- Startseite - Impressum - Datenschutzerklärung - News - https://offenunddirekt.de - Mein Gratis-Coaching für Dich - Kraft tanken - Religion - Kunst - Technik - Literatur - Kultur - Politik - Architektur - Spaß - Psychologie - Spiele - Fotos + Videos + Animationen - Gästebuch - Sitemap - Persönliches - Blog - erstes Rätsel - Chat - Quiz - Rätselverzeichnis - Wie alles begann ... - Zufallsrätsel - Zufallsspiel - letztes Rätsel

Galerie - A - B - C - D - E - F- G - H - I - J - K - L - M - N - O - P - Q - R - S - T - U - V - W - X - Y - Z

Laotse - Tao Te King - Weisheiten

Tao Te King - übersetzt von Richard Wilhelm
Was wir von dem Verfasser der vorliegenden Aphorismensammlung historisch Beglaubigtes wissen, geht sehr eng zusammen. Es ist so wenig, daß die Kritik vielfach gar nichts mehr davon bemerkte und ihm samt seinem Werk im Gebiet der Mythenbildung den Platz anwies. Der Name Laotse, unter dem er in Europa bekannt ist, ist gar kein Eigenname, sondern ein Appellativum und wird am besten übersetzt mit "der Alte". Laotse stammt wohl aus der heutigen Provinz Honan, der südlichsten der sogenannten Nordprovinzen, und mag wohl ein halbes Jahrhundert älter gewesen sein als Kung (Konfuzius), so daß seine Geburt auf das Ende des 7. vorchristlichen Jahrhunderts fällt. Im Lauf der Zeit hatte er am kaiserlichen Hof, der damals in Loyang (in der heutigen Provinz Honan) war, ein Amt als Archivar bekleidet.
Als die öffentlichen Zustände sich so verschlimmerten, daß keine Aussicht auf die Herstellung der Ordnung mehr vorhanden war, soll Laotse sich zurückgezogen haben. Als er an den Grenzpaß Han Gu gekommen sei, nach späterer Tradition auf einem schwarzen Ochsen reitend, habe ihn der Grenzbeamte Yin Hi gebeten, ihm etwas Schriftliches zu hinterlassen. Darauf habe er den Tao te king, bestehend aus mehr als 5000 chinesischen Zeichen, niedergeschrieben und ihm übergeben. Dann sei er nach Westen gegangen, kein Mensch weiß wohin. Daß auch an diese Erzählung sich die Sage geknüpft hat, die Laotse nach Indien führte und dort mit dem Buddha in Berührung kommen ließ, ist verständlich. Irgendeine persönliche Berührung zwischen Laotse und Buddha ist jedoch vollkommen ausgeschlossen. Man hat da spätere Umstände in das historische Bild zurückgetragen.
In der Han-Dynastie wenden sich mehrere Kaiser dem Studium des Tao te king zu, so besonders Han Wen Di (197-157 v. Chr.), dessen friedliche und einfache Regierungsart als direkte Frucht der Lehren des alten Weisen bezeichnet wird. Sein Sohn Han Ging Di (156-140 v. Chr.) legt endlich dem Buch die Bezeichnung "Tao te king" (Dau De Ging, d.h. "das klassische Buch vom Sinn und Leben") bei, die es seither in China behalten hat.
Die ganze Metaphysik des Tao te king ist aufgebaut auf einer grundlegenden Intuition, die der streng begrifflichen Fixierung unzugänglich ist und die Laotse, um einen Namen zu haben, "notdürftig" mit dem Worte TAO (sprich: Dau) bezeichnet. In Beziehung auf die richtige Übersetzung dieses Wortes herrschte von Anfang an viel Meinungsverschiedenheit. "Gott", "Weg", "Vernunft", "Wort" sind nur ein paar der vorgeschlagenen Übersetzungen, während ein Teil der Übersetzer einfach das "Tao" unübertragen in die europäischen Sprachen herübernimmt. Im Grunde genommen kommt auf den Ausdruck wenig an, da er ja auch für Laotse selbst nur sozusagen ein algebraisches Zeichen für etwas Unaussprechliches ist.

