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Inhaltsverzeichnis - Das erste Buch - Das zweite Buch - Das dritte Buch - Das vierte Buch - Das fünfte Buch - CONTINUATIO
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
Der Abenteuerliche
Simplicissimus Teutsch - DAS DRITTE BUCH
Das 1. Kapitel:
Wie der Jäger zu weit auf die linke Hand gehet
Das 2. Kapitel:
Der Jäger von Soest schafft den Jäger von Werl ab
Das 3. Kapitel:
Der große Gott Jupiter wird gefangen, und eröffnet der Götter Ratschläg
Das 4. Kapitel:
Von dem Teutschen Helden, der die ganze Welt bezwingen, und zwischen allen Völkern Fried stiften wird
Das 5. Kapitel:
Wie er die Religionen miteinander vereinigen, und in einen Model gießen wird
Das 6. Kapitel:
Was die Legation der Flöh beim Jove verrichtet
Das 7. Kapitel:
Der Jäger erjaget abermals Ehre und Beuten
Das 8. Kapitel:
Wie er den Teufel im Trog gefunden, Springinsfeld aber schöne Pferd erwischt
Das 9. Kapitel:
Ein ungleicher Kampf, in welchem der Schwächste obsieget, und der Überwinder gefangen wird
Das 10. Kapitel:
Der General-Feldzeugmeister schenket dem Jäger das Leben, und macht ihm sonst gute Hoffnung
Das 11. Kapitel:
Hält allerhand Sachen in sich von geringer Wichtigkeit und großer Einbildung
Das 12. Kapitel:
Das Glück tut dem Jäger unversehens eine adelige Verehrung
Das 13. Kapitel:
Simplicii seltsame Grillen und Luftgebäu, auch wie er seinen Schatz verwahrt
Das 14. Kapitel:
Wie der Jäger vom Gegenteil gefangen wird
Das 15. Kapitel:
Mit welchen Conditionibus der Jäger wieder los worden
Das 16. Kapitel:
Wie Simplicius ein Freiherr wird
Das 17. Kapitel:
Womit der Jäger die sechs Monat hinzubringen gedenkt, auch etwas von der Wahrsagerin
Das 18. Kapitel:
Wie der Jäger anfängt zu buhlen, und ein Handwerk daraus macht
Das 19. Kapitel:
Durch was Mittel sich der Jäger Freund' gemacht, und was für Andacht er bei einer Predigt hatte
Das 20. Kapitel:
Wie er dem treuherzigen Pfarrer ander Werg an die Kunkel legte, damit er sein epikurisch Leben zu korrigieren vergesse
Das 21. Kapitel:
Wie der Jäger unversehens zum Ehmann wird
Das 22. Kapitel:
Wie es bei der Hochzeit ablief, und was er weiter anzufangen sich vorgestellt
Das 23. Kapitel:
Simplicius kommt in eine Stadt, die er zwar nur pro forma Köln nennet, seinen Schatz abzuholen
Das 24. Kapitel:
Der Jäger fängt einen Hasen mitten in einer Stadt
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Das 1. Kapitel
Wie der Jäger zu weit auf die linke Hand gehet
Der günstige Leser wird in vorhergehendem Buch verstanden haben, wie ehrgeizig ich in Soest worden, und daß ich Ehr, Ruhm und Gunst in Handlungen suchte und auch gefunden, die sonst bei andern wären strafwürdig gewesen: jetzt will ich erzählen, wie ich mich meine Torheit weiter verleiten lassen und dadurch in stetiger Leib- und Lebensgefahr gelebt. Ich war, wie ich bereits erwähnet hab, so beflissen Ehr und Ruhm zu erjagen, daß ich auch nicht davor schlafen konnte, und wenn ich so Grillen hatte und manche Nacht lag, neue Fünd und List zu ersinnen, hatte ich wunderliche Einfäll; dahero erfand ich ein Gattung Schuh, die man das Hinterst zuvörderst anziehen konnte, also daß die Absätz unter den Zehen standen, deren ließ ich auf meine Kosten bei dreißig unterschiedliche Paar machen, und wenn ich solche unter meine Bursch austeilete und damit auf Partei ging, wars unmöglich uns auszuspüren, denn wir trugen bald diese und bald unsere rechten Schuh an den Füßen und hingegen die übrigen im Ranzen, und wenn jemand an einen Ort kam, da ich die Schuh verwechseln lassen, sah es nicht anders in der Spur, als wenn zwo Partei allda zusammenkommen und miteinander auch wieder verschwunden wären; behielt ich aber meine letzten Schuh an, so sah es, als ob ich erst hingangen wäre, wo ich schon gewesen, oder als ob ich von dem Ort herkäme, dahin ich erst ging: So waren ohnedas meine Gäng, wenn es eine Spur hatte, viel verwirrter als in einem Irrgarten, also daß es denjenigen, die mich vermittelst der Spur hätten auskundigen oder sonst nachjagen sollen, unmöglich gefallen wäre, mich zu kriegen. Ich war oft allernächst bei denen vom Gegenteil, die mich in der Ferne sollten suchen, und noch öfters etliche Meil Wegs von demjenigen Busch, den sie jetzt umstellten und durchstreiften, mich darin zu fangen, und gleichwie ichs machte mit den Parteien zu Fuß, also tat ich ihm auch, wenn ich zu Pferd drauß war, denn das war mir nichts Seltsams, daß ich an Scheid- und Kreuzwegen ohnversehens absteigen und den Pferden die Eisen das hinterst zuvörderst aufschlagen ließ; die gemeinen Vorteil aber, die man brauchet, wenn man schwach auf Partei ist und doch für stark aus der Spur judiziert, oder wenn man stark ist und doch für schwach gehalten werden will, waren mir so gemein und ich achte sie so gering, daß ich selbige zu erzählen nicht wert achte. Daneben erdachte ich ein Instrument, mit welchem ich bei Nacht, wenn es windstill war, ein Trompet auf drei Stund Wegs von mir blasen, ein Pferd auf zwo Stund schreien oder Hunde bellen und auf eine Stund weit die Menschen reden hören konnte, welche Kunst ich sehr geheim hielt und mir damit ein Ansehen machte, weil es bei jedermann ohnmöglich zu sein schien; bei Tag aber war mir besagtes Instrument (welches ich gemeiniglich neben einem Perspektiv im Hosensack trug) nit soviel nutz, es wäre denn an einem einsamen stillen Ort gewesen, denn man mußte von den Pferden und dem Rindvieh an bis auf den geringsten Vogel in der Luft oder Frosch im Wasser alles hören, was sich in der ganzen Gegend nur regte und ein Stimm von sich gab, welches denn nicht anderst lautet', als ob man sich (wie mitten auf einem Markt) unter viel Menschen und Tieren befände, deren jedes sich hören läßt, da man vor des einen Geschrei den andern nicht verstehen kann.
