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Diese geliebte, gepflegte, auf alle Weise geschmeidig gemachte Sprache war es nun, welche als Konversation die Basis der ganzen Geselligkeit ausmachte. Während im Norden der Adel und die Fürsten ihre Musse entweder einsam oder mit Kampf, Jagd, Gelagen und Zeremonien, die Bürger die ihrige mit Spielen und Leibesübungen, allenfalls auch mit Verskünsten und Festlichkeiten hinbrachten, gab es in Italien zu all diesem noch eine neutrale Sphäre, wo Leute jeder Herkunft, sobald sie das Talent und die Bildung dazu hatten, der Unterredung und dem Austausch von Ernst und Scherz in veredelter Form oblagen. Da die Bewirtung dabei Nebensache war1), so konnte man stumpfe und gefrässige Individuen ohne Schwierigkeit fernhalten. Wenn wir die Verfasser von Dialogen beim Wort nehmen dürften, so hätten auch die höchsten Probleme des Daseins das Gespräch zwischen auserwählten Geistern ausgefüllt; die Hervorbringung der erhabensten Gedanken wäre nicht, wie bei den Nordländern in der Regel, eine einsame, sondern eine mehrern gemeinsame gewesen. Doch wir beschränken uns hier gerne auf die spielende, um ihrer selbst willen vorhandene Geselligkeit.
Sie war wenigstens zu Anfang des 16. Jahrhunderts eine gesetzlich schöne und beruhte auf einem stillschweigenden, oft aber auch auf einem laut zugestandenen und vorgeschriebenen Uebereinkommen, welches sich frei nach der Zweckmässigkeit und dem Anstand richtet und das gerade Gegenteil von aller blassen Etikette ist. In derbern Lebenskreisen, wo dergleichen den Charakter einer dauernden Korporation annahm, gab es Statuten und förmlichen Eintritt, wie z. B. bei jenen tollen Gesellschaften florentinischer Künstler, von welchen Vasari erzählt2); ein solches Beisammenbleiben machte denn auch die Aufführung der wichtigsten damaligen Komödien möglich. Die leichtere Geselligkeit des Augenblickes dagegen nahm gerne die Vorschriften an, welche etwa die namhafteste Dame aussprach. Alle Welt kennt den Eingang von Boccaccios Decamerone und hält das Königtum der Pampinea über die Gesellschaft für eine angenehme Fiktion; um eine solche handelt es sich auch gewiss in diesem Falle, allein dieselbe beruht auf einer häufig vorkommenden wirklichen Uebung. Firenzuola, der fast zwei Jahrhunderte später seine Novellensammlung auf ähnliche Weise einleitet, kommt gewiss der Wirklichkeit noch viel näher, indem er seiner Gesellschaftskönigin eine förmliche Thronrede in den Mund legt, über die Einteilung der Zeit während des bevorstehenden gemeinsamen Landaufenthaltes: zuerst eine philosophische Morgenstunde, während man nach einer Anhöhe spaziert; dann die Tafel3) mit Lautenspiel und Gesang; darauf, in einem kühlen Raum, die Rezitation einer frischen Canzone, deren Thema jedesmal am Vorabend aufgegeben wird; ein abendlicher Spaziergang zu einer Quelle, wo man Platz nimmt und jedermann eine Novelle erzählt; endlich das Abendessen und heitere Gespräche »von solcher Art, dass sie für uns Frauen noch schicklich heissen können und bei euch Männern nicht vom Weine eingegeben scheinen müssen«. Bandello gibt in den Einleitungen oder Widmungen zu den einzelnen Novellen zwar nicht solche Einweihungsreden, indem die verschiedenen Gesellschaften, vor welchen seine Geschichten erzählt werden, bereits als gegebene Kreise existieren, allein er lässt auf andere Weise erraten, wie reich, vielartig und anmutig die gesellschaftlichen Voraussetzungen waren. Manche Leser werden denken, an einer Gesellschaft, welche so unmoralische Erzählungen anzuhören imstande war, sei nichts zu verlieren noch zu gewinnen. Richtiger möchte der Satz so lauten: auf welchen sichern Grundlagen musste eine Geselligkeit ruhen, die trotz jener Historien nicht aus den äussern Formen, nicht aus Rand und Band ging, die zwischen hinein wieder der ernsten Diskussion und Beratung fähig war. Das Bedürfnis nach höhern Formen des Umganges war eben stärker als alles. Man braucht dabei nicht die sehr idealisierte Gesellschaft als Massstab zu nehmen, welche Castiglione am Hofe Guidobaldos von Urbino, Pietro Bembo auf dem Schloss Asolo selbst über die höchsten