1. Vom Ursprung des Tao
Der Weg, der beschrieben werden kann
ist nicht der ewige Weg
Der Name, der genannt werden kann
ist nicht der ewige Name
Das Namenlose ist der Ursprung des Himmels und der Erde
Das Namhafte ist die Mutter aller Dinge
Darum:
Wer ohne Begehren ist
sieht das Innere
wer voll Begehren ist
sieht nur das Äußere
Der Ursprung ist der gleiche
die Namen sind verschieden
Ihre Einheit ist dunkel
dunkel im Dunkel
- das Tor zum Geheimnis
2. Vom Gegensatz
Wer da sagt Schön
schafft zugleich Unschön
Wer da sagt Gut
schafft zugleich Ungut
Sein bedingt Nichtsein
Schwer ergänzt Leicht
Lang bemisst Kurz
Hoch erzeugt Niedrig
Laut bestimmt Leise
Jetzt folgt Einst
Darum der Weise:
handelt ohne Tun
lehrt ohne Worte
Dinge entstehen und vergehen
er erzeugt, ohne zu besitzen
er handelt, ohne zu erwarten
er vollendet, ohne zu verweilen
Indem er sein Werk vergisst
bleibt es unvergessen
3. Vom Ausgleich
Begabte nicht zu bevorzugen
hilft Streit zu vermeiden
Schätze nicht zu sammeln
hilft Diebstahl zu verhindern
Begehrenswertes nicht zu beachten
hilft Verwirrung vorzubeugen
Darum der Weise:
Er leert das Herz
und füllt den Bauch
Er mindert das Begehren
und mehrt die Kraft
Er lehrt das Volk
Einfachheit und Genügsamkeit
Er lehrt die Wissenden
nicht einzugreifen
Er wirkt ohne Handeln
und nichts bleibt ungetan
4. Vom Wesen des Tao
Das Tao ist leer
sein Gebrauch
unerschöpflich
in seiner Tiefe
der Ursprung aller Dinge
Es bricht die Schärfe
löst die Verwirrung
mindert den Glanz
findet den Grund
Still verschwiegen, tief verborgen
weiß ich nicht, woher es kommt
Es ist der Ursprung des Himmels
5. Von der Natur
Himmel und Erde sind gleichgültig
alle Dinge sind ohne Bedeutung
Die Weisen sind gleichgültig
alle Menschen sind ohne Bedeutung
Der Raum zwischen Himmel und Erde
ist wie ein Blasebalg
seine Leere ist seine Fülle
Viele Worte sind schnell erschöpft
besser ist, das Innere zu bewahren.
6. Vom Tiefgründigen
Die tiefe Ruhe ist unvergänglich
Sie ist das tiefe Weibliche
des tiefen Weiblichen Pforte
die Wurzel des Himmels und der Erde
Wer sie bewahrt
wirkt ohne Mühe.
7. Von der Selbstlosigkeit
Himmel und Erde sind immer und ewig.
Warum sind sie immer und ewig?
Weil sie nicht sich selber leben
darum leben sie selbst
immer und ewig
Darum der Weise:
er tritt zurück
daher ist er voraus
er verliert sich selbst
und bewahrt sich dabei selbst
Ist es nicht so:
weil er selbstlos ist
kann er sich selbst vollenden
8. Vom Weg des Wassers
Das höchste Gut ist wie Wasser
Wasser ist gut
allen Wesen zu dienen
Es bemüht sich nicht
und bleibt an Orten
die Menschen verachten.
Darin gleicht es dem Tao
Der Wert des Hauses liegt im Ort
Der Wert des Herzens liegt in der Tiefe
Der Wert des Miteinander liegt in der Güte
Der Wert der Rede liegt in der Wahrheit
Der Wert der Führung liegt in der Ordnung
Der Wert der Arbeit liegt im Können
Der Wert des Handelns liegt im Zeitpunkt
Kein Begehren - kein Tadel
9. Von der Gefahr des Erfolgs
Besser ein Gefäß ungefüllt lassen
als bis zum Rande füllen
Besser ein Schwert nicht schärfen
als durch Schleifen abzustumpfen
Ein Haus voller Reichtum
ist auf Dauer nicht zu schützen
Der Stolz auf Ehre und Ruhm
ist der Beginn des Unheils
Ist das Werk getan
tritt der Weise zurück
Das ist der Weg des Himmels
10. Vom Wirken
Wenn du die Seele förderst und das Eine umfängst
kannst du ungeteilt sein
Wenn du dich hingibst und biegsam wirst
kannst du wie ein Kind sein
Wenn du die Einsicht reinigst und läuterst
kannst du makellos sein
Wenn du das Volk liebst beim Lenken des Reiches
kannst du tatenlos sein
Wenn du die Tore des Himmels öffnest und schliesst
kannst du nährend sein
Wenn du klar und durchdringend bist
kannst du unwissend sein
Erzeugen und ernähren
Innehaben doch nicht zu besitzen
Wirken doch nicht beanspruchen
Leiten doch nicht zu beherrschen
das ist ursprüngliche Tugend
11. Vom Nutzen der Leere
Dreißig Speichen treffen die Nabe
Die Leere in der Mitte
macht das Rad
Ton formt man zu einem Krug
Die Leere in der Mitte
macht das Gefäß
Türen und Fenster bricht man in Mauern
Die Leere in der Mitte
macht das Haus
Darum:
Die Form entsteht aus dem Sein
Die Verwendung aus dem Nicht-Sein
12. Vom Überfluss
Zuviele Farben gefährden das Sehen
Zuviele Töne töten das Hören
Zuviele Kost kostet den Geschmack
Zuviel Zerstreuung erzeugt Verwirrung
Zuviel Besitz besitzt den Besitzenden
Darum der Weise:
achtet auf das Innere
nicht auf das Äußere
Er gibt jenes auf
und erhält dieses
13. Vom Selbst
Glück und Unglück verursachen Furcht
Leben und Tod liegen in unserem Selbst
Was heißt:
Glück und Unglück verursachen Furcht?
Glück zu erlangen,
Glück zu verlieren
ist zu fürchten
Was heißt:
Leben und Tod liegen in unserem Selbst?
Die Wurzel unserer Angst
liegt im Selbst
Wenn wir selbstlos sind
wovor sollten wir Angst haben?
Darum:
Wer die Welt als sein Selbst achtet
dem kann man die Welt überlassen
Wer die Welt als sein Selbst liebt
dem kann man die Welt anvertrauen
14. Vom Urtümlichen
Wer es ansieht, sieht es nicht
es ist das Unsichtbare
Wer es anhört, hört es nicht
es ist das Unhörbare
Wer es anfasst, fasst es nicht
es ist das Unfassbare
Diese Drei sind untrennbar
sie sind verbunden und das Eine
Sein Aufgehen ohne Helligkeit
sein Untergehen ohne Dunkelheit
Es ist das Unendliche
Es ist das Unnennbare
Es verschwindet im Wiederkehren
Es ist die Form des Formlosen
Es ist das Bild des Bildlosen
unbegreiflich und unerkennbar
Vor ihm ist kein Anfang
Nach ihm ist kein Ende
