Der kategorische Imperativ ist die oberste und allgemeinste Handlungsanweisung in der Philosophie Immanuel Kants, das höchste Prinzip der Moral. In der Grundform lautet er: "Handle so, dass die Maxime (= subjektive Verhaltensregel) deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte."
Neben dieser Formel aus der "Kritik der praktischen Vernunft" (1788) nennt Kant bereits in seiner "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" (1785), in der er den kategorischen Imperativ entwickelt, weitere Varianten: "Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte." Und: "Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst."
Moralisch handelt demnach nur derjenige, der sich nicht von sinnlichen Bestimmungsgründen leiten lässt. Nicht wechselhafte Triebe, Bedürfnisse und Neigungen sollen den Willen bestimmen, sondern allein die Pflicht, dem Sittengesetz zu folgen. Nur dann handelt der Mensch nicht fremd-, sondern selbstbestimmt ("autonom") und rational. Freiheit - für Kant der Grundbegriff der Moral heißt nicht Schrankenlosigkeit, sondern Gehorsam gegen das selbst gegebene Sittengesetz, das jeder in seinem eigenen Gewissen erkennt.
"Kategorisch" heißt der Imperativ, weil er ohne jede Einschränkung gültig ist - im Unterschied zu hypothetischen Imperativen, die unter einer Bedingung stehen ("wenn ich x möchte, dann muss ich y tun"). Weil der kategorische Imperativ ausnahmslos jeden immer verpflichtet, gilt er schlechthin allgemein. Diese strenge Allgemeinheit wird zum Maßstab der Sittlichkeit: Sittlich handelt nur der, der sich an verallgemeinerungsfähigen Grundsätzen ("Maximen") ausrichtet.
Die Grundzüge Kantschen Denkens
Kritik der reinen Vernunft
Moses Mendelssohn legte das Werk irritiert beiseite
Ein Buch kann ein epochales Ereignis sein. Für kaum eines in der abendländischen Geistesgeschichte gilt dies mehr als für die "Kritik der reinen Vernunft", die Immanuel Kant 1781 veröffentlichte. Das fiel erst einmal niemandem auf. Der Berliner Philosoph Moses Mendelssohn, auf dessen Urteil der damals 57 Jahre alte Königsberger Professor besonders gespannt war, legte das Buch wegen seiner schwer verständlichen Sprache irritiert beiseite. Die erste Rezension, nach einem halben Jahr, zeigte, dass der Verfasser das 856-Seiten-Werk nicht ausreichend verstanden hatte. Erst nach Jahren wurde seine bis heute reichende fundamentale Bedeutung allmählich erkannt.
Schopenhauer sieht darin später einen Meilenstein
Der später selbst berühmte Arthur Schopenhauer (1788-1860) nannte es "das wichtigste Buch, das jemals in Europa geschrieben worden". Wer sich jetzt durch die Würdigungen Kants aus Anlass seines 200. Todestags zur Lektüre versucht fühlen sollte, sei jedoch von Kant-Kennern gewarnt: Kant ohne gründliche philosophische Schulung lesen zu wollen, sei wie den Mount Everest barfuß besteigen oder den Atlantik mit der Kraft der eigenen Arme durchschwimmen zu wollen.
"Was kann ich wissen?", "Was soll ich tun?", "Was darf ich hoffen?"
Kants Philosophie war der Versuch, drei Fragen von grundlegender philosophischer Bedeutung zu beantworten: "Was kann ich wissen?", "Was soll ich tun?" und "Was darf ich hoffen?". Die "Kritik der reinen Vernunft", das heißt die kritische Analyse der nur aus sich selbst schöpfenden, sich nichts aus der Erfahrung holenden Vernunft, gilt der ersten Frage.
Eine "kopernikanische Wende" im Denken
Das Ergebnis ist eine "kopernikanische Wende" im Denken: Kant widerlegt die natürliche Wahrnehmung, wonach die äußeren Gegenstände an sich gegeben sind und von uns als solche erkannt werden. In Wirklichkeit sei es umgekehrt: Die Erkenntnis richtet sich nicht nach den Gegenständen, sondern die Gegenstände nach der Form unserer Erkenntnis. Die Dinge erscheinen nicht von selbst, sondern ihre Erscheinung wird erst vom erkennenden Subjekt - mit seinen Anschauungsformen Zeit und Raum - produziert
Begründung des deutschen Idealismus
Dieser Grundgedanke hat den "Deutschen Idealismus" (Fichte, Schelling, Hegel) ausgelöst, die größte Epoche der deutschen Philosophie. Ein zentrales Ergebnis der Analyse Kants ist auch, dass die Erkenntnismöglichkeiten des Menschen nicht die Antwort auf die traditionellen Fragen der Metaphysik nach Gott und dem Wesen der Seele einschließen. Kant schreibt sie dem Bereich der "Dinge an sich" zu: Sie sind zwar denkbar, aber nicht erkennbar.