Ich weiß zwar wohl, daß auf diese Stund Leut sind, die mir dieses nicht glauben, aber sie mögen es glauben oder nicht, so ists doch die Wahrheit: Ich will einen Menschen bei Nacht, der nur so laut redet als seine Gewohnheit ist, an der Stimm durch ein solches Instrument erkennen, er sei gleich so weit von mir als ihn einer durch ein gut Perspektiv bei Tag an den Kleidern erkennen mag. Ich kann aber keinen verdenken, wenn er nur nicht glaubt, was ich jetzund schreibe, denn es wollte mir keiner glauben von denjenigen, die mit ihren Augen sahen, als ich mehrbedeut Instrument gebrauchte, und ihnen sagte: Ich höre Reuter reiten, denn die Pferd sind beschlagen; ich höre Baurn kommen, denn die Pferd gehen barfuß; ich höre Fuhrleut, aber es sind nur Baurn, ich kenne sie an der Sprach; es kommen Musketier, ungefähr so viel, denn ich höre es am Geklapper ihrer Bandelier; es ist ein Dorf um diese oder jene Gegend, ich höre die Hahnen krähen, Hund bellen etc., dort geht eine Herd Vieh, ich höre Schaf blöken, Kühe schreien, Schwein grunzen, und so fortan: Meine eigenen Kameraden hielten anfangs diese Reden für Aufschneiderei, und als sie im Werk befanden, daß ich jederzeit wahr sagte, mußte alles Zauberei und mir, was ich ihnen gesagt, vom Teufel und seiner Mutter offenbart worden sein: Also, glaub ich, wird der günstige Leser auch gedenken. Nichtsdestoweniger bin ich dem Gegenteil hierdurch oftmals wunderlich entronnen, wenn er Nachricht von mir kriegte und mich aufzuheben kam; halt auch dafür, wenn ich diese Wissenschaft offenbart hätte, daß sie seither sehr gemein worden wäre, weil sie denen im Krieg trefflich zustatten käme, sonderlich in Belagerungen: Ich schreite aber zu meiner Histori.
Wenn ich nicht auf Partei durfte, so ging ich sonst aus zu stehlen, und dann waren weder Pferd, Kühe, Schwein noch Schaf in den Ställen vor mir sicher, welche ich auf etliche Meil Wegs holete; Rindvieh und Pferden wußte ich Stiefel oder Schuh anzulegen, bis ich sie auf eine gänge Straß brachte, damit man sie nicht spüren konnte, alsdann schlug ich den Pferden die Eisen hinterst zuvörderst auf, oder wenns Küh und Ochsen warn, tat ich ihnen Schuh an die ich dazu gemacht hatte, und brachte sie also in Sicherheit; die großen fetten Schweinspersonen, die Faulheit halber bei Nacht nicht reisen mögen, wußte ich auch meisterlich fortzubringen, wenn sie schon grunzten und nicht dran wollten; ich machte ihnen mit Mehl und Wasser einen wohlgesalzenen Brei, ließ solchen einen Baderschwamm in sich saufen, an welchen ich ein starken Bindfaden gebunden hatte, ließ nachgehends diejenigen um welche ich löffelte, den Schwamm voll Mus fressen, und behielt die Schnur in der Hand, worauf sie ohne ferneren Wortwechsel geduldig mitgingen und mir die Zech mit Schinken und Würsten bezahlten; und wenn ich so was heimbrachte, teilte ich sowohl den Offiziern als meinen Kameraden getreulich mit, dahero durfte ich ein andermal wieder hinaus, und da mein Diebstahl verraten oder ausgekundschaftet wurde, halfen sie mir hübsch durch; im übrigen dünkte ich mich viel zu gut dazu sein, daß ich die Armen bestehlen oder Hühner fangen und andere geringe Sachen hätte mausen sollen. Dabei fing ich an, nach und nach mit Fressen und Saufen ein epikurisch Leben zu führen, weil ich meines Einsiedlers Lehr vergessen und niemand hatte, der meine Jugend regierte oder auf den ich sehen durfte; denn meine Offizier machten selbst mit, wenn sie bei mir schmarotzten, und die mich hätten strafen und abmahnen sollen, reizten mich vielmehr zu allen Lastern, davon wurde ich endlich so gottlos und verrucht, daß mir kein Schelmstück, solches zu begehen, zu groß war. Zuletzt wurde ich auch heimlich geneidet, zumal von meinen Kameraden, daß ich ein glücklichere Hand zu stehlen hatte als ein anderer; von meinen Offiziern aber, daß ich mich so toll hielt, glücklich auf Parteien handelte und mir ein größern Namen und Ansehen machte als sie selbst hatten. Ich halte auch gänzlich dafür, daß mich ein oder ander Teil zeitlich aufgeopfert hätte, wenn ich nicht so spendiert hätte.
Das 2. Kapitel
Der Jäger von Soest schafft den Jäger von Werl ab
Als ich nun so fort hausete und im Werk begriffen war, mir einige Teufelslarven und dazu gehörige schreckliche Kleidungen mit Roß- und Ochsenfüßen machen zu lassen, vermittelst derer ich die Feind erschrecken, zumal auch den Freunden als unerkannt das Ihrige zu nehmen, dazu mir denn die Begebenheit mit dem Speckstehlen Anlaß gab, bekam ich Zeitung, daß ein Kerl sich in Werl aufhielte, welcher ein trefflicher Parteigänger sei, sich grün kleiden lassen und hin und her auf dem Land, sonderlich aber bei unsern Kontribuenten, unter meinem Namen mit Weiberschänden und Plünderungen allerhand Exorbitantien verübte, maßen dahero greuliche Klagen auf mich einkamen, dergestalt, daß ich übel eingebüßt hätte, da ich nicht ausdrücklich dargetan, daß ich in denjenigen Zeiten, da er ein und ander Stücklein auf mich verrichtet, mich anderswo befunden. Solches gedacht ich ihm nicht zu schenken, viel weniger zu leiden, daß er sich länger meines Namens bedienen, unter meiner Gestalt Beuten machen und mich dadurch so schänden sollte. Ich ließ ihn mit Wissen des Kommandanten in Soest auf einen Degen oder Paar Pistoln ins freie Feld zu Gast laden, nachdem er aber das Herz nicht hatte zu erscheinen, ließ ich mich vernehmen, daß ich mich an ihm revanchieren wollte, und sollt es zu Werl in desselbigen Kommandanten Schoß geschehen, als der ihn nicht drum strafte: Ja ich sagte öffentlich, daß, so ich ihn auf Partei ertappte, er als ein Feind von mir traktiert werden sollte! Das machte, daß ich meine Larven liegen ließ, mit denen ich ein Großes anzustellen vorhatte, sondern auch mein ganz grünes Kleid in kleine Stück zerhackte und in Soest vor meinem Quartier öffentlich verbrennet, unangesehen allein meine Kleider, ohne Federn und Pferdgezeug, über die hundert Dukaten wert waren; ja ich fluchte in solcher Wut noch drüber hin, daß der nächste, der mich mehr einen Jäger nenne, entweder mich ermorden oder von meinen Händen sterben müsse, und sollte es auch meinen Hals kosten! Wollt auch keine Partei mehr führen (so ich ohnedas nicht schuldig, weil ich noch kein Offizier war), ich hätte mich denn zuvor an meinem Widerpart zu Werl gerochen. Also hielt ich mich ein und tat nichts Soldatisch mehr, als daß ich meine Wacht versah, ich wäre denn absonderlich irgendshin kommandiert worden, welches ich jedoch alles wie ein anderer Bärnhäuter sehr schläferig verrichtet. Dies erscholl gar bald in der Nachbarschaft, und wurden die Parteien vom Gegenteil so kühn und sicher davon, daß sie schier täglich vor unsern Schlagbäumen lagen, so ich in die Läng auch nicht ertragen konnte. Was mir aber gar zu unleidlich fiel, war dies, daß der Jäger von Werl noch immerzu fortfuhr, sich für mich auszugeben und ziemliche Beuten zu machen.