Wer dem Tao der Vergangenheit folgt
führt das Dasein in der Gegenwart
Wer um den Anfang weiß
kennt den rechten Weg
15. Von den alten Weisen
Die alten Weisen
waren im Tao bewandert
weise und tiefsinnig
verborgen und unerkannt
nicht zu ergründen
nur zu beschreiben:
Ihre Haltung war
behutsam, wie beim Überqueren eines Flusses im Winter
vorsichtig, wie bei drohender Gefahr
zurückhaltend, wie willkommene Gäste
nachgebend, wie schmelzendes Eis
einfach, wie rohes Holz
offen, wie ein weites Tal
anspruchslos, wie trübes Wasser
Wer wie ein trübes Wasser sein kann
kann in Stille zur Klarheit gelangen
Wer in Bewegung behutsam ist
kann in Ruhe zur Beständigkeit gelangen
Wer dem Weg folgt
sucht nicht den Überfluss
Weil er nicht den Überfluss sucht
bleibt er unvollendet
weder alt noch neu
16. Vom Ewigen
Erreiche die große Leere
bewahre die tiefe Stille
Alle Dinge entstehen und vergehen
betrachte ihre Wiederkehr
Alles kehrt zum Ursprung zurück
Die Rückkehr zum Ursprung ist Stille
dies ist der Weg der Natur
Der Weg der Natur ist ewig
Das Ewige zu kennen bringt Einsicht
Das Ewige nicht zu kennen bringt Unheil
Das Ewige zu kennen macht geduldig
geduldig zu sein macht redlich
redlich zu sein macht edel
edel zu sein macht natürlich
natürlich zu sein ist der rechte Weg
Wer den rechten Weg geht
ist ohne Zeit
selbst wenn er vergeht
dauert er fort
17. Vom Herrscher
Die besten Herrscher waren kaum gekannt
die folgenden geliebt und geehrt
die folgenden gefürchtet
die letzten verachtet
Wer selbst kein Vertrauen hat
wird auch kein Vertrauen finden
Wählt er seine Weisung mit Bedacht
werden die Werke vollendet
dem Willen willfahren
und das Volk sagt:
Wir sind frei
18. Vom Verfall
Wird der rechte Weg verlassen
entstehen Güte und Moral
Wissen und Klugheit kommen auf
und große Heuchelei folgt
Zerbricht die Eintracht der Familie
entsteht Kindespflicht und Elternliebe
Wenn das Land in Wirren und Chaos gerät
treten ergebene Staatsdiener auf
19. Von der Schlichtheit
Brich mit der Weisheit
verwerfe die Klugheit
das Volk wird vielfachen Nutzen haben
Brich mit dem Wohlwollen
verwerfe die Pflichten
das Volk wird wie eine Familie sein
Brich mit der Geschicklichkeit
verwerfe den Vorteil
Räuber und Diebe werden verschwinden
Diese Drei sind äußerlich
für sich selbst ungenügend
Darum folge den Grundsätzen:
Erkenne das Einfache
Pflege das Schlichte
Lege die Selbstsucht ab
Mäßige das Verlangen
20. Von der Freiheit
Gib das Wissen auf
Sei ohne Angst
Gibt es einen Unterschied zwischen Ja und Nein?
Gibt es einen Unterschied zwischen Gut und Böse?
Muss ich fürchten, was alle fürchten?
Welch ein Unsinn !
Die Masse freut sich am Tieropfer
und im Frühling am Besteigen der Berge
Ich allein bleibe still, ohne Schicksal
wie ein neugeborenes Kind
wie einer ohne Heimat
Andere besitzen in Fülle
mich erfüllt Besitzlosigkeit
ich bin wie ein Narr
verloren und verwirrt
Andere scheinen hell und klar
ich scheine dunkel und trübe
Andere scheinen klug und erleuchtet
ich scheine dumm und umnachtet
schwankend wie das Meer
haltlos wie der Wind
Andere sind geschäftig
ich bin fern wie ein Einsiedler
Ich bin anders als die andern
mich ernährt die Große Mutter
21. Vom Unfassbaren
Die höchste Tugend ist
dem rechten Weg zu folgen
Der rechte Weg ist
unfassbar und unbegreiflich
Unfassbar und unbegreiflich
ist sein innerstes Bild
Unfassbar und unbegreiflich
ist seine innerste Form
Verborgen und unergründlich
ist sein innerstes Wesen
Sein Wesen ist die Wirklichkeit
Sein Innerstes ist die Wahrheit
von damals bis heute
ist sein Name immer gleich
am Anfang aller Dinge
Woher ich vom Anfang aller Dinge weiß?
Eben durch dies
22. Vom Sichbescheiden
Was nachgibt, wird vollkommen
was biegsam ist, wird gerade
was leer ist, wird voll
was vergeht, wird neu
was zuwenig ist, wird bereichernd
was zuviel ist, wird verwirrend
Darum hält sich der Weise an das Eine
und wird zum Vorbild der Welt:
Er beachtet sich nicht
und ist darum geachtet
Er schätzt sich nicht
und ist darum geschätzt
Er rühmt sich nicht
und ist darum berühmt
Er bewundert sich nicht
und wird darum bewundert
Weil er nicht streitet
kann niemand mit ihm streiten
Ist es nicht wahr,
was die Alten sagten?
Was nachgibt, wird vollkommen
So waren sie vollkommen
23. Vom Einswerden
Die Natur spricht wenig
Ein Sturmwind dauert keinen Morgen
ein Platzregen dauert keinen Tag
Beides bewirkt die Natur
Wenn die Natur nicht dauert
wieviel weniger der Mensch
Darum:
Wer dem rechten Weg folgt
wird eins mit dem Weg
Wer der rechten Tugend folgt
wird eins mit der Tugend
Wer der Leere folgt
wird eins mit der Leere
Wer eins wird mit dem rechten Weg
den nimmt der rechte Weg freudig auf
Wer eins wird mit der Tugend
und nimmt die Tugend freudig auf
Wer eins wird mit der Leere
den nimmt die Leere freudig auf
Wer nicht genügend vertraut
wird kein Vertrauen finden
24. Von der Übertreibung
Wer auf den Zehen steht
steht nicht gut
Wer seine Beine spreizt
geht nicht gut
Wer sich zur Schau stellt
ist nicht erleuchtet
Wer selbstgerecht ist
wird nicht geachtet
Wer sich selbst rühmt
hat keine Ehre
Wer sich selbst bewundert
hat keine Größe
In Hinblick auf den rechten Weg
ist dies nutzlose Übertreibung
jeder verabscheut es
Darum:
Wer auf dem rechten Weg ist
hält sich nicht damit auf
25. Von der Größe des Tao
Ehe Himmel und Erde entstanden
bestand ein geheimnisvoll Unbestimmtes
schweigend, abgeschieden,
einzig und unwandelbar,
ewig kreisend in Bewegung
es gilt als Mutter der Welt
Ich kenne seinen Namen nicht
