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Übersicht Jean Paul - Aphorismen 1 - Aphorismen 2 - Aphorismen 3 - Aphorismen 4 - Aphorismen 5 - Aphorismen 6 - Aphorismen 7 Jean Paul - Bemerkungen über uns närrische Menschen - Aphorismen 4 4. Bändgen - Bemerkungen über uns närrische Menschen - (Mai 1799) Die Männer machen sich von großen Männern eben jene romanhaften Vorstellungen als die Mädgen von ihren künftigen Romanhelden. Das Verstecken der Eitelkeit ist eine größere (gehaßtere) als jede. Ungleich den Franzosen und Engländern, loben die Deutschen nichts (an einem Autor, Menschen), ohne alles zu loben; sie glauben parteiisch sein zu müssen. Die Eitelkeit besteht nicht in der Kleidung, oft kaum im Handeln, sondern in der ewigen unmerklichen Stellung jedes Worts, damit es höheres Lob abwerfe. Da die Männer viel origineller sind, was kein Mädgen errät: so sind oft diese in der Ehe unglücklich, weil sie es nicht voraussehen und fassen. Wenn das Schicksal 10 günstige Umstände vereinigt, so wundert man sich über den Mangel des 11., nicht das Dasein der 10. Bei den Männern Unterschied bestimmter Anlagen - zu Mathematik, Botanik, Musik, Philosophie -; bei Weibern nicht. Weiber gewöhnen sich Gleichgültigkeit und Unaufmerksamkeit gegen Wissenschaft und Taubheit an, weil die Männer zu oft vor ihnen von wissenschaftlichen Dingen reden, die ihnen unbekannt. Man begeht entweder Fehler des Stolzes oder des Kriechens, wenn man nicht die Anerkennung des eignen Werts voraussetzt. Der geheimste Geist eines Autors verrät sich nicht in den bösen, sondern in den schönsten Charakteren, die er immer mit der Schwäche seiner Natur unwillkürlich begabt. Der Spaß ist unerschöpflich, nicht der Ernst. Die Weiber sind so verschieden von uns, daß der erfahrenste Mann immer noch 3 Zeiten durchgeht, wo er sie 1) über, 2) neben, 3) unter sich setzt. Selber Kinder haben wieder etwas Kindisches, worüber sie selber lachen. Bei den Ursachen unbekannter wichtiger Begebenheiten raten wir immer auf angenehme oder unangenehme, selten auf wahrscheinliche und natürliche. Die Menschen (zumal Weiber) verraten leichter (zumal spät), daß sie Absichten verfehlen, als daß sie sie haben. Wir irren in nichts mehr als in unsern Prophezeiungen, daß künftig etwas werde schlimmer (z.B. kränker) oder besser (reicher) werden. Die Neigung, systematisch zu schließen (sein), schieben wir der Natur unter; und diese leichtere Verkettung halten wir für Wahrscheinlichkeit. Die Mädgen verstellen sich besser als die Weiber. In den besten Reisebeschreibungen interessiert uns doch der Reisende am meisten, wenn er sich nur zeigen mag. Wer eine Reise beschreibt, beschreibt damit sich immer auch selber. Es ist nicht halb so ungesund, Philosophie zu lehren, als zu lernen, e(ine) Philos(ophie) zu machen als zu lesen. Es gibt Menschen, die man nicht hasset und nicht sehr liebt, aber ein wenig, die verschwinden, ohne daß man es merkt, wiederkommen ohne Freude - Für Große gibt es keine andern, und sie sind keine andern. Man fragt den andern um Rat, nicht, weil man nicht weiß, was man tun soll, sondern weil man es weiß, aber nicht gern tut - der andere soll dann einer guten oder bösen Neigung den Ausschlag [geben]. Die Deutschen nennen alle ihre Freuden ausländisch: Ressource, Casino, Klub, Cercle etc. Assemblée, Hôtel, Table d'Hôte, Harmonie, Museum. Die Engländer gefallen uns in Büchern, weil uns der Stolz in der Darstellung gefällt, aber nicht in der Wirklichkeit. Das Beste in einem Menschen ist das, was er selber nicht kennt. Niemand hat die Kraft - wenn er auch will -, in einem fort unglücklich zu sein, sondern er wird glücklich. In der Ehe müssen die Männer die Liebe mehr durch Worte, die Weiber durch Taten beweisen. Der schönen Aktrice rechnet man immer ein wenig den Geist ihrer Rolle zu ihrem. Je älter, desto mehr entschuldigt, desto weniger achtet man d(ie) Menschen. Man