Indessen nun, als jedermann vermeinte, ich hätte mich auf eine Bärnhaut schlafen gelegt, von der ich so bald nicht wieder aufstehen würde, kundigte ich meines Gegenteils von Werl Tun und Lassen aus und befand, daß er mir nicht nur mit dem Namen und in den Kleidern nachäffte, sondern auch bei Nacht heimlich zu stehlen pflegte, wenn er etwas erhaschen konnte, derhalben erwachte ich wieder ohnversehens und machte meinen Anschlag darauf: Mein beiden Knecht hatte ich nach und nach abgericht wie die Wachtelhund, so waren sie mir auch dermaßen getreu, daß jeder auf den Notfall für mich durch ein Feur gelaufen wäre, weil sie ihr gut Fressen und Saufen bei mir hatten und treffliche Beuten machten: Derer schickte ich einen nach Werl zu meinem Gegenteil, der wandte vor, weil ich als sein gewesener Herr nunmehr anfinge zu leben wie ein ander Kujon und verschworen hätte, nimmermehr auf Partei zu gehen, so hätte er nicht mehr bei mir bleiben mögen, sondern sei kommen ihm zu dienen, weil er an seines Herrn Statt ein Jägerkleid angenommen und sich wie ein rechtschaffener Soldat gebrauchen lasse; er wisse alle Weg und Steg im Land und könnte ihm manchen Anschlag geben, gute Beuten zu machen, etc. Mein guter einfältiger Narr glaubte meinem Knecht und ließ sich bereden, daß er ihn annahm und auf eine bestimmte Nacht mit seinem Kameraden und ihm auf eine Schäferei ging, etliche fette Hämmel zu holen, da ich und Springinsfeld mit meinem andern Knecht schon aufpaßten und den Schäfer bestochen hatten, daß er seine Hund anbinden und die Ankömmling in die Scheur unverhindert minieren lassen sollte, so wollte ich ihnen das Hammelfleisch schon gesegnen. Da sie nun ein Loch durch die Wand gemacht hatten, wollte der Jäger von Werl haben, mein Knecht sollte gleich zum ersten hineinschliefen; er aber sagte: "Nein, es möchte jemand drin aufpassen und mir eins vorn Kopf geben, ich sehe wohl, daß ihr nicht recht mausen könnt, man muß zuvor visitieren"; zog darauf seinen Degen aus und hängte seinen Hut an die Spitz, stieß ihn also etlichmal durchs Loch und sagte: "So muß man zuvor sehen, ob Bläsi zu Haus sei oder nicht?" Als solches geschehen, war der Jäger von Werl selbst der erste so hineinkroch; aber Springinsfeld erwischte ihn gleich beim Arm, darin er seinen Degen hatte, und fragte ihn, ob er Quartier wollte? Das höret' sein Gesell und wollt durchgehen; weil ich aber nicht wußte, welches der Jäger, und geschwinder als dieser auf den Füßen war, eilet ich ihm nach und ertappt ihn in wenig Sprüngen; Ich fragte: "Was Volks?" Er antwortet': "Kaiserisch." Ich fragte: "Was Regiments? Ich bin auch kaiserisch, ein Schelm der seinen Herrn verleugnet!" jener antwort: "Wir sind von den Dragonern aus Soest und kommen ein paar Hämmel zu holen, Bruder ich hoffe, wenn ihr auch kaiserisch seid, ihr werdet uns passieren lassen." Ich antwortet: "Wer seid ihr denn aus Soest?" jener antwort: "Mein Kamerad im Stall ist der Jäger." "Schelmen seid ihr!" sagte ich, "warum plündert ihr denn euer eigen Quartier? der Jäger von Soest ist so kein Narr, daß er sich in einem Schafstall fangen läßt!" "Ach von Werl wollt ich sagen", antwort mir jener wiederum; und indem ich so disputierte, kam mein Knecht und Springinsfeld mit meinem Gegenteil auch daher. "Siehe da, du ehrlicher Vogel, kommen wir hier zusammen? wenn ich die kaiserlichen Waffen, die du wider den Feind zu tragen aufgenommen hast, nicht respektierte, so wollt ich dir gleich eine Kugel durch den Kopf jagen! Ich bin der Jäger von Soest bishero gewesen, und dich halt ich für einen Schelmen, bis du einen von gegenwärtigen Degen zu dir nimmst und den andern auf Soldaten-Manier mit mir missest!" Indem legte mein Knecht (der sowohl als Springinsfeld ein abscheuliches Teufelskleid mit großen Bockshörnern anhatte) uns zween gleiche Degen vor die Füß, die ich mit aus Soest genommen hatte, und gab dem Jäger von Werl die Wahl, einen davon zu nehmen welchen er wollte; davon der arme Jäger so erschrak, daß es ihm ging wie mir zu Hanau, da ich den Tanz verderbte, denn er hofierte die Hosen so voll, daß schier niemand bei ihm bleiben konnte; er und sein Kamerad zitterten wie nasse Hund, sie fielen nieder auf die Knie und baten um Gnad! Aber Springinsfeld kollerte wie aus einem hohlen Hafen heraus, und sagte zum Jäger: "Du mußt einmal raufen oder ich will dir den Hals brechen!" "Ach hochgeehrter Herr Teufel, ich bin nicht Raufens halber herkommen, der Herr Teufel überhebe mich dessen, so will ich hingegen tun was du willst." In solchen verwirrten Reden gab ihm mein Knecht den einen Degen in die Hand und mir den andern, er zitterte aber so sehr, daß er ihn nicht halten konnte: Der Mond schien sehr hell, so daß der Schäfer und sein Gesind alles aus ihrer Hütten sehen und hören konnten. Ich rufte demselben herbeizukommen, damit ich einen Zeugen dieses Handels hätte, dieser als er kam, stellte sich, als ob er die zween in den Teufelskleidern nicht sehe, und sagte, was ich mit diesen Kerlen lang in seiner Schäferei zu zanken, wenn ich etwas mit ihnen hätte, sollte ichs an einem andern Ort ausmachen, unsere Händel gingen ihn nichts an, er gebe monatlich sein Konterbission, hoffte darum bei seiner Schäferei in Ruhe zu leben. Zu jenen zweien aber sagte er, warum sie sich nur so von mir geheien ließen und mich nicht niederschlügen? Ich sagte: "Du Flegel, sie haben dir deine Schaf wollen stehlen." Der Baur antwortet': "So wollt ich, daß sie mich und meine Schaf müßten im Hintern lecken"; und ging damit hinweg. Hierauf drang ich wieder auf das Fechten, mein armer Jäger aber konnte schier nicht mehr vor Furcht auf den Füßen stehen, also daß er mich daurete, ja er und sein Kamerad brachten so bewegliche Wort vor, daß ich ihm endlich alles verzieh und vergab: Aber Springinsfeld war damit nicht zufrieden, sondern zwang den Jäger, daß er drei Schaf (denn soviel hatten sie stehlen wollen) mußte im Hintern küssen, und zerkratzte ihn noch dazu so abscheulich im Gesicht, daß er aussah, als ob er mit den Katzen gefressen hätte, mit welcher schlechten Rach ich zufrieden war. Aber der Jäger verschwand bald aus Werl, weil er sich viel zu sehr schämte, denn sein Kamerad sprengte aller Orten aus und beteuret's mit heftigen Flüchen, daß ich wahrhaftig zween leibhaftiger Teufel hätte, die mir auf den Dienst warteten, darum ich noch mehr gefürchtet, hingegen aber desto weniger geliebt wurde.
