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Es ist sehr lächerlich von dir, sagte Ion, daß du bey Allem den Unglaubigen machen willst. Ich hätte aber wohl Lust, dich zu fragen, was du zu denen sagst die die Gabe haben die Besessenen zu befreyen, indem sie ihnen durch ihre Zauberformeln die Teufel sichtbarlich aus dem Leibe treiben? Doch, es ist überflüssig, viele Worte darüber zu verlieren: denn wem ist der Syrer aus Palästina1) unbekannt, der ein so großer Meister in dieser Kunst ist? und wer weiß nicht, wie viele, die beym bloßen Anblick des Mondes umfallen, die Augen verdrehen, den Schaum vor dem Munde stehen haben, kurz wie viele Mondsüchtige dieser Mann wieder auf die Füße stellt und gesund wieder nach Hause schickt, nachdem er die bösen Geister gegen baare Bezahlung aus ihnen ausgetrieben hat? Denn, wenn sie so vor ihm auf der Erde liegen, und er den Teufel fragt, woher er in diesen Leib gefahren sey? so spricht zwar der Kranke kein Wort: aber der Teufel antwortet auf Griechisch oder in einer barbarischen Sprache, und meldet sowohl wer er selbst ist, als wie und von wannen er in den Menschen gefahren: und dann wird er von ihm durch Beschwörung, und, wenn das noch nicht helfen will, durch Drohungen2) hinausgejagt. Ich selbst sah einmal einen solchen Teufel ausfahren, der ganz schwarz und wie geräuchert aussah.
Mich nimmt nicht Wunder, Ion, sagte ich, daß ein Mann wie du dergleichen Dinge sehen kann, da dir ja sogar die Ideen sichtbar werden, die euch euer Vater Plato zeigt, wiewohl wir andere stumpfsichtige Leute noch weniger als an einem verblichnen Gemählde daran zu sehen finden.
Ion ist wohl der einzige, der solche Dinge gesehen hat! - sagte Eukrates. Giebt es nicht viele andere, die bey Tag oder bey Nacht Gelegenheit gehabt haben, Geister zu sehen? Ich selbst habe nicht einmal, sondern zehntausendmal Geister gesehen. Anfangs, ich gestehe es, war mir nicht wohl dabey zu Muthe; jetzt aber bin ich es so gewohnt, daß ich gar nichts ausserordentliches mehr zu sehen glaube; zumal seit dem mir ein gewisser Araber einen Ring, der aus Eisen von einem Galgen gemacht ist3) gegeben, und mich die Beschwörung mit den vielen Nahmen dazu gelehrt hat - es wäre denn, daß du auch mir nicht glauben wolltest, Tychiades?
Ich bitte sehr um Verzeihung, antwortete ich: wie sollt' ich mir einfallen lassen können, dem Eukrates Dinons Sohn, nicht zu glauben, einem so weisen und gelehrten Manne, der sich seines Hausrechts bedient, und aus freyer Brust zwischen seinen eigenen vier Wänden sagt was ihm gut dünkt?
Die Geschichte mit der Bildsäule, fuhr Eukrates fort, kannst du nicht nur von mir, sondern von allen den meinigen hören: denn es ist keines von meinen Hausgenossen, jung und alt, das nicht in unzählichen Nächten ein Augenzeuge davon gewesen wäre. Welcher Bildsäule? - fragte ich.
Hast du, versetzte er, im Hereingehen das wunderschöne Bild nicht gesehen, ein Werk des berühmten Demetrius? -
Meynst du den Diskobolus, fiel ich ein, der sich in der Stellung einer Person, die im Begriff zu werfen ist, vorwärts beugt, den Kopf nach dem Mädchen kehrt die ihm den Discus hinreichte, das eine Knie ein wenig einbeugt, und ganz so aussieht, als ob er sich mit dem Wurfe zugleich in die Höhe richten werde?
Nein, sagte er, denn der Diskobolus von dem du sprichst, ist eines von Myrons4) Werken. Ich meyne auch nicht die andere, die neben ihm steht, die mit der Binde um den Kopf - auch ein schönes Stück - denn die ist vom Polykletus5). Aber lassen wir die Bilder, die den Hereingehenden rechter Hand stehen, worunter auch ein Paar von Kritias dem Nesioten sind, die Tyrannenmörder nehmlich. Aber wenn du eine Bildsäule neben dem Brunnen gesehen hast, mit etwas vorhängendem Bauche, kahl, nur halb bekleidet, mit einem Barte, von dessen Haaren der Wind einige zu bewegen scheint, und mit sehr stark angedeuteten Adern, kurz, das so ganz der Mann selbst ist, den es vorstellt, von diesem rede ich. Man glaubt daß es der alte Korinthische Feldherr Pelichus sey.
Beym Jupiter, rief ich, ich sah so eine Bildsäule dem Saturn zur rechten Hand stehen, mit Binden und verwelkten Blumenkränzen geziert, und über die Brust ganz mit Goldbleche bedeckt.
Ich habe sie so vergolden lassen, sagte Eukrates, da sie mich von einem dritten Rezidiv eines alltägigen Fiebers curierte, woran ich beynahe zu Grunde gegangen wäre.
Also, fragte ich ein wenig vorlaut, war dieser brave General Pelichus auch ein Arzt?
Das ist er, und ich rathe dir nicht zu spotten, versetzte Eukrates; es möchte dir bald genug übel bekommen! Ich weiß was diese Bildsäule, über die du lachest, zu thun im Stande ist. Oder meynst du nicht, wer alltägige Fieber vertreiben kann, könne sie einem auch auf den Hals schicken?
Ich bitte die Bildsäule herzlich um Verzeihung, versetzte ich; sie wird hoffentlich, da sie so tapfer ist, auch barmherzig seyn. Aber was seht ihr alle, so viel euer im Hause sind, sie denn noch anders thun? Sobald die Nacht eingebrochen ist, fuhr er fort, steigt sie von ihrem Fußgestell herab, und geht im ganzen Hause herum, zuweilen still, zuweilen auch singend; und es ist niemand im Hause, der ihr nicht öfters begegnet wäre, ohne daß sie nur einem einzigen das geringste Leid zugefügt hätte; man muß ihr nur aus dem Wege treten, so geht sie vorbey und thut niemand nichts der sie ansieht. Nicht selten badet sie sich auch, und spielt die ganze Nacht durch mit sich selbst, so daß man das Geräusch im Wasser deutlich hören kann.
Am Ende wird noch gar herauskommen, sagte ich, daß diese Statue nicht Pelichus sondern Talus, des Minos von Kreta Diener ist6); denn auch der war, in gewissem Sinne ehern, und spückte von Zeit zu Zeit in ganz Kreta herum. Und wenn sie, anstatt von Bronze, hölzern wäre, so wüßte ich nicht warum sie ein Werk des Demetrius, und nicht vielmehr eines von den berühmten Kunststücken des Dädalus7) seyn sollte, da sie, wie du sagst, eben so wie jene von ihrem Gestelle davon läuft.
Nimm dich in Acht, Tychiades, versetzte er; dein Spotten könnte dir noch theuer zu stehen kommen! Denn ich weiß wie übel es demjenigen bekam, der die Obolen, die wir ihm alle Neumonde zu opfern pflegen, gestohlen hatte.
Einem solchen Gottesräuber konnte es nicht schlimm genug ergehen, sagte Ion. Erzähl' es uns doch, Eukrates! denn ich wünsche es zu hören, wenn gleich der Tychiades hier wieder den Unglaubigen dabey machen wird.
Ein herzlicher Dank an Volker für die Übersendung der Ursprungsdatei.
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