzen, so bald ihn ein völliger
Überdruß desselben befällt, oder anderer Noth mit völliger Gleichgültigkeit
ansähe, und du gehörtest mit zu einer solchen Ordnung der Dinge, würdest
du darin wohl mit Einstimmung deines Willens sein? Nun weiß ein jeder wohl:
daß, wenn er sich ingeheim Betrug erlaubt, darum eben nicht jedermann es
auch thue, oder, wenn er unbemerkt lieblos ist, nicht sofort jedermann auch
gegen ihn es sein würde; daher ist diese Vergleichung der Maxime seiner
Handlungen mit einem allgemeinen Naturgesetze auch nicht der Bestimmungsgrund
seines Willens. Aber das letztere ist doch ein Typus der Beurtheilung der
ersteren nach sittlichen Principien. Wenn die Maxime der Handlung nicht
so beschaffen ist, daß sie an der Form eines Naturgesetzes überhaupt die
Probe hält, so ist sie sittlich unmöglich. So urtheilt selbst der gemeinste
Verstand; denn das Naturgesetz liegt allen seinen gewöhnlichsten, selbst
den Erfahrungsurtheilen immer zum Grunde. Er hat es also jederzeit bei Hand,
nur daß er in Fällen, wo die Causalität aus Freiheit beurtheilt werden soll,
jenes Naturgesetz blos zum Typus eines Gesetzes der Freiheit macht, weil
er, ohne etwas, was er zum Beispiele im Erfahrungsfalle machen könnte, bei
der Hand zu haben, dem Gesetze einer reinen praktischen Vernunft nicht den
Gebrauch in der Anwendung verschaffen könnte. Es ist also auch erlaubt, die Natur
der Sinnenwelt als Typus einer intelligibelen Natur zu brauchen, so lange
ich nur nicht die Anschauungen, und was davon abhängig ist, auf diese übertrage,
sondern blos die Form der Gesetzmäßigkeit überhaupt (deren Begriff auch
im gemeinsten Vernunftgebrauche stattfindet, aber in keiner anderen Absicht,
als blos zum reinen praktischen Gebrauche der Vernunft a priori bestimmt
erkannt werden kann) darauf beziehe. Denn Gesetze als solche sind so fern
einerlei, sie mögen ihre Bestimmungsgründe hernehmen, woher sie wollen. Übrigens, da von allem Intelligibelen
schlechterdings nichts als (vermittelst des moralischen Gesetzes) die Freiheit
und auch diese nur, so fern sie eine von jenem unzertrennliche Voraussetzung
ist, und ferner alle intelligibele Gegenstände, auf welche uns die Vernunft
nach Anleitung jenes Gesetzes etwa noch führen möchte, wiederum für uns
keine Realität weiter haben, als zum Behuf desselben Gesetzes und des Gebrauches
der reinen praktischen Vernunft, diese aber zum Typus der Urtheilskraft
die Natur (der reinen Verstandesform derselben nach) zu gebrauchen berechtigt
und auch benöthigt ist: so dient die gegenwärtige Anmerkung dazu, um zu
verhüten, daß, was blos zur Typik der Begriffe gehört, nicht zu den Begriffen
selbst gezählt werde. Diese also als Typik der Urtheilskraft bewahrt vor
dem Empirism der praktischen Vernunft, der die praktischen Begriffe des
Guten und Bösen blos in Erfahrungsfolgen (der sogenannten Glückseligkeit)
setzt, obzwar diese und die unendlichen nützlichen Folgen eines durch Selbstliebe
bestimmten Willens, wenn dieser sich selbst zugleich zum allgemeinen Naturgesetze
machte, allerdings zum ganz angemessenen Typus für das sittlich Gute dienen
kann, aber mit diesem doch nicht einerlei ist. Eben dieselbe Typik bewahrt
auch vor dem Mysticism der praktischen Vernunft, welcher das, was nur zum
Symbol diente, zum Schema macht, d.i. wirkliche und doch nicht sinnliche
Anschauungen (eines unsichtbaren Reichs Gottes) der Anwendung der moralischen
Begriffe unterlegt und ins Überschwengliche hinausschweift. Dem Gebrauche
der moralischen Begriffe ist blos der Rationalism der Urtheilskraft angemessen,
der von der sinnlichen Natur nichts weiter nimmt, als was auch reine Vernunft
für sich denken kann, d.i. die Gesetzmäßigkeit, und in die übersinnliche
nichts hineinträgt, als was umgekehrt sich durch Handlungen in der Sinnenwelt
nach der formalen Regel eines Naturgesetzes überhaupt wirklich darstellen
läßt. Indessen ist die Verwahrung vor dem Empirism der praktischen Vernunft
viel wichtiger und anrathungswürdiger, weil der Mysticism sich doch noch
mit der Reinigkeit und Erhabenheit des moralischen Gesetzes zusammen verträgt
und außerdem es nicht eben natürlich und der gemeinen Denkungsart angemessen
ist, seine Einbildungskraft bis zu übersinnlichen Anschauungen anzuspannen,
mithin auf dieser Seite die Gefahr nicht so allgemein ist; da hingegen der
Empirism die Sittlichkeit in Gesinnungen (worin doch, und nicht blos in
Handlungen, der hohe Werth besteht, den sich die Menschheit durch sie verschaffen
kann und soll) mit der Wurzel ausrottet und ihr ganz etwas anderes, nämlich
ein empirisches Interesse, womit die Neigungen überhaupt unter sich Verkehr
treiben, statt der Pflicht unterschiebt, überdem auch eben darum mit allen
Neigungen, die (sie mögen einen Zuschnitt bekommen, welchen sie wollen),
wenn sie zur Würde eines obersten praktischen Princips erhoben werden, die
Menschheit degradiren, und da sie gleichwohl der Sinnesart aller so günstig
sind, aus der Ursache weit gefährlicher ist als alle Schwärmerei, die niemals
einen daurenden Zustand vieler Menschen ausmachen kann. Drittes Hauptstück.Von den Triebfedern der reinen praktischen Vernunft Das Wesentliche alles sittlichen Werths
der Handlungen kommt darauf an, daß das moralische Gesetz unmittelbar den
Willen bestimme. Geschieht die Willensbestimmung zwar gemäß dem moralischen
Gesetze, aber nur vermittelst eines Gefühls, welcher Art es auch sei, das
vorausgesetzt werden muß, damit jenes ein hinreichender Bestimmungsgrund
des Willens werde, mithin nicht um des Gesetzes willen: so wird die Handlung
zwar Legalität, aber nicht Moralität enthalten. Wenn nun unter Triebfeder
(elater animi) der subjective Bestimmungsgrund des Willens eines
Wesens verstanden wird, dessen Vernunft nicht schon vermöge seiner Natur
dem objectiven Gesetze nothwendig gemäß ist, so wird erstlich daraus folgen:
daß man dem göttlichen Willen gar keine Triebfedern beilegen könne, die
Triebfeder des menschlichen Willens aber (und des von jedem erschaffenen
vernünftigen Wesen) niemals etwas anderes als das moralische Gesetz sein
könne, mithin der objective Bestimmungsgrund jederzeit und ganz allein zugleich
der subjectiv hinreichende Bestimmungsgrund der Handlung sein müsse, wenn
diese nicht blos den Buchstaben des Gesetzes, ohne den Geist* desselben
zu enthalten, erfüllen soll. Da man also zum Behuf des moralischen
Gesetzes, und um ihm Einfluß auf den Willen zu verschaffen, keine anderweitige
Triebfeder, dabei die des moralischen Gesetzes entbehrt werden könnte, suchen
muß, weil das alles lauter Gleißnerei ohne Bestand bewirken würde, und sogar
es bedenklich ist, auch nur neben dem moralischen Gesetze noch einige andere
Triebfedern (als die des Vortheils) mitwirken zu lassen: so bleibt nichts
übrig, als blos sorgfältig zu bestimmen, auf welche Art das moralische Gesetz
Triebfeder werde, und was, indem sie es ist, mit dem menschlichen Begehrungsvermögen
als Wirkung jenes Bestimmungsgrundes auf dasselbe vorgehe. Denn wie ein
Gesetz für sich und unmittelbar Bestimmungsgrund des Willens sein könne
(welches doch das Wesentliche aller Moralität ist), das ist ein für die
menschliche Vernunft unauflösliches Problem und mit dem einerlei: wie ein
freier Wille möglich sei. Also werden wir nicht den Grund, woher das moralische
Gesetz in sich eine Triebfeder abgebe, sondern was, so fern es eine solche
ist, sie im Gemüthe wirkt (besser zu sagen, wirken muß), a priori anzuzeigen
haben. Das Wesentliche aller Bestimmung des
Willens durchs sittliche Gesetz ist: daß er als freier Wille, mithin nicht
blos ohne Mitwirkung sinnlicher Antriebe, sondern selbst mit Abweisung aller
derselben und mit Abbruch aller Neigungen, so fern sie jenem Gesetze zuwider
sein könnten, blos durchs Gesetz bestimmt werde. So weit ist also die Wirkung
des moralischen Gesetzes als Triebfeder nur negativ, und als solche kann
diese Triebfeder a priori erkannt werden. Denn alle Neigung und jeder
sinnliche Antrieb ist auf Gefühl gegründet, und die negative Wirkung aufs
Gefühl (durch den Abbruch, der den Neigungen geschieht) ist selbst Gefühl.
Folglich können wir a priori einsehen, daß das moralische Gesetz
als Bestimmungsgrund des Willens dadurch, daß es allen unseren Neigungen
Eintrag thut, ein Gefühl bewirken müsse, welches Schmerz genannt werden
kann, und hier haben wir nun den ersten, vielleicht auch einzigen Fall,
da wir aus Begriffen a priori das Verhältniß eines Erkenntnisses
(hier ist es einer reinen praktischen Vernunft) zum Gefühl der Lust oder
Unlust bestimmen konnten. Alle Neigungen zusammen (die auch wohl in ein
erträgliches System gebracht werden können, und deren Befriedigung alsdann
eigene Glückseligkeit heißt) machen die Selbstsucht (solipsismus)
aus. Diese ist entweder die der Selbstliebe, eines über alles gehenden Wohlwollens
gegen sich selbst (Philautia), oder die des Wohlgefallens an sich
selbst (Arrogantia). Jene heißt besonders Eigenliebe, diese Eigendünkel.
Die reine praktische Vernunft thut der Eigenliebe blos Abbruch, indem sie
solche, als natürlich und noch vor dem moralischen Gesetze in uns rege,
nur auf die Bedingung der Einstimmung mit diesem Gesetze einschränkt; da
sie alsdann vernünftige Selbstliebe genannt wird. Aber den Eigendünkel schlägt
sie gar nieder, indem alle Ansprüche der Selbstschätzung, die vor der Übereinstimmung
mit dem sittlichen Gesetze vorhergehen, nichtig und ohne alle Befugniß sind,
indem eben die Gewißheit einer Gesinnung, die mit diesem Gesetze übereinstimmt,
die erste Bedingung alles Werths der Person ist (wie wir bald deutlicher
machen werden) und alle Anmaßung vor derselben falsch und gesetzwidrig ist.
Nun gehört der Hang zur Selbstschätzung mit zu den Neigungen, denen das
moralische Gesetz Abbruch thut, so fern jene blos auf der Sinnlichkeit beruht.
Also schlägt das moralische Gesetz den Eigendünkel nieder. Da dieses Gesetz
aber doch etwas an sich Positives ist, nämlich die Form einer intellectuellen
Causalität, d.i. der Freiheit, so ist es, indem es im Gegensatze mit dem
subjectiven Widerspiele, nämlich den Neigungen in uns, den Eigendünkel schwächt,
zugleich ein Gegenstand der Achtung und, indem es ihn sogar niederschlägt,
d.i. demüthigt, ein Gegenstand der größten Achtung, mithin auch der Grund
eines positiven Gefühls, das nicht empirischen Ursprungs ist und a priori
erkannt wird. Also ist Achtung fürs moralische Gesetz ein Gefühl, welches
durch einen intellectuellen Grund gewirkt wird, und dieses Gefühl ist das
einzige, welches wir völlig a priori erkennen, und dessen Nothwendigkeit
wir einsehen können. Wir haben im vorigen Hauptstücke gesehen:
daß alles, was sich als Object des Willens vor dem moralischen Gesetze darbietet,
von den Bestimmungsgründen des Willens unter dem Namen des unbedingt Guten
durch dieses Gesetz selbst, als die oberste Bedingung der praktischen Vernunft,
ausgeschlossen werde, und daß die bloße praktische Form, die in der Tauglichkeit
der Maximen zur allgemeinen Gesetzgebung besteht, zuerst das, was an sich
und schlechterdings gut ist, bestimme und die Maxime eines reinen Willens
gründe, der allein in aller Absicht gut ist. Nun finden wir aber unsere
Natur als sinnlicher Wesen so beschaffen, daß die Materie des Begehrungsvermögens
(Gegenstände der Neigung, es sei der Hoffnung oder Furcht) sich zuerst aufdringt,
und unser pathologisch bestimmbares Selbst, ob es gleich durch seine Maximen
zur allgemeinen Gesetzgebung ganz untauglich ist, dennoch, gleich als ob
es unser ganzes Selbst ausmachte, seine Ansprüche vorher und als die ersten
und ursprünglichen geltend zu machen bestrebt sei. Man kann diesen Hang,
sich selbst nach den subjectiven Bestimmungsgründen seiner Willkür zum objectiven
Bestimmungsgrunde des Willens überhaupt zu machen, die Selbstliebe nennen,
welche, wenn sie sich gesetzgebend und zum unbedingten praktischen Princip
macht, Eigendünkel heißen kann. Nun schließt das moralische Gesetz, welches
allein wahrhaftig (nämlich in aller Absicht) objectiv ist, den Einfluß der
Selbstliebe auf das oberste praktische Princip gänzlich aus und thut dem
Eigendünkel, der die subjectiven Bedingungen der ersteren als Gesetze vorschreibt,
unendlichen Abbruch. Was nun unserem Eigendünkel in unserem eigenen Urtheil
Abbruch thut, das demüthigt. Also demüthigt das moralische Gesetz unvermeidlich
jeden Menschen, indem dieser mit demselben den sinnlichen Hang seiner Natur
vergleicht. Dasjenige, dessen Vorstellung als Bestimmungsgrund unseres Willens
uns in unserem Selbstbewußtsein demüthigt, erweckt, so fern als es positiv
und Bestimmungsgrund ist, für sich Achtung. Also ist das moralische Gesetz
auch subjectiv ein Grund der Achtung. Da nun alles, was in der Selbstliebe
angetroffen wird, zur Neigung gehört, alle Neigung aber auf Gefühlen beruht,
mithin, was allen Neigungen insgesammt in der Selbstliebe Abbruch thut,
eben dadurch nothwendig auf das Gefühl Einfluß hat, so begreifen wir, wie
es möglich ist, a priori einzusehen, daß das moralische Gesetz, indem
es die Neigungen und den Hang, sie zur obersten praktischen Bedingung zu
machen, d.i. die Selbstliebe, von allem Beitritte zur obersten Gesetzgebung
ausschließt, eine Wirkung aufs Gefühl ausüben könne, welche einerseits blos
negativ ist, andererseits und zwar in Ansehung des einschränkenden Grundes
der reinen praktischen Vernunft positiv ist, und wozu gar keine besondere
Art von Gefühle unter dem Namen eines praktischen oder moralischen als vor
dem moralischen Gesetze vorhergehend und ihm zum Grunde liegend angenommen
werden darf. Die negative Wirkung auf Gefühl (der
Unannehmlichkeit) ist, so wie aller Einfluß auf dasselbe und wie jedes Gefühl
überhaupt, pathologisch. Als Wirkung aber vom Bewußtsein des moralischen
Gesetzes, folglich in Beziehung auf eine intelligibele Ursache, nämlich
das Subject der reinen praktischen Vernunft als obersten Gesetzgeberin,
heißt dieses Gefühl eines vernünftigen von Neigungen afficirten Subjects
zwar Demüthigung (intellectuelle Verachtung), aber in Beziehung auf den
positiven Grund derselben, das Gesetz, zugleich Achtung für dasselbe, für
welches Gesetz gar kein Gefühl stattfindet, sondern im Urtheile der Vernunft,
indem es den Widerstand aus dem Wege schafft, die Wegräumung eines Hindernisses
einer positiven Beförderung der Causalität gleichgeschätzt wird. Darum kann
dieses Gefühl nun auch ein Gefühl der Achtung fürs moralische Gesetz, aus
beiden Gründen zusammen aber ein moralisches Gefühl genannt werden. Das moralische Gesetz also, so wie es
formaler Bestimmungsgrund der Handlung ist, durch praktische reine Vernunft,
so wie es zwar auch materialer, aber nur objectiver Bestimmungsgrund der
Gegenstände der Handlung unter dem Namen des Guten und Bösen ist, so ist
es auch subjectiver Bestimmungsgrund, d.i. Triebfeder, zu dieser Handlung,
indem es auf die Sinnlichkeit des Subjects Einfluß hat und ein Gefühl bewirkt,
welches dem Einflusse des Gesetzes auf den Willen beförderlich ist. Hier
geht kein Gefühl im Subject vorher, das auf Moralität gestimmt wäre. Denn
das ist unmöglich, weil alles Gefühl sinnlich ist; die Triebfeder der sittlichen
Gesinnung aber muß von aller sinnlichen Bedingung frei sein. Vielmehr ist
das sinnliche Gefühl, was allen unseren Neigungen zum Grunde liegt, zwar
die Bedingung derjenigen Empfindung, die wir Achtung nennen, aber die Ursache
der Bestimmung desselben liegt in der reinen praktischen Vernunft, und diese
Empfindung kann daher ihres Ursprunges wegen nicht pathologisch, sondern
muß praktisch gewirkt heißen: indem dadurch, daß die Vorstellung des moralischen
Gesetzes der Selbstliebe den Einfluß und dem Eigendünkel den Wahn benimmt,
das Hinderniß der reinen praktischen Vernunft vermindert und die Vorstellung
des Vorzuges ihres objectiven Gesetzes vor den Antrieben der Sinnlichkeit,
mithin das Gewicht des ersteren relativ (in Ansehung eines durch die letztere
afficirten Willens) durch die Wegschaffung des Gegengewichts im Urtheile
der Vernunft hervorgebracht wird. Und so ist die Achtung fürs Gesetz nicht
Triebfeder zur Sittlichkeit, sondern sie ist die Sittlichkeit selbst, subjectiv
als Triebfeder betrachtet, indem die reine praktische Vernunft dadurch,
daß sie der Selbstliebe im Gegensatze mit ihr alle Ansprüche abschlägt,
dem Gesetze, das jetzt allein Einfluß hat, Ansehen verschafft. Hiebei ist
nun zu bemerken: daß, so wie die Achtung eine Wirkung aufs Gefühl, mithin
auf die Sinnlichkeit eines vernünftigen Wesens ist, es diese Sinnlichkeit,
mithin auch die Endlichkeit solcher Wesen, denen das moralische Gesetz Achtung
auferlegt, voraussetze, und daß einem höchsten, oder auch einem von aller
Sinnlichkeit freien Wesen, welchem diese also auch kein Hinderniß der praktischen
Vernunft sein kann, Achtung fürs Gesetz nicht beigelegt werden könne. Dieses Gefühl (unter dem Namen des moralischen)
ist also lediglich durch Vernunft bewirkt. Es dient nicht zu Beurtheilung
der Handlungen, oder wohl gar zur Gründung des objectiven Sittengesetzes
selbst, sondern blos zur Triebfeder, um dieses in sich zur Maxime zu machen.
Mit welchem Namen aber könnte man dieses sonderbare Gefühl, welches mit
keinem pathologischen in Vergleichung gezogen werden kann, schicklicher
belegen? Es ist so eigenthümlicher Art, daß es lediglich der Vernunft und
zwar der praktischen reinen Vernunft zu Gebote zu stehen scheint. Achtung geht jederzeit nur auf Personen,
niemals auf Sachen. Die letztere können Neigung und, wenn es Thiere sind
(z.B. Pferde, Hunde etc.), sogar Liebe, oder auch Furcht, wie das Meer,
ein Vulcan, ein Raubthier, niemals aber Achtung in uns erwecken. Etwas,
was diesem Gefühl schon näher tritt, ist Bewunderung, und diese als Affect,
das Erstaunen, kann auch auf Sachen gehen, z.B. himmelhohe Berge, die Größe,
Menge und Weite der Weltkörper, die Stärke und Geschwindigkeit mancher Thiere
u.s.w. Aber alles dieses ist nicht Achtung. Ein Mensch kann mir auch ein
Gegenstand der Liebe, der Furcht, oder der Bewunderung, sogar bis zum Erstaunen,
und doch darum kein Gegenstand der Achtung sein. Seine scherzhafte Laune,
sein Muth und Stärke, seine Macht, durch seinen Rang, den er unter anderen
hat, können mir dergleichen Empfindungen einflößen, es fehlt aber immer
noch an innerer Achtung gegen ihn. Fontenelle sagt: Vor einem Vornehmen
bücke ich mich, aber mein Geist bückt sich nicht. Ich kann hinzu setzen:
Vor einem niedrigen, bürgerlich gemeinen Mann, an dem ich eine Rechtschaffenheit
des Charakters in einem gewissen Maße, als ich mir von mir selbst nicht
bewußt bin, wahrnehme, bückt sich mein Geist, ich mag wollen oder nicht
und den Kopf noch so hoch tragen, um ihn meinen Vorrang nicht übersehen
zu lassen. Warum das? Sein Beispiel hält mir ein Gesetz vor, das meinen
Eigendünkel niederschlägt, wenn ich es mit meinem Verhalten vergleiche,
und dessen Befolgung, mithin die Thunlichkeit desselben, ich durch die That
bewiesen vor mir sehe. Nun mag ich mir sogar eines gleichen Grades der Rechtschaffenheit
bewußt sein, und die Achtung bleibt doch. Denn da beim Menschen immer alles
Gute mangelhaft ist, so schlägt das Gesetz, durch ein Beispiel anschaulich
gemacht, doch immer meinen Stolz nieder, wozu der Mann, den ich vor mir
sehe, dessen Unlauterkeit, die ihm immer noch anhängen mag, mir nicht so
wie mir die meinige bekannt ist, der mir also in reinerem Lichte erscheint,
einen Maßstab abgiebt. Achtung ist ein Tribut, den wir dem Verdienste nicht
verweigern können, wir mögen wollen oder nicht; wir mögen allenfalls äußerlich
damit zurückhalten, so können wir doch nicht verhüten, sie innerlich zu
empfinden. Die Achtung ist so wenig ein Gefühl
der Lust, daß man sich ihr in Ansehung eines Menschen nur ungern überläßt.
Man sucht etwas ausfindig zu machen, was uns die Last derselben erleichtern
könne, irgend einen Tadel, um uns wegen der Demüthigung, die uns durch ein
solches Beispiel widerfährt, schadlos zu halten. Selbst Verstorbene sind,
vornehmlich wenn ihr Beispiel unnachahmlich scheint, vor dieser Kritik nicht
immer gesichert. Sogar das moralische Gesetz selbst in seiner feierlichen
Majestät ist diesem Bestreben, sich der Achtung dagegen zu erwehren, ausgesetzt.
Meint man wohl, daß es einer anderen Ursache zuzuschreiben sei, weswegen
man es gern zu unserer vertraulichen Neigung herabwürdigen möchte, und sich
aus anderen Ursachen alles so bemühe, um es zur beliebten Vorschrift unseres
eigenen wohlverstandenen Vortheils zu machen, als daß man der abschreckenden
Achtung, die uns unsere eigene Unwürdigkeit so strenge vorhält, los werden
möge? Gleichwohl ist darin doch auch wiederum so wenig Unlust: daß, wenn
man einmal den Eigendünkel abgelegt und jener Achtung praktischen Einfluß
verstattet hat, man sich wiederum an der Herrlichkeit dieses Gesetzes nicht
satt sehen kann, und die Seele sich in dem Maße selbst zu erheben glaubt,
als sie das heilige Gesetz über sich und ihre gebrechliche Natur erhaben
sieht. Zwar können große Talente und eine ihnen proportionirte Thätigkeit
auch Achtung oder ein mit derselben analogisches Gefühl bewirken, es ist
auch ganz anständig es ihnen zu widmen, und da scheint es, als ob Bewunderung
mit jener Empfindung einerlei sei. Allein wenn man näher zusieht, so wird
man bemerken, daß, da es immer ungewiß bleibt, wie viel das angeborne Talent
und wie viel Cultur durch eigenen Fleiß an der Geschicklichkeit Theil habe,
so stellt uns die Vernunft die letztere muthmaßlich als Frucht der Cultur,
mithin als Verdienst vor, welches unseren Eigendünkel merklich herabstimmt
und uns darüber entweder Vorwürfe macht, oder uns die Befolgung eines solchen
Beispiels in der Art, wie es uns angemessen ist, auferlegt. Sie ist also
nicht bloße Bewunderung, diese Achtung, die wir einer solchen Person (eigentlich
dem Gesetze, was uns sein Beispiel vorhält) beweisen; welches sich auch
dadurch bestätigt, daß der gemeine Haufe der Liebhaber, wenn er das Schlechte
des Charakters eines solchen Mannes (wie etwa Voltaire) sonst woher erkundigt
zu haben glaubt, alle Achtung gegen ihn aufgiebt, der wahre Gelehrte aber
sie noch immer wenigstens im Gesichtspunkte seiner Talente fühlt, weil er
selbst in einem Geschäfte und Berufe verwickelt ist, welches die Nachahmung
desselben ihm gewissermaßen zum Gesetze macht. Achtung fürs moralische Gesetz ist also
die einzige und zugleich unbezweifelte moralische Triebfeder, so wie dieses
Gefühl auch auf kein Object anders, als lediglich aus diesem Grunde gerichtet
ist. Zuerst bestimmt das moralische Gesetz objectiv und unmittelbar den
Willen im Urtheile der Vernunft; Freiheit, deren Causalität blos durchs
Gesetz bestimmbar ist, besteht aber eben darin, daß sie alle Neigungen,
mithin die Schätzung der Person selbst auf die Bedingung der Befolgung ihres
reinen Gesetzes einschränkt. Diese Einschränkung thut nun eine Wirkung aufs
Gefühl und bringt Empfindung der Unlust hervor, die aus dem moralischen
Gesetze a priori erkannt werden kann. Da sie aber blos so fern eine
negative Wirkung ist, die, als aus dem Einflusse einer reinen praktischen
Vernunft entsprungen, vornehmlich der Thätigkeit des Subjects, so fern Neigungen
die Bestimmungsgründe desselben sind, mithin der Meinung seines persönlichen
Werths Abbruch thut (der ohne Einstimmung mit dem moralischen Gesetze auf
nichts herabgesetzt wird), so ist die Wirkung dieses Gesetzes aufs Gefühl
blos Demüthigung, welche wir also zwar a priori einsehen, aber an
ihr nicht die Kraft des reinen praktischen Gesetzes als Triebfeder, sondern
nur den Widerstand gegen Triebfedern der Sinnlichkeit erkennen können. Weil
aber dasselbe Gesetz doch objectiv, d.i. in der Vorstellung der reinen Vernunft,
ein unmittelbarer Bestimmungsgrund des Willens ist, folglich diese Demüthigung
nur relativ auf die Reinigkeit des Gesetzes stattfindet, so ist die Herabsetzung
der Ansprüche der moralischen Selbstschätzung, d.i. die Demüthigung auf
der sinnlichen Seite, eine Erhebung der moralischen, d.i. der praktischen
Schätzung des Gesetzes selbst, auf der intellectuellen, mit einem Worte
Achtung fürs Gesetz, also auch ein seiner intellectuellen Ursache nach positives
Gefühl, das a priori erkannt wird. Denn eine jede Verminderung der
Hindernisse einer Thätigkeit ist Beförderung dieser Thätigkeit selbst. Die
Anerkennung des moralischen Gesetzes aber ist das Bewußtsein einer Thätigkeit
der praktischen Vernunft aus objectiven Gründen, die blos darum nicht ihre
Wirkung in Handlungen äußert, weil subjective Ursachen (pathologische) sie
hindern. Also muß die Achtung fürs moralische Gesetz auch als positive,
aber indirecte Wirkung desselben aufs Gefühl, so fern jenes den hindernden
Einfluß der Neigungen durch Demüthigung des Eigendünkels schwächt, mithin
als subjectiver Grund der Thätigkeit, d.i. als Triebfeder zu Befolgung desselben,
und als Grund zu Maximen eines ihm gemäßen Lebenswandels angesehen werden.
Aus dem Begriffe einer Triebfeder entspringt der eines Interesse, welches
niemals einem Wesen, als was Vernunft hat, beigelegt wird und eine Triebfeder
des Willens bedeutet, so fern sie durch Vernunft vorgestellt wird. Da das
Gesetz selbst in einem moralisch guten Willen die Triebfeder sein muß, so
ist das moralische Interesse ein reines sinnenfreies Interesse der bloßen
praktischen Vernunft. Auf dem Begriffe eines Interesse gründet sich auch
der einer Maxime. Diese ist also nur alsdann moralisch ächt, wenn sie auf
dem bloßen Interesse, das man an der Befolgung des Gesetzes nimmt, beruht.
Alle drei Begriffe aber, der einer Triebfeder, eines Interesse und einer
Maxime, können nur auf endliche Wesen angewandt werden. Denn sie setzen
insgesammt eine Eingeschränktheit der Natur eines Wesens voraus, da die
subjective Beschaffenheit seiner Willkür mit dem objectiven Gesetze einer
praktischen Vernunft nicht von selbst übereinstimmt; ein Bedürfniß, irgend
wodurch zur Thätigkeit angetrieben zu werden, weil ein inneres Hinderniß
derselben entgegensteht. Auf den göttlichen Willen können sie also nicht
angewandt werden. Es liegt so etwas Besonderes in der
grenzenlosen Hochschätzung des reinen, von allem Vortheil entblößten moralischen
Gesetzes, so wie es praktische Vernunft uns zur Befolgung vorstellt, deren
Stimme auch den kühnsten Frevler zittern macht und ihn nöthigt, sich vor
seinem Anblicke zu verbergen: daß man sich nicht wundern darf, diesen Einfluß
einer blos intellectuellen Idee aufs Gefühl für speculative Vernunft unergründlich
zu finden und sich damit begnügen zu müssen, daß man a priori doch
noch so viel einsehen kann: ein solches Gefühl sei unzertrennlich mit der
Vorstellung des moralischen Gesetzes in jedem endlichen vernünftigen Wesen
verbunden. Wäre dieses Gefühl der Achtung pathologisch und also ein auf
dem inneren Sinne gegründetes Gefühl der Lust, so würde es vergeblich sein,
eine Verbindung derselben mit irgend einer Idee a priori zu entdecken.