Das 3. Kapitel
Der große Gott Jupiter wird gefangen, und eröffnet der Götter Ratschläg
Solches wurde ich bald gewahr, derhalben stellte ich mein vorig gottlos Leben allerdings ab und befliß mich allein der Tugend und Frömmigkeit; ich ging zwar wie zuvor wieder auf Partei, erzeigte mich aber gegen Freunde und Feinde so leutselig und diskret, daß all diejenigen, so mir unter die Händ kamen, ein anders glaubten als sie von mir gehört hatten; überdas hielt ich auch mit den überflüssigen Verschwendungen inne und sammlete mir viel schöne Dukaten und Kleinodien, welche ich hin und wieder in der Soestischen Börde auf dem Land in hohle Bäum verbarg, weil mir solches die bekannte Wahrsagerin zu Soest riet und mich versicherte, daß ich mehr Feind in derselben Stadt und unter meinem Regiment als außerhalb und in den feindlichen Garnisonen hätte, die mir und meinem Geld nachstellten. Und indem man hin und her Zeitung hatte, daß der Jäger ausgerissen wäre, saß ich denen, die sich damit kitzelten, wieder ohnversehens auf der Hauben, und ehe ein Ort recht erfuhr, daß ich an einem andern Schaden getan, empfand derselbige schon, daß ich noch vorhanden war; denn ich fuhr herum wie ein Windsbraut, war bald hie bald dort, also daß man mehr von mir zu sagen wußte als zuvor, da sich noch einer für mich ausgab.
Ich saß einsmals mit fünfundzwanzig Feurröhren nicht weit von Dorsten und paßte einem Convoi mit etlichen Fuhrleuten auf, der nach Dorsten kommen sollte; ich hielt meiner Gewohnheit nach selbst Schildwacht, weil wir dem Feind nahe waren; da kam ein einziger Mann daher, fein ehrbar gekleidet, der redte mit sich selbst und hatte mit seinem Meerrohr, das er in Händen trug, ein seltsam Gefecht; ich konnte nichts anders verstehen, als daß er sagte: "Ich will einmal die Welt strafen, es wolle mirs denn das große Numen nicht zugeben!" Woraus ich mutmaßete, es möchte etwa ein mächtiger Fürst sein, der so verkleidterweis herumginge, seiner Untertanen Leben und Sitten zu erkundigen und sich nun vorgenommen hätte, solche (weil er sie vielleicht nicht nach seinem Willen gefunden) gebührend zu strafen. Ich gedachte: ›Ist dieser Mann vom Feind, so setzts ein gute Ranzion, wo nicht, so willst du ihn so höflich traktieren und ihm dadurch das Herz dermaßen abstehlen, daß es dir künftig dein Lebtag wohl bekommen soll‹, sprang derhalben hervor, präsentiert mein Gewehr mit aufgezogenem Hahnen, und sagte: "Der Herr wird sich belieben lassen, vor mir hin in Busch zu gehen, wofern er nicht als Feind traktiert sein will." Er antwortet' sehr ernsthaftig: "Solcher Tractation ist meinesgleichen nit gewohnt." Ich aber tummelt ihn höflich fort, und sagte: "Der Herr wird sich nicht zuwider sein lassen, sich für diesmal in die Zeit zu schicken", und als ich ihn in den Busch zu meinen Leuten gebracht und die Schildwachten wieder besetzt hatte, fragte ich ihn, wer er sei? Er antwortet' gar großmütig, es würde mir wenig daran gelegen sein, wenn ichs schon wüßte, er sei auch ein großer Gott! Ich gedachte, er möchte mich vielleicht kennen und etwa ein Edelmann von Soest sein und so sagen mich zu hetzen, weil man die Soester mit dem großen Gott und seinem güldenen Vortuch zu vexieren pflegt, wurde aber bald inne, daß ich anstatt eines Fürsten einen Phantasten gefangen hätte, der sich überstudiert und in der Poeterei gewaltig verstiegen, denn da er bei mir ein wenig erwarmte, gab er sich für den Gott Jupiter aus.
Ich wünschte zwar, daß ich diesen Fang nicht getan, weil ich den Narrn aber hatte, mußte ich ihn wohl behalten, bis wir von dannen rückten, und demnach mir die Zeit ohnedas ziemlich lang wurde, gedachte ich, diesen Kerl zu stimmen und mir seine Gaben zunutz zu machen, sagte derowegen zu ihm: "Nun denn meiner lieber Jove, wie kommts doch, daß deine hohe Gottheit ihren himmlischen Thron verläßt und zu uns auf Erden steigt? Vergib mir, o Jupiter, meine Frag, die du für vorwitzig halten möchtest, denn wir sind den himmlischen Göttern auch verwandt und eitel Silvani, von den Faunis und Nymphis geboren, denen diese Heimlichkeit billig ohnverborgen sein soll." "Ich schwöre dir beim Styx", antwortet' Jupiter, "daß du hiervon nichts erfahren solltest, wenn du meinem Mundschenken Ganymede nicht so ähnlich sähest, und wenn du schon Pans eigener Sohn wärest, aber von seinetwegen kommuniziere ich dir, daß ein groß Geschrei über der Welt Laster zu mir durch die Wolken gedrungen, darüber in aller Götter Rat beschlossen worden, ich könnte mit Billigkeit, wie zu Lykaons Zeiten, den Erdboden wieder mit Wasser austilgen; weil ich aber dem menschlichen Geschlecht mit sonderbarer Gunst gewogen bin und ohnedas allezeit lieber die Güte als eine strenge Verfahrung brauche, vagiere ich jetzt herum, der Menschen Tun und Lassen selbst zu erkundigen, und obwohl ich alles ärger finde, als mirs vorkommen, so bin ich doch nicht gesinnt, alle Menschen zugleich und ohne Unterscheid auszureuten, sondern nur diejenigen zu strafen, die zu strafen sind, und hernach die übrigen nach meinem Willen zu ziehen."
Ich mußte zwar lachen, verbiß es doch so gut ich konnte, und sagte: "Ach Jupiter, deine Mühe und Arbeit wird besorglich allerdings umsonst sein, wenn du nicht wieder, wie vor diesem, die Welt mit Wasser oder gar mit Feur heimsuchest; denn schickest du einen Krieg, so laufen alle bösen verwegenen Buben mit, welche die friedliebenden frommen Menschen nur quälen werden; schickest du eine Teuerung, so ists ein erwünschte Sach für die Wucherer, weil alsdann denselben ihr Korn viel gilt; schickst du aber ein Sterben, so haben die Geizhäls und alle übrigen Menschen ein gewonnen Spiel, indem sie hernach viel erben; wirst derhalben die ganze Welt mit Butzen und Stiel ausrotten müssen, wenn du anders strafen willst."