spricht und dichtet viel eher von der Leerheit und Nichtigkeit des Lebens, als man sie kennt; man spricht ungern oder nicht freudig davon, wenn man sie kennt. Der Dichter ist freier als der Philosoph. Die Liebe ist, ihr Ende ausgenommen, sich überall gleicher, als man sagt. Das Lob, das man im Enthusiasmus einer Frau über eine Eigenschaft gibt, gefällt ihr wenig, wenn man diese für eine der Weiblichkeit, des Geschlechts, ausgibt. Weiber haben große Kräfte für, aber kleine gegen die Liebe etwas zu tun. Jeder modisch Gekleidete hält sich für den Repräsentanten des Jahrhunderts oder Dezenniums. Wer die Menge unbedeutender ungenial(ischer) Bücher sieht, hält die Menschen für noch unbedeutender. Die Menschen haben überall die Neigung, alles auf etwas Höheres zu deuten, so die Linien in der Hand. Die Jugend ist die Periode der Nachahmung. Anfangs verträgt der Autor Lob mit Tadel vermischt. Dann hat er das Lob so oft gehört, daß er ein neues fodert und liebt; und so soll immer mehr vom Tadel aufgehoben werden, bis er gar keinen mehr leidet. (Gilt auch für Leute in Ämtern.) Manche drücken durch lautes Lachen ihren Enthusiasmus, z. B. über herrliche Musik, aus. Im Traum kann man (wenigstens ich) sich der tiefsten Gefühle aus der Kindheit erinnern. Die Natur bestraft alles, an den Besten auch die kleinsten Fehler und gerade diese am härtesten. Um ein guter Gesellschafter zu sein, ist es sehr gut, etwas zu treiben, was die Gesellschaft selbst interessiert. Daher ist ein Jurist, Kaufmann unter Bürgerlichen an und für sich ein besserer als ein Philosoph oder gar Dichter. Die Weiber kommen jetzt durch das Sprechen der Männer um ihre religiösen Meinungen, ohne zu wissen wie. Die Weiber sind mitleidiger bei männlichen Schmerzen als bei weiblichen. Begebenheiten, die im Roman nicht mehr romantisch sind, sind's in der Wirklichkeit, z. B. Entführung. Um die Menschen recht zu lieben, muß man sie immer aus einem noch höhern Punkt als dem unserer Verhältnisse (der Freundschaft etc.) ansehen, nämlich aus dem der Menschheit oder Moralität. Bei schönen Stellen im Theater hustet niemand, es ist also willkürlich. Man muß die guten Weiber glauben, um sie zu finden, wie die Tugend üben, um sie zu kennen: wer im Steinsalzbergwerk wohnt, kann leicht die Welt über ihm leugnen. Die Menschen glauben sich nach einem zu richten, indes sich der eine nach ihnen richtet. Der stille Egoismus der jetzigen Gefühlsmänner liegt schon darin, daß sie dem Helden Briefe an einen Freund diktieren, gegen den er keineLiebe zeigt und den er nur hat, um eine Adresse für seine Publikums-Briefe zu haben. Ein witziger, launiger Autor ist's am Anfang des Buchs am meisten. Man denkt beim Spotten und Widerlegen mehr daran, es denen, die schon auf unserer Seite, deutlich zu machen, als den Widersachern. Nur der Hofmann könnte bürgerliche Sitten schildern und wir seine. Die Liebe der Menschen ist leichter zu erlangen als wiederzuerlangen. In den alten deutschen Anleitungen zur Höflichkeit stehen ebenso viele Chesterfield Gebote der Falschheit etc.; aber bei ihrer Dummheit merkt man die Immoralität nicht. Es ist der größte Fehler in einem Leben, das man entweder schreibt oder führt, in der Ferne eine unentwickelte Knoten-Dunkelheit zu sehen und nicht jetzt gehörig zu entwickeln, sondern mit zugedrückten Augen zu hoffen, sie gebe sich schon. Bücher wirken wenig auf Individuen, aber doch auf das Jahrhundert und mithin auch auf jene. Ein Mensch kann so wenig den ganzen Geschmack haben als ein Mensch die Wahrheit - die Menschheit hat beides. In einer kleinen Stadt ist es hart zu heiraten, die Lotterie ist klein und d(er) Nieten viel - es ist schwer, unter wenigen das Beste zu finden. 