Nun aber ist es ein Gefühl, was blos aufs Praktische geht und zwar der Vorstellung
eines Gesetzes lediglich seiner Form nach, nicht irgend eines Objects desselben
wegen anhängt, mithin weder zum Vergnügen, noch zum Schmerze gerechnet werden
kann und dennoch ein Interesse an der Befolgung desselben hervorbringt,
welches wir das moralische nennen; wie denn auch die Fähigkeit, ein solches
Interesse am Gesetze zu nehmen, (oder die Achtung fürs moralische Gesetz
selbst) eigentlich das moralische Gefühl ist. Das Bewußtsein einer freien Unterwerfung
des Willens unter das Gesetz doch als mit einem unvermeidlichen Zwange,
der allen Neigungen, aber nur durch eigene Vernunft angethan wird, verbunden,
ist nun die Achtung fürs Gesetz. Das Gesetz, was diese Achtung fordert und
auch einflößt, ist, wie man sieht, kein anderes als das moralische (denn
kein anderes schließt alle Neigungen von der Unmittelbarkeit ihres Einflusses
auf den Willen aus). Die Handlung, die nach diesem Gesetze mit Ausschließung
aller Bestimmungsgründe aus Neigung objectiv praktisch ist, heißt Pflicht,
welche um dieser Ausschließung willen in ihrem Begriffe praktische Nöthigung,
d.i. Bestimmung zu Handlungen so ungerne, wie sie auch geschehen mögen,
enthält. Das Gefühl, das aus dem Bewußtsein dieser Nöthigung entspringt,
ist nicht pathologisch, als ein solches, was von einem Gegenstande der Sinne
gewirkt würde, sondern allein praktisch, d.i. durch eine vorhergehende (objective)
Willensbestimmung und Causalität der Vernunft, möglich. Es enthält also,
als Unterwerfung unter ein Gesetz, d.i. als Gebot (welches für das sinnlich
afficirte Subject Zwang ankündigt), keine Lust, sondern so fern vielmehr
Unlust an der Handlung in sich. Dagegen aber, da dieser Zwang blos durch
Gesetzgebung der eigenen Vernunft ausgeübt wird, enthält es auch Erhebung,
und die subjective Wirkung aufs Gefühl, so fern davon reine praktische Vernunft
die alleinige Ursache ist, kann also blos Selbstbilligung in Ansehung der
letzteren heißen, indem man sich dazu ohne alles Interesse blos durchs Gesetz
bestimmt erkennt und sich nunmehr eines ganz anderen, dadurch subjectiv
hervorgebrachten Interesse, welches rein praktisch und frei ist, bewußt
wird, welches an einer pflichtmäßigen Handlung zu nehmen, nicht etwa eine
Neigung anräthig ist, sondern die Vernunft durchs praktische Gesetz schlechthin
gebietet und auch wirklich hervorbringt, darum aber einen ganz eigenthümlichen
Namen, nämlich den der Achtung, führt. Der Begriff der Pflicht fordert also
an der Handlung objectiv Übereinstimmung mit dem Gesetze, an der Maxime
derselben aber subjectiv Achtung fürs Gesetz, als die alleinige Bestimmungsart
des Willens durch dasselbe. Und darauf beruht der Unterschied zwischen dem
Bewußtsein, pflichtmäßig und aus Pflicht, d.i. aus Achtung fürs Gesetz,
gehandelt zu haben, davon das erstere (die Legalität) auch möglich ist,
wenn Neigungen blos die Bestimmungsgründe des Willens gewesen wären, das
zweite aber (die Moralität), der moralische Werth, lediglich darin gesetzt
werden muß, daß die Handlung aus Pflicht, d.i. blos um des Gesetzes willen,
geschehe.** Es ist von der größten Wichtigkeit in
allen moralischen Beurtheilungen auf das subjective Princip aller Maximen
mit der äußersten Genauigkeit Acht zu haben, damit alle Moralität der Handlungen
in der Nothwendigkeit derselben aus Pflicht und aus Achtung fürs Gesetz,
nicht aus Liebe und Zuneigung zu dem, was die Handlungen hervorbringen sollen,
gesetzt werde. Für Menschen und alle erschaffene vernünftige Wesen ist die
moralische Nothwendigkeit Nöthigung, d.i. Verbindlichkeit, und jede darauf
gegründete Handlung als Pflicht, nicht aber als eine uns von selbst schon
beliebte, oder beliebt werden könnende Verfahrungsart vorzustellen. Gleich
als ob wir es dahin jemals bringen könnten, daß ohne Achtung fürs Gesetz,
welche mit Furcht oder wenigstens Besorgniß vor Übertretung verbunden ist,
wir wie die über alle Abhängigkeit erhabene Gottheit von selbst, gleichsam
durch eine uns zur Natur gewordene, niemals zu verrückende Übereinstimmung
des Willens mit dem reinen Sittengesetze (welches also, da wir niemals versucht
werden könnten, ihm untreu zu werden, wohl endlich gar aufhören könnte für
uns Gebot zu sein), jemals in den Besitz einer Heiligkeit des Willens kommen
könnten. Das moralische Gesetz ist nämlich für
den Willen eines allervollkommensten Wesens ein Gesetz der Heiligkeit, für
den Willen jedes endlichen vernünftigen Wesens aber ein Gesetz der Pflicht,
der moralischen Nöthigung, und der Bestimmung der Handlungen desselben durch
Achtung für dies Gesetz und aus Ehrfurcht für seine Pflicht. Ein anderes
subjectives Princip muß zur Triebfeder nicht angenommen werden, denn sonst
kann zwar die Handlung, wie das Gesetz sie vorschreibt, ausfallen, aber
da sie zwar pflichtmäßig ist, aber nicht aus Pflicht geschieht, so ist die
Gesinnung dazu nicht moralisch, auf die es doch in dieser Gesetzgebung eigentlich
ankommt. Es ist sehr schön, aus Liebe zu Menschen
und theilnehmendem Wohlwollen ihnen Gutes zu thun, oder aus Liebe zur Ordnung
gerecht zu sein, aber das ist noch nicht die ächte moralische Maxime unsers
Verhaltens, die unserm Standpunkte unter vernünftigen Wesen als Menschen
angemessen ist, wenn wir uns anmaßen, gleichsam als Volontäre uns mit stolzer
Einbildung über den Gedanken von Pflicht wegzusetzen und, als vom Gebote
unabhängig, blos aus eigener Lust das thun zu wollen, wozu für uns kein
Gebot nöthig wäre. Wir stehen unter einer Disciplin der Vernunft und müssen
in allen unseren Maximen der Unterwürfigkeit unter derselben nicht vergessen,
ihr nichts zu entziehen, oder dem Ansehen des Gesetzes (ob es gleich unsere
eigene Vernunft giebt) durch eigenliebigen Wahn dadurch etwas abzukürzen,
daß wir den Bestimmungsgrund unseres Willens, wenn gleich dem Gesetze gemäß,
doch worin anders als im Gesetze selbst und in der Achtung für dieses Gesetz
setzten. Pflicht und Schuldigkeit sind die Benennungen, die wir allein unserem
Verhältnisse zum moralischen Gesetze geben müssen. Wir sind zwar gesetzgebende
Glieder eines durch Freiheit möglichen, durch praktische Vernunft uns zur
Achtung vorgestellten Reichs der Sitten, aber doch zugleich Unterthanen,
nicht das Oberhaupt desselben, und die Verkennung unserer niederen Stufe
als Geschöpfe und Weigerung des Eigendünkels gegen das Ansehen des heiligen
Gesetzes ist schon eine Abtrünnigkeit von demselben dem Geiste nach, wenn
gleich der Buchstabe desselben erfüllt würde. Hiemit stimmt aber die Möglichkeit eines
solchen Gebots als: Liebe Gott über alles und deinen Nächsten als dich selbst***
ganz wohl zusammen. Denn es fordert doch als Gebot Achtung für ein Gesetz,
das Liebe befiehlt, und überläßt es nicht der beliebigen Wahl, sich diese
zum Princip zu machen. Aber Liebe zu Gott als Neigung (pathologische Liebe)
ist unmöglich; denn er ist kein Gegenstand der Sinne. Eben dieselbe gegen
Menschen ist zwar möglich, kann aber nicht geboten werden; denn es steht
in keines Menschen Vermögen, jemanden blos auf Befehl zu lieben. Also ist
es blos die praktische Liebe, die in jenem Kern aller Gesetze verstanden
wird. Gott lieben, heißt in dieser Bedeutung, seine Gebote gerne thun; den
Nächsten lieben, heißt, alle Pflicht gegen ihn gerne ausüben. Das Gebot
aber, daß dieses zur Regel macht, kann auch nicht diese Gesinnung in pflichtmäßigen
Handlungen zu haben, sondern blos darnach zu streben gebieten. Denn ein
Gebot, daß man etwas gerne thun soll, ist in sich widersprechend, weil,
wenn wir, was uns zu thun obliege, schon von selbst wissen, wenn wir uns
überdem auch bewußt wären, es gerne zu thun, ein Gebot darüber ganz unnöthig,
und, thun wir es zwar, aber eben nicht gerne, sondern nur aus Achtung fürs
Gesetz, ein Gebot, welches diese Achtung eben zur Triebfeder der Maxime
macht, gerade der gebotenen Gesinnung zuwider wirken würde. Jenes Gesetz
aller Gesetze stellt also, wie alle moralische Vorschrift des Evangelii,
die sittliche Gesinnung in ihrer ganzen Vollkommenheit dar, so wie sie als
ein Ideal der Heiligkeit von keinem Geschöpfe erreichbar, dennoch das Urbild
ist, welchem wir uns zu näheren und in einem ununterbrochenen, aber unendlichen
Progressus gleich zu werden streben sollen. Könnte nämlich ein vernünftig
Geschöpf jemals dahin kommen, alle moralische Gesetze völlig gerne zu thun,
so würde das so viel bedeuten als, es fände sich in ihm auch nicht einmal
die Möglichkeit einer Begierde, die ihn zur Abweichung von ihnen reizte;
denn die Überwindung einer solchen kostet dem Subject immer Aufopferung,
bedarf also Selbstzwang, d.i. innere Nöthigung zu dem, was man nicht ganz
gern thut. Zu dieser Stufe der moralischen Gesinnung aber kann es ein Geschöpf
niemals bringen. Denn da es ein Geschöpf, mithin in Ansehung dessen, was
es zur gänzlichen Zufriedenheit mit seinem Zustande fordert, immer abhängig
ist, so kann es niemals von Begierden und Neigungen ganz frei sein, die,
weil sie auf physischen Ursachen beruhen, mit dem moralischen Gesetze, das
ganz andere Quellen hat, nicht von selbst stimmen, mithin es jederzeit nothwendig
machen, in Rücksicht auf dieselbe die Gesinnung seiner Maximen auf moralische
Nöthigung, nicht auf bereitwillige Ergebenheit, sondern auf Achtung, welche
die Befolgung des Gesetzes, obgleich sie ungerne geschähe, fordert, nicht
auf Liebe, die keine innere Weigerung des Willens gegen das Gesetz besorgt,
zu gründen, gleichwohl aber diese letztere, nämlich die bloße Liebe zum
Gesetze, (da es alsdann aufhören würde Gebot zu sein, und Moralität, die
nun subjectiv in Heiligkeit überginge, aufhören würde Tugend zu sein) sich
zum beständigen, obgleich unerreichbaren Ziele seiner Bestrebung zu machen.
Denn an dem, was wir hochschätzen, aber doch (wegen des Bewußtseins unserer
Schwächen) scheuen, verwandelt sich durch die mehrere Leichtigkeit ihm Gnüge
zu thun die ehrfurchtsvolle Scheu in Zuneigung und Achtung in Liebe; wenigstens
würde es die Vollendung einer dem Gesetze gewidmeten Gesinnung sein, wenn
es jemals einem Geschöpfe möglich wäre sie zu erreichen. Diese Betrachtung ist hier nicht sowohl
dahin abgezweckt, das angeführte evangelische Gebot auf deutliche Begriffe
zu bringen, um der Religionsschwärmerei in Ansehung der Liebe Gottes, sondern
die sittliche Gesinnung auch unmittelbar in Ansehung der Pflichten gegen
Menschen genau zu bestimmen und einer blos moralischen Schwärmerei, welche
viel Köpfe ansteckt, zu steuren, oder wo möglich vorzubeugen. Die sittliche
Stufe, worauf der Mensch (aller unserer Einsicht nach auch jedes vernünftige
Geschöpf) steht, ist Achtung fürs moralische Gesetz. Die Gesinnung, die
ihm, dieses zu befolgen, obliegt, ist, es aus Pflicht, nicht aus freiwilliger
Zuneigung und auch allenfalls unbefohlener, von selbst gern unternommener
Bestrebung zu befolgen, und sein moralischer Zustand, darin er jedesmal
sein kann, ist Tugend, d.i. moralische Gesinnung im Kampfe, und nicht Heiligkeit
im vermeintlichen Besitze einer völligen Reinigkeit der Gesinnungen des
Willens. Es ist lauter moralische Schwärmerei und Steigerung des Eigendünkels,
wozu man die Gemüther durch Aufmunterung zu Handlungen als edler, erhabener
und großmüthiger stimmt, dadurch man sie in den Wahn versetzt, als wäre
es nicht Pflicht, d.i. Achtung fürs Gesetz, dessen Joch (das gleichwohl,
weil es uns Vernunft selbst auferlegt, sanft ist) sie, wenn gleich ungern,
tragen müßten, was den Bestimmungsgrund ihrer Handlungen ausmachte, und
welches sie immer noch demüthigt, indem sie es befolgen (ihm gehorchen);
sondern als ob jene Handlungen nicht aus Pflicht, sondern als baarer Verdienst
von ihnen erwartet würden. Denn nicht allein daß sie durch Nachahmung solcher
Thaten, nämlich aus solchem Princip, nicht im mindesten dem Geiste des Gesetzes
ein Genüge gethan hätten, welcher in der dem Gesetze sich unterwerfenden
Gesinnung, nicht in der Gesetzmäßigkeit der Handlung (das Princip möge sein,
welches auch wolle) besteht, und die Triebfeder pathologisch (in der Sympathie
oder auch Philautie), nicht moralisch (im Gesetze) setzen, so bringen sie
auf diese Art eine windige, überfliegende, phantastische Denkungsart hervor,
sich mit einer freiwilligen Gutartigkeit ihres Gemüths, das weder Sporns
noch Zügel bedürfe, für welches gar nicht einmal ein Gebot nöthig sei, zu
schmeicheln und darüber ihrer Schuldigkeit, an welche sie doch eher denken
sollten als an Verdienst, zu vergessen. Es lassen sich wohl Handlungen anderer,
die mit großer Aufopferung und zwar blos um der Pflicht willen geschehen
sind, unter dem Namen edler und erhabener Thaten preisen, und doch auch
nur so fern Spuren da sind, welche vermuthen lassen, daß sie ganz aus Achtung
für seine Pflicht, nicht aus Herzensaufwallungen geschehen sind. Will man
jemanden aber sie als Beispiele der Nachfolge vorstellen, so muß durchaus
die Achtung für Pflicht (als das einzige ächte moralische Gefühl) zur Triebfeder
gebraucht werden: diese ernste, heilige Vorschrift, die es nicht unserer
eitelen Selbstliebe überläßt, mit pathologischen Antrieben (so fern sie
der Moralität analogisch sind) zu tändeln und uns auf verdienstlichen Werth
was zu Gute zu thun. Wenn wir nur wohl nachsuchen, so werden wir zu allen
Handlungen, die anpreisungswürdig sind, schon ein Gesetz der Pflicht finden,
welches gebietet und nicht auf unser Belieben ankommen läßt, was unserem
Hange gefällig sein möchte. Das ist die einzige Darstellungsart, welche
die Seele moralisch bildet, weil sie allein fester und genau bestimmter
Grundsätze fähig ist. Wenn Schwärmerei in der allergemeinsten
Bedeutung eine nach Grundsätzen unternommene Überschreitung der Grenzen
der menschlichen Vernunft ist, so ist moralische Schwärmerei diese Überschreitung
der Grenzen, die die praktische reine Vernunft der Menschheit setzt, dadurch
sie verbietet den subjectiven Bestimmungsgrund pflichtmäßiger Handlungen,
d.i. die moralische Triebfeder derselben, irgend worin anders als im Gesetze
selbst und die Gesinnung, die dadurch in die Maximen gebracht wird, irgend
anderwärts als in der Achtung für dies Gesetz zu setzen, mithin den alle
Arroganz sowohl als eitele Philautie niederschlagenden Gedanken von Pflicht
zum obersten Lebensprincip aller Moralität im Menschen zu machen gebietet. Wenn dem also ist, so haben nicht allein
Romanschreiber, oder empfindelnde Erzieher (ob sie gleich noch so sehr wider
Empfindelei eifern), sondern bisweilen selbst Philosophen, ja die strengsten
unter allen, die Stoiker, moralische Schwärmerei statt nüchterner, aber
weiser Disciplin der Sitten eingeführt, wenn gleich die Schwärmerei der
letzteren mehr heroisch, der ersteren von schaler und schmelzender Beschaffenheit
war, und man kann es, ohne zu heucheln, der moralischen Lehre des Evangelii
mit aller Wahrheit nachsagen: daß es zuerst durch die Reinigkeit des moralischen
Princips, zugleich aber durch die Angemessenheit desselben mit den Schranken
endlicher Wesen alles Wohlverhalten des Menschen der Zucht einer ihnen vor
Augen gelegten Pflicht, die sie nicht unter moralischen geträumten Vollkommenheiten
schwärmen läßt, unterworfen und dem Eigendünkel sowohl als der Eigenliebe,
die beide gerne ihre Grenzen verkennen, Schranken der Demuth (d.i. der Selbsterkenntniß)
gesetzt habe. Pflicht! du erhabener, großer Name,
der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich führt, in dir fassest,
sondern Unterwerfung verlangst, doch auch nichts drohest, was natürliche
Abneigung im Gemüthe erregte und schreckte, um den Willen zu bewegen, sondern
blos ein Gesetz aufstellst, welches von selbst im Gemüthe Eingang findet
und doch sich selbst wider Willen Verehrung (wenn gleich nicht immer Befolgung)
erwirbt, vor dem alle Neigungen verstummen, wenn sie gleich ingeheim ihm
entgegen wirken: welches ist der deiner würdige Ursprung, und wo findet
man die Wurzel deiner edlen Abkunft, welche alle Verwandtschaft mit Neigungen
stolz ausschlägt, und von welcher Wurzel abzustammen, die unnachlaßliche
Bedingung desjenigen Werths ist, den sich Menschen allein selbst geben können? Es kann nichts Minderes sein, als was
den Menschen über sich selbst (als einen Theil der Sinnenwelt) erhebt, was
ihn an eine Ordnung der Dinge knüpft, die nur der Verstand denken kann,
und die zugleich die ganze Sinnenwelt, mit ihr das empirisch bestimmbare
Dasein des Menschen in der Zeit und das Ganze aller Zwecke (welches allein
solchen unbedingten praktischen Gesetzen als das moralische angemessen ist)
unter sich hat. Es ist nichts anders als die Persönlichkeit, d.i. die Freiheit
und Unabhängigkeit von dem Mechanism der ganzen Natur, doch zugleich als
ein Vermögen eines Wesens betrachtet, welches eigenthümlichen, nämlich von
seiner eigenen Vernunft gegebenen, reinen praktischen Gesetzen, die Person
also, als zur Sinnenwelt gehörig, ihrer eigenen Persönlichkeit unterworfen
ist, so fern sie zugleich zur intelligibelen Welt gehört; da es denn nicht
zu verwundern ist, wenn der Mensch, als zu beiden Welten gehörig, sein eigenes
Wesen in Beziehung auf seine zweite und höchste Bestimmung nicht anders
als mit Verehrung und die Gesetze derselben mit der höchsten Achtung betrachten
muß. Auf diesen Ursprung gründen sich nun
manche Ausdrücke, welche den Werth der Gegenstände nach moralischen Ideen
bezeichnen. Das moralische Gesetz ist heilig (unverletzlich). Der Mensch
ist zwar unheilig genug, aber die Menschheit in seiner Person muß ihm heilig
sein. In der ganzen Schöpfung kann alles, was man will, und worüber man
etwas vermag, auch blos als Mittel gebraucht werden; nur der Mensch und
mit ihm jedes vernünftige Geschöpf ist Zweck an sich selbst. Er ist nämlich
das Subject des moralischen Gesetzes, welches heilig ist, vermöge der Autonomie
seiner Freiheit. Eben um dieser willen ist jeder Wille, selbst jeder Person
ihr eigener, auf sie selbst gerichteter Wille auf die Bedingung der Einstimmung
mit der Autonomie des vernünftigen Wesens eingeschränkt, es nämlich keiner
Absicht zu unterwerfen, die nicht nach einem Gesetze, welches aus dem Willen
des leidenden Subjects selbst entspringen könnte, möglich ist; also dieses
niemals blos als Mittel, sondern zugleich selbst als Zweck zu gebrauchen.
Diese Bedingung legen wir mit Recht sogar dem göttlichen Willen in Ansehung
der vernünftigen Wesen in der Welt als seiner Geschöpfe bei, indem sie auf
der Persönlichkeit derselben beruht, dadurch allein sie Zwecke an sich selbst
sind. Diese Achtung erweckende Idee der Persönlichkeit,
welche uns die Erhabenheit unserer Natur (ihrer Bestimmung nach) vor Augen
stellt, indem sie uns zugleich den Mangel der Angemessenheit unseres Verhaltens
in Ansehung derselben bemerken läßt und dadurch den Eigendünkel niederschlägt,
ist selbst der gemeinsten Menschenvernunft natürlich und leicht bemerklich.
Hat nicht jeder auch nur mittelmäßig ehrliche Mann bisweilen gefunden, daß
er eine sonst unschädliche Lüge, dadurch er sich entweder selbst aus einem
verdrießlichen Handel ziehen, oder wohl gar einem geliebten und verdienstvollen
Freunde Nutzen schaffen konnte, blos darum unterließ, um sich ingeheim in
seinen eigenen Augen nicht verachten zu dürfen? Hält nicht einen rechtschaffenen
Mann im größten Unglücke des Lebens, das er vermeiden konnte, wenn er sich
nur hätte über die Pflicht wegsetzen können, noch das Bewußtsein aufrecht,
daß er die Menschheit in seiner Person doch in ihrer Würde erhalten und
geehrt habe, daß er sich nicht vor sich selbst zu schämen und den inneren
Anblick der Selbstprüfung zu scheuen Ursache habe? Dieser Trost ist nicht
Glückseligkeit, auch nicht der mindeste Theil derselben. Denn niemand wird
sich die Gelegenheit dazu, auch vielleicht nicht einmal ein Leben in solchen
Umständen wünschen. Aber er lebt und kann es nicht erdulden, in seinen eigenen
Augen des Lebens unwürdig zu sein. Diese innere Beruhigung ist also blos
negativ in Ansehung alles dessen, was das Leben angenehm machen mag; nämlich
sie ist die Abhaltung der Gefahr, im persönlichen Werthe zu sinken, nachdem
der seines Zustandes von ihm schon gänzlich aufgegeben worden. Sie ist die
Wirkung von einer Achtung für etwas ganz anderes als das Leben, womit in
Vergleichung und Entgegensetzung das Leben vielmehr mit aller seiner Annehmlichkeit
gar keinen Werth hat. Er lebt nur noch aus Pflicht, nicht weil er am Leben
den mindesten Geschmack findet. So ist die ächte Triebfeder der reinen
praktischen Vernunft beschaffen; sie ist keine andere als das reine moralische
Gesetz selber, so fern es uns die Erhabenheit unserer eigenen übersinnlichen
Existenz spüren läßt und subjectiv in Menschen, die sich zugleich ihres
sinnlichen Daseins und der damit verbundenen Abhängigkeit von ihrer so fern
sehr pathologisch afficirten Natur bewußt sind, Achtung für ihre höhere
Bestimmung wirkt. Nun lassen sich mit dieser Triebfeder gar wohl so viele
Reize und Annehmlichkeiten des Lebens verbinden, daß auch um dieser willen
allein schon die klügste Wahl eines vernünftigen und über das größte Wohl
des Lebens nachdenkenden Epikureers sich für das sittliche Wohlverhalten
erklären würde, und es kann auch rathsam sein, diese Aussicht auf einen
fröhlichen Genuß des Lebens mit jener obersten und schon für sich allein
hinlänglich bestimmenden Bewegursache zu verbinden; aber nur um den Anlockungen,
die das Laster auf der Gegenseite vorzuspiegeln nicht ermangelt, das Gegengewicht
zu halten, nicht um hierin die eigentliche bewegende Kraft, auch nicht dem
mindesten Theile nach, zu setzen, wenn von Pflicht die Rede ist. Denn das
würde so viel sein, als die moralische Gesinnung in ihrer Quelle verunreinigen
wollen. Die Ehrwürdigkeit der Pflicht hat nichts mit Lebensgenuß zu schaffen;
sie hat ihr eigenthümliches Gesetz, auch ihr eigenthümliches Gericht, und
wenn man auch beide noch so sehr zusammenschütteln wollte, um sie vermischt
gleichsam als Arzeneimittel der kranken Seele zuzureichen, so scheiden sie
sich doch alsbald von selbst, und thun sie es nicht, so wirkt das erste
gar nicht, wenn aber auch das physische Leben hiebei einige Kraft gewönne,
so würde doch das moralische ohne Rettung dahin schwinden. Anmerkungen:
* Man kann von jeder gesetzmäßigen Handlung,
die doch nicht um des Gesetzes willen geschehen ist, sagen: sie sei blos
dem Buchstaben, aber nicht dem Geiste (der Gesinnung) nach moralisch gut.
** Wenn man den Begriff der Achtung
für Personen, so wie er vorher dargelegt worden, genau erwägt, so wird man
gewahr, daß sie immer auf dem Bewußtsein einer Pflicht beruhe, die uns ein
Beispiel vorhält, und daß also Achtung niemals einen andern als moralischen
Grund haben könne, und es sehr gut, sogar in psychologischer Absicht zur
Menschenkenntniß sehr nützlich sei, allerwärts, wo wir diesen Ausdruck brauchen,
auf die geheime und wundernswürdige, dabei aber oft vorkommende Rücksicht,
die der Mensch in seinen Beurtheilungen aufs moralische Gesetz nimmt, Acht
zu haben. *** Mit diesem Gesetze macht das Princip
der eigenen Glückseligkeit, welches einige zum obersten Grundsatze der Sittlichkeit
machen wollen, einen seltsamen Contrast; dieses würde so lauten: Liebe dich
selbst über alles, Gott aber und deinen Nächsten um dein selbst willen.
Kritische Beleuchtung der Analytik der reinen praktischen Vernunft Ich
verstehe unter der kritischen Beleuchtung einer Wissenschaft, oder eines
Abschnitts derselben, der für sich ein System ausmacht, die Untersuchung
und Rechtfertigung, warum sie gerade diese und keine andere systematische
Form haben müsse, wenn man sie mit einem anderen System vergleicht, das
ein ähnliches Erkenntnißvermögen zum Grunde hat. Nun hat praktische Vernunft
mit der speculativen so fern einerlei Erkenntnißvermögen zum Grunde, als
beide reine Vernunft sind. Also wird der Unterschied der systematischen
Form der einen von der anderen durch Vergleichung beider bestimmt und Grund
davon angegeben werden müssen. Die Analytik der reinen theoretischen
Vernunft hatte es mit dem Erkenntnisse der Gegenstände, die dem Verstande
gegeben werden mögen, zu thun und mußte also von der Anschauung, mithin
(weil diese jederzeit sinnlich ist) von der Sinnlichkeit anfangen, von da
aber allererst zu Begriffen (der Gegenstände dieser Anschauung) fortschreiten
und durfte nur nach beider Voranschickung mit Grundsätzen endigen. Dagegen,
weil praktische Vernunft es nicht mit Gegenständen, sie zu erkennen, sondern
mit ihrem eigenen Vermögen, jene (der Erkenntniß derselben gemäß) wirklich
zu machen, d.i. es mit einem Willen zu thun hat, welcher eine Causalität
ist, so fern Vernunft den Bestimmungsgrund derselben enthält, da sie folglich
kein Object der Anschauung, sondern (weil der Begriff der Causalität jederzeit
die Beziehung auf ein Gesetz enthält, welches die Existenz des Mannigfaltigen
im Verhältnisse zu einander bestimmt) als praktische Vernunft nur ein Gesetz
derselben anzugeben hat: so muß eine Kritik der Analytik derselben, so fern
sie eine praktische Vernunft sein soll (welches die eigentliche Aufgabe
ist), von der Möglichkeit praktischer Grundsätze a priori anfangen.
Von da konnte sie allein zu Begriffen der Gegenstände einer praktischen
Vernunft, nämlich denen des schlechthin Guten und Bösen, fortgehen, um sie
jenen Grundsätzen gemäß allererst zu geben (denn diese sind vor jenen Principien
als Gutes und Böses durch gar kein Erkenntnißvermögen zu geben möglich),
und nur alsdann konnte allererst das letzte Hauptstück, nämlich das von
dem Verhältnisse der reinen praktischen Vernunft zur Sinnlichkeit und ihrem
nothwendigen, a priori zu erkennenden Einflusse auf dieselbe, d.i.
vom moralischen Gefühle, den Theil beschließen. So theilte denn die Analytik
der praktischen reinen Vernunft ganz analogisch mit der theoretischen den
ganzen Umfang aller Bedingungen ihres Gebrauchs, aber in umgekehrter Ordnung.
Die Analytik der theoretischen reinen Vernunft wurde in transscendentale
Ästhetik und transscendentale Logik eingetheilt, die der praktischen umgekehrt
in Logik und Ästhetik der reinen praktischen Vernunft (wenn es mir erlaubt
ist, diese sonst gar nicht angemessene Benennungen blos der Analogie wegen
hier zu gebrauchen), die Logik wiederum dort in die Analytik der Begriffe
und die der Grundsätze, hier in die der Grundsätze und Begriffe. Die Ästhetik
hatte dort noch zwei Theile wegen der doppelten Art einer sinnlichen Anschauung;
hier wird die Sinnlichkeit gar nicht als Anschauungsfähigkeit, sondern blos
als Gefühl (das ein subjectiver Grund des Begehrens sein kann) betrachtet,
und in Ansehung dessen verstattet die reine praktische Vernunft keine weitere
Eintheilung. Auch daß diese Eintheilung in zwei Theile
mit deren Unterabtheilung nicht wirklich (so wie man wohl im Anfange durch
das Beispiel der ersteren verleitet werden konnte, zu versuchen) hier vorgenommen
wurde, davon läßt sich auch der Grund gar wohl einsehen. Denn weil es reine
Vernunft ist, die hier in ihrem praktischen Gebrauche, mithin von Grundsätzen
a priori und nicht von empirischen Bestimmungsgründen ausgehend betrachtet
wird: so wird die Eintheilung der Analytik der reinen praktischen Vernunft
der eines Vernunftschlusses ähnlich ausfallen müssen, nämlich vom Allgemeinen
im Obersatze (dem moralischen Princip) durch eine im Untersatze vorgenommene
Subsumtion möglicher Handlungen (als guter oder böser) unter jenen zu dem
Schlußsatze, nämlich der subjectiven Willensbestimmung (einem Interesse
an dem praktisch möglichen Guten und der darauf gegründeten Maxime), fortgehend.
Demjenigen, der sich von den in der Analytik vorkommenden Sätzen hat überzeugen
können, werden solche Vergleichungen Vergnügen machen; denn sie veranlassen
mit Recht die Erwartung, es vielleicht dereinst bis zur Einsicht der Einheit
des ganzen reinen Vernunftvermögens (des theoretischen sowohl als praktischen)
bringen und alles aus einem Princip ableiten zu können; welches das unvermeidliche
Bedürfniß der menschlichen Vernunft ist, die nur in einer vollständig systematischen
Einheit ihrer Erkenntnisse völlige Zufriedenheit findet. Betrachten wir nun aber auch den Inhalt
der Erkenntniß, die wir von einer reinen praktischen Vernunft und durch
dieselbe haben können, so wie ihn die Analytik derselben darlegt, so finden
sich bei einer merkwürdigen Analogie zwischen ihr und der theoretischen
nicht weniger merkwürdige Unterschiede. In Ansehung der theoretischen konnte
das Vermögen eines reinen Vernunfterkenntnisses a priori durch Beispiele
aus Wissenschaften (bei denen man, da sie ihre Principien auf so mancherlei
Art durch methodischen Gebrauch auf die Probe stellen, nicht so leicht wie
im gemeinen Erkenntnisse geheime Beimischung empirischer Erkenntnißgründe
zu besorgen hat) ganz leicht und evident bewiesen werden. Aber daß reine
Vernunft ohne Beimischung irgend eines empirischen Bestimmungsgrundes für
sich allein auch praktisch sei: das mußte man aus dem gemeinsten praktischen
Vernunftgebrauche darthun können, indem man den obersten praktischen Grundsatz
als einen solchen, den jede natürliche Menschenvernunft als völlig a
priori, von keinen sinnlichen Datis abhängend, für das oberste Gesetz
seines Willens erkennt, beglaubigte. Man mußte ihn zuerst der Reinigkeit
seines Ursprungs nach selbst im Urtheile dieser gemeinen Vernunft bewähren
und rechtfertigen, ehe ihn noch die Wissenschaft in die Hände nehmen konnte,
um Gebrauch von ihm zu machen, gleichsam als ein Factum, das vor allem Vernünfteln
über seine Möglichkeit und allen Folgerungen, die daraus zu ziehen sein
möchten, vorhergeht. Aber dieser Umstand läßt sich auch aus dem kurz vorher
Angeführten gar wohl erklären: weil praktische reine Vernunft nothwendig
von Grundsätzen anfangen muß, die also aller Wissenschaft als erste Data
zum Grunde gelegt werden müssen und nicht allererst aus ihr entspringen
können. Diese Rechtfertigung der moralischen Principien als Grundsätze einer
reinen Vernunft konnte aber auch darum gar wohl und mit gnugsamer Sicherheit
durch bloße Berufung auf das Urtheil des gemeinen Menschenverstandes geführt
werden, weil sich alles Empirische, was sich als Bestimmungsgrund des Willens
in unsere Maximen einschleichen möchte, durch das Gefühl des Vergnügens
oder Schmerzens, das ihm so fern, als es Begierde erregt, nothwendig anhängt,
sofort kenntlich macht, diesem aber jene reine praktische Vernunft geradezu
widersteht, es in ihr Princip als Bedingung aufzunehmen. Die Ungleichartigkeit
der Bestimmungsgründe (der empirischen und rationalen) wird durch diese
Widerstrebung einer praktisch gesetzgebenden Vernunft wider alle sich einmengende
Neigung, durch eine eigenthümliche Art von Empfindung, welche aber nicht
vor der Gesetzgebung der praktischen Vernunft vorhergeht, sondern vielmehr
durch dieselbe allein und zwar als ein Zwang gewirkt wird, nämlich durch
das Gefühl einer Achtung, dergleichen kein Mensch für Neigungen hat, sie
mögen sein, welcher Art sie wollen, wohl aber fürs Gesetz, so kenntlich
gemacht und so gehoben und hervorstechend, daß keiner, auch der gemeinste
Menschenverstand in einem vorgelegten Beispiele nicht den Augenblick inne
werden sollte, daß durch empirische Gründe des Wollens ihm zwar ihren Anreizen
zu folgen gerathen, niemals aber einem anderen als lediglich dem reinen
praktischen Vernunftgesetze zu gehorchen zugemuthet werden könne. Die Unterscheidung der Glückseligkeitslehre
von der Sittenlehre, in deren ersteren empirische Principien das ganze Fundament,
von der zweiten aber auch nicht den mindesten Beisatz derselben ausmachen,
ist nun in der Analytik der reinen praktischen Vernunft die erste und wichtigste
ihr obliegende Beschäftigung, in der sie so pünktlich, ja, wenn es auch
hieße, peinlich verfahren muß, als je der Geometer in seinem Geschäfte.
