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Käufer. Wie soll ich das verstehen? Ich wäre ein anderer und nicht der, der jetzt mit dir spricht?

Pythagoras. Jetzt bist du freylich der, aber ehemals erschienst du in einem andern Leibe und unter einem andern Nahmen, und zu seiner Zeit wirst du wieder in einen andern Leib übergehen und einen andern Nahmen führen.

Käufer. Du meinst ich werde unsterblich seyn und in allerley Gestalten verwandelt werden? Aber genug hievon! Was ist deine gewöhnliche Kost?

Pythagoras. Ich esse nichts worin eine Seele gewesen ist; sonst alles, nur keine Bohnen.

Käufer. Warum hast du einen solchen Abscheu vor Bohnen?

Pythagoras. Ich habe keinen Abscheu vor ihnen; aber sie sind heilig, und es ist etwas wundervolles in ihrer Natur. Denn fürs erste sind sie lauter Saame, und wenn du einer noch grünen Bohne die Haut abziehest, wirst du sehen daß sie den männlichen Zeugungsgliedern ähnlich sieht, setzest du sie hingegen gekocht eine gewisse Anzahl Nächte in den Mondschein so werden sie zu Blut werden; und, was noch das größte ist, die Athenienser haben ein Gesetz, ihre Magistratspersonen mit Bohnen zu erwählen.1)

Käufer. O vortreflich! du sprichst wie ein Orakel. - Nun, zieh dich aus, ich möchte dich auch nackend sehen2). - Großer Herkules! er hat einen goldnen Schenkel!3) Der Mann ist ein Gott, er kann kein bloßer Sterblicher seyn; den muß ich kaufen! was soll er kosten, Herr?

Merkur. Zehn Minen.

Käufer. So ist er mein, ich nehme ihn dafür.

Jupiter zu Merkur. Schreibe also den Nahmen und das Vaterland des Käufers.

Merkur. Er scheint mir ein Italiäner, aus der Gegend von Krotona und Tarent und dem dortigen Griechenlande zu seyn. Aber, wie ich sehe sind ihrer noch dreyhundert, die ihn gemeinschaftlich erstanden haben.4)

Jupiter. Sie können ihn nehmen! - Nun einen andern vorgeführt!

Merkur. Etwa den schmutzigen dort aus dem Pontus?

Jupiter. Recht gern.

Merkur. Hola, du mit dem Schnapsack und den nackten Schultern, tritt hervor und geh im Kreise bey den Anwesenden vorbey! - Da, meine Herren, biet' ich euch einen tapfern Mann aus, einen treflichen Mann, einen edeln freyen Mann. Wer kauft?

Käufer. Was sagst du da, Ausrufer? Du verkaufst einen freyen Menschen?

Merkur. Nicht anders.

Käufer. Und du fürchtest nicht daß er dich vor den Areopagus ziehen und des Menschenraubes anklagen werde?

Merkur. Es ist ihm ganz einerley ob er verkauft wird oder nicht, denn er glaubt überall unter allen Umständen frey zu seyn.

Käufer. Und wozu wäre denn ein so lumpichter Kerl, da es mit seinem Verstande so übel steht5), zu gebrauchen als höchstens zum Graben oder Wassertragen?

Merkur. Allenfalls kannst du ihn auch zum Thürhüter brauchen; das ist ein Amt, das er dir besser als der treuste Hund versehen wird; man nennt ihn auch nicht anders als den Hund.

Käufer. Wo ist er her, und wofür thut er sich denn eigentlich aus?

Merkur. Das Beste wird seyn du fragst ihn selbst.

Käufer. Er stiert so übellaunig und gefährlich unter seinen Wimpern hervor, daß ich besorge er möchte mich anbellen oder gar beissen, wenn ich ihm zu nahe komme. Siehst du nicht wie er seinen Knittel aufhebt, und die Augbraunen zusammenzieht und drohend und zornig umherblickt?

Merkur. Fürchte nichts, er ist from.

Käufer zu Diogenes. Fürs erste, guter Freund, wo bist du zu Hause?

Diogenes. Allenthalben.

Käufer. Was willst du damit sagen?

Diogenes. Daß ich ein Weltbürger bin.

Käufer. Hast du dir jemand zum Vorbilde genommen?6)

Diogenes. Den Herkules.

Käufer. Warum hängst du denn nicht auch eine Löwenhaut um? dein Knittel sieht so ziemlich seiner Keule ähnlich.

Diogenes. Dieser abgeschabene Mantel thut mir eben die Dienste wie eine Löwenhaut, und ich lebe, wie Herkules, in ewigem Kriege mit der Wollust, aber nicht auf Befehl eines andern (wie er) sondern freywillig, weil ich mir vorgesetzt habe die Welt von dieser Pest zu reinigen.

Käufer. Ein löbliches Vorhaben! Aber worauf verstehst du dich denn eigentlich? oder was für eine Profession hast du gelernt?

Diogenes. Ich bin ein Befreyer der Menschheit und ein Arzt ihrer Leidenschaften; überhaupt aber mache ich Profession, ein Prophet der Wahrheit und Freymüthigkeit zu seyn.

Käufer. Nun dann, Herr Prophet, wenn ich dich kaufe, wie gedenkst du mich zu behandeln?