30. Jun./1801. Um sich etwas zu erklären, nimmt die große Welt lieber die entsetzlichste Sünde als eine gewöhnliche an. Da man bei der Lektüre geistreicher Werke seinen Verstand tätiger und leichter-wirkend fühlt: so trägt man diese Leichtigkeit in den Autor über, es sei ihm leicht und süß geworden - umgekehrt, wenn es einem schwer wird. Autoren vermengen Freude am Hervorbringen mit der am Hervorgebrachten und denken eine kurze Zeit von sich zu gut. Wie wenig der Mensch Anteil an fremdem Unglück nimmt: sieht man, weil der gefällt, der eines erzählt. In der großen Liebe glaubt man alles opfern zu können; und das kann sie auch, wenn das Opfer sie zugleich nährt und befriedigt. Aber die andern Opfer - z.B. des Verzeihens etc. - entkräften die Liebe selbst, die opfern will; und daher hängt das Glück nicht von der Heftigkeit der Liebe, sondern von der Energie des ganzen Charakters ab. In die Stelle eines andern sich zu setzen - oder in die eigne vorige - ist zu schwer, weil die Phantasie nicht bloß einige Handlungen etc. zu erneuern oder nachzuahmen hat, sondern dessen ganze körperliche Lage, dunkle Ideen, unbewußte Einflüsse. Der eitle, selbstgefällige Autor verrät sich durch den Helden, den er zuviel Rücksicht auf sich selber nehmen lässet. Man hält es halb für unmöglich, wie man einen Fürsten etc. durch seine Gewohnheiten, Launen regieren könne, da er sie und diese Absicht doch kennen müsse; allein in der Minute der Laune etc. ist er so von ihr befangen, daß er sie für keine hält, und wenn es ist, doch keine Kraft des Widerstehens hat. Die Frau sagt es ihrem Manne und regiert ihn doch. Der kalte Mensch - immer, in Wahrheit - ist viel seltner als man glaubt. Der Liebende ist so strenge-fodernd gegen die Liebende nicht seinetwegen, sondern (ihretwegen) damit die rechte Liebe und (oder) ihr Gegenstand sei. Jeder kennt noch ein Zeremoniell, über das er schimpft, und eines, das er behalten wissen will. Die Trunkenheit vermehrt schön 2 schöne Dinge, Mut und Liebe. Man muß bei den andern voraussetzen - was man selber so oft tut - daß die Ungereimtheiten, die ihnen entfahren, von ihnen in der Stille gemißbilligt, zurückgenommen werden. Der Kopf ändert sich ewig, das gute Herz wenig. Ein großes Unglück darf man leichter unmotiviert dem Helden begegnen lassen als ein großes Glück, so sehr setzt man das Mißverhältnis zwischen Glück und Wert voraus. Am Tage, wo man Geld bezahlt bekommt, gibt man ein wenig mehr aus. Die Menschen werden mehr voneinander verschieden durch die inn(ern) Anlag(en) zur Freude als durch die äußern Verhältnisse, in denen jene wirken. Die bloße, nackte Wahrheit wird für die meisten Unwahrheit; durch ihr Kleid wird sie wahrer. Man will von fremden Wesen sein Ich recht geliebt haben, nicht aus Eigennutz, sondern um es wieder recht lieben zu können. Man hofft, daß der andere glauben soll, unser Gesicht sei nicht getroffen, da wir selber doch immer fremden Kupferstichen glauben; so Rezension und Verleumdung. Manchen gibt man das Gefühl, wodurch man es andern nimmt, durch Schlüsse. Sich selber Wort halten schwerer als andern. Die Philosophen halten immer im stillen den Wert und die Ausdehnung ihres Objekts für die ihrer Kraft und ihres Amts und ihre Anstrengung für die größte, weil diese alle andern deduziert. Jeder Autor, auch sogar [der] mißfallende, reißet uns in sein Lehrgebäude hinein, daß wir vor dessen Mauern die ganze Welt eine Zeitlang nicht sehen; schon das lange feurige Vorstellen seiner Sätze verdunkelt uns fremde und wird ein halb(es) Glauben. Man imponiert und gewinnt mehr, wenn man über eine Sache lange spricht, als viel (kurz); die Ausdehnung der Rede gilt für Ausdehnung der Kenntnis. Wer sich nur halb verstellt: hat zugleich den Nachteil der Verstellung und der Offenherzigkeit. Es gibt eine Zeit in der Jugend, wo - wegen der Kraft etc. - uns der Skeptizismus gefällt, der uns nachher, näher am Grabe, peinigt. Ein Rezensent lieset alle Satiren gegen Rezensenten, die früher als er geschaffen worden, kalt. Weit mehr sind aus Schwäche Schmeichler der Fürsten und a(nderer) als aus