Es kommt aber dem Philosophen, der hier (wie jederzeit im Vernunfterkenntnisse
durch bloße Begriffe, ohne Construction derselben) mit größerer Schwierigkeit
zu kämpfen hat, weil er keine Anschauung (reinem Noumen) zum Grunde legen
kann, doch auch zu statten: daß er beinahe wie der Chemist zu aller Zeit
ein Experiment mit jedes Menschen praktischer Vernunft anstellen kann, um
den moralischen (reinen) Bestimmungsgrund vom empirischen zu unterscheiden;
wenn er nämlich zu dem empirisch afficirten Willen (z.B. desjenigen, der
gerne lügen möchte, weil er sich dadurch was erwerben kann) das moralische
Gesetz (als Bestimmungsgrund) zusetzt. Es ist, als ob der Scheidekünstler
der Solution der Kalkerde in Salzgeist Alkali zusetzt; der Salzgeist verläßt
sofort den Kalk, vereinigt sich mit dem Alkali, und jener wird zu Boden
gestürzt. Eben so haltet dem, der sonst ein ehrlicher Mann ist (oder sich
doch diesmal nur in Gedanken in die Stelle eines ehrlichen Mannes versetzt),
das moralische Gesetz vor, an dem er die Nichtswürdigkeit eines Lügners
erkennt, sofort verläßt seine praktische Vernunft (im Urtheil über das,
was von ihm geschehen sollte) den Vortheil, vereinigt sich mit dem, was
ihm die Achtung für seine eigene Person erhält (der Wahrhaftigkeit), und
der Vortheil wird nun von jedermann, nachdem er von allem Anhängsel der
Vernunft (welche nur gänzlich auf der Seite der Pflicht ist) abgesondert
und gewaschen worden, gewogen, um mit der Vernunft noch wohl in anderen
Fällen in Verbindung zu treten, nur nicht wo er dem moralischen Gesetze,
welches die Vernunft niemals verläßt, sondern sich innigst damit vereinigt,
zuwider sein könnte. Aber diese Unterscheidung des Glückseligkeitsprincips
von dem der Sittlichkeit ist darum nicht sofort Entgegensetzung beider,
und die reine praktische Vernunft will nicht, man solle die Ansprüche auf
Glückseligkeit aufgeben, sondern nur, so bald von Pflicht die Rede ist,
darauf gar nicht Rücksicht nehmen. Es kann sogar in gewissem Betracht Pflicht
sein, für seine Glückseligkeit zu sorgen: theils weil sie (wozu Geschicklichkeit,
Gesundheit, Reichthum gehört) Mittel zu Erfüllung seiner Pflicht enthält,
theils weil der Mangel derselben (z.B. Armuth) Versuchungen enthält, seine
Pflicht zu übertreten. Nur, seine Glückseligkeit zu befördern, kann unmittelbar
niemals Pflicht, noch weniger ein Princip aller Pflicht sein. Da nun alle
Bestimmungsgründe des Willens außer dem einigen reinen praktischen Vernunftgesetze
(dem moralischen) insgesammt empirisch sind, als solche also zum Glückseligkeitsprincip
gehören, so müssen sie insgesammt vom obersten sittlichen Grundsatze abgesondert
und ihm nie als Bedingung einverleibt werden, weil dieses eben so sehr allen
sittlichen Werth, als empirische Beimischung zu geometrischen Grundsätzen
alle mathematische Evidenz, das Vortrefflichste, was (nach Platos Urtheile)
die Mathematik an sich hat, und das selbst allem Nutzen derselben vorgeht,
aufheben würde. Statt der Deduction des obersten Princips
der reinen praktischen Vernunft, d.i. der Erklärung der Möglichkeit einer
dergleichen Erkenntniß a priori, konnte aber nichts weiter angeführt
werden, als daß, wenn man die Möglichkeit der Freiheit einer wirkenden Ursache
einsähe, man auch nicht etwa blos die Möglichkeit, sondern gar die Nothwendigkeit
des moralischen Gesetzes als obersten praktischen Gesetzes vernünftiger
Wesen, denen man Freiheit der Causalität ihres Willens beilegt, einsehen
würde: weil beide Begriffe so unzertrennlich verbunden sind, daß man praktische
Freiheit auch durch Unabhängigkeit des Willens von jedem anderen außer allein
dem moralischen Gesetze definiren könnte. Allein die Freiheit einer wirkenden
Ursache, vornehmlich in der Sinnenwelt, kann ihrer Möglichkeit nach keinesweges
eingesehen werden; glücklich! wenn wir nur, daß kein Beweis ihrer Unmöglichkeit
stattfindet, hinreichend versichert werden können und nun, durchs moralische
Gesetz, welches dieselbe postulirt, genöthigt, eben dadurch auch berechtigt
werden, sie anzunehmen. Weil es indessen noch viele giebt, welche diese
Freiheit noch immer glauben nach empirischen Principien wie jedes andere
Naturvermögen erklären zu können und sie als psychologische Eigenschaft,
deren Erklärung lediglich auf eine genauere Untersuchung der Natur der Seele
und der Triebfeder des Willens ankäme, nicht als transscendentales Prädicat
der Causalität eines Wesens, das zur Sinnenwelt gehört, (wie es doch hierauf
wirklich allein ankommt) betrachten und so die herrliche Eröffnung, die
uns durch reine praktische Vernunft vermittelst des moralischen Gesetzes
widerfährt, nämlich die Eröffnung einer intelligibelen Welt durch Realisirung
des sonst transscendenten Begriffs der Freiheit, und hiemit das moralische
Gesetz selbst, welches durchaus keinen empirischen Bestimmungsgrund annimmt,
aufheben: so wird es nöthig sein, hier noch etwas zur Verwahrung wider dieses
Blendwerk und der Darstellung des Empirismus in der ganzen Blöße seiner
Seichtigkeit anzuführen. Der Begriff der Causalität als Naturnothwendigkeit
zum Unterschiede derselben als Freiheit betrifft nur die Existenz der Dinge,
so fern sie in der Zeit bestimmbar ist, folglich als Erscheinungen im Gegensatze
ihrer Causalität als Dinge an sich selbst. Nimmt man nun die Bestimmungen
der Existenz der Dinge in der Zeit für Bestimmungen der Dinge an sich selbst
(welches die gewöhnlichste Vorstellungsart ist), so läßt sich die Nothwendigkeit
im Causalverhältnisse mit der Freiheit auf keinerlei Weise vereinigen; sondern
sie sind einander contradictorisch entgegengesetzt. Denn aus der ersteren
folgt: daß eine jede Begebenheit, folglich auch jede Handlung, die in einem
Zeitpunkte vorgeht, unter der Bedingung dessen, was in der vorhergehenden
Zeit war, nothwendig sei. Da nun die vergangene Zeit nicht mehr in meiner
Gewalt ist, so muß jede Handlung, die ich ausübe, durch bestimmende Gründe,
die nicht in meiner Gewalt sind, nothwendig sein, d.i. ich bin in dem Zeitpunkte,
darin ich handle, niemals frei. Ja, wenn ich gleich mein ganzes Dasein als
unabhängig von irgend einer fremden Ursache (etwa von Gott) annähme, so
daß die Bestimmungsgründe meiner Causalität, sogar meiner ganzen Existenz,
gar nicht außer mir wären: so würde dieses jene Naturnothwendigkeit doch
nicht im mindesten in Freiheit verwandeln. Denn in jedem Zeitpunkte stehe
ich doch immer unter der Nothwendigkeit, durch das zum Handeln bestimmt
zu sein, was nicht in meiner Gewalt ist, und die a parte priori unendliche
Reihe der Begebenheiten, die ich immer nur nach einer schon vorherbestimmten
Ordnung fortsetzen, nirgend von selbst anfangen würde, wäre eine stetige
Naturkette, meine Causalität also niemals Freiheit. Will man also einem Wesen, dessen Dasein
in der Zeit bestimmt ist, Freiheit beilegen, so kann man es so fern wenigstens
vom Gesetze der Naturnothwendigkeit aller Begebenheiten in seiner Existenz,
mithin auch seiner Handlungen nicht ausnehmen; denn das wäre so viel, als
es dem blinden Ungefähr übergeben. Da dieses Gesetz aber unvermeidlich alle
Causalität der Dinge, so fern ihr Dasein in der Zeit bestimmbar ist, betrifft,
so würde, wenn dieses die Art wäre, wornach man sich auch das Dasein dieser
Dinge an sich selbst vorzustellen hätte, die Freiheit als ein nichtiger
und unmöglicher Begriff verworfen werden müssen. Folglich wenn man sie noch
retten will, so bleibt kein Weg übrig, als das Dasein eines Dinges, so fern
es in der Zeit bestimmbar ist, folglich auch die Causalität nach dem Gesetze
der Naturnothwendigkeit blos der Erscheinung, die Freiheit aber eben demselben
Wesen als Dinge an sich selbst beizulegen. So ist es allerdings unvermeidlich,
wenn man beide einander widerwärtige Begriffe zugleich erhalten will; allein
in der Anwendung, wenn man sie als in einer und derselben Handlung vereinigt
und also diese Vereinigung selbst erklären will, thun sich doch große Schwierigkeiten
hervor, die eine solche Vereinigung unthunlich zu machen scheinen. Wenn ich von einem Menschen, der einen
Diebstahl verübt, sage, diese That sei nach dem Naturgesetze der Causalität
aus den Bestimmungsgründen der vorhergehenden Zeit ein nothwendiger Erfolg,
so war es unmöglich, daß sie hat unterbleiben können: wie kann denn die
Beurtheilung nach dem moralischen Gesetze hierin eine Änderung machen und
voraussetzen, daß sie doch habe unterlassen werden können, weil das Gesetz
sagt, sie hätte unterlassen werden sollen, d.i. wie kann derjenige in demselben
Zeitpunkte in Absicht auf dieselbe Handlung ganz frei heißen, in welchem,
und in derselben Absicht, er doch unter einer unvermeidlichen Naturnothwendigkeit
steht? Eine Ausflucht darin suchen, daß man blos die Art der Bestimmungsgründe
seiner Causalität nach dem Naturgesetze einem comparativen Begriffe von
Freiheit anpaßt (nach welchem das bisweilen freie Wirkung heißt, davon der
bestimmende Naturgrund innerlich im wirkenden Wesen liegt, z.B. das was
ein geworfener Körper verrichtet, wenn er in freier Bewegung ist, da man
das Wort Freiheit braucht, weil er, während daß er im Fluge ist, nicht von
außen wodurch getrieben wird, oder wie wir die Bewegung einer Uhr auch eine
freie Bewegung nennen, weil sie ihren Zeiger selbst treibt, der also nicht
äußerlich geschoben werden darf, eben so die Handlungen des Menschen, ob
sie gleich durch ihre Bestimmungsgründe, die in der Zeit vorhergehen, nothwendig
sind, dennoch frei nennen, weil es doch innere, durch unsere eigene Kräfte
hervorgebrachte Vorstellungen, dadurch nach veranlassenden Umständen erzeugte
Begierden und mithin nach unserem eigenen Belieben bewirkte Handlungen sind),
ist ein elender Behelf, womit sich noch immer einige hinhalten lassen und
so jenes schwere Problem mit einer kleinen Wortklauberei aufgelöset zu haben
meinen, an dessen Auflösung Jahrtausende vergeblich gearbeitet haben, die
daher wohl schwerlich so ganz auf der Oberfläche gefunden werden dürfte.
Es kommt nämlich bei der Frage nach derjenigen Freiheit, die allen moralischen
Gesetzen und der ihnen gemäßen Zurechnung zum Grunde gelegt werden muß,
darauf gar nicht an, ob die nach einem Naturgesetze bestimmte Causalität
durch Bestimmungsgründe, die im Subjecte, oder außer ihm liegen, und im
ersteren Fall, ob sie durch Instinct oder mit Vernunft gedachte Bestimmungsgründe
nothwendig sei; wenn diese bestimmende Vorstellungen nach dem Geständnisse
eben dieser Männer selbst den Grund ihrer Existenz doch in der Zeit und
zwar dem vorigen Zustande haben, dieser aber wieder in einem vorhergehenden
etc., so mögen sie, diese Bestimmungen, immer innerlich sein, sie mögen
psychologische und nicht mechanische Causalität haben, d.i. durch Vorstellungen
und nicht durch körperliche Bewegung Handlung hervorbringen, so sind es
immer Bestimmungsgründe der Causalität eines Wesens, so fern sein Dasein
in der Zeit bestimmbar ist, mithin unter nothwendig machenden Bedingungen
der vergangenen Zeit, die also, wenn das Subject handeln soll, nicht mehr
in seiner Gewalt sind, die also zwar psychologische Freiheit (wenn man ja
dieses Wort von einer blos inneren Verkettung der Vorstellungen der Seele
brauchen will), aber doch Naturnothwendigkeit bei sich führen, mithin keine
transscendentale Freiheit übrig lassen, welche als Unabhängigkeit von allem
Empirischen und also von der Natur überhaupt gedacht werden muß, sie mag
nun als Gegenstand des inneren Sinnes blos in der Zeit, oder auch äußeren
Sinne im Raume und der Zeit zugleich betrachtet werden, ohne welche Freiheit
(in der letzteren eigentlichen Bedeutung), die allein a priori praktisch
ist, kein moralisch Gesetz, keine Zurechnung nach demselben möglich ist.
Eben um deswillen kann man auch alle Nothwendigkeit der Begebenheiten in
der Zeit nach dem Naturgesetze der Causalität den Mechanismus der Natur
nennen, ob man gleich darunter nicht versteht, daß Dinge, die ihm unterworfen
sind, wirkliche materielle Maschinen sein müßten. Hier wird nur auf die
Nothwendigkeit der Verknüpfung der Begebenheiten in einer Zeitreihe, so
wie sie sich nach dem Naturgesetze entwickelt, gesehen, man mag nun das
Subject, in welchem dieser Ablauf geschieht, Automaton materiale,
da das Maschinenwesen durch Materie, oder mit Leibnizen spirituale,
da es durch Vorstellungen betrieben wird, nennen, und wenn die Freiheit
unseres Willens keine andere als die letztere (etwa die psychologische und
comparative, nicht transscendentale, d.i. absolute, zugleich) wäre, so würde
sie im Grunde nichts besser, als die Freiheit eines Bratenwenders sein,
der auch, wenn er einmal aufgezogen worden, von selbst seine Bewegungen
verrichtet. Um nun den scheinbaren Widerspruch zwischen
Naturmechanismus und Freiheit in ein und derselben Handlung an dem vorgelegten
Falle aufzuheben, muß man sich an das erinnern, was in der Kritik der reinen
Vernunft gesagt war oder daraus folgt: daß die Naturnothwendigkeit, welche
mit der Freiheit des Subjects nicht zusammen bestehen kann, blos den Bestimmungen
desjenigen Dinges anhängt, das unter Zeitbedingungen steht, folglich nur
denen des handelnden Subjects als Erscheinung, daß also so fern die Bestimmungsgründe
einer jeden Handlung desselben in demjenigen liegen, was zur vergangenen
Zeit gehört und nicht mehr in seiner Gewalt ist (wozu auch seine schon begangene
Thaten und der ihm dadurch bestimmbare Charakter in seinen eigenen Augen,
als Phänomens, gezählt werden müssen). Aber ebendasselbe Subject, das sich
anderseits auch seiner als Dinges an sich selbst bewußt ist, betrachtet
auch sein Dasein, so fern es nicht unter Zeitbedingungen steht, sich selbst
aber nur als bestimmbar durch Gesetze, die es sich durch Vernunft selbst
giebt, und in diesem seinem Dasein ist ihm nichts vorhergehend vor seiner
Willensbestimmung, sondern jede Handlung und überhaupt jede dem innern Sinne
gemäß wechselnde Bestimmung seines Daseins, selbst die ganze Reihenfolge
seiner Existenz als Sinnenwesen ist im Bewußtsein seiner intelligibelen
Existenz nichts als Folge, niemals aber als Bestimmungsgrund seiner Causalität,
als Noumens, anzusehen. In diesem Betracht nun kann das vernünftige Wesen
von einer jeden gesetzwidrigen Handlung, die es verübt, ob sie gleich als
Erscheinung in dem Vergangenen hinreichend bestimmt und so fern unausbleiblich
nothwendig ist, mit Recht sagen, daß er sie hätte unterlassen können; denn
sie mit allem Vergangenen, das sie bestimmt, gehört zu einem einzigen Phänomen
seines Charakters, den er sich selbst verschafft, und nach welchem er sich
als einer von aller Sinnlichkeit unabhängigen Ursache die Causalität jener
Erscheinungen selbst zurechnet. Hiemit stimmen auch die Richteraussprüche
desjenigen wundersamen Vermögens in uns, welches wir Gewissen nennen, vollkommen
überein. Ein Mensch mag künsteln, so viel als er will, um ein gesetzwidriges
Betragen, dessen er sich erinnert, sich als unvorsetzliches Versehen, als
bloße Unbehutsamkeit, die man niemals gänzlich vermeiden kann, folglich
als etwas, worin er vom Strom der Naturnothwendigkeit fortgerissen wäre,
vorzumalen und sich darüber für schuldfrei zu erklären, so findet er doch,
daß der Advocat, der zu seinem Vortheil spricht, den Ankläger in ihm keinesweges
zum Verstummen bringen könne, wenn er sich bewußt ist, daß er zu der Zeit,
als er das Unrecht verübte, nur bei Sinnen, d.i. im Gebrauche seiner Freiheit,
war, und gleichwohl erklärt er sich sein Vergehen aus gewisser übeln, durch
allmählige Vernachlässigung der Achtsamkeit auf sich selbst zugezogener
Gewohnheit bis auf den Grad, daß er es als eine natürliche Folge derselben
ansehen kann, ohne daß dieses ihn gleichwohl wider den Selbsttadel und den
Verweis sichern kann, den er sich selbst macht. Darauf gründet sich denn
auch die Reue über eine längst begangene That bei jeder Erinnerung derselben;
eine schmerzhafte, durch moralische Gesinnung gewirkte Empfindung, die so
fern praktisch leer ist, als sie nicht dazu dienen kann, das Geschehene
ungeschehen zu machen, und sogar ungereimt sein würde (wie Priestley als
ein ächter, consequent verfahrender Fatalist sie auch dafür erklärt, und
in Ansehung welcher Offenherzigkeit er mehr Beifall verdient als diejenige,
welche, indem sie den Mechanism des Willens in der That, die Freiheit desselben
aber mit Worten behaupten, noch immer dafür gehalten sein wollen, daß sie
jene, ohne doch die Möglichkeit einer solchen Zurechnung begreiflich zu
machen, in ihrem synkretistischen System mit einschließen), aber als Schmerz
doch ganz rechtmäßig ist, weil die Vernunft, wenn es auf das Gesetz unserer
intelligibelen Existenz (das moralische) ankommt, keinen Zeitunterschied
anerkennt und nur frägt, ob die Begebenheit mir als That angehöre, alsdann
aber immer dieselbe Empfindung damit moralisch verknüpft, sie mag jetzt
geschehen oder vorlängst geschehen sein. Denn das Sinnenleben hat in Ansehung
des intelligibelen Bewußtseins seines Daseins (der Freiheit) absolute Einheit
eines Phänomens, welches, so fern es blos Erscheinungen von der Gesinnung,
die das moralische Gesetz angeht, (von dem Charakter) enthält, nicht nach
der Naturnothwendigkeit, die ihm als Erscheinung zukommt, sondern nach der
absoluten Spontaneität der Freiheit beurtheilt werden muß. Man kann also
einräumen, daß, wenn es für uns möglich wäre, in eines Menschen Denkungsart,
so wie sie sich durch innere sowohl als äußere Handlungen zeigt, so tiefe
Einsicht zu haben, daß jede, auch die mindeste Triebfeder dazu uns bekannt
würde, imgleichen alle auf diese wirkende äußere Veranlassungen, man eines
Menschen Verhalten auf die Zukunft mit Gewißheit, so wie eine Mond- oder
Sonnenfinsterniß ausrechnen könnte und dennoch dabei behaupten, daß der
Mensch frei sei. Wenn wir nämlich noch eines andern Blicks (der uns aber
freilich gar nicht verliehen ist, sondern an dessen Statt wir nur den Vernunftbegriff
haben), nämlich einer intellectuellen Anschauung desselben Subjects, fähig
wären, so würden wir doch inne werden, daß diese ganze Kette von Erscheinungen
in Ansehung dessen, was nur immer das moralische Gesetz angehen kann, von
der Spontaneität des Subjects als Dinges an sich selbst abhängt, von deren
Bestimmung sich gar keine physische Erklärung geben läßt. In Ermangelung dieser Anschauung versichert
uns das moralische Gesetz diesen Unterschied der Beziehung unserer Handlungen
als Erscheinungen auf das Sinnenwesen unseres Subjects von derjenigen, dadurch
dieses Sinnenwesen selbst auf das intelligibele Substrat in uns bezogen
wird. In dieser Rücksicht, die unserer Vernunft natürlich, obgleich unerklärlich
ist, lassen sich auch Beurtheilungen rechtfertigen, die, mit aller Gewissenhaftigkeit
gefällt, dennoch dem ersten Anscheine nach aller Billigkeit ganz zu widerstreiten
scheinen. Es giebt Fälle, wo Menschen von Kindheit auf, selbst unter einer
Erziehung, die mit der ihrigen zugleich andern ersprießlich war, dennoch
so frühe Bosheit zeigen und so bis in ihre Mannesjahre zu steigen fortfahren,
daß man sie für geborne Bösewichter und gänzlich, was die Denkungsart betrifft,
für unbesserlich hält, gleichwohl aber sie wegen ihres Thuns und Lassens
eben so richtet, ihnen ihre Verbrechen eben so als Schuld verweiset, ja
sie (die Kinder) selbst diese Verweise so ganz gegründet finden, als ob
sie ungeachtet der ihnen beigemessenen hoffnungslosen Naturbeschaffenheit
ihres Gemüths eben so verantwortlich blieben, als jeder andere Mensch. Dieses
würde nicht geschehen können, wenn wir nicht voraussetzten, daß alles, was
aus seiner Willkür entspringt (wie ohne Zweifel jede vorsetzlich verübte
Handlung), eine freie Causalität zum Grunde habe, welche von der frühen
Jugend an ihren Charakter in ihren Erscheinungen (den Handlungen) ausdrückt,
die wegen der Gleichförmigkeit des Verhaltens einen Naturzusammenhang kenntlich
machen, der aber nicht die arge Beschaffenheit des Willens nothwendig macht,
sondern vielmehr die Folge der freiwillig angenommenen bösen und unwandelbaren
Grundsätze ist, welche ihn nur noch um desto verwerflicher und strafwürdiger
machen. Aber noch steht eine Schwierigkeit der
Freiheit bevor, so fern sie mit dem Naturmechanism in einem Wesen, das zur
Sinnenwelt gehört, vereinigt werden soll; eine Schwierigkeit, die, selbst
nachdem alles bisherige eingewilligt worden, der Freiheit dennoch mit ihrem
gänzlichen Untergange droht. Aber bei dieser Gefahr giebt ein Umstand doch
zugleich Hoffnung zu einem für die Behauptung der Freiheit noch glücklichen
Ausgange, nämlich daß dieselbe Schwierigkeit viel stärker (in der That,
wie wir bald sehen werden, allein) das System drückt, in welchem die in
Zeit und Raum bestimmbare Existenz für die Existenz der Dinge an sich selbst
gehalten wird, sie uns also nicht nöthigt, unsere vornehmste Voraussetzung
von der Idealität der Zeit als bloßer Form sinnlicher Anschauung, folglich
als bloßer Vorstellungsart, die dem Subjecte als zur Sinnenwelt gehörig
eigen ist, abzugehen, und also nur erfordert sie mit dieser Idee zu vereinigen. Wenn man uns nämlich auch einräumt,
daß das intelligibele Subject in Ansehung einer gegebenen Handlung noch
frei sein kann, obgleich es als Subject, das auch zur Sinnenwelt gehörig,
in Ansehung derselben mechanisch bedingt ist, so scheint es doch, man müsse,
so bald man annimmt, Gott als allgemeines Urwesen sei die Ursache auch der
Existenz der Substanz (ein Satz, der niemals aufgegeben werden darf, ohne
den Begriff von Gott als Wesen aller Wesen und hiemit seine Allgenugsamkeit,
auf die alles in der Theologie ankommt, zugleich mit aufzugeben), auch einräumen,
die Handlungen des Menschen haben in demjenigen ihren bestimmenden Grund,
was gänzlich außer ihrer Gewalt ist, nämlich in der Causalität eines von
ihm unterschiedenen höchsten Wesens, von welchem das Dasein des erstern
und die ganze Bestimmung seiner Causalität ganz und gar abhängt. In der
That: wären die Handlungen des Menschen, so wie sie zu seinen Bestimmungen
in der Zeit gehören, nicht bloße Bestimmungen desselben als Erscheinung,
sondern als Dinges an sich selbst, so würde die Freiheit nicht zu retten
sein. Der Mensch wäre Marionette, oder ein Vaucansonsches Automat, gezimmert
und aufgezogen von dem obersten Meister aller Kunstwerke, und das Selbstbewußtsein
würde es zwar zu einem denkenden Automate machen, in welchem aber das Bewußtsein
seiner Spontaneität, wenn sie für Freiheit gehalten wird, bloße Täuschung
wäre, indem sie nur comparativ so genannt zu werden verdient, weil die nächsten
bestimmenden Ursachen seiner Bewegung und eine lange Reihe derselben zu
ihren bestimmenden Ursachen hinauf zwar innerlich sind, die letzte und höchste
aber doch gänzlich in einer fremden Hand angetroffen wird. Daher sehe ich
nicht ab, wie diejenige, welche noch immer dabei beharren, Zeit und Raum
für zum Dasein der Dinge an sich selbst gehörige Bestimmungen anzusehen,
hier die Fatalität der Handlungen vermeiden wollen, oder, wenn sie so geradezu
(wie der sonst scharfsinnige Mendelssohn that) beide nur als zur Existenz
endlicher und abgeleiteter Wesen, aber nicht zu der des unendlichen Urwesens
nothwendig gehörige Bedingungen einräumen, sich rechtfertigen wollen, woher
sie diese Befugniß nehmen, einen solchen Unterschied zu machen, sogar wie
sie auch nur dem Widerspruche ausweichen wollen, den sie begehen, wenn sie
das Dasein in der Zeit als den endlichen Dingen an sich nothwendig anhängende
Bestimmung ansehen, da Gott die Ursache dieses Daseins ist, er aber doch
nicht die Ursache der Zeit (oder des Raums) selbst sein kann (weil diese
als nothwendige Bedingung a priori dem Dasein der Dinge vorausgesetzt
sein muß), seine Causalität folglich in Ansehung der Existenz dieser Dinge
selbst der Zeit nach bedingt sein muß, wobei nun alle die Widersprüche gegen
die Begriffe seiner Unendlichkeit und Unabhängigkeit unvermeidlich eintreten
müssen. Hingegen ist es uns ganz leicht, die Bestimmung der göttlichen Existenz
als unabhängig von allen Zeitbedingungen zum Unterschiede von der eines
Wesens der Sinnenwelt als die Existenz eines Wesens an sich selbst von der
eines Dinges in der Erscheinung zu unterscheiden. Daher, wenn man jene Idealität
der Zeit und des Raums nicht annimmt, nur allein der Spinozism übrig bleibt,
in welchem Raum und Zeit wesentliche Bestimmungen des Urwesens selbst sind,
die von ihm abhängige Dinge aber (also auch wir selbst) nicht Substanzen,
sondern blos ihm inhärirende Accidenzen sind: weil, wenn diese Dinge blos
als seine Wirkungen in der Zeit existiren, welche die Bedingung ihrer Existenz
an sich wäre, auch die Handlungen dieser Wesen blos seine Handlungen sein
müßten, die er irgendwo und irgendwann ausübte. Daher schließt der Spinozism
unerachtet der Ungereimtheit seiner Grundidee doch weit bündiger, als es
nach der Schöpfungstheorie geschehen kann, wenn die für Substanzen angenommene
und an sich in der Zeit existirende Wesen als Wirkungen einer obersten Ursache
und doch nicht zugleich zu ihm und seiner Handlung gehörig, sondern für
sich als Substanzen angesehen werden. Die Auflösung obgedachter Schwierigkeit
geschieht kurz und einleuchtend auf folgende Art: Wenn die Existenz in der
Zeit eine bloße sinnliche Vorstellungsart der denkenden Wesen in der Welt
ist, folglich sie als Dinge an sich selbst nicht angeht: so ist die Schöpfung
dieser Wesen eine Schöpfung der Dinge an sich selbst, weil der Begriff einer
Schöpfung nicht zu der sinnlichen Vorstellungsart der Existenz und zur Causalität
gehört, sondern nur auf Noumenen bezogen werden kann. Folglich, wenn ich
von Wesen in der Sinnenwelt sage: sie sind erschaffen, so betrachte ich
sie so fern als Noumenen. So wie es also ein Widerspruch wäre, zu sagen,
Gott sei ein Schöpfer von Erscheinungen, so ist es auch ein Widerspruch,
zu sagen, er sei als Schöpfer Ursache der Handlungen in der Sinnenwelt,
mithin als Erscheinungen, wenn er gleich Ursache des Daseins der handelnden
Wesen (als Noumenen) ist. Ist es nun möglich (wenn wir nur das Dasein in
der Zeit für etwas, was blos von Erscheinungen, nicht von Dingen an sich
selbst gilt, annehmen), die Freiheit unbeschadet dem Naturmechanism der
Handlungen als Erscheinungen zu behaupten, so kann, daß die handelnden Wesen
Geschöpfe sind, nicht die mindeste Änderung hierin machen, weil die Schöpfung
ihre intelligibele, aber nicht sensibele Existenz betrifft und also nicht
als Bestimmungsgrund der Erscheinungen angesehen werden kann; welches aber
ganz anders ausfallen würde, wenn die Weltwesen als Dinge an sich selbst
in der Zeit existirten, da der Schöpfer der Substanz zugleich der Urheber
des ganzen Maschinenwesens an dieser Substanz sein würde. Von so großer Wichtigkeit ist die in
der Kritik der reinen speculativen Vernunft verrichtete Absonderung der
Zeit (so wie des Raums) von der Existenz der Dinge an sich selbst. Die hier vorgetragene Auflösung der
Schwierigkeit hat aber, wird man sagen, doch viel Schweres in sich und ist
einer hellen Darstellung kaum empfänglich. Allein ist denn jede andere,
die man versucht hat oder versuchen mag, leichter und faßlicher? Eher möchte
man sagen, die dogmatischen Lehrer der Metaphysik hätten mehr ihre Verschmitztheit
als Aufrichtigkeit darin bewiesen, daß sie diesen schwierigen Punkt so weit
wie möglich aus den Augen brachten, in der Hoffnung, daß, wenn sie davon
gar nicht sprächen, auch wohl niemand leichtlich an ihn denken würde. Wenn
einer Wissenschaft geholfen werden soll, so müssen alle Schwierigkeiten
aufgedeckt und sogar diejenigen aufgesucht werden, die ihr noch so ingeheim
im Wege liegen; denn jede derselben ruft ein Hülfsmittel auf, welches, ohne
der Wissenschaft einen Zuwachs, es sei an Umfang, oder an Bestimmtheit,
zu verschaffen, nicht gefunden werden kann, wodurch also selbst die Hindernisse
Beförderungsmittel der Gründlichkeit der Wissenschaft werden. Dagegen, werden
die Schwierigkeiten absichtlich verdeckt, oder blos durch Palliativmittel
gehoben, so brechen sie über kurz oder lang in unheilbare Übel aus, welche
die Wissenschaft in einem gänzlichen Scepticism zu Grunde richten. *** Da es eigentlich der Begriff der Freiheit
ist, der unter allen Ideen der reinen speculativen Vernunft allein so große
Erweiterung im Felde des Übersinnlichen, wenn gleich nur in Ansehung des
praktischen Erkenntnisses verschafft, so frage ich mich: woher denn ihm
ausschließungsweise eine so große Fruchtbarkeit zu Theil geworden sei, indessen
die übrigen zwar die leere Stelle für reine mögliche Verstandeswesen bezeichnen,
den Begriff von ihnen aber durch nichts bestimmen können. Ich begreife bald,
daß, da ich nichts ohne Kategorie denken kann, diese auch in der Idee der
Vernunft von der Freiheit, mit der ich mich beschäftige, zuerst müsse aufgesucht
werden, welche hier die Kategorie der Causalität ist, und daß, wenn gleich
dem Vernunftbegriffe der Freiheit als überschwenglichem Begriffe keine correspondirende
Anschauung untergelegt werden kann, dennoch dem Verstandesbegriffe (der
Causalität), für dessen Synthesis jener das Unbedingte fordert, zuvor eine
sinnliche Anschauung gegeben werden müsse, dadurch ihm zuerst die objective
Realität gesichert wird. Nun sind alle Kategorien in zwei Classen, die mathematische,
welche blos auf die Einheit der Synthesis in der Vorstellung der Objecte,
und die dynamische, welche auf die in der Vorstellung der Existenz der Objecte
gehen, eingetheilt. Die erstere (die der Größe und der Qualität) enthalten
jederzeit eine Synthesis des Gleichartigen, in welcher das Unbedingte zu
dem in der sinnlichen Anschauung gegebenen Bedingten in Raum und Zeit, da
es selbst wiederum zum Raume und der Zeit gehören und also immer wiederum
bedingt sein müßte, gar nicht kann gefunden werden; daher auch in der Dialektik
der reinen theoretischen Vernunft die einander entgegengesetzte Arten, das
Unbedingte und die Totalität der Bedingungen für sie zu finden, beide falsch
waren. Die Kategorien der zweiten Classe (die der Causalität und der Nothwendigkeit
eines Dinges) erforderten diese Gleichartigkeit (des Bedingten und der Bedingung
in der Synthesis) gar nicht, weil hier nicht die Anschauung, wie sie aus
einem Mannigfaltigen in ihr zusammengesetzt, sondern nur wie die Existenz
des ihr correspondirenden bedingten Gegenstandes zu der Existenz der Bedingung
(im Verstande als damit verknüpft) hinzukomme, vorgestellt werden sollte,
und da war es erlaubt, zu dem durchgängig Bedingten in der Sinnenwelt (sowohl
in Ansehung der Causalität als des zufälligen Daseins der Dinge selbst)
das Unbedingte, obzwar übrigens unbestimmt, in der intelligibelen Welt zu
setzen und die Synthesis transscendent zu machen; daher denn auch in der
Dialektik der reinen speculativen Vernunft sich fand, daß beide dem Scheine
nach einander entgegengesetzte Arten das Unbedingte zum Bedingten zu finden,
z.B. in der Synthesis der Causalität zum Bedingten in der Reihe der Ursachen
und Wirkungen der Sinnenwelt der Causalität, die weiter nicht sinnlich bedingt
ist, zu denken, sich in der That nicht widerspreche, und daß dieselbe Handlung,
die, als zur Sinnenwelt gehörig, jederzeit sinnlich bedingt, d.i. mechanisch
nothwendig ist, doch zugleich auch, als zur Causalität des handelnden Wesens,
so fern es zur intelligibelen Welt gehörig ist, eine sinnlich unbedingte
Causalität zum Grunde haben, mithin als frei gedacht werden könne. Nun kam
es blos darauf an, daß dieses Können in ein Sein verwandelt würde, d.i.,
daß man in einem wirklichen Falle gleichsam durch ein Factum beweisen könne:
daß gewisse Handlungen eine solche Causalität (die intellectuelle, sinnlich
unbedingte) voraussetzen, sie mögen nun wirklich, oder auch nur geboten,
d.i. objectiv praktisch nothwendig sein. An wirklich in der Erfahrung gegebenen
Handlungen, als Begebenheiten der Sinnenwelt, konnten wir diese Verknüpfung
nicht anzutreffen hoffen, weil die Causalität durch Freiheit immer außer
der Sinnenwelt im Intelligibelen gesucht werden muß. Andere Dinge außer den Sinnenwesen sind
uns aber zur Wahrnehmung und Beobachtung nicht gegeben. Also blieb nichts
übrig, als daß etwa ein unwidersprechlicher und zwar objectiver Grundsatz
der Causalität, welcher alle sinnliche Bedingung von ihrer Bestimmung ausschließt,
d.i. ein Grundsatz, in welchem die Vernunft sich nicht weiter auf etwas
Anderes als Bestimmungsgrund in Ansehung der Causalität beruft, sondern
den sie durch jenen Grundsatz schon selbst enthält, und wo sie also als
reine Vernunft selbst praktisch ist, gefunden werde. Dieser Grundsatz aber
bedarf keines Suchens und keiner Erfindung; er ist längst in aller Menschen
Vernunft gewesen und ihrem Wesen einverleibt und ist der Grundsatz der Sittlichkeit.