Das 4. Kapitel
Von dem Teutschen Helden, der die ganze Welt bezwingen, und zwischen allen Völkern Fried stiften wird
Jupiter antwortet': "Du redest von der Sach wie ein natürlicher Mensch, als ob du nicht wüßtest, daß uns Göttern möglich sei, etwas anzustellen, daß nur die Bösen gestraft und die Guten erhalten werden; ich will einen Teutschen Helden erwecken, der soll alles mit der Schärfe des Schwerts vollenden, er wird alle verruchten Menschen umbringen und die frommen erhalten und erhöhen." Ich sagte: "So muß ja ein solcher Held auch Soldaten haben, und wo man Soldaten braucht, da ist auch Krieg, und wo Krieg ist, da muß der Unschuldig sowohl als der Schuldig herhalten!" "Seid ihr irdischen Götter denn auch gesinnt wie die irdischen Menschen", sagte Jupiter hierauf, "daß ihr so gar nichts verstehen könnet? Ich will einen solchen Helden schicken, der keiner Soldaten bedarf, und doch die ganze Welt reformieren soll; in seiner Geburtstund will ich ihm verleihen einen wohlgestalten und stärkern Leib als Herkules einen hatte, mit Fürsichtigkeit, Weisheit und Verstand überflüssig geziert, hierzu soll ihm Venus geben ein schön Angesicht, also daß er auch Narcissum, Adonidem und meinen Ganymedem selbst übertreffen solle, sie soll ihm zu allen seinen Tugenden ein sonderbare Zierlichkeit, Aufsehen und Anmutigkeit vorstrecken und dahero ihn bei aller Welt beliebt machen, weil ich sie eben der Ursachen halber in seiner Nativität desto freundlicher anblicken werde; Mercurius aber soll ihn mit unvergleichlich-sinnreicher Vernunft begaben, und der unbeständige Mond soll ihm nicht schädlich sondern nützlich sein, weil er ihm eine unglaubliche Geschwindigkeit einpflanzen wird; die Pallas soll ihn auf dem Parnasso auferziehen, und Vulcanus soll ihm in Hora Martis seine Waffen, sonderlich aber ein Schwert schmieden, mit welchem er die ganze Welt bezwingen und alle Gottlosen niedermachen wird, ohne fernere Hilf eines einzigen Menschen, der ihm etwa als ein Soldat beistehen möchte, er soll keines Beistands bedürfen, ein jede große Stadt soll von seiner Gegenwart erzittern, und ein jede Festung, die sonst unüberwindlich ist, wird er in der ersten Viertelstund in seinem Gehorsam haben, zuletzt wird er den größten Potentaten in der Welt befehlen und die Regierung über Meer und Erden so löblich anstellen, daß beides Götter und Menschen ein Wohlgefallen darob haben sollen."
Ich sagte: "Wie kann die Niedermachung aller Gottlosen ohne Blutvergießen und das Kommando über die ganze weite Welt ohne sonderbare große Gewalt und starken Arm geschehen und zuwegen gebracht werden? o Jupiter, ich bekenne dir unverhohlen, daß ich diese Ding weniger als ein sterblicher Mensch begreifen kann!" Jupiter antwortet': "Das gibt mich nicht Wunder, weil du nicht weißt, was meines Helden Schwert für ein seltene Kraft an sich haben wird, Vulcanus wirds aus den Materialien verfertigen, daraus er mir meine Donnerkeil macht, und dessen Tugenden dahin richten, daß mein Held, wenn er solches entblößet und nur einen Streich damit in die Luft tut, einer ganzen Armada, wenn sie gleich hinter einem Berg eine ganze Schweizermeil Wegs weit von ihm stünde, auf einmal die Köpf herunterhauen kann, also daß die armen Teufel ohne Köpf daliegen müssen, ehe sie einmal wissen wie ihnen geschehe! Wenn er dann nun seinem Lauf den Anfang macht und vor eine Stadt oder Festung kommt, so wird er des Tamerlani Manier brauchen, und zum Zeichen, daß er Friedens halber und zu Beförderung aller Wohlfahrt vorhanden sei, ein weißes Fähnlein aufstecken, kommen sie dann zu ihm heraus und bequemen sich, wohl gut; wo nicht, so wird er von Leder ziehen und durch Kraft mehrgedachten Schwerts allen Zauberern und Zauberinnen, so in der ganzen Stadt sind, die Köpf herunterhauen und ein rotes Fähnlein aufstecken; wird sich aber dennoch niemand einstellen, so wird er alle Mörder, Wucherer, Dieb, Schelmen, Ehebrecher, Huren und Buben auf die vorige Manier umbringen und ein schwarzes Fähnlein sehen lassen, wofern aber nicht so bald diejenigen, so noch in der Stadt übrig blieben, zu ihm kommen und sich demütig einstellen, so wird er die ganze Stadt und ihre Inwohner als ein halsstarrig und ungehorsam Volk ausrotten wollen, wird aber nur diejenigen hinrichten, die den andern abgewehrt haben und ein Ursach gewesen, daß sich das Volk nicht ehe ergeben. Also wird er von einer Stadt zur andern ziehen, einer jeden Stadt ihr Teil Lands um sie her gelegen im Frieden zu regieren übergeben und von jeder Stadt durch ganz Teutschland zween von den klügsten und gelehrtesten Männern zu sich nehmen, aus denselben ein Parlament machen, die Städt miteinander auf ewig vereinigen, die Leibeigenschaften samt allen Zöllen, Akzisen, Zinsen, Gülten und Umgelten durch ganz Teutschland aufheben und solche Anstalten machen, daß man von keinem Fronen, Wachen, Kontribuieren, Geldgeben, Kriegen noch einziger Beschwerung beim Volk mehr wissen, sondern viel seliger als in den Elysischen Feldern leben wird: Alsdann (sagt' Jupiter ferner) werde ich oftmals den ganzen Chorum Deorum nehmen und herunter zu den Teutschen steigen, mich unter ihren Weinstöcken und Feigenbäumen zu ergötzen, da werde ich den Helikon mitten in ihre Grenzen setzen und die Musen von neuem darauf pflanzen, ich werde Teutschland höher segnen mit allem Überfluß als das glückselige Arabiam, Mesopotamiam und die Gegend um Damasco; die griechische Sprach werde ich alsdann verschwören und nur Teutsch reden und mit einem Wort mich so gut teutsch erzeigen, daß ich ihnen auch endlich, wie vor diesem den Römern, die Beherrschung über die ganze Welt zukommen lassen werde." Ich sagte: "Höchster Jupiter, was werden aber Fürsten und Herren dazu sagen, wenn sich der künftige Held unterstehet, ihnen das Ihrig so unrechtmäßiger Weis abzunehmen und den Städten zu unterwerfen? werden sie sich nicht mit Gewalt widersetzen oder wenigst vor Göttern oder Menschen dawider protestieren?" Jupiter antwortet': "Hierum wird sich der Held wenig bekümmern, er wird alle Großen in drei Teil unterscheiden und diejenigen, so ohnexemplarisch und verrucht leben, gleich den Gemeinen strafen, weil seinem Schwert kein irdische Gewalt widerstehen mag, den übrigen aber wird er die Wahl geben, im Land zu bleiben oder nicht; was bleibt und