Diogenes. Ich werde damit anfangen dir alles überflüssige auszuziehen, dich mit der Dürftigkeit in einen kleinen Winkel einzusperren, und in einen groben Kittel zu kleiden. Dann sollst du mir arbeiten bis du keinen Arm mehr fühlst, und auf dem harten Boden schlafen, und Wasser trinken und dich mit dem ersten besten, was dir der Zufall vorwirft, sättigen lernen. Dein Vermögen, falls du welches hast, wirfst du, wenn du mir folgest, ins Meer: du kümmerst dich nicht um Weib und Kinder noch Vaterland; alles was die Menschen treiben und worauf sie einen Werth legen, hältst du für Narrenspossen; du siehest dein väterliches Haus mit dem Rücken an, und wohnest in einem Grabmal, oder in einem zerfallenen Thurme, oder allenfalls in einer Tonne. Übrigens muß dein Schnapsack immer von Wolfsbohnen und auf beyden Seiten vollgeschriebnen Büchern strotzen.7) Wenn du dich einmal auf diesen Fuß gesetzt hast, wirst du dich glücklicher schätzen als den großen König; und solltest du auch in den Fall kommen ausgepeitscht oder auf die Folter gezogen zu werden, so wirst du so gleichgültig dabey seyn als ob es dich nicht schmerzte.


  1. daß diese albernen Ursachen, warum Pythagoras Bohnen zu essen verboten haben soll, auf Rechnung seiner spätern Ausleger komme, bedarf kaum erinnert zu werden. Aber das lustigste wäre, wenn er dieses Verbot, worüber sich seit mehr als 2000 Jahren so viele Gelehrte den Kopf zerbrochen haben, gar nicht gegeben hätte? Gewiß ist, daß Aristoxenus (ein Schüler des Aristoteles, und Verfasser eines Buches über den Pythagoras und seine Schüler, dessen Verlust zu beklagen ist) ausdrücklich versicherte: daß die Bohnen eines der gewöhnlichsten Gemüse der Pythagoräer gewesen seyen. (A. Gell. Noct. Att. IV. 11.) Aristoxenus konnte dieß sehr gut wissen, da er selbst einen Pythagoräer zum Lehrer gehabt hatte. Vermuthlich hatte die Vieldeutigkeit des Wortes kýamos den ersten Anlaß zu den spätern Mißdeutungen gegeben. Ob aber Pythagoras unter demselben, in einer wenigstens nicht gewöhnlichen Bedeutung, Eyer verstanden habe, wie schon Coetius Rhodiginus (Ant. Lect. XXVII. 17. p. 1510.) versichert, und ein Ungenannter in den Miscell. Observ. Crit. Vol. VI. p. 429. f. aus einer Stelle in Plutarchs Symposium zu beweisen sucht, ist eine Frage, deren Untersuchung nicht dieses Ortes ist. Zurück
     
  2. Eine Unziemlichkeit, welche Sclaven, die auf öffentlichem Markte verkauft wurden, sich gefallen lassen mußten. Zurück
     
  3. Dieses Mährchens ist schon oben im Hahn (in dieser Auswahl nicht enthalten) erwähnt worden. Da ein so ernsthafter Mann wie Plutarch sich nicht geschämt hatte, es in seinem Numa wieder aufzuwärmen, und deutlich zu verstehen zu geben, Pythagoras habe durch ich weiß nicht was für Zauber- oder Taschenspielerkünste zuwegegebracht, daß einer seiner Schenkel dem zu Olympia versammelten Volke, indem er mitten durch selbiges hindurchgegangen, golden geschienen habe: so ist Lukian um so eher zu entschuldigen, daß er einen solchen Umstand nicht unbenutzt ließ. Zurück
     
  4. So groß war (nach dem Diogenes Laert.) die Anzahl der öffentlichen und erklärten Jünger des Pythagoras zu Krotona. An einem andern Orte (Sect. 15.) giebt er ihm noch sechshundert, die (wie Nicodemus zu Christo) bey Nacht kamen, sich in seiner Lehre initiiren zu lassen. Zurück
     
  5. Lukian macht, wie wir sehen, seine Käufer zu ungelehrten Leuten, die nie etwas von der Sprache der Philosophen gehört haben, und Alles (wie z. B. hier das Wort Freyheit) in der vulgärsten Bedeutung nehmen. Daraus entstehen dann die häufigen Quiproquo's, die den größten Theil des Witzes in diesem Dialog ausmachen. Zurück
     
  6. Diese Frage wird hier bloß der Antwort zu gefallen gethan; welches in diesem Stücke öfters der Fall ist, und zu erkennen giebt, daß mehr Laune als Kunst in der Composition desselben herrsche. Zurück
     
  7. Gewöhnlich wurden die Bücherrollen (volumina) nur auf der inwendigen Seite voll geschrieben; die Cyniker, die sich in allem bloß auf das Unentbehrliche einschränkten und auch in den kleinsten Dingen sich von dem gewöhnlichen Costum entfernten, überschrieben ihre Bücher von aussen und innen; wie auch wohl andere, die zwar keine Cyniker aber eben so arme Teufel waren, aus Noth thaten. Zurück

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Ein herzlicher Dank an Volker für die Übersendung der Ursprungsdatei.

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