Also ist jene unbedingte Causalität und das Vermögen derselben, die Freiheit,
mit dieser aber ein Wesen (ich selber), welches zur Sinnenwelt gehört, doch
zugleich als zur intelligibelen gehörig nicht blos unbestimmt und problematisch
gedacht (welches schon die speculative Vernunft als thunlich ausmitteln
konnte), sondern sogar in Ansehung des Gesetzes ihrer Causalität bestimmt
und assertorisch erkannt und so uns die Wirklichkeit der intelligibelen
Welt, und zwar in praktischer Rücksicht bestimmt, gegeben worden, und diese
Bestimmung, die in theoretischer Absicht transscendent (überschwenglich)
sein würde, ist in praktischer immanent. Dergleichen Schritt aber konnten
wir in Ansehung der zweiten dynamischen Idee, nämlich der eines nothwendigen
Wesens, nicht thun. Wir konnten zu ihm aus der Sinnenwelt ohne Vermittelung
der ersteren dynamischen Idee nicht hinauf kommen. Denn wollten wir es versuchen,
so müßten wir den Sprung gewagt haben, alles das, was uns gegeben ist, zu
verlassen und uns zu dem hinzuschwingen, wovon uns auch nichts gegeben ist,
wodurch wir die Verknüpfung eines solchen intelligibelen Wesens mit der
Sinnenwelt vermitteln könnten (weil das nothwendige Wesen als außer uns
gegeben erkannt werden sollte); welches dagegen in Ansehung unseres eignen
Subjects, so fern es sich durchs moralische Gesetz einerseits als intelligibeles
Wesen (vermöge der Freiheit) bestimmt, andererseits als nach dieser Bestimmung
in der Sinnenwelt thätig selbst erkennt, wie jetzt der Augenschein darthut,
ganz wohl möglich ist. Der einzige Begriff der Freiheit verstattet es, daß
wir nicht außer uns hinausgehen dürfen, um das Unbedingte und Intelligibele
zu dem Bedingten und Sinnlichen zu finden. Denn es ist unsere Vernunft selber,
die sich durchs höchste und unbedingte praktische Gesetz und das Wesen,
das sich dieses Gesetz bewußt ist, (unsere eigene Person) als zur reinen
Verstandeswelt gehörig und zwar sogar mit Bestimmung der Art, wie es als
ein solches thätig sein könne, erkennt. So läßt es sich begreifen, warum
in dem ganzen Vernunftvermögen nur das Praktische dasjenige sein könne,
welches uns über die Sinnenwelt hinaushilft und Erkenntnisse von einer übersinnlichen
Ordnung und Verknüpfung verschaffe, die aber eben darum freilich nur so
weit, als es gerade für die reine praktische Absicht nöthig ist, ausgedehnt
werden können. Nur auf Eines sei es mir erlaubt bei
dieser Gelegenheit noch aufmerksam zu machen, nämlich daß jeder Schritt,
den man mit der reinen Vernunft thut, sogar im praktischen Felde, wo man
auf subtile Speculation gar nicht Rücksicht nimmt, dennoch sich so genau
und zwar von selbst an alle Momente der Kritik der theoretischen Vernunft
anschließe, als ob jeder mit überlegter Vorsicht, blos um dieser Bestätigung
zu verschaffen, ausgedacht wäre. Eine solche auf keinerlei Weise gesuchte,
sondern (wie man sich selbst davon überzeugen kann, wenn man nur die moralischen
Nachforschungen bis zu ihren Principien fortsetzen will) sich von selbst
findende genaue Eintreffung der wichtigsten Sätze der praktischen Vernunft
mit den oft zu subtil und unnöthig scheinenden Bemerkungen der Kritik der
speculativen überrascht und setzt in Verwunderung und bestärkt die schon
von andern erkannte und gepriesene Maxime, in jeder wissenschaftlichen Untersuchung
mit aller möglichen Genauigkeit und Offenheit seinen Gang ungestört fortzusetzen,
ohne sich an das zu kehren, wowider sie außer ihrem Felde etwa verstoßen
möchte, sondern sie für sich allein so viel man kann, wahr und vollständig
zu vollführen. Öftere Beobachtung hat mich überzeugt, daß, wenn man dieses
Geschäfte zu Ende gebracht hat, das, was in der Hälfte desselben in Betracht
anderer Lehren außerhalb mir bisweilen sehr bedenklich schien, wenn ich
diese Bedenklichkeit nur so lange aus den Augen ließ und blos auf mein Geschäft
Acht hatte, bis es vollendet sei, endlich auf unerwartete Weise mit demjenigen
vollkommen zusammenstimmte, was sich ohne die mindeste Rücksicht auf jene
Lehren, ohne Parteilichkeit und Vorliebe für dieselbe von selbst gefunden
hatte. Schriftsteller würden sich manche Irrthümer, manche verlorne Mühe
(weil sie auf Blendwerk gestellt war) ersparen, wenn sie sich nur entschließen
könnten, mit etwas mehr Offenheit zu Werke zu gehen. Zweites
Buch. Dialektik der reinen praktischen Vernunft Erstes
Hauptstück. Von einer Dialektik der reinen praktischen Vernunft überhaupt Die reine Vernunft hat jederzeit ihre
Dialektik, man mag sie in ihrem speculativen oder praktischen Gebrauche
betrachten; denn sie verlangt die absolute Totalität der Bedingungen zu
einem gegebenen Bedingten, und diese kann schlechterdings nur in Dingen
an sich selbst angetroffen werden. Da aber alle Begriffe der Dinge auf Anschauungen
bezogen werden müssen, welche bei uns Menschen niemals anders als sinnlich
sein können, mithin die Gegenstände nicht als Dinge an sich selbst, sondern
bloß als Erscheinungen erkennen lassen, in deren Reihe des Bedingten und
der Bedingungen das Unbedingte niemals angetroffen werden kann, so entspringt
ein unvermeidlicher Schein aus der Anwendung dieser Vernunftidee der Totalität
der Bedingungen (mithin des Unbedingten) auf Erscheinungen, als wären sie
Sachen an sich selbst (denn dafür werden sie in Ermangelung einer warnenden
Kritik jederzeit gehalten), der aber niemals als trüglich bemerkt werden
würde, wenn er sich nicht durch einen Widerstreit der Vernunft mit sich
selbst in der Anwendung ihres Grundsatzes, das Unbedingte zu allem Bedingten
vorauszusetzen, auf Erscheinungen selbst verriethe. Hiedurch wird aber die
Vernunft genöthigt, diesem Scheine nachzuspüren, woraus er entspringe, und
wie er gehoben werden könne, welches nicht anders als durch eine vollständige
Kritik des ganzen reinen Vernunftvermögens geschehen kann; so daß die Antinomie
der reinen Vernunft, die in ihrer Dialektik offenbar wird, in der That die
wohlthätigste Verirrung ist, in die die menschliche Vernunft je hat gerathen
können, indem sie uns zuletzt antreibt, den Schlüssel zu suchen, aus diesem
Labyrinthe herauszukommen, der, wenn er gefunden worden, noch das entdeckt,
was man nicht suchte und doch bedarf, nämlich eine Aussicht in eine höhere,
unveränderliche Ordnung der Dinge, in der wir schon jetzt sind, und in der
unser Dasein der höchsten Vernunftbestimmung gemäß fortzusetzen, wir durch
bestimmte Vorschriften nunmehr angewiesen werden können. Wie im speculativen Gebrauche der reinen
Vernunft jene natürliche Dialektik aufzulösen und der Irrthum aus einem
übrigens natürlichen Scheine zu verhüten sei, kann man in der Kritik jenes
Vermögens ausführlich antreffen. Aber der Vernunft in ihrem praktischen
Gebrauche geht es um nichts besser. Sie sucht als reine praktische Vernunft
zu dem praktisch Bedingten (was auf Neigungen und Naturbedürfniß beruht)
ebenfalls das Unbedingte, und zwar nicht als Bestimmungsgrund des Willens,
sondern, wenn dieser auch (im moralischen Gesetze) gegeben worden, die unbedingte
Totalität des Gegenstandes der reinen praktischen Vernunft, unter dem Namen
des höchsten Guts. Diese
Idee praktisch, d.i. für die Maxime unseres vernünftigen Verhaltens, hinreichend
zu bestimmen, ist die Weisheitslehre, und diese wiederum als Wissenschaft
ist Philosophie in der Bedeutung, wie die Alten das Wort verstanden, bei
denen sie eine Anweisung zu dem Begriffe war, worin das höchste Gut zu setzen,
und zum Verhalten, durch welches es zu erwerben sei. Es wäre gut, wenn wir
dieses Wort bei seiner alten Bedeutung ließen, als eine Lehre vom höchsten
Gut, so fern die Vernunft bestrebt ist, es darin zur Wissenschaft zu bringen.
Denn einestheils würde die angehängte einschränkende Bedingung dem griechischen
Ausdrucke (welcher Liebe zur Weisheit bedeutet) angemessen und doch zugleich
hinreichend sein, die Liebe zur Wissenschaft, mithin aller speculativen
Erkenntniß der Vernunft, so fern sie ihr sowohl zu jenem Begriffe, als auch
dem praktischen Bestimmungsgrunde dienlich ist, unter dem Namen der Philosophie
mit zu befassen, und doch den Hauptzweck, um dessentwillen sie allein Weisheitslehre
genannt werden kann, nicht aus den Augen verlieren lassen. Anderen Theils
würde es auch nicht übel sein, den Eigendünkel desjenigen, der es wagte
sich des Titels eines Philosophen selbst anzumaßen, abzuschrecken, wenn
man ihm schon durch die Definition den Maßstab der Selbstschätzung vorhielte,
der seine Ansprüche sehr herabstimmen wird; denn ein Weisheitslehrer zu
sein, möchte wohl etwas mehr als einen Schüler bedeuten, der noch immer
nicht weit genug gekommen ist, um sich selbst, vielweniger um andere mit
sicherer Erwartung eines so hohen Zwecks zu leiten; es würde einen Meister
in Kenntniß der Weisheit bedeuten, welches mehr sagen will, als ein bescheidener
Mann sich selber anmaßen wird, und Philosophie würde so wie die Weisheit
selbst noch immer ein Ideal bleiben, welches objectiv in der Vernunft allein
vollständig vorgestellt wird, subjectiv aber, für die Person, nur das Ziel
seiner unaufhörlichen Bestrebung ist, und in dessen Besitz unter dem angemaßten
Namen eines Philosophen zu sein, nur der vorzugeben berechtigt ist, der
auch die unfehlbare Wirkung derselben (in Beherrschung seiner selbst und
dem ungezweifelten Interesse, das er vorzüglich am allgemeinen Guten nimmt)
an seiner Person als Beispiele aufstellen kann, welches die Alten auch forderten,
um jenen Ehrennamen verdienen zu können. In Ansehung der Dialektik der reinen
praktischen Vernunft, im Punkte der Bestimmung des Begriffs vom höchsten
Gute (welche, wenn ihre Auflösung gelingt, eben sowohl als die der theoretischen
die wohlthätigste Wirkung erwarten läßt, dadurch daß die aufrichtig angestellte
und nicht verhehlte Widersprüche der reinen praktischen Vernunft mit ihr
selbst zur vollständigen Kritik ihres eigenen Vermögens nöthigen), haben
wir nur noch eine Erinnerung voranzuschicken. Das moralische Gesetz ist der alleinige
Bestimmungsgrund des reinen Willens. Da dieses aber blos formal ist (nämlich
allein die Form der Maxime als allgemein gesetzgebend fordert), so abstrahirt
es als Bestimmungsgrund von aller Materie, mithin von allem Objecte des
Wollens. Mithin mag das höchste Gut immer der ganze Gegenstand einer reinen
praktischen Vernunft, d.i. eines reinen Willens, sein, so ist es darum doch
nicht für den Bestimmungsgrund desselben zu halten, und das moralische Gesetz
muß allein als der Grund angesehen werden, jenes und dessen Bewirkung oder
Beförderung sich zum Objecte zu machen. Diese Erinnerung ist in einem so
delicaten Falle, als die Bestimmung sittlicher Principien ist, wo auch die
kleinste Mißdeutung Gesinnungen verfälscht, von Erheblichkeit. Denn man
wird aus dr Analytik ersehen haben, daß, wenn man vor dem moralischen Gesetze
irgend ein Object unter dem Namen eines Guten als Bestimmungsgrund des Willens
annimmt und von ihm dann das oberste praktische Princip ableitet, dieses
alsdann jederzeit Heteronomie herbeibringen und das moralische Princip verdrängen
würde. Es versteht sich aber von selbst, daß,
wenn im Begriffe des höchsten Guts das moralische Gesetz als oberste Bedingung
schon mit eingeschlossen ist, alsdann das höchste Gut nicht blos Object,
sondern auch sein Begriff und die Vorstellung der durch unsere praktische
Vernunft möglichen Existenz desselben zugleich der Bestimmungsgrund des
reinen Willens sei: weil alsdann in der That das in diesem Begriffe schon
eingeschlossene und mitgedachte moralische Gesetz und kein anderer Gegenstand
nach dem Princip der Autonomie den Willen bestimmt. Diese Ordnung der Begriffe
von der Willensbestimmung darf nicht aus den Augen gelassen werden: weil
man sonst sich selbst mißversteht und sich zu widersprechen glaubt, wo doch
alles in der vollkommensten Harmonie neben einander steht. Zweites Hauptstück. Von der Dialektik der reinen Vernunft in Bestimmung des Begriffs vom höchsten Gut Der Begriff des Höchsten enthält schon
eine Zweideutigkeit, die, wenn man darauf nicht Acht hat, unnöthige Streitigkeiten
veranlassen kann. Das Höchste kann das Oberste (supremum) oder auch das
Vollendete (consummatum) bedeuten. Das erstere ist diejenige Bedingung,
die selbst unbedingt, d.i. keiner andern untergeordnet, ist (originarium);
das zweite dasjenige Ganze, das kein Theil eines noch größeren Ganzen von
derselben Art ist (perfectissimum). Daß Tugend (als die Würdigkeit glücklich
zu sein) die oberste Bedingung alles dessen, was uns nur wünschenswerth
scheinen mag, mithin auch aller unserer Bewerbung um Glückseligkeit, mithin
das oberste Gut sei, ist in der Analytik bewiesen worden. Darum ist sie
aber noch nicht das ganze und vollendete Gut, als Gegenstand des Begehrungsvermögens
vernünftiger endlicher Wesen; denn um das zu sein, wird auch Glückseligkeit
dazu erfordert und zwar nicht blos in den parteiischen Augen der Person,
die sich selbst zum Zwecke macht, sondern selbst im Urtheile einer unparteiischen
Vernunft, die jene überhaupt in der Welt als Zweck an sich betrachtet. Denn
der Glückseligkeit bedürftig, ihrer auch würdig, dennoch aber derselben
nicht theilhaftig zu sein, kann mit dem vollkommenen Wollen eines vernünftigen
Wesens, welches zugleich alle Gewalt hätte, wenn wir uns auch nur ein solches
zum Versuche denken, gar nicht zusammen bestehen. So fern nun Tugend und
Glückseligkeit zusammen den Besitz des höchsten Guts in einer Person, hiebei
aber auch Glückseligkeit, ganz genau in Proportion der Sittlichkeit (als
Werth der Person und deren Würdigkeit glücklich zu sein) ausgetheilt, das
höchste Gut einer möglichen Welt ausmachen: so bedeutet dieses das Ganze,
das vollendete Gute, worin doch Tugend immer als Bedingung das oberste Gut
ist, weil es weiter keine Bedingung über sich hat, Glückseligkeit immer
etwas, was dem, der sie besitzt, zwar angenehm, aber nicht für sich allein
schlechterdings und in aller Rücksicht gut ist, sondern jederzeit das moralische
gesetzmäßige Verhalten als Bedingung voraussetzt. Zwei in einem Begriffe nothwendig verbundene
Bestimmungen müssen als Grund und Folge verknüpft sein, und zwar entweder
so, daß diese Einheit als analytisch (logische Verknüpfung) oder als synthetisch
(reale Verbindung), jene nach dem Gesetze der Identität, diese der Causalität
betrachtet wird. Die Verknüpfung der Tugend mit der Glückseligkeit kann
also entweder so verstanden werden, daß die Bestrebung tugendhaft zu sein
und die vernünftige Bewerbung um Glückseligkeit nicht zwei verschiedene,
sondern ganz identische Handlungen wären, da denn der ersteren keine andere
Maxime, als zu der letztern zum Grunde gelegt zu werden brauchte: oder jene
Verknüpfung wird darauf ausgesetzt, daß Tugend die Glückseligkeit als etwas
von dem Bewußtsein der ersteren Unterschiedenes, wie die Ursache eine Wirkung,
hervorbringe. Von den alten griechischen Schulen waren
eigentlich nur zwei, die in Bestimmung des Begriffs vom höchsten Gute so
fern zwar einerlei Methode befolgten, daß sie Tugend und Glückseligkeit
nicht als zwei verschiedene Elemente des höchsten Guts gelten ließen, mithin
die Einheit des Princips nach der Regel der Identität suchten; aber darin
schieden sie sich wiederum, daß sie unter beiden den Grundbegriff verschiedentlich
wählten. Der Epikureer sagte: sich seiner auf Glückseligkeit führenden Maxime
bewußt sein, das ist Tugend; der Stoiker: sich seiner Tugend bewußt sein,
ist Glückseligkeit. Dem ersteren war Klugheit so viel als Sittlichkeit;
dem zweiten, der eine höhere Benennung für die Tugend wählte, war Sittlichkeit
allein wahre Weisheit. Man muß bedauren, daß die Scharfsinnigkeit
dieser Männer (die man doch zugleich darüber bewundern muß, daß sie in so
frühen Zeiten schon alle erdenkliche Wege philosophischer Eroberungen versuchten)
unglücklich angewandt war, zwischen äußerst ungleichartigen Begriffen, dem
der Glückseligkeit und dem der Tugend, Identität zu ergrübeln. Allein es
war dem dialektischen Geiste ihrer Zeiten angemessen, was auch jetzt bisweilen
subtile Köpfe verleitet, wesentliche und nie zu vereinigende Unterschiede
in Principien dadurch aufzuheben, daß man sie in Wortstreit zu verwandeln
sucht und so dem Scheine nach Einheit des Begriffs blos unter verschiedenen
Benennungen erkünstelt, und dieses trifft gemeiniglich solche Fälle, wo
die Vereinigung ungleichartiger Gründe so tief oder hoch liegt, oder eine
so gänzliche Umänderung der sonst im philosophischen System angenommenen
Lehren erfordern würde, daß man Scheu trägt sich in den realen Unterschied
tief einzulassen und ihn lieber als Uneinigkeit in bloßen Formalien zu behandeln. Indem beide Schulen Einerleiheit der
praktischen Principien der Tugend und Glückseligkeit zu ergrübeln suchten,
so waren sie darum nicht unter sich einhellig, wie sie diese Identität herauszwingen
wollten, sondern schieden sich in unendliche Weiten von einander, indem
die eine ihr Princip auf der ästhetischen, die andere auf der logischen
Seite, jene im Bewußtsein des sinnlichen Bedürfnisses, die andere in der
Unabhängigkeit der praktischen Vernunft von allen sinnlichen Bestimmungsgründen
setzte. Der Begriff der Tugend lag nach dem Epikureer schon in der Maxime
seine eigene Glückseligkeit zu befördern; das Gefühl der Glückseligkeit
war dagegen nach dem Stoiker schon im Bewußtsein seiner Tugend enthalten.
Was aber in einem andern Begriffe enthalten ist, ist zwar mit einem Theile
des Enthaltenden, aber nicht mit dem Ganzen einerlei, und zwei Ganze können
überdem specifisch von einander unterschieden sein, ob sie zwar aus eben
demselben Stoffe bestehen, wenn nämlich die Theile in beiden auf ganz verschiedene
Art zu einem Ganzen verbunden werden. Der Stoiker behauptete, Tugend sei
das ganze höchste Gut und Glückseligkeit nur das Bewußtsein des Besitzes
derselben als zum Zustand des Subjects gehörig. Der Epikureer behauptete,
Glückseligkeit sei das ganze höchste Gut und Tugend nur die Form der Maxime
sich um sie zu bewerben, nämlich im vernünftigen Gebrauche der Mittel zu
derselben. Nun ist aber aus der Analytik klar,
daß die Maximen der Tugend und die der eigenen Glückseligkeit in Ansehung
ihres obersten praktischen Princips ganz ungleichartig sind und, weit gefehlt,
einhellig zu sein, ob sie gleich zu einem höchsten Guten gehören, um das
letztere möglich zu machen, einander in demselben Subjecte gar sehr einschränken
und Abbruch thun. Also bleibt die Frage: wie ist das höchste Gut praktisch
möglich? noch immer unerachtet aller bisherigen Coalitionsversuche eine
unaufgelösete Aufgabe. Das aber, was sie zu einer schwer zu lösenden Aufgabe
macht, ist in der Analytik gegeben, nämlich daß Glückseligkeit und Sittlichkeit
zwei specifisch ganz verschiedene Elemente des höchsten Guts sind, und ihre
Verbindung also nicht analytisch erkannt werden könne (daß etwa der, so
seine Glückseligkeit sucht, in diesem seinem Verhalten sich durch bloße
Auflösung seiner Begriffe tugendhaft, oder der, so der Tugend folgt, sich
im Bewußtsein eines solchen Verhaltens schon ipso facto glücklich finden
werde), sondern eine Synthesis der Begriffe sei. Weil aber diese Verbindung
als a priori, mithin praktisch nothwendig, folglich nicht als aus der Erfahrung
abgeleitet erkannt wird, und die Möglichkeit des höchsten Guts also auf
keinen empirischen Principien beruht, so wird die Deduction dieses Begriffs
transscendental sein müssen. Es ist a priori (moralisch) nothwendig, das
höchste Gut durch Freiheit des Willens hervorzubringen; es muß also auch
die Bedingung der Möglichkeit desselben lediglich auf Erkenntnißgründen
a priori beruhen. I. Die Antinomie der praktischen VernunftIn dem höchsten für uns praktischen,
d.i. durch unsern Willen wirklich zu machenden, Gute werden Tugend und Glückseligkeit
als nothwendig verbunden gedacht, so daß das eine durch reine praktische
Vernunft nicht angenommen werden kann, ohne daß das andere auch zu ihm gehöre.
Nun ist diese Verbindung (wie eine jede überhaupt) entweder analytisch,
oder synthetisch. Da diese gegebene aber nicht analytisch sein kann, wie
nur eben vorher gezeigt worden, so muß sie synthetisch und zwar als Verknüpfung
der Ursache mit der Wirkung gedacht werden: weil sie ein praktisches Gut,
d.i. was durch Handlung möglich ist, betrifft. Es muß also entweder die
Begierde nach Glückseligkeit die Bewegursache zu Maximen der Tugend, oder
die Maxime der Tugend muß die wirkende Ursache der Glückseligkeit sein.
Das erste ist schlechterdings unmöglich: weil (wie in der Analytik bewiesen
worden) Maximen, die den Bestimmungsgrund des Willens in dem Verlangen nach
seiner Glückseligkeit setzen, gar nicht moralisch sind und keine Tugend
gründen können. Das zweite ist aber auch unmöglich, weil alle praktische
Verknüpfung der Ursachen und der Wirkungen in der Welt als Erfolg der Willensbestimmung
sich nicht nach moralischen Gesinnungen des Willens, sondern der Kenntniß
der Naturgesetze und dem physischen Vrmögen, sie zu seinen Absichten zu
gebrauchen, richtet, folglich keine nothwendige und zum höchsten Gut zureichende
Verknüpfung der Glückseligkeit mit der Tugend in der Welt durch die pünktlichste
Beobachtung der moralischen Gesetze erwartet werden kann. Da nun die Beförderung
des höchsten Guts, welches diese Verknüpfung in seinem Begriffe enthält,
ein a priori nothwendiges Object unseres Willens ist und mit dem
moralischen Gesetze unzertrennlich zusammenhängt, so muß die Unmöglichkeit
des ersteren auch die Falschheit des zweiten beweisen. Ist also das höchste
Gut nach praktischen Regeln unmöglich, so muß auch das moralische Gesetz,
welches gebietet dasselbe zu befördern, phantrastisch und auf leere eingebildete
Zwecke gestellt, mithin an sich falsch sein. II. Kritische Aufhebung der Antinomie der praktischen Vernunft In
der Antinomie der reinen speculativen Vernunft findet sich ein ähnlicher
Widerstreit zwischen Naturnothwendigkeit und Freiheit in der Causalität
der Begebenheiten in der Welt. Er wurde dadurch gehoben, daß bewiesen wurde,
es sei kein wahrer Widerstreit, wenn man die Begebenheiten und selbst die
Welt, darin sie sich ereignen, (wie man auch soll) nur als Erscheinungen
betrachtet; da ein und dasselbe handelnde Wesen als Erscheinung (selbst
vor seinem eignen innern Sinne) eine Causalität in der Sinnenwelt hat, die
jederzeit dem Naturmechanism gemäß ist, in Ansehung derselben Begebenheit
aber, so fern sich die handelnde Person zugleich als Noumenon betrachtet
(als reine Intelligenz, in seinem nicht der Zeit nach bestimmbaren Dasein),
einen Bestimmungsgrund jener Causalität nach Naturgesetzen, der selbst von
allem Naturgesetze frei ist, enthalten könne. Mit der vorliegenden Antinomie der reinen
praktischen Vernunft ist es nun eben so bewandt. Der erste von den zwei
Sätzen, daß das Bestreben nach Glückseligkeit einen Grund tugendhafter Gesinnung
hervorbringe, ist schlechterdings falsch; der zweite aber, daß Tugendgesinnung
nothwendig Glückseligkeit hervorbringe, ist nicht schlechterdings, sondern
nur so fern sie als die Form der Causalität in der Sinnenwelt betrachtet
wird, und mithin, wenn ich das Dasein in derselben für die einzige Art der
Existenz des vernünftigen Wesens annehme, also nur bedingter Weise falsch.