ich nenne es Tao
sein Name ist groß
groß heißt vergehend
vergehend heißt entfernt
entfernt heißt wiederkehrend
Darum:
Das Tao ist groß
der Himmel ist groß
die Erde ist groß
der Mensch ist auch groß
das sind die vier Großen des Alls
Der Mensch ist einer davon
Der Mensch folgt der Erde
die Erde folgt dem Himmel
der Himmel folgt dem Tao
Das Tao folgt sich selbst
26. Vom Schweren
Das Schwere begründet das Leichte
Die Stille beruhigt das Laute
Darum reist der Weise leicht
und nimmt das Schwere mit sich
Glanz lässt ihn gelassen
Wenn der Herrscher
die Welt leichtnimmt
wird er leichtfertig
und verliert den Halt
wird er rastlos
verliert er die Herrschaft
27. Vom Vorteil des Mangels
Ein guter Weg hat keine Spur
eine gute Rede keine Schrift
ein guter Rechner keine Rechnung
ein gutes Tor keinen Riegel
- und ist doch nicht zu öffnen
ein guter Knoten zieht nicht fest
- und ist doch nicht zu lösen
Darum der Weise
nimmt sich aller Menschen an
und schließt niemanden aus
Er nimmt sich aller Dinge an
und verwirft nichts
Er erhellt alles
So ist der Weise
dem Schwachen ein Lehrer
der Schwache
dem Weisen eine Hilfe
Wer den Lehrer nicht schätzt
und die Hilfe nicht annimmt
geht in die Irre
so klug er auch sein mag
Darin liegt das Geheimnis
28. Vom Bewahren
Erkenne das Männliche
bewahre das Weibliche
darauf beruht die Welt
Wer die Welt bewahrt
ist der Tugend nah
wie ein kleines Kind
Erkenne das Helle
bewahre das Dunkle
sei der Welt ein Vorbild
Wer der Welt ein Vorbild ist
erhält die Tugend
und kehrt zurück
ins Unendliche
Erkenne den Ruhm
bewahre die Bescheidenheit
sei die Tiefe der Welt
Wer die Tiefe der Welt ist
ist von Tugend erfüllt
und kehrt zurück
ins Einfache
Wer das Einfache teilt
macht daraus Nützliches
Macht der Weise sich nützlich
wird ein Beamter aus ihm
Darum teilt das Tao nicht
29. Vom Nicht-Tun
Wer sich der Welt bemächtigen
und sie verändern will
dem wird es nicht gelingen
denn die Welt ist ein heiliges Gefäß
sie kann nicht verbessert werden
Wer sie verändert, verdirbt sie
wer sie festhält, verliert sie
In der Ordnung der Natur
ist Führen und Folgen
Einatmen und Ausatmen
Stärke und Schwäche
Aufstieg und Fall
Darum meidet der Weise
das Großartige
das Besondere
das Übermaß
30. Vom Krieg
Wer auf dem rechten Weg
den Herrscher berät
ist gegen Waffengewalt
Unter Waffen gehen
heißt untergehen
Hinter den Heeren
wachsen Disteln und Dornen
Große Armeen
bringen große Armut
Erreiche dein Ziel
das ist genug
Vertraue nicht den Waffen
Erreiche dein Ziel
ohne Stolz
ohne Prahlen
ohne Hochmut
aus Notwendigkeit
aber hüte dich
vor der Gewalt
Denn nach dem Sieg
folgt der Niedergang
ohne den rechten Weg
Ohne den rechten Weg
geht es rasch zu Ende
31. Von den Waffen
Waffen sind Werkzeuge des Unglücks
bei allen Geschöpfen verhasst
Wer den rechten Weg geht
der läßt sie liegen
Der Weise liebt das Schöpferische
der Krieger liebt das Zerstörerische
Waffen sind Werkzeuge des Unglücks
und nicht Werkzeuge des Weisen
Er verwendet sie nur
wenn er keine Wahl hat
Ruhe und Friede sind ihm das Höchste
Und ein Sieg ist kein Grund zur Freude
Freude am Siegen ist Freude am Töten
Wer jedoch Freude am Töten hat
wird in der Welt keine Erfüllung finden
Wenn viele Menschen getötet werden
müssen sie voll Kummer betrauert werden
Darum ist jeder Sieg eine Trauerfeier
32. Von der Einheit des Tao
Der rechte Weg ist ewig
von namenloser Schlichtheit
und obwohl unscheinbar
kann er nicht erfasst werden
Wären die Herrscher fähig
den Weg zu bewahren
würden alle Wesen folgen
Himmel und Erde sich vereinigen
um süßen Tau zu regnen
und das Volk, ohne Zwang
wäre redlich und einig.
Beginnt die Unterscheidung
so entstehen Begriffe
Wenn Begriffe auftauchen
ist es besser innezuhalten
Weiß man innezuhalten
entsteht keine Gefahr
Der rechte Weg ist in der Welt
wie Bäche und Flüsse
in den Strömen und Meeren
33. Vom Weisen
Wer andere kennt ist klug
wer sich selbst kennt ist weise
Wer andere überwindet ist stark
wer sich selbst überwindet ist mächtig
Wer genügsam ist, der ist reich
wer beharrlich ist, der ist ausdauernd
wer seine Mitte nicht verliert, der dauert
Wer stirbt, doch nicht vergeht
lebt in ewiger Gegenwart
34. Vom Wirken des Tao
Das große Tao fließt überall
rechts oder links
alle Wesen vertrauen ihm
und werden nicht enttäuscht
Ist das Werk vollendet
fordert es nichts
Es kleidet und nährt alle Wesen
ohne sie zu beherrschen
ohne Denken, ohne Ziel
erscheint es sehr klein
Es ist die Heimat aller Dinge
ohne sie zu beherrschen
erscheint es sehr groß
Es bewirkt Großes
jedoch nicht für sich selbst
Darum ist es wahrhaft groß
35. Vom Weitergehen
Folge dem Einen Weg
und die ganze Welt folgt
ohne Leid und in Frieden
in ruhigem Gleichgewicht
Bietet sich Musik und Speise
bleibt der Wanderer gerne stehen
Der rechte Weg jedoch
ist ohne Wohlklang und Würze
Bei allem Schauen
ist er nicht zu sehen
Bei allem Lauschen
ist er nicht zu hören
Sein Nutzen ist ohne Ende
er erschöpft sich nie
36. Vom tiefen Zusammenhang
Was geschmälert werden soll
muss zuvor ausgedehnt werden
Was geschwächt werden soll
muss zuvor verstärkt werden
Was gestürzt werden soll
muss zuvor erhöht werden
Was genommen werden soll
muss zuvor gegeben werden
Dies erkennen heißt
die tiefen Zusammenhänge erkennen:
Das Weiche und Schwache
überwindet das Harte und Starke
Fische sollen in der Tiefe des Wassers bleiben
Eine große Macht soll ihre Überlegenheit nicht zeigen
37. Vom Nicht-Handeln
Das Tao handelt nicht
doch nichts bleibt ungetan
Wären die Herrscher fähig