Kategorischer Imperativ
Der Frage nach dem richtigen Handeln gilt die sieben Jahre später veröffentlichte "Kritik der praktischen Vernunft". Als oberste und allgemeinste Handlungsanweisung, als "kategorischen Imperativ", formuliert Kant hier: "Handle so, dass die Maxime (= subjektive Verhaltensregel) deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte."
Die Frage nach dem Hoffen beantwortet er in seiner Religions- und seiner Geschichtsphilosophie. Gott ist entsprechend der "Kritik der reinen Vernunft" nicht ein Gegenstand des Wissens und der objektiven Erkenntnis, sondern des Hoffens allerdings nicht eines schwärmerischen, sondern eines philosophisch begründeten Hoffens. Kant sagt: Gott ist ein "Postulat" der rein praktischen Vernunft. Das heißt: Seine Existenz ist zwar unbeweisbar, aber die Vernunft nötigt, an Gott zu glauben.
Hochaktuelle Gedanken
In seinen teils unter dem Eindruck der Französischen Revolution (1789) verfassten philosophischen Texten zur Geschichte und Politik beschreibt er die Hoffnung im Blick auf die äußere Freiheit und das Recht. Wie aktuell etwa seine Schrift "Zum ewigen Frieden" (1795) ist, hat sich in der Diskussion um den Irak-Krieg gezeigt: "Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staats gewalttätig einmischen", schreibt Kant. Er plädiert bereits für die politische Gewaltenteilung, für das rechtsförmige Zusammenleben der Staaten und für eine weltumspannende Friedensgemeinschaft im Rahmen eines Völkerbundes - Vorstellungen, die erst im 20. Jahrhundert, zum Beispiel mit Gründung der Vereinten Nationen, umgesetzt wurden. Doch Kants epochale Bedeutung liegt vor allem darin, Perspektiven und Begriffe der Philosophie radikal verändert zu haben. Geistesgeschichtlich ist der größte deutsche Philosoph der europäischen Aufklärung zuzurechnen. Er nahm ihren Wahlspruch auf: "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen". Doch ging er darüber hinaus, indem er zu den Schranken der reinen Vernunft vorstieß und das Denken auf eine höhere Stufe der Klarheit und Reflexion stellte.
Biografie und Werke Immanuel Kants
-geboren am 22.4.1724 in Königsberg
-von 1740 bis 1746 Besuch des streng pietistischen Gymnasiums Fridericianum in Königsberg
-Studium von 1732 bis 1740 er an der Königsberger Universität; danach unterrichtete er als Hauslehrer (Hofmeister)
-1754 Rückkehr nach Königsberg, Promotion und Habilitation, umfangreiche Vorlesungstätigkeit in Logik, Metaphysik, Moralphilosophie, Mathematik, Physik, Geographie, später auch Anthropologie, Pädagogik, Naturrecht, natürliche Theologie, gelegentlich auch Festungsbau
-1766 Kant tritt als Unterbibliothekar an der Königlichen Schlossbibliothek in Königsberg seine erste Amtsstelle an.
-1770 Professur für Logik und Metaphysik in Königsberg
Rufe nach Erlangen, Jena und Halle lehnte er ab.
-1772 Aufgabe der Arbeit in der Bibliothek
-1787 Umzug ins eigene Haus
-1796 Einstellung seiner Vorlesungstätigkeit
-1801 Rückzug aus allen akademischen Ämtern
-gestorben am 12.2.1804 in Königsberg.
Werke:
1746 Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte
1755 Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels
1763 Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
1764 Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral
1764 Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen
1766 Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik
1770 De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis (Inauguraldissertation)
1781 Kritik der reinen Vernunft
1783 Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können
1785 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
1786 Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft
1787 Kritik der reinen Vernunft (zweite, wesentlich veränderte Auflage)
1788 Kritik der praktischen Vernunft
1790 Kritik der Urteilskraft
1793 Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft
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