Da ich aber nicht allein befugt bin, mein Dasein auch als Noumenon in einer
Verstandeswelt zu denken, sondern sogar am moralischen Gesetze einen rein
intellectuellen Bestimmungsgrund meiner Causalität (in der Sinnenwelt) habe,
so ist es nicht unmöglich, daß die Sittlichkeit der Gesinnung einen, wo
nicht unmittelbaren, doch mittelbaren (vermittelst eines intelligibelen
Urhebers der Natur) und zwar nothwendigen Zusammenhang als Ursache mit der
Glückseligkeit als Wirkung in der Sinnenwelt habe, welche Verbindung in
einer Natur, die blos Object der Sinne ist, niemals anders als zufällig
stattfinden und zum höchsten Gut nicht zulangen kann. Also ist unerachtet dieses scheinbaren
Widerstreits einer praktischen Vernunft mit sich selbst das höchste Gut
der nothwendige höchste Zweck eines moralisch bestimmten Willens, ein wahres
Object derselben; denn es ist praktisch möglich, und die Maximen des letzteren,
die sich darauf ihrer Materie nach beziehen, haben objective Realität, welche
anfänglich durch jene Antinomie in Verbindung der Sittlichkeit mit Glückseligkeit
nach einem allgemeinen Gesetze getroffen wurde, aber aus bloßem Mißverstande,
weil man das Verhältniß zwischen Erscheinungen für ein Verhältniß der Dinge
an sich selbst zu diesen Erscheinungen hielt. Wenn wir uns genöthigt sehen, die Möglichkeit
des höchsten Guts, dieses durch die Vernunft allen vernünftigen Wesen ausgesteckten
Ziels aller ihrer moralischen Wünsche, in solcher Weite, nämlich in der
Verknüpfung mit einer intelligibelen Welt, zu suchen, so muß es befremden,
daß gleichwohl die Philosophen alter sowohl als neuer Zeiten die Glückseligkeit
mit der Tugend in ganz geziemender Proportion schon in diesem Leben (in
der Sinnenwelt) haben finden, oder sich ihrer bewußt zu sein haben überreden
können. Denn Epikur sowohl, als die Stoiker erhoben die Glückseligkeit,
die aus dem Bewußtsein der Tugend im Leben entspringe, über alles, und der
erstere war in seinen praktischen Vorschriften nicht so niedrig gesinnt,
als man aus den Principien seiner Theorie, die er zum Erklären, nicht zum
Handeln brauchte, schließen möchte, oder wie sie viele, durch den Ausdruck
Wollust für Zufriedenheit verleitet, ausdeuteten, sondern rechnete die uneigennützigste
Ausübung des Guten mit zu den Genußarten der innigsten Freude, und die Gnügsamkeit
und Bändigung der Neigungen, so wie sie immer der strengste Moralphilosoph
fordern mag, gehörte mit zu seinem Plane eines Vergnügens (er verstand darunter
das stets fröhliche Herz); wobei er von den Stoikern vornehmlich nur darin
abwich, daß er in diesem Vergnügen den Bewegungsgrund setzte, welches die
letztern, und zwar mit Recht, verweigerten. Denn einestheils fiel der tugendhafte
Epikur, so wie noch jetzt viele moralisch wohlgesinnte, obgleich über ihre
Principien nicht tief genug nachdenkende Männer, in den Fehler, die tugendhafte
Gesinnung in den Personen schon vorauszusetzen, für die er die Triebfeder
zur Tugend zuerst angeben wollte (und in der That kann der Rechtschaffene
sich nicht glücklich finden, wenn er sich nicht zuvor seiner Rechtschaffenheit
bewußt ist: weil bei jener Gesinnung die Verweise, die er bei Übertretungen
sich selbst zu machen durch seine eigene Denkungsart genöthigt sein würde,
und die moralische Selbstverdammung ihn alles Genusses der Annehmlichkeit,
die sonst sein Zustand enthalten mag, berauben würden). Allein die Frage
ist: wodurch wird eine solche Gesinnung und Denkungsart, den Werth seines
Daseins zu schätzen, zuerst möglich, da vor derselben noch gar kein Gefühl
für einen moralischen Werth überhaupt im Subjecte angetroffen werden würde?
Der Mensch wird, wenn er tugendhaft ist, freilich, ohne sich in jeder Handlung
seiner Rechtschaffenheit bewußt zu sein, des Lebens nicht froh werden, so
günstig ihm auch das Glück im physischen Zustande desselben sein mag; aber
um ihn allererst tugendhaft zu machen, mithin ehe er noch den moralischen
Werth seiner Existenz so hoch anschlägt, kann man ihm da wohl die Seelenruhe
anpreisen, die aus dem Bewußtsein einer Rechtschaffenheit entspringen werde,
für die er doch keinen Sinn hat? Andrerseits aber liegt hier immer der
Grund zu einem Fehler des Erschleichens (vitium subreptionis) und
gleichsam einer optischen Illusion in dem Selbstbewußtsein dessen, was man
thut, zum Unterschiede dessen, was man empfindet, die auch der Versuchteste
nicht völlig vermeiden kann. Die moralische Gesinnung ist mit einem Bewußtsein
der Bestimmung des Willens unmittelbar durchs Gesetz nothwendig verbunden.
Nun ist das Bewußtsein einer Bestimmung des Begehrungsvermögens immer der
Grund eines Wohlgefallens an der Handlung, die dadurch hervorgebracht wird;
aber diese Lust, dieses Wohlgefallen an sich selbst, ist nicht der Bestimmungsgrund
der Handlung, sondern die Bestimmung des Willens unmittelbar, blos durch
die Vernunft, ist der Grund des Gefühls der Lust, und jene bleibt eine reine
praktische, nicht ästhetische Bestimmung des Begehrungsvermögens. Da diese
Bestimmung nun innerlich gerade dieselbe Wirkung eines Antriebs zur Thätigkeit
thut, als ein Gefühl der Annehmlichkeit, die aus der begehrten Handlung
erwartet wird, würde gethan haben, so sehen wir das, was wir selbst thun,
leichtlich für etwas an, was wir blos leidentlich fühlen, und nehmen die
moralische Triebfeder für sinnlichen Antrieb, wie das allemal in der sogenannten
Täuschung der Sinne (hier des innern) zu geschehen pflegt. Es ist etwas
sehr Erhabenes in der menschlichen Natur, unmittelbar durch ein reines Vernunftgesetz
zu Handlungen bestimmt zu werden, und sogar die Täuschung, das Subjective
dieser intellectuellen Bestimmbarkeit des Willens für etwas Ästhetisches
und Wirkung eines besondern sinnlichen Gefühls (denn ein intellectuelles
wäre ein Widerspruch) zu halten. Es ist auch von großer Wichtigkeit, auf
diese Eigenschaft unserer Persönlichkeit aufmerksam zu machen und die Wirkung
der Vernunft auf dieses Gefühl bestmöglichst zu cultiviren. Aber man muß
sich auch in Acht nehmen, durch unächte Hochpreisungen dieses moralischen
Bestimmungsgrundes als Triebfeder, indem man ihm Gefühle besonderer Freuden
als Gründe (die doch nur Folgen sind) unterlegt, die eigentliche, ächte
Triebfeder, das Gesetz selbst, gleichsam wie durch eine falsche Folie herabzusetzen
und zu verunstalten. Achtung und nicht Vergnügen oder Genuß der Glückseligkeit
ist also etwas, wofür kein der Vernunft zum Grunde gelegtes, vorhergehendes
Gefühl (weil dieses jederzeit ästhetisch und pathologisch sein würde) möglich
ist, als Bewußtsein der unmittelbaren Nöthigung des Willens durch Gesetz,
ist kaum ein Analogon des Gefühls der Lust, indem es im Verhältnisse zum
Begehrungsvermögen gerade eben dasselbe, aber aus andern Quellen thut; durch
diese Vorstellungsart aber kann man allein erreichen, was man sucht, nämlich
daß Handlungen nicht blos pflichtmäßig (angenehmen Gefühlen zu Folge), sondern
aus Pflicht geschehen, welches der wahre Zweck aller moralischen Bildung
sein muß. Hat man aber nicht ein Wort, welches
nicht einen Genuß, wie das der Glückseligkeit, bezeichnete, aber doch ein
Wohlgefallen an seiner Existenz, ein Analogon der Glückseligkeit, welche
das Bewußtsein der Tugend nothwendig begleiten muß, anzeigte? Ja! dieses
Wort ist Selbstzufriedenheit, welches in seiner eigentlichen Bedeutung jederzeit
nur ein negatives Wohlgefallen an seiner Existenz andeutet, in welchem man
nichts zu bedürfen sich bewußt ist. Freiheit und das Bewußtsein derselben
als eines Vermögens, mit überwiegender Gesinnung das moralische Gesetz zu
befolgen, ist Unabhängigkeit von Neigungen, wenigstens als bestimmenden
(wenn gleich nicht als afficirenden) Bewegursachen unseres Begehrens, und,
so fern als ich mir derselben in der Befolgung meiner moralischen Maximen
bewußt bin, der einzige Quell einer nothwendig damit verbundenen, auf keinem
besonderen Gefühle beruhenden, unveränderlichen Zufriedenheit, und diese
kann intellectuell heißen. Die ästhetische (die uneigentlich so genannt
wird), welche auf der Befriedigung der Neigungen, so fein sie auch immer
ausgeklügelt werden mögen, beruht, kann niemals dem, was man sich darüber
denkt, adäquat sein. Denn die Neigungen wechseln, wachsen mit der Begünstigung,
die man ihnen widerfahren läßt, und lassen immer ein noch größeres Leeres
übrig, als man auszufüllen gedacht hat. Daher sind sie einem vernünftigen
Wesen jederzeit lästig, und wenn es sie gleich nicht abzulegen vermag, so
nöthigen sie ihm doch den Wunsch ab, ihrer entledigt zu sein. Selbst eine
Neigung zum Pflichtmäßigen (z.B. zur Wohlthätigkeit) kann zwar die Wirksamkeit
der moralischen Maximen sehr erleichtern, aber keine hervorbringen. Denn
alles muß in dieser auf der Vorstellung des Gesetzes als Bestimmungsgrunde
angelegt sein, wenn die Handlung nicht blos Legalität, sondern auch Moralität
enthalten soll. Neigung ist blind und knechtisch, sie mag nun gutartig sein
oder nicht, und die Vernunft, wo es auf Sittlichkeit ankommt, muß nicht
blos den Vormund derselben vorstellen, sondern, ohne auf sie Rücksicht zu
nehmen, als reine praktische Vernunft ihr eigenes Interesse ganz allein
besorgen. Selbst dies Gefühl des Mitleids und der weichherzigen Theilnehmung,
wenn es vor der Überlegung, was Pflicht sei, vorhergeht und Bestimmungsgrund
wird, ist wohldenkenden Personen selbst lästig, bringt ihre überlegte Maximen
in Verwirrung und bewirkt den Wunsch, ihrer entledigt und allein der gesetzgebenden
Vernunft unterworfen zu sein. Hieraus läßt sich verstehen: wie das
Bewußtsein dieses Vermögens einer reinen praktischen Vernunft durch That
(die Tugend) ein Bewußtsein der Obermacht über seine Neigungen, hiemit also
der Unabhängigkeit von denselben, folglich auch der Unzufriedenheit, die
diese immer begleitet, und also ein negatives Wohlgefallen mit seinem Zustande,
d.i. Zufriedenheit, hervorbringen könne, welche in ihrer Quelle Zufriedenheit
mit seiner Person ist. Die Freiheit selbst wird auf solche Weise (nämlich
indirect) eines Genusses fähig, welcher nicht Glückseligkeit heißen kann,
weil er nicht vom positiven Beitritt eines Gefühls abhängt, auch genau zu
reden nicht Seligkeit, weil er nicht gänzliche Unabhängigkeit von Neigungen
und Bedürfnissen enthält, der aber doch der letztern ähnlich ist, so fern
nämlich wenigstens seine Willensbestimmung sich von ihrem Einflusse frei
halten kann, und also wenigstens seinem Ursprunge nach der Selbstgenugsamkeit
analogisch ist, die man nur dem höchsten Wesen beilegen kann. Aus dieser Auflösung der Antinomie der
praktischen reinen Vernunft folgt, daß sich in praktischen Grundsätzen eine
natürliche und nothwendige Verbindung zwischen dem Bewußtsein der Sittlichkeit
und der Erwartung einer ihr proportionirten Glückseligkeit, als Folge derselben,
wenigstens als möglich denken (darum aber freilich noch eben nicht erkennen
und einsehen) lasse; dagegen daß Grundsätze der Bewerbung um Glückseligkeit
unmöglich Sittlichkeit hervorbringen können; daß also das oberste Gut (als
die erste Bedingung des höchsten Guts) Sittlichkeit, Glückseligkeit dagegen
zwar das zweite Element desselben ausmache, doch so, daß diese nur die moralisch
bedingte, aber doch nothwendige Folge der ersteren sei. In dieser Unterordnung
allein ist das höchste Gut das ganze Object der reinen praktischen Vernunft,
die es sich nothwendig als möglich vorstellen muß, weil es ein Gebot derselben
ist, zu dessen Hervorbringung alles Mögliche beizutragen. Weil aber die
Möglichkeit einer solchen Verbindung des Bedingten mit seiner Bedingung
gänzlich zum übersinnlichen Verhältnisse der Dinge gehört und nach Gesetzen
der Sinnenwelt gar nicht gegeben werden kann, obzwar die praktische Folge
dieser Idee, nämlich die Handlungen, die darauf abzielen, das höchste Gut
wirklich zu machen, zur Sinnenwelt gehören: so werden wir die Gründe jener
Möglichkeit erstlich in Ansehung dessen, was unmittelbar in unserer Gewalt
ist, und dann zweitens in dem, was uns Vernunft als Ergänzung unseres Unvermögens
zur Möglichkeit des höchsten Guts (nach praktischen Principien nothwendig)
darbietet und nicht in unserer Gewalt ist, darzustellen suchen. III. Von dem Primat der reinen praktischen Vernunft in ihrer Verbindung mit der speculativen Unter dem Primate zwischen zwei oder
mehreren durch Vernunft verbundenen Dingen verstehe ich den Vorzug des einen,
der erste Bestimmungsgrund der Verbindung mit allen übrigen zu sein. In
engerer, praktischer Bedeutung bedeutet es den Vorzug des Interesse des
einen, so fern ihm (welches keinem andern nachgesetzt werden kann) das Interesse
der andern untergeordnet ist. Einem jeden Vermögen des Gemüths kann man
ein Interesse beilegen, d.i. ein Princip, welches die Bedingung enthält,
unter welcher allein die Ausübung desselben befördert wird. Die Vernunft
als das Vermögen der Principien bestimmt das Interesse aller Gemüthskräfte,
das ihrige aber sich selbst. Das Interesse ihres speculativen Gebrauchs
besteht in der Erkenntniß des Objects bis zu den höchsten Principien a
priori, das des praktischen Gebrauchs in der Bestimmung des Willens
in Ansehung des letzten und vollständigen Zwecks. Das, was zur Möglichkeit
eines Vernunftgebrauchs überhaupt erforderlich ist, nämlich daß die Principien
und Behauptungen derselben einander nicht widersprechen müssen, macht keinen
Theil ihres Interesse aus, sondern ist die Bedingung überhaupt Vernunft
zu haben; nur die Erweiterung, nicht die bloße Zusammenstimmung mit sich
selbst wird zum Interesse derselben gezählt. Wenn praktische Vernunft nichts weiter
annehmen und als gegeben denken darf, als was speculative Vernunft für sich
ihr aus ihrer Einsicht darreichen konnte, so führt diese das Primat. Gesetzt
aber, sie hätte für sich ursprüngliche Principien a priori, mit denen
gewisse theoretische Positionen unzertrennlich verbunden wären, die sich
gleichwohl aller möglichen Einsicht der speculativen Vernunft entzögen (ob
sie zwar derselben auch nicht widersprechen müßten), so ist die Frage, welches
Interesse das oberste sei (nicht, welches weichen müßte, denn eines widerstreitet
dem andern nicht nothwendig): ob speculative Vernunft, die nichts von allem
dem weiß, was praktische ihr anzunehmen darbietet, diese Sätze aufnehmen
und sie, ob sie gleich für sie überschwenglich sind, mit ihren Begriffen
als einen fremden, auf sie übertragenen Besitz zu vereinigen suchen müsse,
oder ob sie berechtigt sei, ihrem eigenen, abgesonderten Interesse hartnäckig
zu folgen und nach der Kanonik des Epikurs alles als leere Vernünftelei
auszuschlagen, was seine objective Realität nicht durch augenscheinliche,
in der Erfahrung aufzustellende Beispiele beglaubigen kann, wenn es gleich
noch so sehr mit dem Interesse des praktischen (reinen) Gebrauchs verwebt,
an sich auch der theoretischen nicht widersprechend wäre, blos weil es wirklich
so fern dem Interesse der speculativen Vernunft Abbruch thut, daß es die
Grenzen, die diese sich selbst gesetzt, aufhebt und sie allem Unsinn oder
Wahnsinn der Einbildungskraft preisgiebt. In der That, so fern praktische Vernunft
als pathologisch bedingt, d.i. das Interesse der Neigungen unter dem sinnlichen
Princip der Glückseligkeit blos verwaltend, zum Grunde gelegt würde, so
ließe sich diese Zumuthung an die speculative Vernunft gar nicht thun. Mahomets
Paradies, oder der Theosophen und Mystiker schmelzende Vereinigung mit der
Gottheit, so wie jedem sein Sinn steht, würden der Vernunft ihre Ungeheuer
aufdringen, und es wäre eben so gut, gar keine zu haben, als sie auf solche
Weise allen Träumereien preiszugeben. Allein wenn reine Vernunft für sich
praktisch sein kann und es wirklich ist, wie das Bewußtsein des moralischen
Gesetzes es ausweiset, so ist es doch immer nur eine und dieselbe Vernunft,
die, es sei in theoretischer oder praktischer Absicht, nach Principien a
priori urtheilt, und da ist es klar, daß, wenn ihr Vermögen in der ersteren
gleich nicht zulangt, gewisse Sätze behauptend festzusetzen, indessen daß
sie ihr auch eben nicht widersprechen, eben diese Sätze, so bald sie unabtrennlich
zum praktischen Interesse der reinen Vernunft gehören, zwar als ein ihr
fremdes Angebot, das nicht auf ihrem Boden erwachsen, aber doch hinreichend
beglaubigt ist, annehmen und sie mit allem, was sie als speculative Vernunft
in ihrer Macht hat, zu vergleichen und zu verknüpfen suchen müsse; doch
sich bescheidend, daß dieses nicht ihre Einsichten, aber doch Erweiterungen
ihres Gebrauchs in irgend einer anderen, nämlich praktischen, Absicht sind,
welches ihrem Interesse, das in der Einschränkung des speculativen Frevels
besteht, ganz und gar nicht zuwider ist. In der Verbindung also der reinen speculativen
mit der reinen praktischen Vernunft zu einem Erkenntnisse führt die letztere
das Primat, vorausgesetzt nämlich, daß diese Verbindung nicht etwa zufällig
und beliebig, sondern a priori auf der Vernunft selbst gegründet,
mithin nothwendig sei. Denn es würde ohne diese Unterordnung ein Widerstreit
der Vernunft mit ihr selbst entstehen: weil, wenn sie einander blos beigeordnet
(coordinirt) wären, die erstere für sich ihre Grenze enge verschließen und
nichts von der letzteren in ihr Gebiet aufnehmen, diese aber ihre Grenzen
dennoch über alles ausdehnen und, wo es ihr Bedürfniß erheischt, jene innerhalb
der ihrigen mit zu befassen suchen würde. Der speculativen Vernunft aber
untergeordnet zu sein und also die Ordnung umzukehren, kann man der reinen
praktischen gar nicht zumuthen, weil alles Interesse zuletzt praktisch ist,
und selbst das der speculativen Vernunft nur bedingt und im praktischen
Gebrauche allein vollständig ist. IV. Die Unsterblichkeit der Seele, als ein Postulat der reinen praktischen Vernunft Die
Bewirkung des höchsten Guts in der Welt ist das nothwendige Object eines
durchs moralische Gesetz bestimmbaren Willens. In diesem aber ist die völlige
Angemessenheit der Gesinnungen zum moralischen Gesetze die oberste Bedingung
des höchsten Guts. Sie muß also eben sowohl möglich sein als ihr Object,
weil sie in demselben Gebote dieses zu befördern enthalten ist. Die völlige
Angemessenheit des Willens aber zum moralischen Gesetze ist Heiligkeit,
eine Vollkommenheit, deren kein vernünftiges Wesen der Sinnenwelt in keinem
Zeitpunkte seines Daseins fähig ist. Da sie indessen gleichwohl als praktisch
nothwendig gefordert wird, so kann sie nur in einem ins Unendliche gehenden
Progressus zu jener völligen Angemessenheit angetroffen werden, und es ist
nach Principien der reinen praktischen Vernunft nothwendig, eine solche
praktische Fortschreitung als das reale Object unseres Willens anzunehmen.
Dieser unendliche Progressus ist aber
nur unter Voraussetzung einer ins Unendliche fortdaurenden Existenz und
Persönlichkeit desselben vernünftigen Wesens (welche man die Unsterblichkeit
der Seele nennt) möglich. Also ist das höchste Gut praktisch nur unter der
Voraussetzung der Unsterblichkeit der Seele möglich, mithin diese, als unzertrennlich
mit dem moralischen Gesetz verbunden, ein Postulat der reinen praktischen
Vernunft (worunter ich einen theoretischen, als solchen aber nicht erweislichen
Satz verstehe, so fern er einem a priori unbedingt geltenden praktischen
Gesetze unzertrennlich anhängt). Der Satz von der moralischen Bestimmung
unserer Natur, nur allein in einem ins Unendliche gehenden Fortschritte
zur völligen Angemessenheit mit dem Sittengesetze gelangen zu können, ist
von dem größten Nutzen, nicht blos in Rücksicht auf die gegenwärtige Ergänzung
des Unvermögens der speculativen Vernunft, sondern auch in Ansehung der
Religion. In Ermangelung desselben wird entweder das moralische Gesetz von
seiner Heiligkeit gänzlich abgewürdigt, indem man es sich als nachsichtlich
(indulgent) und so unserer Behaglichkeit angemessen verkünstelt, oder auch
seinen Beruf und zugleich Erwartung zu einer unerreichbaren Bestimmung,
nämlich einem verhofften völligen Erwerb der Heiligkeit des Willens, spannt
und sich in schwärmende, dem Selbsterkenntniß ganz widersprechende theosophische
Träume verliert, durch welches beides das unaufhörliche Streben zur pünktlichen
und durchgängigen Befolgung eines strengen, unnachsichtlichen, dennoch aber
nicht idealischen, sondern wahren Vernunftgebots nur verhindert wird. Einem
vernünftigen, aber endlichen Wesen ist nur der Progressus ins Unendliche
von niederen zu den höheren Stufen der moralischen Vollkommenheit möglich.
Der Unendliche, dem die Zeitbedingung Nichts ist, sieht in dieser für uns
endlosen Reihe das Ganze der Angemessenheit mit dem moralischen Gesetze,
und die Heiligkeit, die sein Gebot unnachlaßlich fordert, um seiner Gerechtigkeit
in dem Antheil, den er jedem am höchsten Gute bestimmt, gemäß zu sein, ist
in einer einzigen intellectuellen Anschauung des Daseins vernünftiger Wesen
ganz anzutreffen. Was dem Geschöpfe allein in Ansehung der Hoffnung dieses
Antheils zukommen kann, wäre das Bewußtsein seiner erprüften Gesinnung,
um aus seinem bisherigen Fortschritte vom Schlechteren zum moralisch Besseren
und dem dadurch ihm bekannt gewordenen unwandelbaren Vorsatze eine fernere
ununterbrochene Fortsetzung desselben, wie weit seine Existenz auch immer
reichen mag, selbst über dieses Leben hinaus zu hoffen* und so zwar niemals
hier, oder in irgend einem absehlichen künftigen Zeitpunkte seines Daseins,
sondern nur in der (Gott allein übersehbaren) Unendlichkeit seiner Fortdauer
dem Willen desselben (ohne Nachsicht oder Erlassung, welche sich mit der
Gerechtigkeit nicht zusammenreimt) völlig adäquat zu sein. Anmerkungen:
* Die Überzeugung von der Unwandelbarkeit
seiner Gesinnung im Fortschritte zum Guten scheint gleichwohl auch einem
Geschöpfe für sich unmöglich zu sein. Um deswillen läßt die christliche
Religionslehre sie auch von demselben Geiste, der die Heiligung, d.i. diesen
festen Vorsatz und mit ihm das Bewußtsein der Beharrlichkeit im moralischen
Progressus, wirkt, allein abstammen. Aber auch natürlicher Weise darf derjenige,
der sich bewußt ist, einen langen Theil seines Lebens bis zu Ende desselben
im Fortschritte zum Bessern, und zwar aus ächten moralischen Bewegungsgründen,
angehalten zu haben, sich wohl die tröstende Hoffnung, wenn gleich nicht
Gewißheit, machen, daß er auch in einer über dieses Leben hinaus fortgesetzten
Existenz bei diesen Grundsätzen beharren werde, und wiewohl er in seinen
eigenen Augen hier nie gerechtfertigt ist, noch bei dem verhofften künftigen
Anwachs seiner Naturvollkommenheit, mit ihr aber auch seiner Pflichten es
jemals hoffen darf, dennoch in diesem Fortschritte, der, ob er zwar ein
ins Unendliche hinausgerücktes Ziel betrifft, dennoch für Gott als Besitz
gilt, eine Aussicht in eine selige Zukunft haben; denn dieses ist der Ausdruck,
dessen sich die Vernunft bedient, um ein von allen zufälligen Ursachen der
Welt unabhängiges vollständiges Wohl zu bezeichnen, welches eben so wie
Heiligkeit eine Idee ist, welche nur in einem unendlichen Progressus und
dessen Totalität enthalten sein kann, mithin vom Geschöpfe niemals völlig
erreicht wird. V. Das Dasein Gottes, als ein Postulat der reinen praktischen Vernunft Das moralische Gesetz führte in der
vorhergehenden Zergliederung zur praktischen Aufgabe, welche ohne allen
Beitritt sinnlicher Triebfedern, blos durch reine Vernunft vorgeschrieben
wird, nämlich der nothwendigen Vollständigkeit des ersten und vornehmsten
Theils des höchsten Guts, der Sittlichkeit, und,
da diese nur in einer Ewigkeit völlig aufgelöset werden kann, zum Postulat
der Unsterblichkeit. Eben dieses Gesetz muß auch zur Möglichkeit des zweiten
Elements des höchsten Guts, nämlich der jener Sittlichkeit angemessenen
Glückseligkeit, eben so uneigennützig wie vorher, aus bloßer unparteiischer
Vernunft, nämlich auf die Voraussetzung des Daseins einer dieser Wirkung
adäquaten Ursache führen, d.i. die Existenz Gottes, als zur Möglichkeit
des höchsten Guts (welches Object unseres Willens mit der moralischen Gesetzgebung
der reinen Vernunft nothwendig verbunden ist) nothwendig gehörig, postuliren.
Wir wollen diesen Zusammenhang überzeugend darstellen. Glückseligkeit ist der Zustand eines
vernünftigen Wesens in der Welt, dem es im Ganzen seiner Existenz alles
nach Wunsch und Willen geht, und beruht also auf der Übereinstimmung der
Natur zu seinem ganzen Zwecke, imgleichen zum wesentlichen Bestimmungsgrunde
seines Willens. Nun gebietet das moralische Gesetz als ein Gesetz der Freiheit
durch Bestimmungsgründe, die von der Natur und der Übereinstimmung derselben
zu unserem Begehrungsvermögen (als Triebfedern) ganz unabhängig sein sollen;
das handelnde vernünftige Wesen in der Welt aber ist doch nicht zugleich
Ursache der Welt und der Natur selbst. Also ist in dem moralischen Gesetze
nicht der mindeste Grund zu einem nothwendigen Zusammenhang zwischen Sittlichkeit
und der ihr proportionirten Glückseligkeit eines zur Welt als Theil gehörigen
und daher von ihr abhängigen Wesens, welches eben darum durch seinen Willen
nicht Ursache dieser Natur sein und sie, was seine Glückseligkeit betrifft,
mit seinen praktischen Grundsätzen aus eigenen Kräften nicht durchgängig
einstimmig machen kann. Gleichwohl wird in der praktischen Aufgabe der reinen
Vernunft, d.i. der nothwendigen Bearbeitung zum höchsten Gute, ein solcher
Zusammenhang als nothwendig postulirt: wir sollen das höchste Gut (welches
also doch möglich sein muß) zu befördern suchen. Also wird auch das Dasein
einer von der Natur unterschiedenen Ursache der gesammten Natur, welche
den Grund dieses Zusammenhanges, nämlich der genauen Übereinstimmung der
Glückseligkeit mit der Sittlichkeit, enthalte, postulirt. Diese oberste
Ursache aber soll den Grund der Übereinstimmung der Natur nicht blos mit
einem Gesetze des Willens der vernünftigen Wesen, sondern mit der Vorstellung
dieses Gesetzes, so fern diese es sich zum obersten Bestimmungsgrunde des
Willens setzen, also nicht blos mit den Sitten der Form nach, sondern auch
ihrer Sittlichkeit als dem Bewegungsgrunde derselben, d.i. mit ihrer moralischen
Gesinnung, enthalten. Also ist das höchste Gut in der Welt nur möglich,
so fern eine oberste Ursache der Natur angenommen wird, die eine der moralischen
Gesinnung gemäße Causalität hat. Nun ist ein Wesen, das der Handlungen nach
der Vorstellung von Gesetzen fähig ist, eine Intelligenz (vernünftig Wesen)
und die Causalität eines solchen Wesens nach dieser Vorstellung der Gesetze
ein Wille desselben. Also ist die oberste Ursache der Natur, so fern sie
zum höchsten Gute vorausgesetzt werden muß, ein Wesen, das durch Verstand
und Willen die Ursache (folglich der Urheber) der Natur ist, d.i. Gott.
Folglich ist das Postulat der Möglichkeit des höchsten abgeleiteten Guts
(der besten Welt) zugleich das Postulat der Wirklichkeit eines höchsten
ursprünglichen Guts, nämlich der Existenz Gottes. Nun war es Pflicht für
uns das höchste Gut zu befördern, mithin nicht allein Befugniß, sondern
auch mit der Pflicht als Bedürfniß verbundene Nothwendigkeit, die Möglichkeit
dieses höchsten Guts vorauszusetzen, welches, da es nur unter der Bedingung
des Daseins Gottes stattfindet, die Voraussetzung desselben mit der Pflicht
unzertrennlich verbindet, d.i. es ist moralisch nothwendig, das Dasein Gottes
anzunehmen. Hier ist nun wohl zu merken, daß diese
moralische Nothwendigkeit subjectiv, d.i. Bedürfniß, und nicht objectiv,
d.i. selbst Pflicht, sei; denn es kann gar keine Pflicht geben, die Existenz
eines Dinges anzunehmen (weil dieses blos den theoretischen Gebrauch der
Vernunft angeht). Auch wird hierunter nicht verstanden, daß die Annehmung
des Daseins Gottes, als eines Grundes aller Verbindlichkeit überhaupt, nothwendig
sei (denn dieser beruht, wie hinreichend bewiesen worden, lediglich auf
der Autonomie der Vernunft selbst). Zur Pflicht gehört hier nur die Bearbeitung
zu Hervorbringung und Beförderung des höchsten Guts in der Welt, dessen
Möglichkeit also postulirt werden kann, die aber unsere Vernunft nicht anders
denkbar findet, als unter Voraussetzung einer höchsten Intelligenz, deren
Dasein anzunehmen also mit dem Bewußtsein unserer Pflicht verbunden ist,
obzwar diese Annehmung selbst für die theoretische Vernunft gehört, in Ansehung
deren allein sie, als Erklärungsgrund betrachtet, Hypothese, in Beziehung
aber auf die Verständlichkeit eines uns doch durchs moralische Gesetz aufgegebenen
Objects (des höchsten Guts), mithin eines Bedürfnisses in praktischer Absicht,
Glaube und zwar reiner Vernunftglaube heißen kann, weil blos reine Vernunft
(sowohl ihrem theoretischen als praktischen Gebrauche nach) die Quelle ist,
daraus er entspringt. Aus dieser Deduction wird es nunmehr
begreiflich, warum die griechischen Schulen zur Auflösung ihres Problems
von der praktischen Möglichkeit des höchsten Guts niemals gelangen konnten:
weil sie nur immer die Regel des Gebrauchs, den der Wille des Menschen von
seiner Freiheit macht, zum einzigen und für sich allein zureichenden Grunde
derselben machten, ohne ihrem Bedünken nach das Dasein Gottes dazu zu bedürfen.
Zwar thaten sie daran recht, daß sie das Princip der Sitten unabhängig von
diesem Postulat für sich selbst aus dem Verhältniß der Vernunft allein zum
Willen festsetzten und es mithin zur obersten praktischen Bedingung des
höchsten Guts machten; es war aber darum nicht die ganze Bedingung der Möglichkeit
desselben. Die Epikureer hatten nun zwar ein ganz falsches Princip der Sitten
zum obersten angenommen, nämlich das der Glückseligkeit, und eine Maxime
der beliebigen Wahl nach jedes seiner Neigung für ein Gesetz untergeschoben:
aber darin verfuhren sie doch consequent genug, daß sie ihr höchstes Gut
eben so, nämlich der Niedrigkeit ihres Grundsatzes proportionirlich, abwürdigten
und keine größere Glückseligkeit erwarteten, als die sich durch menschliche
Klugheit (wozu auch Enthaltsamkeit und Mäßigung der Neigungen gehört) erwerben
läßt, die, wie man weiß, kümmerlich genug und nach Umständen sehr verschiedentlich
ausfallen muß; die Ausnahmen, welche ihre Maximen unaufhörlich einräumen
mußten, und die sie zu Gesetzen untauglich machen, nicht einmal gerechnet.