dem rechten Weg zu folgen
würden alle Menschen
sich ihrer Natur nach entfalten
Das Begehren zu handeln
kann nur durch das Einfache
das Namenlose und Ursprüngliche
gestillt werden
Das Einfache ist wunschlos
Das Wunschlose ist ohne Tun
und die Welt ordnet sich von selbst
38. Vom Niedergang
Der Weise strebt nicht nach Weisheit
darum ist er weise
der Wohlwollende strebt nach Weisheit
darum ist er nicht weise
Der Weise handelt nicht, ohne Absicht
der Wohlwollende handelt nicht, mit Absicht
Der Menschliche handelt ohne Absicht
der Gerechte handelt mit Absicht
der Gesetzestreue handelt
und folgt ihm keiner
erzwingt er es
Darum:
Wenn die Weisheit verlorengeht
herrscht Wohlwollen
Wenn das Wohlwollen verlorengeht
herrscht Menschlichkeit
Wenn die Menschlichkeit verlorengeht
herrscht Gerechtigkeit
Wenn die Gerechtigkeit verlorengeht
herrscht Gesetzestreue
Doch die Gesetzestreue
ist nur dürftige Redlichkeit
und der Beginn der Verwirrung
Wissen ist nur glänzender Schein
und der Beginn der Unwissenheit
Darum verweilt der Weise
bei der Fülle des Tao
nicht bei dessen Dürftigkeit
bei seiner Wirklichkeit
nicht bei dessen Schein
Darum läßt er jenes
und nimmt dieses an
39. Vom Einklang
Einst war alles im Einklang mit dem Einen:
Der Einklang des Himmels schafft Klarheit
der Einklang der Erde schafft Beständigkeit
der Einklang der Geister schafft Erleuchtung
der Einklang der Quellen schafft Fülle
der Einklang der Wesen schafft Leben
der Einklang der Herrscher schafft Frieden
Ohne Klarheit würde der Himmel zerbrechen
ohne Beständigkeit würde die Erde zerfallen
ohne Erleuchtung würden die Geister vergehen
ohne Fülle würden die Quellen versiegen
ohne Leben würden die Wesen sterben
ohne Frieden würden die Herrscher stürzen
Darum ist das Niedrige die Wurzel des Hohen
das Demütige die Grundlage des Erhabenen
Darum betrachten sich die Herrscher als gemein
weil sie im gemeinen Volk wurzeln
Wer die Teile des Ganzen entfernt
zerstört das Ganze
Glänze nicht wie Jade
sei einfach, wie ein Stein
40. Von der Wiederkehr
Wiederkehr ist der Weg des Tao
Nachgiebigkeit die Weise des Tao
Alles wird aus dem Sein geboren
das Sein jedoch aus dem Nicht-Sein
41. Von den großen Gegensätzen
Wenn der Kluge vom rechten Weg hört
bemüht er sich, ihm zu folgen
Wenn der Mittelmäßige von ihm hört
folgt und verliert er ihn
Wenn der Törichte von ihm hört
lacht er schallend
Wenn er nicht darüber lacht
wäre es nicht der rechte Weg
Darum heißt es:
Der rechte Weg verschwindet im Dunkel
ein Schritt voran ist wie ein Schritt zurück
der ebene Weg scheint wie ein Auf und Ab
Die höchste Tugend erscheint wie niedrig
der größte Wert erscheint wie unwert
der wahre Reichtum wie unzureichend
innere Stärke erscheint wie Schwäche
die reine Wahrheit erscheint wie Täuschung
Der vollkommene Raum hat kein Ende
das vollkommene Gefäß keine Form
der vollkommene Klang keinen Ton
die vollkommene Form kein Bild
Der rechte Weg ist verborgen und namenlos
er erhält und vollendet alles
42. Vom Wissen um die Gegensätze
Aus dem Tao entsteht die Einheit
aus der Einheit der Gegensatz
aus dem Gegensatz die Vielfalt
aus der Vielfalt die ganze Welt
Die ganze Welt
trägt in sich das dunkle Yin
und um sich das lichte Yang
durch die Kraft der Leere
bleiben diese im Einklang
Die Menschen wollen nicht
einsam und unwürdig sein
und doch bezeichnen sich
die Herrscher gerade so
Denn man gewinnt durch Verlust
und verliert durch Gewinn
Was andere lehren, das lehre auch ich:
Ein starker Herrscher
nimmt kein gutes Ende
Das ist der Ursprung meiner Lehre
43. Vom Wirken ohne Tun
Das Nachgiebige überwindet das Starre
Das Formlose durchdringt die Form
Deshalb weiß ich :
Wirken entsteht durch Nicht-Tun
Lehren ohne Worte
Wirken ohne Tun
wenigen gelingt dies
44. Von der Genügsamkeit
Ruhm oder Leben
was zählt mehr?
Besitz oder Leben
Was wiegt mehr?
Besitz gewinnen
sich selbst verlieren
was ist schlimmer?
Wer viel begehrt
verausgabt sich
Wer viel besitzt
verliert sich
Wer Fülle meidet
erreicht Erfüllung
Wer inne hält
erhält inneren Halt
und bleibt
sich selbst erhalten
45. Von der Vollkommenheit
Die größte Vollkommenheit:
erscheint sie unvollkommen
so ist sie brauchbar
Die größte Fülle:
erscheint sie leer
so ist sie unerschöpflich
Das höchst Gerade ist wie krumm
das höchst Gescheite ist wie dumm
das höchst Beredte ist wie stumm
Bewegung überwindet Erstarrung
Besonnenheit überwindet Erregung
Stille und Klarheit
bewirken Ordnung
in der Welt
46. Vom Genügen
Wenn die Welt dem rechten Weg folgt
ziehen die Pferde den Jauchewagen
Wenn die Welt den rechten Weg verläßt
züchtet man Streitrosse an den Grenzen
Keine größere Schwäche
als das Begehren
Kein größeres Unheil
als Unzufriedenheit
Keine größere Sünde
als die Habgier
Erkenne darum
dass genug genug ist
und immer genügen wird
47. Vom Inneren Wissen
Ohne aus dem Haus zu gehen
kannst du die Welt erkennen
Ohne aus dem Fenster zu sehen
kannst du den rechten Weg erkennen
Je weiter deine Reise dich fortführt
desto geringer deine Erkenntnis
Darum der Weise:
erkennt ohne zu reisen
versteht ohne zu sehen
vollendet ohne zu handeln
48. Vom Nicht-Tun
Wer Gelehrsamkeit sucht
lernt täglich dazu
Wer den rechten Weg sucht
verliert täglich etwas
weniger und weniger
bis das Nicht-Tun erreicht ist
Wird nichts mehr getan
bleibt nichts ungetan
Durch Nicht-Tun
wird die Welt gewonnen
Durch Tun
wird die Welt verloren
49. Vom Weisen und dem Volk
Der Weise hat keine Sorge um sich
er hat Sorge um alle Menschen
Er ist gut zu den Guten