Eigennutz; die Wahrheit ist leichter zu hören als zu sagen. Um die Aristokraten, Großen recht zu erraten, betrachte man ihr Betragen gegen ihre Bediente; es gibt mehr großmütige Bediente und Arme als Herren und Reiche. Wir fühlen den Weg zum Bösewicht schwerer hinab als zum Heiligen hinauf. Dichterinnen klüger als Dichter. Nicht gegen die Treulosigkeit der Menschen sollte man eifern, sondern gegen die anfängliche Blindheit auf der einen und Verstellung auf der andern Seite; allmählig trägt der schönblühende Freund giftige Früchte, und dann fliehen wir ihn freilich. Bei dem Jüngling, der sich an einen neuesten Lehrer hängt, ist's ein Zeichen der Schwäche; des Greis(es), ders tut, ein Zeichen der Stärke. Weiber sind weder Realisten noch Idealisten, sondern verbinden beides. Anfangs treiben sie das Haushalten des Geliebten wegen, dann des Haushaltens wegen. Nichts ist gefährlicher als eine unvollendete Versöhnung, sie erschwert die vollendete mehr als keine. Die Menschen sind nie schlaffer, als wenn sie sich oder andere trösten; ihr absichtlich kahles Gemenge von Widersprüchen. 'Unter den Männern sind die meisten gemein, nur jede Frau hat etwas Eigenes' - Die Frau hingegen sagt wieder dasselbe von den Männern. Nicht durch Angreifen, sondern durch Behaupten zeigt man die eigne Kraft und Individualität am besten. Bei jenem muß man sich zu sehr nach den andern richten und verliert bei Sieg und Niederlage. Die Stöße, die uns der Wagen des Schicksals gibt, lassen unser Inneres noch in Ruhe und Gleichmut. Aber Wunden, die uns der Mensch, seine Meinung und Betragen gegen uns gibt, wirren in uns alles durcheinander. Das Ich fühlt sich von seinesgleichen erschüttert. An einem Glück oder Unglück ist man nie schuld, aber am wiederkehrenden. Zerstreuete Gedanken lieset man wieder zerstreuet und blättert in ihnen herum. Je kürzer solche sind, desto noch kürzer will man sie haben; und Längen, die uns in andern Büchern Kürzen wären, sind uns zu große. Der Mensch findet nichts dagegen, daß in der Vergangenheit immer eine Veränderung der Gesetze und Staaten nach der andern kommt - nur in der Gegenwart will er nicht daran. Jedes uns erzählte Menschenleben hat etwas Erbärmliches, Eingeschränktes. Wir wundern uns, als müss ein gehörtes anders sein als ein geführtes. Je mehr man getrunken, desto mehr lobt man den Wirt und sein Bier. Vollendete Rechtschaffenheit ist fast Genialität (erhebt ohnehin über jede Gemeinschaft) oder doch ein Ersatz derselben. Die Ordnung wie der Geiz keine Grenzen. So viele fingen mit der Liebe an, mit der sie wirken wollten, und mußten aufhören mit der Furcht, die sie gaben. Viele Tugenden des Alters sind nur Folgen gestillter Wünsche und verengter oder erweiterter Schranken. Wer einen nur zum Werkzeug gebraucht, sei sicher, daß ihn dieser auch nur dazu brauche. Der Mensch hat mehr Scham über einen scheinbaren (unwirklichen) Fehler, den der andere ihm vorwirft, als über einen wahren, den man sich selber endlich eingesteht. Im Alter ist einem der Nutzen des Ruhms lieber als der Ruhm. Aus der bloßen Begierde zu gefallen ist der weibliche Sinn für Kleidung und Schönheit nicht abzuleiten, der Mann hat jene ohne diesen. Der Eitle ließe in der Minute seine Stellung, Kleidung weg, wo er wüßte, daß man sie als Eitelkeit bemerkte. Wenn man über etwas spricht oder schreibt, sieht man, daß man mehr weiß, als man dachte. Ordnung und Unordnung kann man lernen, es ist Gewohnheit. Die französischen, gallischen Irrtümer über Gott, Uneigennützigkeit, Unsterblichkeit etc. müßten unglücklich machen, wenn sie nicht das Schicksal aller Ideen, auch der Wahrheiten teilten, wenig gegen Gefühle zu wirken. Die größere Kraft gegen Verleumdung zeigt man, nicht wenn man sie verachtet, sondern nicht zu hören sucht, wenn man's haben könnte. Eine lange Zeit lernt man darum die Menschen nicht kennen, weil man sie überall für besser hält als sich. In