Die Stoiker hatten dagegen ihr oberstes praktisches Princip, nämlich die
Tugend, als Bedingung des höchsten Guts ganz richtig gewählt, aber indem
sie den Grad derselben, der für das reine Gesetz derselben erforderlich
ist, als in diesem Leben völlig erreichbar vorstellten, nicht allein das
moralische Vermögen des Menschen unter dem Namen eines Weisen über alle
Schranken seiner Natur hoch gespannt und etwas, das aller Menschenkenntniß
widerspricht, angenommen, sondern auch vornehmlich das zweite zum höchsten
Gut gehörige Bestandstück, nämlich die Glückseligkeit, gar nicht für einen
besonderen Gegenstand des menschlichen Begehrungsvermögens wollen gelten
lassen, sondern ihren Weisen gleich einer Gottheit im Bewußtsein der Vortrefflichkeit
seiner Person von der Natur (in Absicht auf seine Zufriedenheit) ganz unabhängig
gemacht, indem sie ihn zwar Übeln des Lebens aussetzten, aber nicht unterwarfen
(zugleich auch als frei vom Bösen darstellten) und so wirklich das zweite
Element des höchsten Guts, eigene Glückseligkeit, wegließen, indem sie es
blos im Handeln und der Zufriedenheit mit seinem persönlichen Werthe setzten
und also im Bewußtsein der sittlichen Denkungsart mit einschlossen, worin
sie aber durch die Stimme ihrer eigenen Natur hinreichend hätten widerlegt
werden können. Die Lehre des Christenthums*, wenn man
sie auch noch nicht als Religionslehre betrachtet, giebt in diesem Stücke
einen Begriff des höchsten Guts (des Reichs Gottes), der allein der strengsten
Forderung der praktischen Vernunft ein Gnüge thut. Das moralische Gesetz
ist heilig (unnachsichtlich) und fordert Heiligkeit der Sitten, obgleich
alle moralische Vollkommenheit, zu welcher der Mensch gelangen kann, immer
nur Tugend ist, d.i. gesetzmäßige Gesinnung aus Achtung fürs Gesetz, folglich
Bewußtsein eines continuirlichen Hanges zur Übertretung, wenigstens Unlauterkeit,
d.i. Beimischung vieler unächter (nicht moralischer) Bewegungsgründe zur
Befolgung des Gesetzes, folglich eine mit Demuth verbundene Selbstschätzung
und also in Ansehung der Heiligkeit, welche das christliche Gesetz fordert,
nichts als Fortschritt ins Unendliche dem Geschöpfe übrig läßt, eben daher
aber auch dasselbe zur Hoffnung seiner ins Unendliche gehenden Fortdauer
berechtigt. Der Werth einer dem moralischen Gesetze völlig angemessenen
Gesinnung ist unendlich: weil alle mögliche Glückseligkeit im Urtheile eines
weisen und alles vermögenden Austheilers derselben keine andere Einschränkung
hat, als den Mangel der Angemessenheit vernünftiger Wesen an ihrer Pflicht.
Aber das moralische Gesetz für sich verheißt doch keine Glückseligkeit;
denn diese ist nach Begriffen von einer Naturordnung überhaupt mit der Befolgung
desselben nicht nothwendig verbunden. Die christliche Sittenlehre ergänzt
nun diesen Mangel (des zweiten unentbehrlichen Bestandstücks des höchsten
Guts) durch die Darstellung der Welt, darin vernünftige Wesen sich dem sittlichen
Gesetze von ganzer Seele weihen, als eines Reichs Gottes, in welchem Natur
und Sitten in eine jeder von beiden für sich selbst fremde Harmonie durch
einen heiligen Urheber kommen, der das abgeleitete höchste Gut möglich macht.
Die Heiligkeit der Sitten wird ihnen in diesem Leben schon zur Richtschnur
angewiesen, das dieser proportionirte Wohl aber, die Seligkeit, nur als
in einer Ewigkeit erreichbar vorgestellt: weil jene immer das Urbild ihres
Verhaltens in jedem Stande sein muß, und das Fortschreiten zu ihr schon
in diesem Leben möglich und nothwendig ist, diese aber in dieser Welt unter
dem Namen der Glückseligkeit gar nicht erreicht werden kann (so viel auf
unser Vermögen ankommt) und daher lediglich zum Gegenstande der Hoffnung
gemacht wird. Diesem ungeachtet ist das christliche Princip der Moral selbst
doch nicht theologisch (mithin Heteronomie), sondern Autonomie der reinen
praktischen Vernunft für sich selbst, weil sie die Erkenntniß Gottes und
seines Willens nicht zum Grunde dieser Gesetze, sondern nur der Gelangung
zum höchsten Gute unter der Bedingung der Befolgung derselben macht und
selbst die eigentliche Triebfeder zu Befolgung der ersteren nicht in den
gewünschten Folgen derselben, sondern in der Vorstellung der Pflicht allein
setzt, als in deren treuer Beobachtung die Würdigkeit des Erwerbs der letztern
allein besteht. Auf solche Weise führt das moralische
Gesetz durch den Begriff des höchsten Guts, als das Object und den Endzweck
der reinen praktischen Vernunft, zur Religion, d.i. zur Erkenntniß aller
Pflichten als göttlicher Gebote, nicht als Sanctionen, d.i. willkürliche,
für sich selbst zufällige Verordnungen eines fremden Willens, sondern als
wesentlicher Gesetze eines jeden freien Willens für sich selbst, die aber
dennoch als Gebote des höchsten Wesens angesehen werden müssen, weil wir
nur von einem moralisch vollkommenen (heiligen und gütigen), zugleich auch
allgewaltigen Willen das höchste Gut, welches zum Gegenstande unserer Bestrebung
zu setzen uns das moralische Gesetz zur Pflicht macht, und also durch Übereinstimmung
mit diesem Willen dazu zu gelangen hoffen können. Auch hier bleibt daher
alles uneigennützig und blos auf Pflicht gegründet; ohne daß Furcht oder
Hoffnung als Triebfedern zum Grunde gelegt werden dürften, die, wenn sie
zu Principien werden, den ganzen moralischen Werth der Handlungen vernichten.
Das moralische Gesetz gebietet, das höchste mögliche Gut in einer Welt mir
zum letzten Gegenstande alles Verhaltens zu machen. Dieses aber kann ich
nicht zu bewirken hoffen, als nur durch die Übereinstimmung meines Willens
mit dem eines heiligen und gütigen Welturhebers; und obgleich in dem Begriffe
des höchsten Guts als dem eines Ganzen, worin die größte Glückseligkeit
mit dem größten Maße sittlicher (in Geschöpfen möglicher) Vollkommenheit
als in der genausten Proportion verbunden vorgestellt wird, meine eigene
Glückseligkeit mit enthalten ist: so ist doch nicht sie, sondern das moralische
Gesetz (welches vielmehr mein unbegrenztes Verlangen darnach auf Bedingungen
strenge einschränkt) der Bestimmungsgrund des Willens, der zur Beförderung
des höchsten Guts angewiesen wird. Daher ist auch die Moral nicht eigentlich
die Lehre, wie wir uns glücklich machen, sondern wie wir der Glückseligkeit
würdig werden sollen. Nur dann, wenn Religion dazu kommt, tritt auch die
Hoffnung ein, der Glückseligkeit dereinst in dem Maße theilhaftig zu werden,
als wir darauf bedacht gewesen, ihrer nicht unwürdig zu sein. Würdig ist jemand des Besitzes einer
Sache oder eines Zustandes, wenn, daß er in diesem Besitze sei, mit dem
höchsten Gute zusammenstimmt. Man kann jetzt leicht einsehen, daß alle Würdigkeit
auf das sittliche Verhalten ankomme, weil dieses im Begriffe des höchsten
Guts die Bedingung des übrigen (was zum Zustande gehört), nämlich des Antheils
an Glückseligkeit, ausmacht. Nun folgt hieraus: daß man die Moral an sich
niemals als Glückseligkeitslehre behandeln müsse, d.i. als eine Anweisung
der Glückseligkeit theilhaftig zu werden; denn sie hat es lediglich mit
der Vernunftbedingung (conditio sine qua non) der letzteren, nicht
mit einem Erwerbmittel derselben zu thun. Wenn sie aber (die blos Pflichten
auferlegt, nicht eigennützigen Wünschen Maßregeln an die Hand giebt) vollständig
vorgetragen worden: alsdann allererst kann, nachdem der sich auf ein Gesetz
gründende moralische Wunsch das höchste Gut zu befördern (das Reich Gottes
zu uns zu bringen), der vorher keiner eigennützigen Seele aufsteigen konnte,
erweckt und ihm zum Behuf der Schritt zur Religion geschehen ist, diese
Sittenlehre auch Glückseligkeitslehre genannt werden, weil die Hoffnung
dazu nur mit der Religion allererst anhebt. Auch kann man hieraus ersehen: daß,
wenn man nach dem letzten Zwecke Gottes in Schöpfung der Welt frägt, man
nicht die Glückseligkeit der vernünftigen Wesen in ihr, sondern das höchste
Gut nennen müsse, welches jenem Wunsche dieser Wesen noch eine Bedingung,
nämlich die der Glückseligkeit würdig zu sein, d.i. die Sittlichkeit eben
derselben vernünftigen Wesen, hinzufügt, die allein den Maßstab enthält,
nach welchem sie allein der ersteren durch die Hand eines weisen Urhebers
theilhaftig zu werden hoffen können. Denn da Weisheit, theoretisch betrachtet,
die Erkenntniß des höchsten Guts und praktisch die Angemessenheit des Willens
zum höchsten Gute bedeutet, so kann man einer höchsten selbstständigen Weisheit
nicht einen Zweck beilegen, der blos auf Gütigkeit gegründet wäre. Denn
dieser ihre Wirkung (in Ansehung der Glückseligkeit der vernünftigen Wesen)
kann man nur unter den einschränkenden Bedingungen der Übereinstimmung mit
der Heiligkeit** seines Willens als dem höchsten ursprünglichen Gute angemessen
denken. Daher diejenige, welche den Zweck der Schöpfung in die Ehre Gottes
(vorausgesetzt, daß man diese nicht anthropomorphistisch, als Neigung gepriesen
zu werden, denkt) setzten, wohl den besten Ausdruck getroffen haben. Denn
nichts ehrt Gott mehr als das, was das Schätzbarste in der Welt ist, die
Achtung für sein Gebot, die Beobachtung der heiligen Pflicht, die uns sein
Gesetz auferlegt, wenn seine herrliche Anstalt dazu kommt, eine solche schöne
Ordnung mit angemessener Glückseligkeit zu krönen. Wenn ihn das letztere
(auf menschliche Art zu reden) liebenswürdig macht, so ist er durch das
erstere ein Gegenstand der Anbetung (Adoration). Selbst Menschen können
sich durch Wohlthun zwar Liebe, aber dadurch allein niemals Achtung erwerben,
so daß die größte Wohlthätigkeit ihnen nur dadurch Ehre macht, daß sie nach
Würdigkeit ausgeübt wird. Daß in der Ordnung der Zwecke der Mensch
(mit ihm jedes vernünftige Wesen) Zweck an sich selbst sei, d.i. niemals
blos als Mittel von jemanden (selbst nicht von Gott), ohne zugleich hiebei
selbst Zweck zu sein, könne gebraucht werden, daß also die Menschheit in
unserer Person uns selbst heilig sein müsse, folgt nunmehr von selbst, weil
er das Subject des moralischen Gesetzes, mithin dessen ist, was an sich
heilig ist, um dessen willen und in Einstimmung mit welchem auch überhaupt
nur etwas heilig genannt werden kann. Denn dieses moralische Gesetz gründet
sich auf die Autonomie seines Willens, als eines freien Willens, der nach
seinen allgemeinen Gesetzen nothwendig zu demjenigen zugleich muß einstimmen
können, welchem er sich unterwerfen soll. Anmerkungen:
* Man hält gemeiniglich dafür, die christliche
Vorschrift der Sitten habe in Ansehung ihrer Reinigkeit vor dem moralischen
Begriffe der Stoiker nichts voraus; allein der Unterschied beider ist doch
sehr sichtbar. Das stoische System machte das Bewußtsein der Seelenstärke
zum Angel, um den sich alle sittliche Gesinnungen wenden sollten, und ob
die Anhänger desselben zwar von Pflichten redeten, auch sie ganz wohl bestimmten,
so setzten sie doch die Triebfeder und den eigentlichen Bestimmungsgrund
des Willens in einer Erhebung der Denkungsart über die niedrige und nur
durch Seelenschwäche machthabende Triebfedern der Sinne. Tugend war also
bei ihnen ein gewisser Heroism des über die thierische Natur des Menschen
sich erhebenden Weisen, der ihm selbst genug ist, andern zwar Pflichten
vorträgt, selbst aber über sie erhaben und keiner Versuchung zu Übertretung
des sittlichen Gesetzes unterworfen ist. Dieses alles aber konnten sie nicht
thun, wenn sie sich dieses Gesetz in der Reinigkeit und Strenge, als es
die Vorschrift des Evangelii thut, vorgestellt hätten. Wenn ich unter einer
Idee eine Vollkommenheit verstehe, der nichts in der Erfahrung adäquat gegeben
werden kann, so sind die moralischen Ideen darum nichts Überschwengliches,
d.i. dergleichen, wovon wir auch nicht einmal den Begriff hinreichend bestimmen
könnten, oder von dem es ungewiß ist, ob ihm überall ein Gegenstand correspondire,
wie die Ideen der speculativen Vernunft, sondern dienen als Urbilder der
praktischen Vollkommenheit zur unentbehrlichen Richtschnur des sittlichen
Verhaltens und zugleich zum Maßstabe der Vergleichung. Wenn ich nun die
christliche Moral von ihrer philosophischen Seite betrachte, so würde sie,
mit den Ideen der griechischen Schulen verglichen, so erscheinen: Die Ideen
der Cyniker, der Epikureer, der Stoiker und der Christen sind: die Natureinfalt,
die Klugheit, die Weisheit und die Heiligkeit. In Ansehung des Weges, dazu
zu gelangen, unterschieden sich die griechischen Philosophen so von einander,
daß die Cyniker dazu den gemeinen Menschenverstand, die andern nur den Weg
der Wissenschaft, beide also doch bloßen Gebrauch der natürlichen Kräfte
dazu hinreichend fanden. Die christliche Moral, weil sie ihre Vorschrift
(wie es auch sein muß) so rein und unnachsichtlich einrichtet, benimmt dem
Menschen das Zutrauen, wenigstens hier im Leben, ihr völlig adäquat zu sein,
richtet es aber doch auch dadurch wiederum auf, daß, wenn wir so gut handeln,
als in unserem Vermögen ist, wir hoffen können, daß, was nicht in unserm
Vermögen ist, uns anderweitig werde zu statten kommen, wir mögen nun wissen,
auf welche Art, oder nicht. Aristoteles und Plato unterschieden sich nur
in Ansehung des Ursprungs unserer sittlichen Begriffe. ** Hiebei, und um das Eigenthümliche
dieser Begriffe kenntlich zu machen, merke ich nur noch an: daß, da man
Gott verschiedene Eigenschaften beilegt, deren Qualität man auch den Geschöpfen
angemessen findet, nur daß sie dort zum höchsten Grade erhoben werden, z.B.
Macht, Wissenschaft, Gegenwart, Güte etc. unter den Benennungen der Allmacht,
der Allwissenheit, der Allgegenwart, der Allgütigkeit etc., es doch drei
giebt, die ausschließungsweise und doch ohne Beisatz von Größe Gott beigelegt
werden, und die insgesammt moralisch sind: er ist der allein Heilige, der
allein Selige, der allein Weise; weil diese Begriffe schon die Uneingeschränktheit
bei sich führen. Nach der Ordnung derselben ist er denn also auch der heilige
Gesetzgeber (und Schöpfer), der gütige Regierer (und Erhalter) und der gerechte
Richter: drei Eigenschaften, die alles in sich enthalten, wodurch Gott der
Gegenstand der Religion wird, und denen angemessen die metaphysischen Vollkommenheiten
sich von selbst in der Vernunft hinzu fügen. VI. Über die Postulate der reinen praktischen Vernunft überhaupt Sie
gehen alle vom Grundsatze der Moralität aus, der kein Postulat, sondern
ein Gesetz ist, durch welches Vernunft unmittelbar den Willen bestimmt,
welcher Wille eben dadurch, daß er so bestimmt ist, als reiner Wille, diese
nothwendige Bedingungen der Befolgung seiner Vorschrift fordert. Diese Postulate
sind nicht theoretische Dogmata, sondern Voraussetzungen in nothwendig praktischer
Rücksicht, erweitern also zwar nicht das speculative Erkenntniß, geben aber
den Ideen der speculativen Vernunft im Allgemeinen (vermittelst ihrer Beziehung
aufs Praktische) objective Realität und berechtigen sie zu Begriffen, deren
Möglichkeit auch nur zu behaupten sie sich sonst nicht anmaßen könnte. Diese Postulate sind die der Unsterblichkeit,
der Freiheit, positiv betrachtet (als der Causalität eines Wesens, so fern
es zur intelligibelen Welt gehört), und des Daseins Gottes. Das erste fließt
aus der praktisch nothwendigen Bedingung der Angemessenheit der Dauer zur
Vollständigkeit der Erfüllung des moralischen Gesetzes; das zweite aus der
nothwendigen Voraussetzung der Unabhängigkeit von der Sinnenwelt und des
Vermögens der Bestimmung seines Willens nach dem Gesetze einer intelligibelen
Welt, d.i. der Freiheit; das dritte aus der Nothwendigkeit der Bedingung
zu einer solchen intelligibelen Welt, um das höchste Gut zu sein, durch
die Voraussetzung des höchsten selbstständigen Guts, d.i. des Daseins Gottes. Die durch die Achtung fürs moralische
Gesetz nothwendige Absicht aufs höchste Gut und daraus fließende Voraussetzung
der objectiven Realität desselben führt also durch Postulate der praktischen
Vernunft zu Begriffen, welche die speculative Vernunft zwar als Aufgaben
vortragen, sie aber nicht auflösen konnte. Also 1. zu derjenigen, in deren
Auflösung die letztere nichts als Paralogismen begehen konnte (nämlich der
Unsterblichkeit), weil es ihr am Merkmale der Beharrlichkeit fehlte, um
den psychologischen Begriff eines letzten Subjects, welcher der Seele im
Selbstbewußtsein nothwendig beigelegt wird, zur realen Vorstellung einer
Substanz zu ergänzen, welches die praktische Vernunft durch das Postulat
einer zur Angemessenheit mit dem moralischen Gesetze im höchsten Gute, als
dem ganzen Zwecke der praktischen Vernunft, erforderlichen Dauer ausrichtet.
2. Führt sie zu dem, wovon die speculative Vernunft nichts als Antinomie
enthielt, deren Auflösung sie nur auf einem problematisch zwar denkbaren,
aber seiner objectiven Realität nach für sie nicht erweislichen und bestimmbaren
Begriffe gründen konnte, nämlich die kosmologische Idee einer intelligibelen
Welt und das Bewußtsein unseres Daseins in derselben, vermittelst des Postulats
der Freiheit (deren Realität sie durch das moralische Gesetz darlegt und
mit ihm zugleich das Gesetz einer intelligibelen Welt, worauf die speculative
nur hinweisen, ihren Begriff aber nicht bestimmen konnte). 3. Verschafft
sie dem, was speculative Vernunft zwar denken, aber als bloßes transscendentales
Ideal unbestimmt lassen mußte, dem theologischen Begriffe des Urwesens,
Bedeutung (in praktischer Absicht, d.i. als einer Bedingung der Möglichkeit
des Objects eines durch jenes Gesetz bestimmten Willens) als dem obersten
Princip des höchsten Guts in einer intelligibelen Welt durch gewalthabende
moralische Gesetzgebung in derselben. Wird nun aber unser Erkenntniß auf solche
Art durch reine praktische Vernunft wirklich erweitert, und ist das, was
für die speculative transscendent war, in der praktischen immanent? Allerdings,
aber nur in praktischer Absicht. Denn wir erkennen zwar dadurch weder unserer
Seele Natur, noch die intelligibele Welt, noch das höchste Wesen nach dem,
was sie an sich selbst sind, sondern haben nur die Begriffe von ihnen im
praktischen Begriffe des höchsten Guts vereinigt, als dem Objecte unseres
Willens, und völlig a priori durch reine Vernunft, aber nur vermittelst
des moralischen Gesetzes und auch blos in Beziehung auf dasselbe, in Ansehung
des Objects, das es gebietet. Wie aber auch nur die Freiheit möglich sei,
und wie man sich diese Art von Causalität theoretisch und positiv vorzustellen
habe, wird dadurch nicht eingesehen, sondern nur, daß eine solche sei, durchs
moralische Gesetz und zu dessen Behuf postulirt. So ist es auch mit den
übrigen Ideen bewandt, die nach ihrer Möglichkeit kein menschlicher Verstand
jemals ergründen, aber auch, daß sie nicht wahre Begriffe sind, keine Sophisterei
der Überzeugung selbst des gemeinsten Menschen jemals entreißen wird. VII. Wie eine Erweiterung der reinen Vernunft in praktischer Absicht, ohne damit ihr Erkenntniß als speculativ zugleich zu erweitern, zu denken möglich sei? Wir wollen diese Frage, um nicht zu
abstract zu werden, sofort in Anwendung auf den vorliegenden Fall beantworten.
- Um ein reines Erkenntniß praktisch zu erweitern, muß eine Absicht a
priori gegeben sein, d.i. ein Zweck als Object (des Willens), welches
unabhängig von allen theoretischen Grundsätzen durch einen den Willen unmittelbar
bestimmenden (kategorischen) Imperativ als praktisch nothwendig vorgestellt
wird, und das ist hier das höchste Gut. Dieses ist aber nicht möglich, ohne
drei theoretische Begriffe (für die sich, weil sie bloße reine Vernunftbegriffe
sind, keine correspondirende Anschauung, mithin auf dem theoretischen Wege
keine objective Realität finden läßt) vorauszusetzen: nämlich Freiheit,
Unsterblichkeit und Gott. Also wird durchs praktische Gesetz, welches die
Existenz des höchsten in einer Welt möglichen Guts gebietet, die Möglichkeit
jener Objecte der reinen speculativen Vernunft, die objective Realität,
welche diese ihnen nicht sichern konnte, postulirt; wodurch denn die theoretische
Erkenntniß der reinen Vernunft allerdings einen Zuwachs bekommt, der aber
blos darin besteht, daß jene für sie sonst problematische (blos denkbare)
Begriffe jetzt assertorisch für solche erklärt werden, denen wirklich Objecte
zukommen, weil praktische Vernunft die Existenz derselben zur Möglichkeit
ihres und zwar praktisch schlechthin nothwendigen Objects, des höchsten
Guts, unvermeidlich bedarf, und die theoretische dadurch berechtigt wird,
sie vorauszusetzen. Diese Erweiterung der theoretischen Vernunft ist aber
keine Erweiterung der Speculation, d.i. um in theoretischer Absicht nunmehr
einen positiven Gebrauch davon zu machen. Denn da nichts weiter durch praktische
Vernunft hiebei geleistet worden, als daß jene Begriffe real sind und wirklich
ihre (mögliche) Objecte haben, dabei aber uns nichts von Anschauung derselben
gegeben wird (welches auch nicht gefordert werden kann), so ist kein synthetischer
Satz durch diese eingeräumte Realität derselben möglich. Folglich hilft
uns diese Eröffnung nicht im mindesten in speculativer Absicht, wohl aber
in Ansehung des praktischen Gebrauchs der reinen Vernunft zur Erweiterung
dieses unseres Erkenntnisses. Die obige drei Ideen der speculativen Vernunft
sind an sich noch keine Erkenntnisse; doch sind es (transscendente) Gedanken,
in denen nichts Unmögliches ist. Nun bekommen sie durch ein apodiktisches
praktisches Gesetz, als nothwendige Bedingungen der Möglichkeit dessen,
was dieses sich zum Objecte zu machen gebietet, objective Realität, d.i.
wir werden durch jenes angewiesen, daß sie Objecte haben, ohne doch, wie
sich ihr Begriff auf ein Object bezieht, anzeigen zu können, und das ist
auch noch nicht Erkenntniß dieser Objecte; denn man kann dadurch gar nichts
über sie synthetisch urtheilen, noch die Anwendung derselben theoretisch
bestimmen, mithin von ihnen gar keinen theoretischen Gebrauch der Vernunft
machen, als worin eigentlich alle speculative Erkenntniß derselben besteht.
Aber dennoch ward das theoretische Erkenntniß
zwar nicht dieser Objecte, aber der Vernunft überhaupt dadurch so fern erweitert,
daß durch die praktischen Postulate jenen Ideen doch Objecte gegeben wurden,
indem ein blos problematischer Gedanke dadurch allererst objective Realität
bekam. Also war es keine Erweiterung der Erkenntniß von gegebenen übersinnlichen
Gegenständen, aber doch eine Erweiterung der theoretischen Vernunft und
der Erkenntniß derselben in Ansehung des Übersinnlichen überhaupt, so fern
als sie genöthigt wurde, daß es solche Gegenstände gebe, einzuräumen, ohne
sie doch näher bestimmen, mithin dieses Erkenntniß von den Objecten (die
ihr nunmehr aus praktischem Grunde und auch nur zum praktischen Gebrauche
gegeben worden) selbst erweitern zu können, welchen Zuwachs also die reine
theoretische Vernunft, für die alle jene Ideen transscendent und ohne Object
sind, lediglich ihrem reinen praktischen Vermögen zu verdanken hat. Hier
werden sie immanent und constitutiv, indem sie Gründe der Möglichkeit sind,
das nothwendige Object der reinen praktischen Vernunft (das höchste Gut)
wirklich zu machen, da sie ohne dies transscendent und blos regulative Principien
der speculativen Vernunft sind, die ihr nicht ein neues Object über die
Erfahrung hinaus anzunehmen, sondern nur ihren Gebrauch in der Erfahrung
der Vollständigkeit zu näheren auferlegen. Ist aber die Vernunft einmal
im Besitze dieses Zuwachses, so wird sie als speculative Vernunft (eigentlich
nur zur Sicherung ihres praktischen Gebrauchs) negativ, d.i. nicht erweiternd,
sondern läuternd, mit jenen Ideen zu Werke gehen, um einerseits den Anthropomorphism
als den Quell der Superstition, oder scheinbare Erweiterung jener Begriffe
durch vermeinte Erfahrung, andererseits den Fanaticism, der sie durch übersinnliche
Anschauung oder dergleichen Gefühle verspricht, abzuhalten; welches alle
Hindernisse des praktischen Gebrauchs der reinen Vernunft sind, deren Abwehrung
also zu der Erweiterung unserer Erkenntniß in praktischer Absicht allerdings
gehört, ohne daß es dieser widerspricht, zugleich zu gestehen, daß die Vernunft
in speculativer Absicht dadurch im mindesten nichts gewonnen habe. Zu jedem Gebrauche der Vernunft in Ansehung
eines Gegenstandes werden reine Verstandesbegriffe (Kategorien) erfordert,
ohne die kein Gegenstand gedacht werden kann. Diese können zum theoretischen
Gebrauche der Vernunft, d.i. zu dergleichen Erkenntniß, nur angewandt werden,
so fern ihnen zugleich Anschauung (die jederzeit sinnlich ist) untergelegt
wird, und also blos, um durch sie ein Object möglicher Erfahrung vorzustellen.
Nun sind hier aber Ideen der Vernunft, die in gar keiner Erfahrung gegeben
werden können, das, was ich durch Kategorien denken müßte, um es zu erkennen.
Allein es ist hier auch nicht um das theoretische Erkenntniß der Objecte
dieser Ideen, sondern nur darum, daß sie überhaupt Objecte haben, zu thun.