er ist gut zu den Schlechten
denn Tugend ist Güte
Er ist ehrlich zu den Ehrlichen
er ist ehrlich zu den Unehrlichen
denn Tugend ist Ehrlichkeit
Der Weise lebt behutsam und demütig
alle richten ihre Herzen auf ihn
er achtet alle wie seine Kinder
50. Vom Tod und Leben
Mit der Geburt
tritt der Tod ins Leben
Es sind dreizehn Pfade des Lebens
es sind dreizehn Pfade des Todes
dreizehn Pfade vom Leben zum Tode
Warum ist das so?
Weil die Menschen
innerhalb des Lebens
ihr Leben verschwenden
Jedoch
wer das Leben
recht zu führen weiß
der durchwandert die Welt
und trifft weder Nashorn noch Tiger
der geht durch ein Kriegsheer
und trägt weder Panzer noch Waffe
Das Horn des Nashorns findet ihn nicht
Die Pranke des Tigers findet ihn nicht
Die Waffe des Kriegers findet ihn nicht
Warum ist das so ?
Weil der Weise
außerhalb des Todes
sein Leben bewahrt
51. Von der tiefen Tugend
Alle Wesen entstehen aus dem Tao
Der rechte Weg erzeugt sie
die rechte Tugend nährt sie
das rechte Wesen formt sie
der rechte Einfluss vollendet sie
Darum ehren alle Wesen das Tao
und achten die Tugend
Tao wird geehrt
die Tugend geachtet
ohne Anordnung
wie von selbst
Denn
der rechte Weg erzeugt sie
die Tugend nährt sie
versorgt und beschirmt sie
läßt sie wachsen und reifen
Erzeugen und nicht besitzen
Wirken ohne zu erwarten
Fördern ohne zu beherrschen
Das heißt tiefe Tugend
52. Vom Mütterlichen
Der Anfang der Welt
ist die Mutter der Welt
Wer die Mutter erkennt
erkennt sich als Kind
wer als Kind sich erkennt
bewahrt seine Mutter
und fürchtet das Ende nicht
Wer seine Worte mindert
und seine Türen schließt
ist am Ende mühelos
Wer seine Worte mehrt
und geschäftig handelt
ist am Ende hoffnungslos
Das Beachten des Kleinen
nennt man Klarheit
Das Bewahren der Nachgiebigkeit
nennt man Stärke
Dem inneren Licht zu folgen
führt zur Einsicht zurück
und bewahrt vor Unheil
Das heißt:
Die Erfahrung des Unendlichen
53. Vom Verlassen des rechten Wegs
Wer Erkenntnis gewinnt
geht auf dem rechten Weg
und vermeidet alle Umwege
Der rechte Weg ist gerade
das Volk liebt die Umwege
Der Hof prächtig geschmückt
die Felder voll Unkraut
die Scheunen leer
die Kleider voll Prunk
mit scharfem Dolch gegürtet
übersatt von Trank und Speise
sind Schätze und Reichtümer angehäuft
Das ist Maßlosigkeit und Räuberei
und sicher nicht der rechte Weg
54. Von der Entwicklung der Tugend
Gut Gegründetes wird nicht erschüttert
gut Gehegtes wird nicht entgleiten
so wird es von den Nachfahren
gepflegt und geachtet
Entwickle Tugend in dir selbst
und die Tugend wird wahrhaft sein
Entwickle Tugend in der Familie
und die Tugend wird reichlich sein
Entwickle Tugend im Dorf
und die Tugend wird gedeihen
Entwickle Tugend im Staat
und die Tugend wird wachsen
Entwickle Tugend in der Welt
und die Tugend wird überall sein
Darum:
Betrachte den Einzelnen als Einzelnen
betrachte die Familie als Familie
betrachte das Dorf als Dorf
betrachte den Staat als Staat
betrachte die Welt als Welt
Warum weiß ich
dass die Welt so ist?
Eben durch dieses
55. Vom Kind
Wer von Tugend erfüllt ist
ist wie ein neugeborenes Kind
giftige Insekten stechen es nicht
wilde Bestien beißen es nicht
Raubvögel greifen es nicht
Seine Knochen sind weich
seine Muskeln sind schwach
aber sein Griff ist fest
Es weiß noch nichts von Mann und Frau
doch sein Geschlecht
zeigt und erregt sich schon
Es ist voller Lebenskraft
es schreit den ganzen Tag
und wird davon nicht heiser
in vollendetem Einklang
Das Wissen vom Einklang
ist das Unendliche
Das Wissen vom Unendlichen
ist die Erleuchtung
Zunehmendes Alter bringt Unheil
zunehmender Willen bringt Stärke
zunehmende Stärke bringt Erstarrung
Das ist nicht mehr der rechte Weg
daher geht es bald zu Ende
56. Vom Schweigen
Wer weiß, redet nicht
wer redet, weiß nicht
Beende das Gerede
schließe die Türen
dämpfe den Eifer
löse die Verwirrung
mindere den Glanz
finde den Grund
Das heißt eins werden mit dem Ursprung
Wer dies erreicht hat
wird von Liebe und Hass nicht erschüttert
wird von Gewinn und Verlust nicht berührt
wird von Ehre und Schande nicht betroffen
Darum wird er von allen geschätzt
57. Von der Mühelosigkeit
Durch rechtschaffene Leitung des Staates
durch seltenen Gebrauch der Waffen
durch Nicht-Tun gewinnst du die Welt
Woher ich weiß, dass dies so ist ?
Darum:
Je mehr Verwaltung umso mehr Armut
je mehr Waffen umso mehr Gewalt
je mehr Geschick umso mehr Hinterlist
je mehr Gesetze umso mehr Verbrechen
Darum sagt der Weise:
Tue nichts
und das Volk wandelt sich von selbst
Achte auf die Stille
und das Volk bessert sich von selbst
Sei ohne Mühe
und das Volk versorgt sich von selbst
Sei ohne Wunsch
und das Volk bescheidet sich von selbst
58. Von der Mitte
Ist die Regierung kaum spürbar
ist das Volk redlich und einfach
Ist die Regierung aber ehrgeizig
ist das Volk verschlagen und falsch
Erfolg stützt sich auf Elend
Erfolg birgt Elend unter sich
Wer kennt das Ende ?
Recht wird zu Unrecht
Ordnung zu Unordnung
und die Verwirrung wächst
Daher ist der Weise
klar aber nicht verletzend
treffend aber nicht durchdringend
freimütig aber nicht rücksichtslos
erhellend aber nicht blendend
59. Von der Mäßigung
Im Sorgen für andere
und im Dienste des Himmels
ist nichts so wichtig
wie die Mäßigung
Mäßigung bedeutet frühes Nachgeben
Frühes Nachgeben bedeutet
Sammeln der Tugend
Mit gesammelter Tugend
ist nichts unerreichbar
Ist nichts unerreichbar
gibt es keine Grenzen
Gibt es keine Grenzen
ist das Reich regierbar
Im Einklang mit dem Mütterlichen