Gefühle und Lebenszwecke reflektieren lassen. Gerade die Gesellschaft eines Bandello mitsamt den Frivolitäten, die sie sich bieten lässt, gibt den besten Masstab für den vornehm leichten Anstand, für das Grossweltswohlwollen und den echten Freisinn, auch für den Geist und den zierlichen poetischen und andern Dilettantismus, der diese Kreise belebte. Ein bedeutender Wink für den Wert einer solchen Geselligkeit liegt besonders darin, dass die Damen, welche deren Mittelpunkte bildeten, damit berühmt und hochgeachtet wurden, ohne dass es ihrem Ruf im geringsten schadete. Von den Gönnerinnen Bandellos z. B. ist wohl Isabella Gonzaga, geborene Este (S. 70) durch ihren Hof von lockern Fräulein4), aber nicht durch ihr eigenes Benehmen in ungünstige Nachrede geraten; Giulia Gonzaga Colonna, Ippolita Sforza vermählte Bentivoglio, Bianca Rangona, Cecilia Gallerana, Camilla Scarampa u. a. waren entweder völlig unbescholten oder es wurde auf ihr sonstiges Benehmen kein Gewicht gelegt neben ihrem sozialen Ruhm. Die berühmteste Dame von Italien, Vittoria Colonna, war vollends eine Heilige. Was nun Spezielles von dem zwanglosen Zeitvertreib jener Kreise in der Stadt, auf der Villa, in Badeorten gemeldet wird, lässt sich nicht so wiedergeben, dass daraus die Superiorität über die Geselligkeit des übrigen Europas buchstäblich klar würde. Aber man höre Bandello an5) und frage sich dann nach der Möglichkeit von etwas Aehnlichem z. B. in Frankreich, bevor diese Art von Geselligkeit eben durch Leute wie er aus Italien dorthin verpflanzt worden war. - Gewiss wurde auch damals das Grösste im Gebiet des Geistes hervorgebracht ohne die Beihülfe solcher Salons und ohne Rücksicht auf sie; doch täte man Unrecht, ihren Wert für die Bewegung von Kunst und Poesie gar zu gering zu schätzen, wäre es auch nur, weil sie das schaffen halfen, was damals in keinem Lande existierte: eine gleichartige Beurteilung und Teilnahme für die Produktionen. Abgesehen davon ist diese Art von Geselligkeit schon als solche eine notwendige Blüte jener bestimmten Kultur und Existenz, welche damals eine italienische war und seitdem eine europäische geworden ist.
In Florenz wird das Gesellschaftsleben stark bedingt von seiten der Literatur und der Politik. Lorenzo magnifico ist vor allem eine Persönlichkeit, welche nicht, wie man glauben möchte, durch die fürstengleiche Stellung, sondern durch das ausserordentliche Naturell seine Umgebung vollständig beherrscht, eben weil er diese unter sich so verschiedenen Menschen in Freiheit sich ergehen lässt6). Man sieht z. B., wie er seinen grossen Hauslehrer Poliziano schonte, wie die souveränen Manieren des Gelehrten und Dichters eben noch kaum verträglich waren mit den notwendigen Schranken, welche der sich vorbereitende Fürstenrang des Hauses und die Rücksicht auf die empfindliche Gemahlin vorschrieben; dafür ist aber Poliziano der Herold und das wandelnde Symbol des mediceischen Ruhmes. Lorenzo freut sich dann auch recht in der Weise eines Medici, sein geselliges Vergnügen selber zu verherrlichen, monumental darzustellen. In der herrlich improvisierten »Falkenjagd« schildert er seine Genossen scherzhaft, in dem »Gelage« sogar höchst burlesk, allein so, dass man die Fähigkeit des ernsthaftesten Verkehrs deutlich durchfühlt7). Von diesem Verkehr geben dann seine Korrespondenz und die Nachrichten über seine gelehrte und philosophische Konversation reichliche Kunde. Andere spätere gesellige Kreise in Florenz sind zum Teil theoretisierende politische Klubs, die zugleich eine poetische und philosophische Seite haben wie z. B. die sogenannte platonische Akademie, als sie sich nach Lorenzos Tode in den Gärten der Ruccellai versammelte8).
An den Fürstenhöfen hing natürlich die Geselligkeit von der Person des Herrschers ab. Es gab ihrer allerdings seit Anfang des 16. Jahrhunderts nur noch wenige, und diese konnten nur geringernteils in dieser Beziehung etwas bedeuten. Rom hatte seinen wahrhaft einzigen Hof Leos X., eine Gesellschaft von so besonderer Art, wie sie sonst in der Weltgeschichte nicht wieder vorkommt.
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