Diese Realität verschafft reine praktische Vernunft, und hiebei hat die
theoretische Vernunft nichts weiter zu thun, als jene Objecte durch Kategorien
blos zu denken, welches, wie wir sonst deutlich gewiesen haben, ganz wohl,
ohne Anschauung (weder sinnliche, noch übersinnliche) zu bedürfen, angeht,
weil die Kategorien im reinen Verstande unabhängig und vor aller Anschauung,
lediglich als dem Vermögen zu denken, ihren Sitz und Ursprung haben, und
sie immer nur ein Object überhaupt bedeuten, auf welche Art es uns auch
immer gegeben werden mag. Nun ist den Kategorien, so fern sie auf jene Ideen
angewandt werden sollen, zwar kein Object in der Anschauung zu geben möglich;
es ist ihnen aber doch, daß ein solches wirklich sei, mithin die Kategorie
als eine bloße Gedankenform hier nicht leer sei, sondern Bedeutung habe,
durch ein Object, welches die praktische Vernunft im Begriffe des höchsten
Guts ungezweifelt darbietet, die Realität der Begriffe, die zum Behuf der
Möglichkeit des höchsten Guts gehören, hinreichend gesichert, ohne gleichwohl
durch diesen Zuwachs die mindeste Erweiterung des Erkenntnisses nach theoretischen
Grundsätzen zu bewirken. *** Wenn nächstdem diese Ideen von Gott,
einer intelligibelen Welt (dem Reiche Gottes) und der Unsterblichkeit durch
Prädicate bestimmt werden, die von unserer eigenen Natur hergenommen sind,
so darf man diese Bestimmung weder als Versinnlichung jener reinen Vernunftideen
(Anthropomorphismen), noch als überschwengliches Erkenntniß übersinnlicher
Gegenstände ansehen; denn diese Prädicate sind keine andere als Verstand
und Wille, und zwar so im Verhältnisse gegen einander betrachtet, als sie
im moralischen Gesetze gedacht werden müssen, also nur so weit von ihnen
ein reiner praktischer Gebrauch gemacht wird. Von allem übrigen, was diesen
Begriffen psychologisch anhängt, d.i. so fern wir diese unsere Vermögen
in ihrer Ausübung empirisch beobachten, (z.B. daß der Verstand des Menschen
discursiv ist, seine Vorstellungen also Gedanken, nicht Anschauungen sind,
daß diese in der Zeit auf einander folgen, daß sein Wille immer mit einer
Abhängigkeit der Zufriedenheit von der Existenz seines Gegenstandes behaftet
ist u.s.w., welches im höchsten Wesen so nicht sein kann) wird alsdann abstrahirt,
und so bleibt von den Begriffen, durch die wir uns ein reines Verstandeswesen
denken, nichts mehr übrig, als gerade zur Möglichkeit erforderlich ist,
sich ein moralisch Gesetz zu denken, mithin zwar ein Erkenntniß Gottes,
aber nur in praktischer Beziehung, wodurch, wenn wir den Versuch machen,
es zu einem theoretischen zu erweitern, wir einen Verstand desselben bekommen,
der nicht denkt, sondern anschaut, einen Willen, der auf Gegenstände gerichtet
ist, von deren Existenz seine Zufriedenheit nicht im Mindesten abhängt (ich
will nicht einmal der transscendentalen Prädicate erwähnen, als z.B. eine
Größe der Existenz, d.i. Dauer, die aber nicht in der Zeit, als dem einzigen
uns möglichen Mittel uns Dasein als Größe vorzustellen, stattfindet), lauter
Eigenschaften, von denen wir uns gar keinen Begriff, zum Erkenntnisse des
Gegenstandes tauglich, machen können, und dadurch belehrt werden, daß sie
niemals zu einer Theorie von übersinnlichen Wesen gebraucht werden können
und also auf dieser Seite ein speculatives Erkenntniß zu gründen gar nicht
vermögen, sondern ihren Gebrauch lediglich auf die Ausübung des moralischen
Gesetzes einschränken. Dieses letztere ist so augenscheinlich
und kann so klar durch die That bewiesen werden, daß man getrost alle vermeinte
natürliche Gottesgelehrte (ein wunderlicher Name)* auffordern kann, auch
nur eine diesen ihren Gegenstand (über die blos ontologischen Prädicate
hinaus) bestimmende Eigenschaft, etwa des Verstandes oder des Willens, zu
nennen, an der man nicht unwidersprechlich darthun könnte, daß, wenn man
alles Anthropomorphistische davon absondert, uns nur das bloße Wort übrig
bleibe, ohne damit den mindesten Begriff verbinden zu können, dadurch eine
Erweiterung der theoretischen Erkenntniß gehofft werden dürfte. In Ansehung
des Praktischen aber bleibt uns von den Eigenschaften eines Verstandes und
Willens doch noch der Begriff eines Verhältnisses übrig, welchem das praktische
Gesetz (das gerade dieses Verhältniß des Verstandes zum Willen a priori
bestimmt) objective Realität verschafft. Ist dieses nun einmal geschehen,
so wird dem Begriffe des Objects eines moralisch bestimmten Willens (dem
des höchsten Guts) und mit ihm den Bedingungen seiner Möglichkeit, den Ideen
von Gott, Freiheit und Unsterblichkeit, auch Realität, aber immer nur in
Beziehung auf die Ausübung des moralischen Gesetzes (zu keinem speculativen
Behuf) gegeben. Nach diesen Erinnerungen ist nun auch
die Beantwortung der wichtigsten Frage leicht zu finden: ob der Begriff
von Gott ein zur Physik (mithin auch zur Metaphysik, als die nur die reinen
Principien a priori der ersteren in allgemeiner Bedeutung enthält)
oder ein zur Moral gehöriger Begriff sei. Natureinrichtungen, oder deren
Veränderung zu erklären, wenn man da zu Gott als dem Urheber aller Dinge
seine Zuflucht nimmt, ist wenigstens keine physische Erklärung und überall
ein Geständniß, man sei mit seiner Philosophie zu Ende: weil man genöthigt
ist, etwas, wovon man sonst für sich keinen Begriff hat, anzunehmen, um
sich von der Möglichkeit dessen, was man vor Augen sieht, einen Begriff
machen zu können. Durch Metaphysik aber von der Kenntniß dieser Welt zum
Begriffe von Gott und dem Beweise seiner Existenz durch sichere Schlüsse
zu gelangen, ist darum unmöglich, weil wir diese Welt als das vollkommenste
mögliche Ganze, mithin zu diesem Behuf alle mögliche Welten (um sie mit
dieser vergleichen zu können) erkennen, mithin allwissend sein müßten, um
zu sagen, daß sie nur durch einen Gott (wie wir uns diesen Begriff denken
müssen) möglich war. Vollends aber die Existenz dieses Wesens aus bloßen
Begriffen zu erkennen, ist schlechterdings unmöglich, weil ein jeder Existentialsatz,
d.i. der, so von einem Wesen, von dem ich mir einen Begriff mache, sagt,
daß es existire, ein synthetischer Satz ist, d.i. ein solcher, dadurch ich
über jenen Begriff hinausgehe und mehr von ihm sage, als im Begriffe gedacht
war: nämlich daß diesem Begriffe im Verstande noch ein Gegenstand außer
dem Verstande correspondirend gesetzt sei, welches offenbar unmöglich ist
durch irgend einen Schluß herauszubringen. Also bleibt nur ein einziges
Verfahren für die Vernunft übrig, zu diesem Erkenntnisse zu gelangen, da
sie nämlich als reine Vernunft, von dem obersten Princip ihres reinen praktischen
Gebrauchs ausgehend (indem dieser ohnedem blos auf die Existenz von Etwas,
als Folge der Vernunft, gerichtet ist), ihr Object bestimmt. Und da zeigt
sich nicht allein in ihrer unvermeidlichen Aufgabe, nämlich der nothwendigen
Richtung des Willens auf das höchste Gut, die Nothwendigkeit, ein solches
Urwesen in Beziehung auf die Möglichkeit dieses Guten in der Welt anzunehmen,
sondern, was das Merkwürdigste ist, etwas, was dem Fortgange der Vernunft
auf dem Naturwege ganz mangelte, nämlich ein genau bestimmter Begriff dieses
Urwesens. Da wir diese Welt nur zu einem kleinen Theile kennen, noch weniger
sie mit allen möglichen Welten vergleichen können, so können wir von ihrer
Ordnung, Zweckmäßigkeit und Größe wohl auf einen weisen, gütigen, mächtigen
etc. Urheber derselben schließen, aber nicht auf seine Allwissenheit, Allgütigkeit,
Allmacht u.s.w. Man kann auch gar wohl einräumen: daß man diesen unvermeidlichen
Mangel durch eine erlaubte, ganz vernünftige Hypothese zu ergänzen wohl
befugt sei; daß nämlich, wenn in so viel Stücken, als sich unserer näheren
Kenntniß darbieten, Weisheit, Gütigkeit etc. hervorleuchtet, in allen übrigen
es eben so sein werde, und es also vernünftig sei, dem Welturheber alle
mögliche Vollkommenheit beizulegen; aber das sind keine Schlüsse, wodurch
wir uns auf unsere Einsicht etwas dünken, sondern nur Befugnisse, die man
uns nachsehen kann, und doch noch einer anderweitigen Empfehlung bedürfen,
um davon Gebrauch zu machen. Der Begriff von Gott bleibt also auf dem empirischen
Wege (der Physik) immer ein nicht genau bestimmter Begriff von der Vollkommenheit
des ersten Wesens, um ihn dem Begriffe einer Gottheit für angemessen zu
halten (mit der Metaphysik aber in ihrem transscendentalen Theile ist gar
nichts auszurichten). Ich versuche nun diesen Begriff an das
Object der praktischen Vernunft zu halten, und da finde ich, daß der moralische
Grundsatz ihn nur als möglich unter Voraussetzung eines Welturhebers von
höchster Vollkommenheit zulasse. Er muß allwissend sein, um mein Verhalten
bis zum Innersten meiner Gesinnung in allen möglichen Fällen und in alle
Zukunft zu erkennen; allmächtig, um ihm die angemessenen Folgen zu ertheilen;
eben so allgegenwärtig, ewig u.s.w. Mithin bestimmt das moralische Gesetz
durch den Begriff des höchsten Guts, als Gegenstandes einer reinen praktischen
Vernunft, den Begriff des Urwesens als höchsten Wesens, welches der physische
(und höher fortgesetzt der metaphysische), mithin der ganze speculative
Gang der Vernunft nicht bewirken konnte. Also ist der Begriff von Gott ein
ursprünglich nicht zur Physik, d.i. für die speculative Vernunft, sondern
zur Moral gehöriger Begriff, und eben das kann man auch von den übrigen
Vernunftbegriffen sagen, von denen wir als Postulaten derselben in ihrem
praktischen Gebrauche oben gehandelt haben. Wenn man in der Geschichte der griechischen
Philosophie über den Anaxagoras hinaus keine deutliche Spuren einer reinen
Vernunfttheologie antrifft, so ist der Grund nicht darin gelegen, daß es
den älteren Philosophen an Verstande und Einsicht fehlte, um durch den Weg
der Speculation wenigstens mit Beihülfe einer ganz vernünftigen Hypothese
sich dahin zu erheben; was konnte leichter, was natürlicher sein, als der
sich von selbst jedermann darbietende Gedanke, statt unbestimmter Grade
der Vollkommenheit verschiedener Weltursachen eine einzige vernünftige anzunehmen,
die alle Vollkommenheit hat? Aber die Übel in der Welt schienen ihnen viel
zu wichtige Einwürfe zu sein, um zu einer solchen Hypothese sich für berechtigt
zu halten. Mithin zeigten sie darin eben Verstand und Einsicht, daß sie
sich jene nicht erlaubten und vielmehr in den Naturursachen herum suchten,
ob sie unter ihnen nicht die zu Urwesen erforderliche Beschaffenheit und
Vermögen antreffen möchten. Aber nachdem dieses scharfsinnige Volk so weit
in Nachforschungen fortgerückt war, selbst sittliche Gegenstände, darüber
andere Völker niemals mehr als geschwatzt haben, philosophisch zu behandeln:
da fanden sie allererst ein neues Bedürfniß, nämlich ein praktisches, welches
nicht ermangelte ihnen den Begriff des Urwesens bestimmt anzugeben, wobei
die speculative Vernunft das Zusehen hatte, höchstens noch das Verdienst,
einen Begriff, der nicht auf ihrem Boden erwachsen war, auszuschmücken und
mit einem Gefolge von Bestätigungen aus der Naturbetrachtung, die nun allererst
hervortraten, wohl nicht das Ansehen desselben (welches schon gegründet
war), sondern vielmehr nur das Gepränge mit vermeinter theoretischer Vernunfteinsicht
zu befördern. *** Aus diesen Erinnerungen wird der Leser
der Kritik der reinen speculativen Vernunft sich vollkommen überzeugen:
wie höchstnöthig, wie ersprießlich für Theologie und Moral jene mühsame
Deduction der Kategorien war. Denn dadurch allein kann verhütet werden,
sie, wenn man sie im reinen Verstande setzt, mit Plato für angeboren zu
halten und darauf überschwengliche Anmaßungen mit Theorien des Übersinnlichen,
wovon man kein Ende absieht, zu gründen, dadurch aber die Theologie zur
Zauberlaterne von Hirngespenstern zu machen; wenn man sie aber für erworben
hält, zu verhüten, daß man nicht mit Epikur allen und jeden Gebrauch derselben,
selbst den in praktischer Absicht, blos auf Gegenstände und Bestimmungsgründe
der Sinne einschränke. Nun aber, nachdem die Kritik in jener Deduction erstlich
bewies, daß sie nicht empirischen Ursprungs sind, sondern a priori im
reinen Verstande ihren Sitz und Quelle haben; zweitens auch, daß, da sie
auf Gegenstände überhaupt, unabhängig von ihrer Anschauung, bezogen werden,
sie zwar nur in Anwendung auf empirische Gegenstände theoretisches Erkenntniß
zu Stande bringen, aber doch auch, auf einen durch reine praktische Vernunft
gegebenen Gegenstand angewandt, zum bestimmten Denken des Übersinnlichen
dienen, jedoch nur so fern dieses blos durch solche Prädicate bestimmt wird,
die nothwendig zur reinen a priori gegebenen praktischen Absicht
und deren Möglichkeit gehören. Speculative Einschränkung der reinen Vernunft
und praktische Erweiterung derselben bringen dieselbe allererst in dasjenige
Verhältniß der Gleichheit, worin Vernunft überhaupt zweckmäßig gebraucht
werden kann, und dieses Beispiel beweiset besser als sonst eines, daß der
Weg zur Weisheit, wenn er gesichert und nicht ungangbar oder irreleitend
werden soll, bei uns Menschen unvermeidlich durch die Wissenschaft durchgehen
müsse, wovon man aber, daß diese zu jenem Ziele führe, nur nach Vollendung
derselben überzeugt werden kann. Anmerkungen:
* Gelehrsamkeit ist eigentlich nur der
Inbegriff historischer Wissenschaften. Folglich kann nur der Lehrer der
geoffenbarten Theologie ein Gottesgelehrter heißen. Wollte man aber auch
den, der im Besitze von Vernunftwissenschaften (Mathematik und Philosophie)
ist, einen Gelehrten nennen, obgleich dieses schon der Wortbedeutung (als
die jederzeit nur dasjenige, was man durchaus gelehrt werden muß, und was
man also nicht von selbst, durch Vernunft, erfinden kann, zur Gelehrsamkeit
zählt) widerstreiten würde: so möchte wohl der Philosoph mit seiner Erkenntniß
Gottes als positiver Wissenschaft eine zu schlechte Figur machen, um sich
deshalb einen Gelehrten nennen zu lassen. VIII. Vom Fürwahrhalten aus einem Bedürfnisse der reinen Vernunft Ein Bedürfniß der reinen Vernunft in
ihrem speculativen Gebrauche führt nur auf Hypothesen, das der reinen praktischen
Vernunft aber zu Postulaten; denn im ersteren Falle steige ich vom Abgeleiteten
so hoch hinauf in der Reihe der Gründe, wie ich will, und bedarf eines Urgrundes,
nicht um jenem Abgeleiteten (z.B. der Causalverbindung der Dinge und Veränderungen
in der Welt) objective Realität zu geben, sondern nur um meine forschende
Vernunft in Ansehung desselben vollständig zu befriedigen. So sehe ich Ordnung
und Zweckmäßigkeit in der Natur vor mir und bedarf nicht, um mich von deren
Wirklichkeit zu versichern, zur Speculation zu schreiten, sondern nur, um
sie zu erklären, eine Gottheit als deren Ursache voraus zu setzen; da denn,
weil von einer Wirkung der Schluß auf eine bestimmte, vornehmlich so genau
und so vollständig bestimmte Ursache, als wir an Gott zu denken haben, immer
unsicher und mißlich ist, eine solche Voraussetzung nicht weiter gebracht
werden kann, als zu dem Grade der für uns Menschen allervernünftigsten Meinung.*
Dagegen ist ein Bedürfniß der reinen praktischen Vernunft auf einer Pflicht
gegründet, etwas (das höchste Gut) zum Gegenstande meines Willens zu machen,
um es nach allen meinen Kräften zu befördern; wobei ich aber die Möglichkeit
desselben, mithin auch die Bedingungen dazu, nämlich Gott, Freiheit und
Unsterblichkeit, voraussetzen muß, weil ich diese durch meine speculative
Vernunft nicht beweisen, obgleich auch nicht widerlegen kann. Diese Pflicht
gründet sich auf einem freilich von diesen letzteren Voraussetzungen ganz
unabhängigen, für sich selbst apodiktisch gewissen, nämlich dem moralischen
Gesetze und ist so fern keiner anderweitigen Unterstützung durch theoretische
Meinung von der innern Beschaffenheit der Dinge, der geheimen Abzweckung
der Weltordnung, oder eines ihr vorstehenden Regierers bedürftig, um uns
auf das vollkommenste zu unbedingt gesetzmäßigen Handlungen zu verbinden.
Aber der subjective Effect dieses Gesetzes, nämlich die ihm angemessene
und durch dasselbe auch nothwendige Gesinnung, das praktisch mögliche höchste
Gut zu befördern, setzt doch wenigstens voraus, daß das letztere möglich
sei, widrigenfalls es praktisch unmöglich wäre, dem Objecte eines Begriffes
nachzustreben, welcher im Grunde leer und ohne Object wäre. Nun betreffen
obige Postulate nur die physische oder metaphysische, mit einem Worte in
der Natur der Dinge liegende Bedingungen der Möglichkeit des höchsten Guts,
aber nicht zum Behuf einer beliebigen speculativen Absicht, sondern eines
praktisch nothwendigen Zwecks des reinen Vernunftwillens, der hier nicht
wählt, sondern einem unnachlaßlichen Vernunftgebote gehorcht, welches seinen
Grund objectiv in der Beschaffenheit der Dinge hat, so wie sie durch reine
Vernunft allgemein beurtheilt werden müssen, und gründet sich nicht etwa
auf Neigung, die zum Behuf dessen, was wir aus blos subjectiven Gründen
wünschen, sofort die Mittel dazu als möglich, oder den Gegenstand wohl gar
als wirklich anzunehmen keinesweges berechtigt ist. Also ist dieses ein
Bedürfniß in schlechterdings nothwendiger Absicht und rechtfertigt seine
Voraussetzung nicht blos als erlaubte Hypothese, sondern als Postulat in
praktischer Absicht; und zugestanden, daß das reine moralische Gesetz jedermann
als Gebot (nicht als Klugheitsregel) unnachlaßlich verbinde, darf der Rechtschaffene
wohl sagen: ich will, daß ein Gott, daß mein Dasein in dieser Welt auch
außer der Naturverknüpfung noch ein Dasein in einer reinen Verstandeswelt,
endlich auch daß meine Dauer endlos sei, ich beharre darauf und lasse mir
diesen Glauben nicht nehmen; denn dieses ist das einzige, wo mein Interesse,
weil ich von demselben nichts nachlassen darf, mein Urtheil unvermeidlich
bestimmt, ohne auf Vernünfteleien zu achten, so wenig ich auch darauf zu
antworten oder ihnen scheinbarere entgegen zu stellen im Stande sein möchte.**
*** Um bei dem Gebrauche eines noch so ungewohnten
Begriffs, als der eines reinen praktischen Vernunftglaubens ist, Mißdeutungen
zu verhüten, sei mir erlaubt noch eine Anmerkung hinzuzufügen. Es sollte
fast scheinen, als ob dieser Vernunftglaube hier selbst als Gebot angekündigt
werde, nämlich das höchste Gut für möglich anzunehmen. Ein Glaube aber,
der geboten wird, ist ein Unding. Man erinnere sich aber der obigen Auseinandersetzung
dessen, was im Begriffe des höchsten Guts anzunehmen verlangt wird, und
man wird inne werden, daß diese Möglichkeit anzunehmen gar nicht geboten
werden dürfe, und keine praktische Gesinnungen fordere, sie einzuräumen,
sondern daß speculative Vernunft sie ohne Gesuch zugeben müsse; denn daß
eine dem moralischen Gesetze angemessene Würdigkeit der vernünftigen Wesen
in der Welt, glücklich zu sein, mit einem dieser proportionirten Besitze
dieser Glückseligkeit in Verbindung an sich unmöglich sei, kann doch niemand
behaupten wollen. Nun giebt uns in Ansehung des ersten Stücks des höchsten
Guts, nämlich was die Sittlichkeit betrifft, das moralische Gesetz blos
ein Gebot, und die Möglichkeit jenes Bestandstücks zu bezweifeln, wäre eben
so viel, als das moralische Gesetz selbst in Zweifel ziehen. Was aber das
zweite Stück jenes Objects, nämlich die jener Würdigkeit durchgängig angemessene
Glückseligkeit, betrifft, so ist zwar die Möglichkeit derselben überhaupt
einzuräumen gar nicht eines Gebots bedürftig, denn die theoretische Vernunft
hat selbst nichts dawider: nur die Art, wie wir uns eine solche Harmonie
der Naturgesetze mit denen der Freiheit denken sollen, hat etwas an sich,
in Ansehung dessen uns eine Wahl zukommt, weil theoretische Vernunft hierüber
nichts mit apodiktischer Gewißheit entscheidet, und in Ansehung dieser kann
es ein moralisches Interesse geben, das den Ausschlag giebt. Oben hatte ich gesagt, daß nach einem
bloßen Naturgange in der Welt die genau dem sittlichen Werthe angemessene
Glückseligkeit nicht zu erwarten und für unmöglich zu halten sei, und daß
also die Möglichkeit des höchsten Guts von dieser Seite nur unter Voraussetzung
eines moralischen Welturhebers könne eingeräumt werden. Ich hielt mit Vorbedacht
mit der Einschränkung dieses Urtheils auf die subjectiven Bedingungen unserer
Vernunft zurück, um nur dann allererst, wenn die Art ihres Fürwahrhaltens
näher bestimmt werden sollte, davon Gebrauch zu machen. In der That ist
die genannte Unmöglichkeit blos subjectiv, d.i. unsere Vernunft findet es
ihr unmöglich, sich einen so genau angemessenen und durchgängig zweckmäßigen
Zusammenhang zwischen zwei nach so verschiedenen Gesetzen sich eräugnenden
Weltbegebenheiten nach einem bloßen Naturlaufe begreiflich zu machen, ob
sie zwar wie bei allem, was sonst in der Natur Zweckmäßiges ist, die Unmöglichkeit
desselben nach allgemeinen Naturgesetzen doch auch nicht beweisen, d.i.
aus objectiven Gründen hinreichend darthun kann. Allein jetzt kommt ein Entscheidungsgrund
von anderer Art ins Spiel, um im Schwanken der speculativen Vernunft den
Ausschlag zu geben. Das Gebot, das höchste Gut zu befördern, ist objectiv
(in der praktischen Vernunft), die Möglichkeit desselben überhaupt gleichfalls
objectiv (in der theoretischen Vernunft, die nichts dawider hat) gegründet.
Allein die Art, wie wir uns diese Möglichkeit vorstellen sollen, ob nach
allgemeinen Naturgesetzen ohne einen der Natur vorstehenden weisen Urheber,
oder nur unter dessen Voraussetzung, das kann die Vernunft objectiv nicht
entscheiden. Hier tritt nun eine subjective Bedingung der Vernunft ein:
die einzige ihr theoretisch mögliche, zugleich der Moralität (die unter
einem objectiven Gesetze der Vernunft steht) allein zuträgliche Art, sich
die genaue Zusammenstimmung des Reichs der Natur mit dem Reiche der Sitten
als Bedingung der Möglichkeit des höchsten Guts zu denken. Da nun die Beförderung
desselben und also die Voraussetzung seiner Möglichkeit objectiv (aber nur
der praktischen Vernunft zu Folge) nothwendig ist, zugleich aber die Art,
auf welche Weise wir es uns als möglich denken wollen, in unserer Wahl steht,
in welcher aber ein freies Interesse der reinen praktischen Vernunft für
die Annehmung eines weisen Welturhebers entscheidet: so ist das Princip,
was unser Urtheil hierin bestimmt, zwar subjectiv als Bedürfniß, aber auch
zugleich als Beförderungsmittel dessen, was objectiv (praktisch) nothwendig
ist, der Grund einer Maxime des Fürwahrhaltens in moralischer Absicht, d.i.
ein reiner praktischer Vernunftglaube. Dieser ist also nicht geboten, sondern
als freiwillige, zur moralischen (gebotenen) Absicht zuträgliche, überdem
noch mit dem theoretischen Bedürfnisse der Vernunft einstimmige Bestimmung
unseres Urtheils, jene Existenz anzunehmen und dem Vernunftgebrauch ferner
zum Grunde zu legen, selbst aus der moralischen Gesinnung entsprungen; kann
also öfters selbst bei Wohlgesinnten bisweilen in Schwanken, niemals aber
in Unglauben gerathen. Anmerkungen:
* Aber selbst auch hier würden wir nicht
ein Bedürfniß der Vernunft vorschützen können, läge nicht ein problematischer,
aber doch unvermeidlicher Begriff der Vernunft vor Augen, nämlich der eines
schlechterdings nothwendigen Wesens. Dieser Begriff will nun bestimmt sein,
und das ist, wenn der Trieb zur Erweiterung dazu kommt, der objective Grund
eines Bedürfnisses der speculativen Vernunft, nämlich den Begriff eines
nothwendigen Wesens, welches andern zum Urgrunde dienen soll, näher zu bestimmen
und dieses letzte also wodurch kenntlich zu machen. Ohne solche vorausgehende
nothwendige Probleme giebt es keine Bedürfnisse, wenigstens nicht der reinen
Vernunft; die übrigen sind Bedürfnisse der Neigung. ** Im deutschen Museum, Febr. 1787, findet sich
eine Abhandlung von einem sehr feinen und hellen Kopfe, dem sel. Wizenmann,
dessen früher Tod zu bedauren ist, darin er die Befugniß, aus einem Bedürfnisse
auf die objective Realität des Gegenstandes desselben zu schließen, bestreitet
und seinen Gegenstand durch das Beispiel eines Verliebten erläutert, der,
indem er sich in eine Idee von Schönheit, welche blos sein Hirngespinst
ist, vernarrt hätte, schließen wollte, daß ein solches Object wirklich wo
existire. Ich gebe ihm hierin vollkommen recht in allen Fällen, wo das Bedürfniß
auf Neigung gegründet ist, die nicht einmal nothwendig für den, der damit
angefochten ist, die Existenz ihres Objects postuliren kann, viel weniger
eine für jedermann gültige Forderung enthält und daher ein blos subjectiver
Grund der Wünsche ist. Hier aber ist es ein Vernunftbedürfniß, aus einem
objectiven Bestimmungsgrunde des Willens, nämlich dem moralischen Gesetze,
entspringend, welches jedes vernünftige Wesen nothwendig verbindet, also
zur Voraussetzung der ihm angemessenen Bedingungen in der Natur a priori
berechtigt und die letztern von dem vollständigen praktischen Gebrauche
der Vernunft unzertrennlich macht. Es ist Pflicht, das höchste Gut nach
unserem größten Vermögen wirklich zu machen; daher muß es doch auch möglich
sein; mithin ist es für jedes vernünftige Wesen in der Welt auch unvermeidlich,
dasjenige vorauszusetzen, was zu dessen objectiver Möglichkeit nothwendig
ist. Die Voraussetzung ist so nothwendig als das moralische Gesetz, in Beziehung
auf welches sie auch nur gültig ist. IX. Von der praktischen Bestimmung des Menschen weislich angemessenen Proportion seiner Erkenntnißvermögen Wenn
die menschliche Natur zum höchsten Gute zu streben bestimmt ist, so muß
auch das Maß ihrer Erkenntnißvermögen, vornehmlich ihr Verhältniß unter
einander, als zu diesem Zwecke schicklich angenommen werden. Nun beweiset
aber die Kritik der reinen speculativen Vernunft die größte Unzulänglichkeit
derselben, um die wichtigsten Aufgaben, die ihr vorgelegt werden, dem Zwecke
angemessen aufzulösen, ob sie zwar die natürlichen und nicht zu übersehenden
Winke eben derselben Vernunft, imgleichen die großen Schritte, die sie thun
kann, nicht verkennt, um sich diesem großen Ziele, das ihr ausgesteckt ist,
zu näheren, aber doch, ohne es jemals für sich selbst sogar mit Beihülfe
der größten Naturkenntniß zu erreichen. Also scheint die Natur hier uns
nur stiefmütterlich mit einem zu unserem Zwecke benöthigten Vermögen versorgt
zu haben. Gesetzt nun, sie wäre hierin unserem
Wunsche willfährig gewesen und hätte uns diejenige Einsichtsfähigkeit oder
Erleuchtung ertheilt, die wir gerne besitzen möchten, oder in deren Besitz
einige wohl gar wähnen sich wirklich zu befinden, was würde allem Ansehn
nach wohl die Folge hievon sein? Wofern nicht zugleich unsere ganze Natur
umgeändert wäre, so würden die Neigungen, die doch allemal das erste Wort
haben, zuerst ihre Befriedigung und, mit vernünftiger Überlegung verbunden,
ihre größtmögliche und daurende Befriedigung unter dem Namen der Glückseligkeit
verlangen; das moralische Gesetz würde nachher sprechen, um jene in ihren
geziemenden Schranken zu halten und sogar sie alle insgesammt einem höheren,
auf keine Neigung Rücksicht nehmenden Zwecke zu unterwerfen. Aber statt
des Streits, den jetzt die moralische Gesinnung mit den Neigungen zu führen
hat, in welchem nach einigen Niederlagen doch allmählig moralische Stärke
der Seele zu erwerben ist, würden Gott und Ewigkeit mit ihrer furchtbaren
Majestät uns unablässig vor Augen liegen (denn was wir vollkommen beweisen
können, gilt in Ansehung der Gewißheit uns so viel, als wovon wir uns durch
den Augenschein versichern). Die Übertretung des Gesetzes würde freilich
vermieden, das Gebotene gethan werden; weil aber die Gesinnung, aus welcher
Handlungen geschehen sollen, durch kein Gebot mit eingeflößt werden kann,
der Stachel der Thätigkeit hier aber sogleich bei Hand und äußerlich ist,
die Vernunft also sich nicht allererst empor arbeiten darf, um Kraft zum
Widerstande gegen Neigungen durch lebendige Vorstellung der Würde des Gesetzes
zu sammeln, so würden die mehrsten gesetzmäßigen Handlungen aus Furcht,
nur wenige aus Hoffnung und gar keine aus Pflicht geschehen, ein moralischer
Werth der Handlungen aber, worauf doch allein der Werth der Person und selbst
der der Welt in den Augen der höchsten Weisheit ankommt, würde gar nicht
existiren. Das Verhalten der Menschen, so lange ihre Natur, wie sie jetzt
ist, bliebe, würde also in einen bloßen Mechanismus verwandelt werden, wo
wie im Marionettenspiel alles gut gesticuliren, aber in den Figuren doch
kein Leben anzutreffen sein würde. Nun, da es mit uns ganz anders beschaffen
ist, da wir mit aller Anstrengung unserer Vernunft nur eine sehr dunkele
und zweideutige Aussicht in die Zukunft haben, der Weltregierer uns sein
Dasein und seine Herrlichkeit nur muthmaßen, nicht erblicken, oder klar
beweisen läßt, dagegen das moralische Gesetz in uns, ohne uns etwas mit
Sicherheit zu verheißen, oder zu drohen, von uns uneigennützige Achtung
fordert, übrigens aber, wenn diese Achtung thätig und herrschend geworden,
allererst alsdann und nur dadurch Aussichten ins Reich des Übersinnlichen,
aber auch nur mit schwachen Blicken erlaubt: so kann wahrhafte sittliche,
dem Gesetze unmittelbar geweihte Gesinnung stattfinden und das vernünftige
Geschöpf des Antheils am höchsten Gute würdig werden, das dem moralischen
Werthe seiner Person und nicht blos seinen Handlungen angemessen ist. Also
möchte es auch hier wohl damit seine Richtigkeit haben, was uns das Studium
der Natur und des Menschen sonst hinreichend lehrt, daß die unerforschliche
Weisheit, durch die wir existiren, nicht minder verehrungswürdig ist in
dem, was sie uns versagte, als in dem, was sie uns zu theil werden ließ. Zweiter
Theil. Methodenlehre der reinen praktischen Vernunft Unter der Methodenlehre der reinen praktischen
Vernunft kann man nicht die Art (sowohl im Nachdenken als im Vortrage) mit
reinen praktischen Grundsätzen in Absicht auf ein wissenschaftliches Erkenntniß
derselben zu verfahren verstehen, welches man sonst im Theoretischen eigentlich
allein Methode nennt (denn populäres Erkenntniß bedarf einer Manier, Wissenschaft
aber einer Methode, d.i. eines Verfahrens nach Principien der Vernunft,
wodurch das Mannigfaltige einer Erkenntniß allein ein System werden kann).
Vielmehr wird unter dieser Methodenlehre die Art verstanden, wie man den
Gesetzen der reinen praktischen Vernunft Eingang in das menschliche Gemüth,
Einfluß auf die Maximen desselben verschaffen, d.i. die objectiv praktische
Vernunft auch subjectiv praktisch machen könne. Nun ist zwar klar, daß diejenigen Bestimmungsgründe
des Willens, welche allein die Maximen eigentlich moralisch machen und ihnen
einen sittlichen Werth geben, die unmittelbare Vorstellung des Gesetzes
und die objectiv nothwendige Befolgung desselben als Pflicht, als die eigentlichen
Triebfedern der Handlungen vorgestellt werden müssen, weil sonst zwar Legalität
der Handlungen, aber nicht Moralität der Gesinnungen bewirkt werden würde.