großen Städten vergisset man den eignen Tod so leicht und kalt wie den fremden. Die Menschen wollen einen niederdrücken, und dann wollen sie ihm erst Gutes tun - aber nie, ihn erheben und dann bekränzen. Das Lob darf man nicht hinter dem Rücken des Gegenstands ändern, aber den Tadel. Wenn der Mensch etwas Edles am andern findet, so träumt er ihm gleich sein eignes Edle gar an. Auch der reiche Autor stiehlt oft, weil er denkt, er hätt es ebensogut erfinden können, und der andere denk auch das. Nichts zeigt die Menschen falscher und schöner als d(ie) Leiden; im Glück werfen sie die Schleier weg. Die Besonnenheit richtet sich nach dem geistigen Reichtum d(es) Menschen. Wer wahr sein will, ist's schon nicht ganz mehr, er muß es gar nicht wissen. Mädgen denken besser als die Frauen, aber auch Jünglinge besser als die Männer. Wir müssen Hoffnung haben, um die Gegenwart zu genießen. Wir wollen lieber eine schlimme Gegenwart mit schöner Aussicht als umgekehrt. Man ist zu oft bescheiden und denkt nicht daran, wie oft ein eignes Wort als ein Menschen Wort lange über unsere Meinungen hinaus fortwirke. Man betrachte immer, wie stark der Redende - wie schwach (jung, eingenommen) der Hörende sei. Ein Weiberfeind ist auch ein Menschenfeind. Um nicht veränderlich zu scheinen, muß man nur seine Entschlüsse so lange verschweigen, bis man einen davon ausführt. Viele glauben bloß darum an die Schwachheiten (Niederlagen) des Weibs nicht, weil sie sie zu unmoralisch halten. Nach einer kühnen Tat muß man fort kühn sein, sonst geht man unter. Menschenhaß und Härte verträgt sich mit weich(em) liebend(en) Gefühl. Die Bischöfe etc. (Clerus) des Mittelalters ließen sich so leicht wie Höfe jetzt, ihre Verderblichkeit verlachen; aber es war nicht Toleranz, sondern vollend(ete) Verderbnis. In der Ehe gibt's keine größern Fehler als die wiederkommenden. Man kann sehr ehren-fein sein und doch keine Ehre haben. Um zu sehen, welche Fehler deine Braut als Frau am meisten haben wird, gib auf den Tadel der Eltern gegen sie acht, der sie nennen wird. Warum halten sich die Menschen für scharfsichtiger, wenn sie das geheime Böse entdecken, als das geheime Gute? Der Mutige erschrickt nach der Gefahr, der Furchtsame vor ihr, der Feigste in ihr. Je älter man wird, desto gesünder, glaubt man, wolle (werde) man sich immer machen, da man doch nur Krankheiten entgegenlebt. Es gibt feige Nachsprecher an Höfen und in der Literatur, durch die man die stillen Meinungen ihrer Herren errät. Im Alter liebt man Personalien, in der Jugend Realien. In der moralischen Welt verbreitet sich Licht langsamer als Wärme; anders als in der physischen. Wenn der Major ein Oberst wird, wundert er sich bloß, daß er etwas anders zu tun hat; an die Charge dacht er gar nicht, nur an die Pension. Die Aufklärung, Licht etc. wirkt bei Fürsten und einzelnen Menschen immer wohltätig für Moralität, wenn sie eben ankommt - sieh katholische Länder - aber dauert die Einsicht, Klugheit etc. lange, wird sie gerade zu einem Werkzeug der Immoralität verbraucht. Ein Gelehrter gilt so lange für unfehlbar, bis er vor uns den ersten Irrtum begangen und nachgeben müssen; dann tritt man ihm ohne Gnade keck entgegen. Die Weiber wissen an uns mehr das Individ(uum), wir an ihnen das Geschlecht zu behandeln. An gewissen verstellten Menschen ist nichts so unerträglich als ihre halb un- und halb willkürliche Herzlichkeit. Um zu wissen, wie gut oder schlimm eine Nation (deutsche) von sich denkt, muß man nicht auf das Schlimme hören, das sie von sich, sondern auf das, das sie von fremden Nationen sagt. Übersicht Jean Paul - Aphorismen 1 - Aphorismen 2 - Aphorismen 3 - Aphorismen 4 - Aphorismen 5 - Aphorismen 6 - Aphorismen 7 Wie sieht jemand aus, der von den Toten auferstanden ist ??? Rätselverzeichnis - Wie alles begann ... - Zufallsrätsel - erstes Rätsel
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