sein Vaterland liebet, die werden leben müssen wie andere gemeine Leut, aber das Privatleben der Teutschen wird alsdann viel vergnügsamer und glückseliger sein als jetzund das Leben und der Stand eines Königs und die Teutschen werden alsdann lauter Fabricii sein, welcher mit dem König Pyrrho sein Königreich nicht teilen wollte, weil er sein Vaterland neben Ehr und Tugend so hoch liebte, und das sind die zweiten; die dritten aber, die ja Herrn bleiben und immerzu herrschen wollen, wird er durch Ungarn und Italia in die Moldau, Walachei, in Macedoniam, Thraciam, Graeciam, ja über den Hellespontum nach Asiam hinein führen, ihnen dieselben Länder gewinnen, alle Kriegsgurgeln in ganz Teutschland mitgeben und sie alldort zu lauter Königen machen; alsdann wird er Konstantinopel in einem Tag einnehmen und allen Türken, die sich nicht bekehren oder gehorsamen, die Köpf vor den Hintern legen, daselbst wird er das römisch Kaisertum wieder aufrichten und sich wieder nach Teutschland begeben und mit seinen Parlamentsherren (welche er, wie ich schon gesagt habe, aus allen teutschen Städten paarweis sammlen und die Vorsteher und Väter seines teutschen Vaterlands nennen wird) eine Stadt mitten in Teutschland bauen, welche viel größer sein wird, als Manoah in Amerika und goldreicher als Jerusalem zu Salomons Zeiten gewesen, deren Wäll sich dem tirolischen Gebirg und ihre Wassergräben der Breite des Meers zwischen Hispania und Afrika vergleichen sollen, er wird einen Tempel hinein bauen von lauter Diamanten, Rubinen, Smaragden und Saphiren; und in der Kunstkammer die er aufrichten wird, werden sich alle Raritäten in der ganzen Welt versammlen, von den reichen Geschenken, die ihm die Könige in China, in Persia, der große Mogol in den orientalischen Indien, der große Tatar-Chan, Priester Johann in Afrika und der Große Zar in der Moskau schicken; der türkische Kaiser würde sich noch fleißiger einstellen, wofern ihm bemeldter Held sein Kaisertum nicht genommen und solches dem römischen Kaiser zu Lehen gegeben hätte."
Ich fragte meinen Jovem, was denn die christlichen Könige bei der Sach tun würden? Er antwortet': "Der in Engeland, Schweden und Dänemark werden, weil sie teutschen Geblüts und Herkommens, der in Hispania, Frankreich und Portugal aber, weil die alten Teutschen selbige Länder hiebevor auch eingenommen und regiert haben, ihre Kronen, Königreich und inkorporierten Länder von der teutschen Nation aus freien Stücken zu Lehen empfangen, und alsdann wird, wie zu Augusti Zeiten, ein ewiger beständiger Fried zwischen allen Völkern in der ganzen Welt sein."
Das 5. Kapitel
Wie er die Religionen miteinander vereinigen, und in einen Model gießen wird
Springinsfeld, der uns auch zuhörete, hätte den Jupiter schier unwillig gemacht und den Handel beinahe verderbt, weil er sagte: "Und alsdann wirds in Teutschland hergehen wie im Schlaraffenland, da es lauter Muskateller regnet und die Kreuzerpastetlein über Nacht wie die Pfifferling wachsen! da werde ich mit beiden Backen fressen müssen wie ein Drescher und Malvasier saufen, daß mir die Augen übergehen." "Ja freilich", antwortet' Jupiter, "vornehmlich wenn ich dir die Plag Erysichthonis anhängen würde, weil du, wie mich dünken will, meine Hoheit verspottest." Zu mir aber sagte er: "Ich habe vermeint, ich sei bei lauter Silvanis, so sehe ich aber wohl, daß ich den neidigen Momum oder Zoilum angetroffen habe; ja man sollte solchen Verrätern das was der Himmel beschlossen offenbaren, und so edle Perlen vor die Säu werfen, ja freilich, auf den Buckel geschissen für ein Brusttuch!" Ich gedachte: "Dies ist mir wohl ein visierlicher und unflätiger Abgott, weil er neben so hohen Dingen auch mit so weicher Materi umgehet." Ich sah wohl, daß er nicht gern hatte, daß man lachte, verbiß es derowegen so gut als ich immer konnte, und sagte zu ihm: "Allergütigster Jove, du wirst ja eines groben Waldgotts Unbescheidenheit halber deinem andern Ganymede nicht verhalten, wie es weiter in Teutschland hergehen wird?" "O nein", antwortet' er, "aber befehle zuvor diesem Theoni, daß er seine Hipponacis-Zunge fürderhin im Zaum halten solle, ehe ich ihn (wie Mercurius den Battum) in einen Stein verwandele; du selbst aber gestehe mir, daß du mein Ganymedes seiest, und ob dich nicht mein eifersüchtige Juno in meiner Abwesenheit aus dem himmlischen Reich gejaget habe?" Ich versprach ihm alles zu erzählen, da ich zuvor gehört haben würde, was ich zu wissen verlangte. Darauf sagte er: "Lieber Ganymede, (leugne nur nicht mehr, denn ich sehe wohl daß du es bist) es wird alsdann in Teutschland das Goldmachen so gewiß und so gemein werden als das Hafnerhandwerk, also daß schier ein jeder Roßbub den Lapidem Philosophorum wird umschleppen!" Ich fragte: "Wie wird aber Teutschland bei so unterschiedlichen Religionen ein so langwierigen Frieden haben können? werden so unterschiedliche Pfaffen nicht die Ihrigen hetzen und wegen ihres Glaubens wiederum einen Krieg anspinnen?" "O nein!" sagt' Jupiter, "mein Held wird dieser Sorg weislich vorkommen und vor allen Dingen alle christliche Religionen in der ganzen Welt miteinander vereinigen." Ich sagte: "O Wunder, das wäre ein groß Werk! wie müßte das zugehen?" Jupiter antwortet': "Das will ich dir herzlich gern offenbaren: Nachdem mein Held den Universal-Frieden der ganzen Welt verschafft, wird er die geist- und weltlichen Vorsteher und Häupter der christlichen Völker und unterschiedlichen Kirchen mit einem sehr beweglichen Sermon anreden und ihnen die bisherigen hochschädlichen Spaltungen in den Glaubenssachen trefflich zu Gemüt fahren, sie auch durch hochvernünftige Gründe und unwidertreibliche Argumenta dahin bringen, daß sie von sich selbst eine allgemeine Vereinigung wünschen und ihm das ganze Werk seiner hohen Vernunft nach zu dirigiern übergeben werden: alsdann wird er die allergeistreichsten, gelehrtesten und frömmigsten Theologos von allen Orten und Enden her aus allen Religionen zusammenbringen und ihnen einen Ort, wie vor diesem Ptolemäus Philadelphus den zweiundsiebzig Dolmetschen getan, in einer lustigen doch stillen Gegend, da man wichtigen Sachen ungehindert nachsinnen kann, zurichten lassen, sie daselbst mit Speis und Trank, auch aller anderen Notwendigkeit versehen und ihnen auflegen, daß sie so bald