kann der Staat bestehen und gedeihen
Das heißt:
Tiefe Wurzeln und ein fester Grund
bieten Sicherheit und langes Leben
wenn der rechte Weg beachtet wird
60. Vom Regieren
Ein großes Reich regieren
ist wie das Braten kleiner Fische
Auf dem rechten Weg
das Reich regieren -
dann wird das Böse
keine Macht haben
Nicht, dass das Böse nicht mächtig wäre
Aber seine Macht wird niemand schaden
Nicht nur wird sie niemandem schaden
auch die Herrscher schaden niemandem
Da die Tugend sie verbindet
tun beide keinen Schaden
61. Von der Bescheidenheit
Ein großes Reich sollte bescheiden sein
um die Welt in sich zu sammeln
wie die Mutter der Dinge
Denn das Weibliche
überwindet das Männliche
durch Nachgiebigkeit
Darum:
Stellt sich ein großes Reich
unter ein kleines Reich
so gewinnt er das kleine Reich dazu
Stellt sich ein kleines Reich
unter ein großes Reich
so gewinnt es das große Reich dazu
Darum:
Wer siegen will
muss sich beugen
Wer herrschen will
muss dienen
Denn die großen Reiche wollen einen und fördern
die kleinen Reiche wollen beitreten und aufgehen
Um dies zu erreichen
muss das Große sich beugen
62. Vom rechten Weg des Wirkens
Der rechte Weg ist
der Ursprung aller Dinge
den guten Menschen ein Schatz
den schlechten Menschen ein Schutz
Schöne Worte können Ansehen erkaufen
gute Taten können Achtung gewinnen
schlechte Menschen soll man nicht aufgeben
So wird auch der Herrscher gekrönt
und die Regierung eingesetzt
Mag er auch jene bevorzugen
die ihren Reichtum zeigen
oder ihm vorauseilen
besser ist es
in Stille und Ruhe zu sitzen
und dem rechten Weg zu folgen
Was aber war der Grund
von jeher das Tao zu verehren?
Die Alten sagten:
Wer sucht, der findet
Wer seine Fehler erkennt
dem wird vergeben
Darum ist es der wahre Reichtum der Welt
63. Vom Beginnen
Tue durch Nicht-Tun
Wirke ohne Handeln
Genieße ohne Reiz
Vergrößere das Kleine
Mehre das Wenige
Vergelte Feindschaft
mit Wohlwollen
Plane das Schwierige im Leichten
Erreiche das Große im Kleinen
Denn das Schwierige beginnt im Leichten
Und das Große beginnt im Kleinen
Daher versucht der Weise
nichts Großes zu tun
und vollendet Großes
Doch wer viel verspricht
hält zumeist wenig
wer viel leichtnimmt
findet alles schwer
Darum hält der Weise
alles für schwer
und findet es leicht
64. Vom Bewahren des Anfangs
Ruhiges ist leicht zu halten
Offenes ist leicht zu planen
Dünnes Eis ist leicht zu schmelzen
Feiner Staub leicht zu zerstreuen
Wirke auf die Dinge bevor sie erschienen sind
Ordne die Dinge bevor sie verwirrt sind
Ein großer Baum wächst aus einem kleinen Spross
Ein großer Turm entsteht aus einem Häufchen Erde
Eine große Reise beginnt mit dem ersten Schritt
Wer handelt, verdirbt - wer festhält, verliert
Weil der Weise nicht handelt, verdirbt er nichts
Weil er nicht festhält, verliert er nichts
Die Menschen aber handeln
und vor der Vollendung zerstören sie alles
wären sie am Ende so behutsam wie zu Beginn
bliebe es unzerstört
Darum der Weise
wünscht wunschlos zu sein
schätzt keine Schätze
erlernt das Vergessen
achtet das Unbeachtete
fördert alle Wesen in ihrer Natur
ohne einzugreifen
65. Von der Gefahr der Klugheit
Die von jeher dem rechten Weg folgten
lehrten dem Volk keine Klugheit
sie wollten, dass es einfach bleibe
Wenn das Volk zuviel Klugheit anhäuft
ist es schwer zu regieren
Förderung der Klugheit
führt zur Unordnung im Reich
Förderung der Einfachheit
führt zur Ordnung im Reich
Diese beiden Möglichkeiten gibt es
sie zu verstehen ist tiefe Tugend
Die tiefe Tugend ist klar und weit
in der Aufhebung der Gegensätze
führt sie zum großen Einklang
66. Von der Demut
Warum führt das Meer die Ströme
die Ströme die Flüsse
die Flüsse die Quellen?
Weil sie niedriger sind als jene
Darum:
Um über das Volk erhaben zu sein
muss man sich darunter stellen
Um dem Volk voran zu gehen
muss man sich dahinter stellen
Darum ist der Weise
erhaben ohne das Volk zu bedrücken
führend ohne dem Volk zu schaden
So freut sich das Volk ihm zu folgen
Weil er sich nichts erstreitet
will niemand mit ihm streiten
67. Von den drei Schätzen
Die Welt sagt das Tao ist groß
aber unbegreiflich
Doch nur weil es groß ist
ist es unbegreiflich
Könnte es begriffen werden
wäre es bedeutungslos
Ich habe drei Schätze
die ich hüte und bewahre:
Der erste ist : Liebe
Der zweite ist : Genügsamkeit
Der dritte ist : Demut
Wer liebt, kann mutig sein
Wer genügsam ist, kann großzügig sein
Wer demütig ist, kann vorangehen
Wer mutig ist ohne Liebe
wer großzügig ist ohne Genügsamkeit
wer vorangeht ohne Demut
geht ins Verderben
Die Liebe ist siegreich im Angriff
unverwundbar in der Verteidigung
Wen der Himmel behüten will
den schützt er mit Liebe
68. Von der Friedfertigkeit
Ein guter Herrscher
braucht keine Gewalt
Ein guter Krieger
kämpft ohne Zorn
Ein guter Sieger
greift nicht an
Ein guter Anführer
hält sich zurück
Das ist die Tugend der Friedfertigkeit
des höchsten Umgangs mit Menschen
die höchste Einheit mit dem Himmel
das höchste Ziel der Vorfahren
69. Von der Vorsicht
Im Kampf gilt das Sprichwort:
Besser angegriffen werden
als selber anzugreifen
besser einen Fuß zurückweichen
als einen Zoll vorrücken
Das heißt:
Vorangehen ohne vorzugehen
zurückhalten ohne zu halten
abwehren ohne sich zu wehren
siegen ohne Waffen zu gebrauchen
Kein größeres Unheil
als leichtfertig anzugreifen
Wer leichtfertig angreift
verliert leicht seine Schätze
Darum:
Wo Waffen aufeinanderprallen
siegt der Nachgebende
70. Vom Verstehen
Meine Worte sind
leicht zu verstehen
leicht zu befolgen