Allein nicht so klar, vielmehr beim ersten Anblicke ganz unwahrscheinlich
muß es jedermann vorkommen, daß auch subjectiv jene Darstellung der reinen
Tugend mehr Macht über das menschliche Gemüth haben und eine weit stärkere
Triebfeder abgeben könne, selbst jene Legalität der Handlungen zu bewirken
und kräftigere Entschließungen hervorzubringen, das Gesetz aus reiner Achtung
für dasselbe jeder anderen Rücksicht vorzuziehen, als alle Anlockungen,
die aus Vorspiegelungen von Vergnügen und überhaupt allem dem, was man zur
Glückseligkeit zählen mag, oder auch alle Androhungen von Schmerz und Übeln
jemals wirken können. Gleichwohl ist es wirklich so bewandt, und wäre es
nicht so mit der menschlichen Natur beschaffen, so würde auch keine Vorstellungsart
des Gesetzes durch Umschweife und empfehlende Mittel jemals Moralität der
Gesinnung hervorbringen. Alles wäre lauter Gleißnerei, das Gesetz würde
gehaßt, oder wohl gar verachtet, indessen doch um eigenen Vortheils willen
befolgt werden. Der Buchstabe des Gesetzes (Legalität) würde in unseren
Handlungen anzutreffen sein, der Geist desselben aber in unseren Gesinnungen
(Moralität) gar nicht, und da wir mit aller unserer Bemühung uns doch in
unserem Urtheile nicht ganz von der Vernunft los machen können, so würden
wir unvermeidlich in unseren eigenen Augen als nichtswürdige, verworfene
Menschen erscheinen müssen, wenn wir uns gleich für diese Kränkung vor dem
inneren Richterstuhl dadurch schadlos zu halten versuchten, daß wir uns
an den Vergnügen ergötzten, die ein von uns angenommenes natürliches oder
göttliches Gesetz unserem Wahne nach mit dem Maschinenwesen ihrer Polizei,
die sich blos nach dem richtete, was man thut, ohne sich um die Bewegungsgründe,
warum man es thut, zu bekümmern, verbunden hätte. Zwar kann man nicht in Abrede sein,
daß, um ein entweder noch ungebildetes, oder auch verwildertes Gemüth zuerst
ins Gleis des moralisch Guten zu bringen, es einiger vorbereitenden Anleitungen
bedürfe, es durch seinen eigenen Vortheil zu locken, oder durch den Schaden
zu schrecken; allein so bald dieses Maschinenwerk, dieses Gängelband nur
einige Wirkung gethan hat, so muß durchaus der reine moralische Bewegungsgrund
an die Seele gebracht werden, der nicht allein dadurch, daß er der einzige
ist, welcher einen Charakter (praktische consequente Denkungsart nach unveränderlichen
Maximen) gründet, sondern auch darum, weil er den Menschen seine eigene
Würde fühlen lehrt, dem Gemüthe eine ihm selbst unerwartete Kraft giebt,
sich von aller sinnlichen Anhänglichkeit, so fern sie herrschend werden
will, loszureißen und in der Unabhängigkeit seiner intelligibelen Natur
und der Seelengröße, dazu er sich bestimmt sieht, für die Opfer, die er
darbringt, reichliche Entschädigung zu finden. Wir wollen also diese Eigenschaft
unseres Gemüths, diese Empfänglichkeit eines reinen moralischen Interesse
und mithin die bewegende Kraft der reinen Vorstellung der Tugend, wenn sie
gehörig ans menschliche Herz gebracht wird, als die mächtigste und, wenn
es auf die Dauer und Pünktlichkeit in Befolgung moralischer Maximen ankommt,
einzige Triebfeder zum Guten durch Beobachtungen, die ein jeder anstellen
kann, beweisen; wobei doch zugleich erinnert werden muß, daß, wenn diese
Beobachtungen nur die Wirklichkeit eines solchen Gefühls, nicht aber dadurch
zu Stande gebrachte sittliche Besserung beweisen, dieses der einzigen Methode,
die objectiv praktischen Gesetze der reinen Vernunft durch bloße reine Vorstellung
der Pflicht subjectiv praktisch zu machen, keinen Abbruch thue, gleich als
ob sie eine leere Phantasterei wäre. Denn da diese Methode noch niemals
in Gang gebracht worden, so kann auch die Erfahrung noch nichts von ihrem
Erfolg aufzeigen, sondern man kann nur Beweisthümer der Empfänglichkeit
solcher Triebfedern fordern, die ich jetzt kürzlich vorlegen und darnach
die Methode der Gründung und Cultur ächter moralischer Gesinnungen mit wenigem
entwerfen will. Wenn man auf den Gang der Gespräche
in gemischten Gesellschaften, die nicht blos aus Gelehrten und Vernünftlern,
sondern auch aus Leuten von Geschäften oder Frauenzimmer bestehen, Acht
hat, so bemerkt man, daß außer dem Erzählen und Scherzen noch eine Unterhaltung,
nämlich das Räsonniren, darin Platz findet: weil das erstere, wenn es Neuigkeit
und mit ihr Interesse bei sich führen soll, bald erschöpft, das zweite aber
leicht schal wird. Unter allem Räsonniren ist aber keines, was mehr den
Beitritt der Personen, die sonst bei allem Vernünfteln bald lange Weile
haben, erregt und eine gewisse Lebhaftigkeit in die Gesellschaft bringt,
als das über den sittlichen Werth dieser oder jener Handlung, dadurch der
Charakter irgend einer Person ausgemacht werden soll. Diejenige, welchen
sonst alles Subtile und Grüblerische in theoretischen Fragen trocken und
verdrießlich ist, treten bald bei, wenn es darauf ankommt, den moralischen
Gehalt einer erzählten guten oder bösen Handlung auszumachen, und sind so
genau, so grüblerisch, so subtil, alles, was die Reinigkeit der Absicht
und mithin den Grad der Tugend in derselben vermindern, oder auch nur verdächtig
machen könnte, auszusinnen, als man bei keinem Objecte der Speculation sonst
von ihnen erwartet. Man kann in diesen Beurtheilungen oft den Charakter
der über andere urtheilenden Personen selbst hervorschimmern sehen, deren
einige vorzüglich geneigt scheinen, indem sie ihr Richteramt vornehmlich
über Verstorbene ausüben, das Gute, was von dieser oder jener That derselben
erzählt wird, wider alle kränkende Einwürfe der Unlauterkeit und zuletzt
den ganzen sittlichen Werth der Person wider den Vorwurf der Verstellung
und geheimen Bösartigkeit zu vertheidigen, andere dagegen mehr auf Anklagen
und Beschuldigungen sinnen, diesen Werth anzufechten. Doch kann man den
letzteren nicht immer die Absicht beimessen, Tugend aus allen Beispielen
der Menschen gänzlich wegvernünfteln zu wollen, um sie dadurch zum leeren
Namen zu machen, sondern es ist oft nur wohlgemeinte Strenge in Bestimmung
des ächten sittlichen Gehalts nach einem unnachsichtlichen Gesetze, mit
welchem und nicht mit Beispielen verglichen der Eigendünkel im Moralischen
sehr sinkt, und Demuth nicht etwa blos gelehrt, sondern bei scharfer Selbstprüfung
von jedem gefühlt wird. Dennoch kann man den Vertheidigern der Reinigkeit
der Absicht in gegebenen Beispielen es mehrentheils ansehen, daß sie ihr
da, wo sie die Vermuthung der Rechtschaffenheit für sich hat, auch den mindesten
Fleck gerne abwischen möchten, aus dem Bewegungsgrunde, damit nicht, wenn
allen Beispielen ihre Wahrhaftigkeit gestritten und aller menschlichen Tugend
die Lauterkeit weggeleugnet würde, diese nicht endlich gar für ein bloßes
Hirngespinst gehalten und so alle Bestrebung zu derselben als eitles Geziere
und trüglicher Eigendünkel geringschätzig gemacht werde. Ich weiß nicht, warum die Erzieher der
Jugend von diesem Hange der Vernunft, in aufgeworfenen praktischen Fragen
selbst die subtilste Prüfung mit Vergnügen einzuschlagen, nicht schon längst
Gebrauch gemacht haben, und, nachdem sie einen blos moralischen Katechism
zum Grunde legten, sie nicht die Biographien alter und neuer Zeiten in der
Absicht durchsuchten, um Beläge zu den vorgelegten Pflichten bei der Hand
zu haben, an denen sie vornehmlich durch die Vergleichung ähnlicher Handlungen
unter verschiedenen Umständen die Beurtheilung ihrer Zöglinge in Thätigkeit
setzten, um den mindern oder größeren moralischen Gehalt derselben zu bemerken,
als worin sie selbst die frühe Jugend, die zu aller Speculation sonst noch
unreif ist, bald sehr scharfsichtig und dabei, weil sie den Fortschritt
ihrer Urtheilskraft fühlt, nicht wenig interessirt finden werden, was aber
das Vornehmste ist, mit Sicherheit hoffen können, daß die öftere Übung,
das Wohlverhalten in seiner ganzen Reinigkeit zu kennen und ihm Beifall
zu geben, dagegen selbst die kleinste Abweichung von ihr mit Bedauern oder
Verachtung zu bemerken, ob es zwar bis dahin nur als ein Spiel der Urtheilskraft,
in welchem Kinder mit einander wetteifern können, getrieben wird, dennoch
einen dauerhaften Eindruck der Hochschätzung auf der einen und des Abscheues
auf der andern Seite zurücklassen werde, welche durch bloße Gewohnheit,
solche Handlungen als beifalls- oder tadelswürdig öfters anzusehen, zur
Rechtschaffenheit im künftigen Lebenswandel eine gute Grundlage ausmachen
würden. Nur wünsche ich sie mit Beispielen sogenannter edler (überverdienstlicher)
Handlungen, mit welchen unsere empfindsame Schriften so viel um sich werfen,
zu verschonen und alles blos auf Pflicht und den Werth, den ein Mensch sich
in seinen eigenen Augen durch das Bewußtsein, sie nicht übertreten zu haben,
geben kann und muß, auszusetzen, weil, was auf leere Wünsche und Sehnsuchten
nach unersteiglicher Vollkommenheit hinausläuft, lauter Romanhelden hervorbringt,
die, indem sie sich auf ihr Gefühl für das überschwenglich Große viel zu
Gute thun, sich dafür von der Beobachtung der gemeinen und gangbaren Schuldigkeit,
die alsdann ihnen nur unbedeutend klein scheint, frei sprechen.* Wenn man aber frägt, was denn eigentlich
die reine Sittlichkeit ist, an der als dem Probemetall man jeder Handlung
moralischen Gehalt prüfen müsse, so muß ich gestehen, daß nur Philosophen
die Entscheidung dieser Frage zweifelhaft machen können; denn in der gemeinen
Menschenvernunft ist sie, zwar nicht durch abgezogene allgemeine Formeln,
aber doch durch den gewöhnlichen Gebrauch, gleichsam als der Unterschied
zwischen der rechten und linken Hand, längst entschieden. Wir wollen also
vorerst das Prüfungsmerkmal der reinen Tugend an einem Beispiele zeigen
und, indem wir uns vorstellen, daß es etwa einem zehnjährigen Knaben zur
Beurtheilung vorgelegt worden, sehen, ob er auch von selber, ohne durch
den Lehrer dazu angewiesen zu sein, nothwendig so urtheilen müßte. Man erzähle
die Geschichte eines redlichen Mannes, den man bewegen will, den Verleumdern
einer unschuldigen, übrigens nichts vermögenden Person (wie etwa Anna von
Bolen auf Anklage Heinrich VIII. von England) beizutreten. Man bietet Gewinne,
d.i. große Geschenke oder hohen Rang, an, er schlägt sie aus. Dieses wird
bloßen Beifall und Billigung in der Seele des Zuhörers wirken, weil es Gewinn
ist. Nun fängt man es mit Androhung des Verlusts an. Es sind unter diesen
Verleumdern seine besten Freunde, die ihm jetzt ihre Freundschaft aufsagen,
nahe Verwandte, die ihn (der ohne Vermögen ist) zu enterben drohen, Mächtige,
die ihn in jedem Orte und Zustande verfolgen und kränken können, ein Landesfürst,
der ihn mit dem Verlust der Freiheit, ja des Lebens selbst bedroht. Um ihn
aber, damit das Maß des Leidens voll sei, auch den Schmerz fühlen zu lassen,
den nur das sittlich gute Herz recht inniglich fühlen kann, mag man seine
mit äußerster Noth und Dürftigkeit bedrohte Familie ihn um Nachgiebigkeit
anflehend, ihn selbst, obzwar rechtschaffen, doch eben nicht von festen,
unempfindlichen Organen des Gefühls für Mitleid sowohl als eigener Noth,
in einem Augenblick, darin er wünscht den Tag nie erlebt zu haben, der ihn
einem so unaussprechlichen Schmerz aussetzte, dennoch seinem Vorsatze der
Redlichkeit, ohne zu wanken oder nur zu zweifeln, treu bleibend vorstellen:
so wird mein jugendlicher Zuhörer stufenweise von der bloßen Billigung zur
Bewunderung, von da zum Erstaunen, endlich bis zur größten Verehrung und
einem lebhaften Wunsche, selbst ein solcher Mann sein zu können (obzwar
freilich nicht in seinem Zustande), erhoben werden; und gleichwohl ist hier
die Tugend nur darum so viel werth, weil sie so viel kostet, nicht weil
sie etwas einbringt. Die ganze Bewunderung und selbst Bestrebung zur Ähnlichkeit
mit diesem Charakter beruht hier gänzlich auf der Reinigkeit des sittlichen
Grundsatzes, welche nur dadurch recht in die Augen fallend vorgestellt werden
kann, daß man alles, was Menschen nur zur Glückseligkeit zählen mögen, von
den Triebfedern der Handlung wegnimmt. Also muß die Sittlichkeit auf das
menschliche Herz desto mehr Kraft haben, je reiner sie dargestellt wird.
Woraus denn folgt, daß, wenn das Gesetz der Sitten und das Bild der Heiligkeit
und Tugend auf unsere Seele überall einigen Einfluß ausüben soll, sie diesen
nur so fern ausüben könne, als sie rein, unvermengt von Absichten auf sein
Wohlbefinden, als Triebfeder ans Herz gelegt wird, darum weil sie sich im
Leiden am herrlichsten zeigt. Dasjenige aber, dessen Wegräumung die Wirkung
einer bewegenden Kraft verstärkt, muß ein Hinderniß gewesen sein. Folglich
ist alle Beimischung der Triebfedern, die von eigener Glückseligkeit hergenommen
werden, ein Hinderniß, dem moralischen Gesetze Einfluß aufs menschliche
Herz zu verschaffen. Ich behaupte ferner, daß selbst in jener bewunderten
Handlung, wenn der Bewegungsgrund, daraus sie geschah, die Hochschätzung
seiner Pflicht war, alsdann eben diese Achtung fürs Gesetz, nicht etwa ein
Anspruch auf die innere Meinung von Großmuth und edler, verdienstlicher
Denkungsart, gerade auf das Gemüth des Zuschauers die größte Kraft habe,
folglich Pflicht, nicht Verdienst den nicht allein bestimmtesten, sondern,
wenn sie im rechten Lichte ihrer Unverletzlichkeit vorgestellt wird, auch
den eindringendsten Einfluß aufs Gemüth haben müsse. In unsern Zeiten, wo man mehr mit schmelzenden,
weichherzigen Gefühlen, oder hochfliegenden, aufblähenden und das Herz eher
welk als stark machenden Anmaßungen über das Gemüth mehr auszurichten hofft,
als durch die der menschlichen Unvollkommenheit und dem Fortschritte im
Guten angemeßnere trockne und ernsthafte Vorstellung der Pflicht, ist die
Hinweisung auf diese Methode nöthiger als jemals. Kindern Handlungen als
edele, großmüthige, verdienstliche zum Muster aufzustellen, in der Meinung,
sie durch Einflößung eines Enthusiasmus für dieselbe einzunehmen, ist vollends
zweckwidrig. Denn da sie noch in der Beobachtung der gemeinsten Pflicht
und selbst in der richtigen Beurtheilung derselben so weit zurück sind,
so heißt das so viel, als sie bei Zeiten zu Phantasten zu machen. Aber auch
bei dem belehrtern und erfahrnern Theil der Menschen ist diese vermeinte
Triebfeder, wo nicht von nachtheiliger, wenigstens von keiner ächten moralischen
Wirkung aufs Herz, die man dadurch doch hat zuwegebringen wollen. Alle Gefühle, vornehmlich die, so ungewohnte
Anstrengung bewirken sollen, müssen in dem Augenblicke, da sie in ihrer
Heftigkeit sind, und ehe sie verbrausen, ihre Wirkung thun, sonst thun sie
nichts: indem das Herz natürlicherweise zu seiner natürlichen, gemäßigten
Lebensbewegung zurückkehrt und sonach in die Mattigkeit verfällt, die ihm
vorher eigen war, weil zwar etwas, was es reizte, nichts aber, das es stärkte,
an dasselbe gebracht war. Grundsätze müssen auf Begriffe errichtet werden,
auf alle andere Grundlage können nur Anwandelungen zu Stande kommen, die
der Person keinen moralischen Werth, ja nicht einmal eine Zuversicht auf
sich selbst verschaffen können, ohne die das Bewußtsein seiner moralischen
Gesinnung und eines solchen Charakters, das höchste Gut im Menschen, gar
nicht stattfinden kann. Diese Begriffe nun, wenn sie subjectiv praktisch
werden sollen, müssen nicht bei den objectiven Gesetzen der Sittlichkeit
stehen bleiben, um sie zu bewundern und in Beziehung auf die Menschheit
hochzuschätzen, sondern ihre Vorstellung in Relation auf den Menschen und
auf sein Individuum betrachten; da denn jenes Gesetz in einer zwar höchst
achtungswürdigen, aber nicht so gefälligen Gestalt erscheint, als ob es
zu dem Elemente gehöre, daran er natürlicher Weise gewohnt ist, sondern
wie es ihn nöthigt, dieses oft nicht ohne Selbstverleugnung zu verlassen
und sich in ein höheres zu begeben, darin er sich mit unaufhörlicher Besorgniß
des Rückfalls nur mit Mühe erhalten kann. Mit einem Worte, das moralische
Gesetz verlangt Befolgung aus Pflicht, nicht aus Vorliebe, die man gar nicht
voraussetzen kann und soll. Laßt uns nun im Beispiele sehen, ob
in der Vorstellung einer Handlung als edler und großmüthiger Handlung mehr
subjectiv bewegende Kraft einer Triebfeder liege, als wenn diese blos als
Pflicht in Verhältniß auf das ernste moralische Gesetz vorgestellt wird.
Die Handlung, da jemand mit der größten Gefahr des Lebens Leute aus dem
Schiffbruche zu retten sucht, wenn er zuletzt dabei selbst sein Leben einbüßt,
wird zwar einerseits zur Pflicht, andererseits aber und größtentheils auch
für verdienstliche Handlung angerechnet, aber unsere Hochschätzung derselben
wird gar sehr durch den Begriff von Pflicht gegen sich selbst, welche hier
etwas Abbruch zu leiden scheint, geschwächt. Entscheidender ist die großmüthige
Aufopferung seines Lebens zur Erhaltung des Vaterlandes, und doch, ob es
auch so vollkommen Pflicht sei, sich von selbst und unbefohlen dieser Absicht
zu weihen, darüber bleibt einiger Scrupel übrig, und die Handlung hat nicht
die ganze Kraft eines Musters und Antriebes zur Nachahmung in sich. Ist
es aber unerlaßliche Pflicht, deren Übertretung das moralische Gesetz an
sich und ohne Rücksicht auf Menschenwohl verletzt und dessen Heiligkeit
gleichsam mit Füßen tritt (dergleichen Pflichten man Pflichten gegen Gott
zu nennen pflegt, weil wir uns in ihm das Ideal der Heiligkeit in Substanz
denken), so widmen wir der Befolgung desselben mit Aufopferung alles dessen,
was für die innigste aller unserer Neigungen nur immer einen Werth haben
mag, die allervollkommenste Hochachtung, und wir finden unsere Seele durch
ein solches Beispiel gestärkt und erhoben, wenn wir an demselben uns überzeugen
können, daß die menschliche Natur zu einer so großen Erhebung über alles,
was Natur nur immer an Triebfedern zum Gegentheil aufbringen mag, fähig
sei. Juvenal stellt ein solches Beispiel in einer Steigerung vor, die den
Leser die Kraft der Triebfeder, die im reinen Gesetze der Pflicht als Pflicht
steckt, lebhaft empfinden läßt: Esto bonus miles,
tutor bonus, arbiter idem Integer; ambiguae
si quando citabere testis Incertaeque rei,
Phalaris licet imperet, ut sis Falsus, et admoto
dictet periuria tauro, Summum
crede nefas animam praeferre pudori
Et propter vitam
vivendi perdere causas. Wenn wir irgend etwas Schmeichelhaftes
vom Verdienstlichen in unsere Handlung bringen können, dann ist die Triebfeder
schon mit Eigenliebe etwas vermischt, hat also einige Beihülfe von der Seite
der Sinnlichkeit. Aber der Heiligkeit der Pflicht allein alles nachsetzen
und sich bewußt werden, daß man es könne, weil unsere eigene Vernunft dieses
als ihr Gebot anerkennt und sagt, daß man es thun solle, das heißt sich
gleichsam über die Sinnenwelt selbst gänzlich erheben, und ist in demselben
Bewußtsein des Gesetzes auch als Triebfeder eines die Sinnlichkeit beherrschenden
Vermögens unzertrennlich, wenn gleich nicht immer mit Effect verbunden,
der aber doch auch durch die öftere Beschäftigung mit derselben und die
anfangs kleinern Versuche ihres Gebrauchs Hoffnung zu seiner Bewirkung giebt,
um in uns nach und nach das größte, aber reine moralische Interesse daran
hervorzubringen. Die Methode nimmt also folgenden Gang.
Zuerst ist es nur darum zu thun, die Beurtheilung nach moralischen Gesetzen
zu einer natürlichen, alle unsere eigene sowohl als die Beobachtung fremder
freier Handlungen begleitenden Beschäftigung und gleichsam zur Gewohnheit
zu machen und sie zu schärfen, indem man vorerst frägt, ob die Handlung
objectiv dem moralischen Gesetze, und welchem, gemäß sei; wobei man denn
die Aufmerksamkeit auf dasjenige Gesetz, welches blos einen Grund zur Verbindlichkeit
an die Hand giebt, von dem unterscheidet, welches in der That verbindend
ist (leges obligandi a legibus obligantibus), (wie z.B. das Gesetz
desjenigen, was das Bedürfniß der Menschen, im Gegensatze dessen, was das
Recht derselben von mir fordert, wovon das Letztere wesentliche, das Erstere
aber nur außerwesentliche Pflichten vorschreibt) und so verschiedene Pflichten,
die in einer Handlung zusammenkommen, unterscheiden lehrt. Der andere Punkt,
worauf die Aufmerksamkeit gerichtet werden muß, ist die Frage: ob die Handlung
auch (subjectiv) um des moralischen Gesetzes willen geschehen, und also
sie nicht allein sittliche Richtigkeit als That, sondern auch sittlichen
Werth als Gesinnung, ihrer Maxime nach, habe. Nun ist kein Zweifel, daß
diese Übung und das Bewußtsein einer daraus entspringenden Cultur unserer
blos über das Praktische urtheilenden Vernunft ein gewisses Interesse selbst
am Gesetze derselben, mithin an sittlich guten Handlungen nach und nach
hervorbringen müsse. Denn wir gewinnen endlich das lieb, dessen Betrachtung
uns den erweiterten Gebrauch unserer Erkenntnißkräfte empfinden läßt, welchen
vornehmlich dasjenige befördert, worin wir moralische Richtigkeit antreffen:
weil sich die Vernunft in einer solchen Ordnung der Dinge mit ihrem Vermögen,
a priori nach Principien zu bestimmen, was geschehen soll, allein
gut finden kann. Gewinnt doch ein Naturbeobachter Gegenstände, die seinen
Sinnen anfangs anstößig sind, endlich lieb, wenn er die große Zweckmäßigkeit
ihrer Organisation daran entdeckt und so seine Vernunft an ihrer Betrachtung
weidet, und Leibniz brachte ein Insect, welches er durchs Mikroskop sorgfältig
betrachtet hatte, schonend wiederum auf sein Blatt zurück, weil er sich
durch seinen Anblick belehrt gefunden und von ihm gleichsam eine Wohlthat
genossen hatte. Aber diese Beschäftigung der Urtheilskraft,
welche uns unsere eigene Erkenntnißkräfte fühlen läßt, ist noch nicht das
Interesse an den Handlungen und ihrer Moralität selbst. Sie macht blos,
daß man sich gerne mit einer solchen Beurtheilung unterhält, und giebt der
Tugend oder der Denkungsart nach moralischen Gesetzen eine Form der Schönheit,
die bewundert, darum aber noch nicht gesucht wird (laudatur et alget);
wie alles, dessen Betrachtung subjectiv ein Bewußtsein der Harmonie unserer
Vorstellungskräfte bewirkt, und wobei wir unser ganzes Erkenntnißvermögen
(Verstand und Einbildungskraft) gestärkt fühlen, ein Wohlgefallen hervorbringt,
das sich auch andern mittheilen läßt, wobei gleichwohl die Existenz des
Objects uns gleichgültig bleibt, indem es nur als die Veranlassung angesehen
wird, der über die Thierheit erhabenen Anlage der Talente in uns inne zu
werden. Nun tritt aber die zweite Übung ihr Geschäft an, nämlich in der
lebendigen Darstellung der moralischen Gesinnung an Beispielen die Reinigkeit
des Willens bemerklich zu machen, vorerst nur als negativer Vollkommenheit
desselben, so fern in einer Handlung aus Pflicht gar keine Triebfedern der
Neigungen als Bestimmungsgründe auf ihn einfließen; wodurch der Lehrling
doch auf das Bewußtsein seiner Freiheit aufmerksam erhalten wird, und, obgleich
diese Entsagung eine anfängliche Empfindung von Schmerz erregt, dennoch
dadurch, daß sie jenen Lehrling dem Zwange selbst wahrer Bedürfnisse entzieht,
ihm zugleich eine Befreiung von der mannigfaltigen Unzufriedenheit, darin
ihn alle diese Bedürfnisse verflechten, angekündigt und das Gemüth für die
Empfindung der Zufriedenheit aus anderen Quellen empfänglich gemacht wird.
Das Herz wird doch von einer Last, die es jederzeit ingeheim drückt, befreit
und erleichtert, wenn an reinen moralischen Entschließungen, davon Beispiele
vorgelegt werden, dem Menschen ein inneres, ihm selbst sonst nicht einmal
recht bekanntes Vermögen, die innere Freiheit, aufgedeckt wird, sich von
der ungestümen Zudringlichkeit der Neigungen dermaßen loszumachen, daß gar
keine, selbst die beliebteste nicht, auf eine Entschließung, zu der wir
uns jetzt unserer Vernunft bedienen sollen, Einfluß habe. In einem Falle,
wo ich nur allein weiß, daß das Unrecht auf meiner Seite sei, und, obgleich
das freie Geständniß desselben und die Anerbietung zur Genugthuung an der
Eitelkeit, dem Eigennutze, selbst dem sonst nicht unrechtmäßigen Widerwillen
gegen den, dessen Recht von mir geschmälert ist, so großen Widerspruch findet,
dennoch mich über alle diese Bedenklichkeiten wegsetzen kann, ist doch ein
Bewußtsein einer Unabhängigkeit von Neigungen und von Glücksumständen und
der Möglichkeit sich selbst genug zu sein enthalten, welche mir überall
auch in anderer Absicht heilsam ist. Und nun findet das Gesetz der Pflicht
durch den positiven Werth, den uns die Befolgung desselben empfinden läßt,
leichteren Eingang durch die Achtung für uns selbst im Bewußtsein unserer
Freiheit. Auf diese, wenn sie wohl gegründet ist, wenn der Mensch nichts
stärker scheuet, als sich in der inneren Selbstprüfung in seinen eigenen
Augen geringschätzig und verwerflich zu finden, kann nun jede gute sittliche
Gesinnung gepfropft werden: weil dieses der beste, ja der einzige Wächter
ist, das Eindringen unedler und verderbender Antriebe vom Gemüthe abzuhalten. Ich habe hiemit nur auf die allgemeinsten
Maximen der Methodenlehre einer moralischen Bildung und Übung hinweisen
wollen. Da die Mannigfaltigkeit der Pflichten für jede Art derselben noch
besondere Bestimmungen erforderte und so ein weitläuftiges Geschäfte ausmachen
würde, so wird man mich für entschuldigt halten, wenn ich in einer Schrift
wie diese, die nur Vorübung ist, es bei diesen Grundzügen bewenden lasse.
Anmerkungen:
* Handlungen, aus denen große, uneigennützige,
theilnehmende Gesinnung und Menschlichkeit hervorleuchtet, zu preisen, ist
ganz rathsam. Aber man muß hier nicht sowohl auf die Seelenerhebung, die
sehr flüchtig und vorübergehend ist, als vielmehr auf die Herzensunterwerfung
unter Pflicht, wovon ein längerer Eindruck erwartet werden kann, weil sie
Grundsätze (jene aber nur Aufwallungen) mit sich führt, aufmerksam machen.
Man darf nur ein wenig nachsinnen, man wird immer eine Schuld finden, die
er sich irgend wodurch in Ansehung des Menschengeschlechts aufgeladen hat
(sollte es auch nur die sein, daß man durch die Ungleichheit der Menschen
in der bürgerlichen Verfassung Vortheile genießt, um deren willen andere
desto mehr entbehren müssen), um durch die eigenliebige Einbildung des Verdienstlichen
den Gedanken an Pflicht nicht zu verdrängen.
Beschluß Zwei Dinge erfüllen das Gemüth mit immer
neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender
sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und
das moralische Gesetz in mir. Beide darf ich nicht als in Dunkelheiten verhüllt,
oder im Überschwenglichen, außer meinem Gesichtskreise suchen und blos vermuthen;
ich sehe sie vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewußtsein meiner
Existenz. Das erste fängt von dem Platze an, den ich in der äußern Sinnenwelt
einnehme, und erweitert die Verknüpfung, darin ich stehe, ins unabsehlich
Große mit Welten über Welten und Systemen von Systemen, überdem noch in
grenzenlose Zeiten ihrer periodischen Bewegung, deren Anfang und Fortdauer.
Das zweite fängt von meinem unsichtbaren Selbst, meiner Persönlichkeit,
an und stellt mich in einer Welt dar, die wahre Unendlichkeit hat, aber
nur dem Verstande spürbar ist, und mit welcher (dadurch aber auch zugleich
mit allen jenen sichtbaren Welten) ich mich nicht wie dort in blos zufälliger,
sondern allgemeiner und nothwendiger Verknüpfung erkenne. Der erstere Anblick
einer zahllosen Weltenmenge vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit, als
eines thierischen Geschöpfs, das die Materie, daraus es ward, dem Planeten
(einem bloßen Punkt im Weltall) wieder zurückgeben muß, nachdem es eine
kurze Zeit (man weiß nicht wie) mit Lebenskraft versehen gewesen. Der zweite
erhebt dagegen meinen Werth, als einer Intelligenz, unendlich durch meine
Persönlichkeit, in welcher das moralische Gesetz mir ein von der Thierheit
und selbst von der ganzen Sinnenwelt unabhängiges Leben offenbart, wenigstens
so viel sich aus der zweckmäßigen Bestimmung meines Daseins durch dieses
Gesetz, welche nicht auf Bedingungen und Grenzen dieses Lebens eingeschränkt
ist, sondern ins Unendliche geht, abnehmen läßt. Allein Bewunderung und Achtung können
zwar zur Nachforschung reizen, aber den Mangel derselben nicht ersetzen.
Was ist nun zu thun, um diese auf nutzbare und der Erhabenheit des Gegenstandes
angemessene Art anzustellen? Beispiele mögen hiebei zur Warnung, aber auch
zur Nachahmung dienen. Die Weltbetrachtung fing von dem herrlichsten Anblicke
an, den menschliche Sinne nur immer vorlegen und unser Verstand in ihrem
weiten Umfange zu verfolgen nur immer vertragen kann, und endigte - mit
der Sterndeutung. Die Moral fing mit der edelsten Eigenschaft in der menschlichen
Natur an, deren Entwickelung und Cultur auf unendlichen Nutzen hinaussieht,
und endigte - mit der Schwärmerei, oder dem Aberglauben. So geht es allen
noch rohen Versuchen, in denen der vornehmste Theil des Geschäftes auf den
Gebrauch der Vernunft ankommt, der nicht so wie der Gebrauch der Füße sich
von selbst vermittelst der öftern Ausübung findet, vornehmlich wenn er Eigenschaften
betrifft, die sich nicht so unmittelbar in der gemeinen Erfahrung darstellen
lassen. Nachdem aber, wiewohl spät, die Maxime in Schwang gekommen war,
alle Schritte vorher wohl zu überlegen, die die Vernunft zu thun vorhat,
und sie nicht anders als im Gleise einer vorher wohl überdachten Methode
ihren Gang machen zu lassen, so bekam die Beurtheilung des Weltgebäudes
eine ganz andere Richtung und mit dieser zugleich einen ohne Vergleichung
glücklichern Ausgang. Der Fall eines Steins, die Bewegung einer Schleuder,
in ihre Elemente und dabei sich äußernde Kräfte aufgelöst und mathematisch
bearbeitet, brachte zuletzt diejenige klare und für alle Zukunft unveränderliche
Einsicht in den Weltbau hervor, die bei fortgehender Beobachtung hoffen
kann, sich immer nur zu erweitern, niemals aber zurückgehen zu müssen fürchten
darf. Diesen Weg nun in Behandlung der moralischen
Anlagen unserer Natur gleichfalls einzuschlagen, kann uns jenes Beispiel
anräthig sein und Hoffnung zu ähnlichem guten Erfolg geben. Wir haben doch
die Beispiele der moralisch urtheilenden Vernunft bei Hand. Diese nun in
ihre Elementarbegriffe zu zergliedern, in Ermangelung der Mathematik aber
ein der Chemie ähnliches Verfahren der Scheidung des Empirischen vom Rationalen,
das sich in ihnen vorfinden möchte, in wiederholten Versuchen am gemeinen
Menschenverstande vorzunehmen, kann uns Beides rein und, was Jedes für sich
allein leisten könne, mit Gewißheit kennbar machen und so theils der Verirrung
einer noch rohen, ungeübten Beurtheilung, theils (welches weit nöthiger
ist) den Genieschwüngen vorbeugen, durch welche, wie es von Adepten des
Steins der Weisen zu geschehen pflegt, ohne alle methodische Nachforschung
und Kenntniß der Natur geträumte Schätze versprochen und wahre verschleudert
werden. Mit einem Worte: Wissenschaft (kritisch gesucht und methodisch eingeleitet)
ist die enge Pforte, die zur Weisheitslehre führt, wenn unter dieser nicht
blos verstanden wird, was man thun, sondern was Lehrern zur Richtschnur
dienen soll, um den Weg zur Weisheit, den jedermann gehen soll, gut und
kenntlich zu bahnen und andere vor Irrwegen zu sicheren; eine Wissenschaft,
deren Aufbewahrerin jederzeit die Philosophie bleiben muß, an deren subtiler
Untersuchung das Publicum keinen Antheil, wohl aber an den Lehren zu nehmen
hat, die ihm nach einer solchen Bearbeitung allererst recht hell einleuchten
können. Werke hier auf der Homepage: Immanuel Kant - Einführung - Immanuel Kant - Wesentliches - Paare von Immanuel Kant finden - Immanuel Kant Puzzle - Alternative Kritik der reinen Vernunft
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