immer möglich und jedoch mit der allerreifsten und fleißigsten Wohlerwägung die Strittigkeiten, so sich zwischen ihren Religionen enthalten, erstlich beilegen und nachgehends mit rechter Einhelligkeit die rechte, wahre, heilige und christliche Religion der Hl. Schrift, der uralten Tradition und der probierten Hl. Väter Meinung gemäß schriftlich verfassen sollen: Um dieselbige Zeit wird sich Pluto gewaltig hintern Ohren kratzen, weil er alsdann die Schmälerung seines Reichs besorgen wird, ja er wird allerlei Fünd und List erdenken, ein Que darein zu machen, und die Sach wo nicht gar zu hintertreiben, jedoch solche ad infinitum oder indefinitum zu bringen sich gewaltig bemühen; er wird sich unterstehen, einem jeden Theologo sein Interesse, seinen Stand, sein geruhig Leben, sein Weib und Kind, sein Ansehen und je so etwas, das ihm seine Opinion zu behaupten einraten möchte, vorzumalen: Aber mein tapferer Held, wird auch nicht feiren, er wird, so lang dieses Concilium währet, in der ganzen Christenheit alle Glocken läuten und damit das christlich Volk zum Gebet an das höchste Numen ohnablässig anmahnen und um Sendung des Geistes der Wahrheit bitten lassen: Wenn er aber merken würde, daß sich einer oder ander von Plutone einnehmen läßt, so wird er die ganze Kongregation wie in einer Konklave mit Hunger quälen, und wenn sie noch nicht dran wollen, ein so hohes Werk zu befördern, so wird er ihnen allen vom Henken predigen oder ihnen sein wunderbarlich Schwert weisen, und sie also erstlich mit Güte, endlich mit Ernst und Bedrohungen dahin bringen, daß sie ad rem schreiten und mit ihren halsstarrigen falschen Meinungen die Welt nicht mehr wie vor alters foppen: Nach erlangter Einigkeit wird er ein groß Jubelfest anstellen und der ganzen Welt diese geläuterte Religion publizieren, und welcher alsdann dawider glaubt, den wird er mit Schwefel und Pech martyrisieren oder einen solchen Ketzer mit Buxbaum bestecken und dem Plutone zum Neuen Jahr schenken. Jetzt weißt du, lieber Ganymede, alles was du zu wissen begehrt hast, nun sage mir aber auch, was die Ursach ist, daß du den Himmel verlassen, in welchem du mir so manchen Trunk Nektar eingeschenkt hast?"
Das 6. Kapitel
Was die Legation der Flöh beim Jove verrichtet
Ich gedachte bei mir selbst, der Kerl dürfte vielleicht kein Narr sein wie er sich stellte, sondern mirs kochen, wie ichs zu Hanau gemacht, um desto besser von uns durchzukommen; gedacht ihn derowegen mit dem Zorn zu probieren, weil man einen Narrn am besten bei solchem erkennet, und sagte: "Die Ursach, daß ich aus dem Himmel kommen, ist, daß ich dich selbst darin manglete, nahm derowegen des Daedali Flügel und flog auf Erden dich zu suchen, wo ich aber nach dir fragte, fand ich, daß man dir aller Orten und Enden ein schlechtes Lob verlieh, denn Zoilus und Momus haben dich und alle anderen Götter in der ganzen weiten Welt für so verrucht, leichtfertig und stinkend ausgeschrien, daß ihr bei den Menschen allen Kredit verloren; du selbst, sagen sie, seiest ein filzlausiger, ehebrecherischer Hurenhengst, mit was für Billigkeit du denn die Welt wegen solcher Laster strafen mögest? Vulcanus sei ein geduldiger Hahnrei und habe den Ehebruch Martis ohne sonderbare namhafte Rach müssen hingehen lassen, was der hinkende Gauch denn für Wagen werde schmieden können? Venus sei selbsten die verhaßteste Vettel von der Welt wegen ihrer Unkeuschheit, was sie denn für Gnad und Gunst einem andern werde mitteilen können? Mars sei ein Mörder und Räuber; Apollo ein unverschämter Hurenjäger; Mercurius ein unnützer Plauderer, Dieb und Kuppler, Priapus ein Unflat; Herkules ein hirnschelliger Wüterich und in Summa die ganze Schar der Götter sei so verrucht, daß man sie sonst nirgendshin als in des Augiae Stall logieren sollte, welcher ohnedas durch die ganze Welt stinkt." "Ach!" sagte Jupiter, "wäre es ein Wunder, wenn ich meine Güte beiseit setzte und diese heillosen Ehrendieb und gottsschändenden Verleumder mit Donner und Blitz verfolgte? Was dünkt dich mein getreuer und allerliebster Ganymede? Soll ich diese Schwätzer mit ewigem Durst plagen wie den Tantalum? oder soll ich sie neben den mutwilligen Plauderer Daphitas auf dem Berg Thorace aufhenken lassen? oder sie mit Anaxarcho in einem Mörser zerstoßen? oder soll ich sie zu Agrigento in Phalaris glühenden Ochsen stecken? Nein, nein Ganymede! diese Strafen und Plagen sind alle miteinander viel zu gering; ich will der Pandora Büchse von neuem füllen und selbe den Schelmen auf die Köpf ausleeren lassen, die Nemesis soll die Alecto, Megaera und Thesiphone erwecken und ihnen über den Hals schicken, und Herkules soll den Cerberum vom Pluto entlehnen und diese bösen Buben damit hetzen wie die Wölf, wenn ich sie dann dergestalt genug gejagt und geplagt haben werde, so will ich sie erst neben den Hesiodum und Homerum in das höllisch Haus an ein Säule binden und sie durch die Eumeniden ohn einzige Erbarmung ewiglich abstrafen lassen." Indem Jupiter so drohete, zog er in Gegenwart meiner und der ganzen Partei die Hosen herunter ohn einzige Scham und stöbert' die Flöh daraus, welche ihn, wie man an seiner sprenklichten Haut wohl sah, schrecklich tribuliert hatten: Ich konnte mir nicht einbilden, was es abgeben sollte, bis er sagte: "Schert euch fort ihr kleinen Schinder, ich schwöre euch beim Styx, daß ihr in Ewigkeit nicht erhalten sollt, was ihr so sorgfältig sollizitiert!" Ich fragte ihn, was er mit solchen Worten meine? Er antwortet', daß das Geschlecht der Flöhe, als sie vernommen, daß er auf Erden kommen sei, ihre Gesandten zu ihm geschickt hätten, ihn zu komplimentieren. Diese hätten ihm daneben angebracht, ob er zwar ihnen die Hundshäut zu bewohnen assigniert, daß dennoch zu Zeiten wegen etlicher Eigenschaften, welche die Weiber an sich hätten, teils aus ihnen sich vertreten und den Weibern in die Pelz gerieten; solche verirrten armen Tropfen aber würden von den Weibern übel traktiert, gefangen und nicht allein ermordt, sondern auch zuvor zwischen ihren Fingern so elendiglich gemartert und zerrieben, daß es einen Stein erbarmen möchte: "Ja (sagte Jupiter ferner), sie brachten mir die Sach so beweglich und erbärmlich vor, daß ich Mitleiden mit ihnen haben mußte und also ihnen Hilf zusagte, jedoch mit Vorbehalt, daß ich die Weiber