Aber auf der Welt
ist niemand fähig
sie zu verstehen
sie zu befolgen
Meine Worte haben einen Ursprung
meine Taten haben eine Richtung
Weil sie diese nicht verstehen
verstehen sie auch mich nicht
Die wenigen, die sie verstehen
werden mich schätzen
Darum trägt der Weise
außen grobe Kleider
innen kostbare Jade
71. Vom Wissen
Wer nicht weiß, dass er weiß
ist weise
Wer weiß, daß er nicht weiß
ist leidend
Doch nur wer an diesem Leiden leidet
leidet darum nicht
Der Weise leidet nicht
weil er an diesem Leiden leidet
Darum leidet er nicht
72. Von der Achtung
Haben die Menschen keine Ehrfurcht
geschieht das Furchtbare
Achte ihre Häuser
Achte ihre Arbeit
Nur wenn du sie achtest
werden sie dich achten
Darum erkennt
der Weise sich selbst
aber zeigt sich nicht
Er achtet sich selbst
aber beachtet sich nicht
Darum
läßt er jenes
und hält sich an dieses
73. Vom Netz des Himmels
Der Verwegene wird vergehen
der Besonnene bleibt bestehen
Von diesen beiden ist
einer im Nachteil
einer im Vorteil
Wer kennt die Gründe des Himmels ?
Selbst der Weise nicht
Des Himmels Weg ist
Überwindung ohne Streit
Belohnung ohne Worte
Erscheinung ohne Ruf
Wirkung ohne Mühe
Des Himmels Netz ist endlos weit
so weit die Maschen sind geknüpft
so schlüpft doch nichts hindurch
74. Von der Todesstrafe
Wenn die Menschen
den Tod nicht fürchten
was hilft es
mit dem Tod zu drohen?
Wenn die Menschen
den Tod stets fürchten
was hilft es
den Verbrecher zu fassen
und zu töten ?
Der Tod selbst
ist oberster Vollstrecker
An seiner Stelle zu töten
ist wie das Führen der Axt
anstelle des Zimmermanns
Wer die Axt führt
anstelle des Zimmermanns
bleibt selten unverletzt
75. Von der Habgier
Das Volk hungert
weil die Oberen prassen
Darum hungert das Volk
Das Volk ist ungehorsam
weil die Oberen Gehorsam erpressen
Darum ist das Volk ungehorsam
Das Volk achtet das Leben gering
weil die Oberen nach dem Leben gieren
Darum achtet das Volk das Leben gering
Wer nicht an seinem Leben hängt
ist würdiger als jener
der nach seinem Leben giert
76. Vom Harten und Weichen
Der Mensch
tritt ins Leben
weich und zart
im Tode ist er
hart und starr
Alle Wesen
treten ins Leben
weich und zart
im Tode sind sie
trocken und hart
Darum
ist das Harte und Starre
Zeichen des Todes
das Weiche und Schwache
Zeichen des Lebens
Ist das Heer starr und stark
wird es untergehen
Ist der Baum hart und stark
wird er gefällt werden
Das Harte und Starke vergeht
Das Weiche und Schwache besteht
77. Vom Ausgleich
Der Weg des Himmels
ist wie das Spannen des Bogens:
Das Obere wird heruntergezogen
das Untere wird emporgehoben
Das Gebogene wird gestreckt
das Gestreckte wird gebogen
Des Himmels Weg ist
die Fülle zu mindern
die Leere zu füllen
Der Menschen Weg
ist jedoch:
denen zu nehmen
die zuwenig haben
und denen zu geben
die zuviel haben
Wer vermag es
genug zu haben
und allen zu geben?
Nur jener
der von Tao erfüllt ist
Darum wirkt der Weise ohne Erwartung
Vollendet sein Werk ohne Anspruch
wunschlos und vortrefflich
78. Vom Wasser
Nichts in der Welt
ist nachgiebiger und weicher als Wasser
doch nichts ist besser
um Hartes und Starkes zu überwinden
dank dem was es nicht ist
gelingt es ihm leicht
Das Weiche überwindet das Harte
das Schwache überwindet das Starke
Obwohl jeder es weiß
handelt keiner danach
Darum sagt der Weise:
Wer das Unheil auf sich nimmt
vermag das Land zu regieren
Wer das Unglück auf sich nimmt
vermag die Welt zu regieren
Oft klingt die Wahrheit widersinnig
79. Von der Schuld
Nach großem Streit
bleibt kleiner Streit
Wie das ändern?
Der Weise hält sich daher
an seine Seite des Vertrags
und erzwingt nicht die andere
Wer die rechte Tugend hat
erfüllt seine Pflichten
und vergißt die Schuld
Wem die rechte Tugend fehlt
fordert ein und pocht auf Schuld
Aber der Weg des Himmels ist gerecht
er wirkt durch den guten Menschen
80. Von der Unabhängigkeit
Klein sei das Reich
wenige das Volk
die Güter reich
der Verbrauch gering
das Leben wertvoll
die Reisen kurz
Boote und Wagen
werden nicht gebraucht
Rüstung und Waffen
werden nicht verwendet
Schnüre geknotet
statt zu schreiben
Die Speisen schmackhaft
die Kleidung passend
die Wohnung friedlich
die Gebräuche freudig
Die Nachbarn in der Nähe
dass Hunde und Hähne
zwar zu hören sind
aber ohne Besuch
und in Frieden
das Leben zu beschließen
81. Vom Weg des Himmels
Wahre Worte sind nicht schön
schöne Worte sind nicht wahr
Der Gute streitet nicht
der Streitende ist nicht gut
Der Wissende ist nicht gelehrt
Der Gelehrte unwissend
Der Weise sammelt keine Schätze
Je mehr er für andere wirkt
umso mehr gewinnt er selbst
Je mehr er den anderen gibt
umso größer ist sein Reichtum
Der Weg des Himmels ist
Nutzen ohne Schaden
Der Weg des Weisen ist
Wirken ohne Mühe

Ein herzlicher Dank an Volker für die Übersendung der *.txt Datei.

Wer war der Chomeini der Renaissance???

Renaissance Forum - Rätselverzeichnis - Wie alles begann ... - Zufallsrätsel - erstes Rätsel

Galerie - A - B - C - D - E - F- G - H - I - J - K - L - M - N - O - P - Q - R - S - T - U - V - W - X - Y - Z

Jacob Burckhardt - Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch

Leonardo da Vinci Wissenschaftler - Erfinder - Künstler

Venedig - Eine Liebeserklärung an eine Stadt

William Shakespeare animiert (wahrscheinlich oder zufällig...2/3 zu 1/3) William Turner

Philosophie für Schnelldenker - Besinnliche Philosophie

Philosophie der Renaissance


Gästebuch

 

Startseite - © Copyright 2004- - Susanne Albers - Kiehlufer 125 - D 12059 Berlin