zuvor auch hören möchte; sie aber wandten vor, wenn den Weibern erlaubt würde, Widerpart zu halten und ihnen zu widersprechen, so wüßten sie wohl, daß sie mit ihren giftigen Hundszungen entweder meine Frömmigkeit und Güte betäuben, die Flöh selbsten aber überschreien oder aber durch ihre lieblichen Wort und Schönheiten mich betören und zu einem falschen Urteil verleiten würden; mit fernerer Bitt, ich wollte sie ihrer untertänigen Treu genießen lassen, welche sie mir allezeit erzeigt und ferner zu leisten gedächten, indem sie allezeit am nächsten dabeigewesen und am besten gewußt hätten, was zwischen mir und der Jo, Callisto, Europa und andern mehr vergangen, hätten aber niemal nichts aus der Schul geschwätzt, noch der Juno, wiewohl sie sich auch bei ihr pflegten aufzuhalten, einziges Wort gesagt, maßen sie sich noch solcher Verschwiegenheit beflissen, wie denn kein Mensch bis dato (ohnangesehen sie sich gar nahe bei allen Buhlschaften finden ließen) von ihnen wie Apollo von den Raben etwas dergleichen erfahren hätte: Wenn ich aber je zulassen wollte, daß die Weiber sie in ihrem Bann jagen, fangen und nach Waidmannsrecht metzeln dürften, so wäre ihr Bitt, zu verschaffen, daß sie hinfort mit einem heroischen Tod hingerichtet und entweder mit einer Axt wie Ochsen niedergeschlagen oder wie Wildpret gefället würden, und nicht mehr so schimpflich zwischen ihren Fingern zerquetschen und radbrechen sollten, wodurch sie ohnedas ihre eigenen Glieder, damit sie oft was anders berührten, zu Henkersinstrumenten machten, welches allen ehrlichen Mannsbildern ein Schand wäre! Ich sagte: ›Ihr Herren müßt sie greulich quälen, weil sie euch so schrecklich tyrannisieren?‹ ›Jawohl‹, gaben sie mir zur Antwort, ›sie sind uns sonst so neidig und vielleicht darum, daß sie sorgen, wir sehen, hören und empfinden zu viel, eben als ob sie unserer Verschwiegenheit nicht genugsam versichert wären. Was wollts sein? können sie uns doch in unserm eigenen Territorio nit leiden, gestalt manche ihr Schoßhündlein mit Bürsten, Kämmen, Seifen, Laugen und andern Dingen dermaßen durchstreift, daß wir unser Vaterland notdringlich quittieren und andere Wohnungen suchen müssen, ohnangesehen sie solche Zeit besser anlegen und etwa ihre eigenen Kinder von den Läusen säubern könnten.‹ Darauf erlaubte ich ihnen, bei mir einzukehren und meinen menschlichen Leib ihre Beiwohnung, Tun und Lassen empfinden zu machen, damit ich ein Urteil danach fassen könnte; da fing das Lumpengesind an, mich zu geheien, daß ich sie, wie ihr gesehen habt, wieder abschaffen müssen: Ich will ihnen ein Privilegium auf die Nas hofieren, daß sie die Weiber verrieblen und vertrieblen mögen, wie sie wollen, ja wenn ich selbst so ein schlimmen Kunden ertappe, will ichs ihm nicht besser machen."
Das 7. Kapitel
Der Jäger erjaget abermals Ehre und Beuten
Wir durften nicht rechtschaffen lachen, beides weil wir uns still halten mußten und weils der Phantast nicht gern hatte, wovon Springinsfeld hätte zerspringen mögen. Eben damals zeigte unsere Hohewacht an, die wir auf einem Baum hatten, daß er in der Ferne etwas kommen sehe; ich stieg auch hinauf und sah durch mein Perspektiv, daß es zwar die Fuhrleute sein müßten, denen wir aufpaßten, sie hatten aber niemand zu Fuß, sondern ohngefähr etlich und dreißig Reuter zum Convoi bei sich, dahero konnte ich mir die Rechnung leicht machen, daß sie nicht oben durch den Wald, darin wir lagen, gehen, sondern sich im freien Feld behelfen würden, da wir ihnen nichts hätten abgewinnen mögen, wiewohl es daselbst einen bösen Weg hatte, der ungefähr sechshundert Schritt von uns und etwa dreihundert Schritt vom End des Walds oder Bergs durch die Ebne vorbeiging. Ich wollte ungern so lang daselbst umsonst gelegen oder nur einen Narrn erbeutet haben, machte derhalben geschwind einen andern Anschlag, der mir auch anging.
Von unserer Lagerstatt ging ein Wasserrunze in einer Klammen hinunter (die bequem zu reiten war) gegen das Feld wärts, deren Ausgang besetzte ich mit zwanzig Mann, nahm auch selbst meinen Stand bei ihnen und ließ den Springinsfeld schier an dem Ort, wo wir zuvor gelegen warn, sich in seinem Vorteil halten, befahl auch meiner Bursch, wenn der Convoi hinkomme, daß jeder seinen Mann gewiß nehmen sollte, sagte auch jedem, wer Feuer geben und welcher seinen Schuß im Rohr zum Vorrat behalten sollte. Etliche alte Kerl sagten, was ich gedächte? und ob ich wohl vermeinte, daß der Convoi an diesen Ort kommen würde, da sie nichts zu tun hätten und dahin wohl in hundert Jahren kein Bauer kommen sei? Andere aber, die da glaubten, ich könne zaubern, (maßen ich damals deswegen in einem großen Ruf war) gedachten, ich würde den Feind in unsere Händ bannen. Aber ich brauchte hierzu keine Teufelskunst, sondern nur den Springinsfeld, denn als der Convoi, welcher ziemlich Truppen hielt, recta gegen uns über vorbeipassieren wollte, fing Springinsfeld aus meinem Befehl so schrecklich an zu brüllen wie ein Ochs und zu wiehern wie ein Pferd, daß der ganze Wald einen Widerhall davon gab und einer hoch geschworen hätte, es wären Roß und Rinder vorhanden: Sobald der Convoi das hörte, gedachten sie Beuten zu machen und an diesem Ort etwas zu erschnappen, das doch in derselben ganzen Gegend nicht anzutreffen, weil das ganze Land ziemlich erödet war; sie ritten sämtlich so geschwind und unordentlich in unsern Halt, als wenn ein jeder der erste hätte sein wollen, die beste Schlappe zu holen, welche es denn so dichte setzt', daß gleich im ersten Willkomm, den wir ihnen gaben, dreizehn Sättel geleert und sonst noch etliche aus ihnen gequetscht wurden; hierauf lief Springinsfeld gegen sie die Klamme herunter und schrie: "Jäger, hieher!" davon die Kerl noch mehr erschreckt und so irr wurden, daß sie weder hinter sich, vor sich, noch nebenaus reiten konnten, absprangen und sich zu Fuß davonmachen wollten: Aber ich bekam sie alle siebenzehn, samt dem Leutnant der sie kommandiert hatte, gefangen und ging damit auf die Wagen los, spannete vierundzwanzig Pferd aus und bekam nur etliche wenige Seidenwar und holländisch Tuch, denn ich durfte nicht so viel Zeit nehmen, die Toten zu plündern, geschweig die Wagen recht zu durchsuchen, weil sich die Fuhrleut zu Pferd bald aus dem Staub gemacht, als die Aktion anging, durch welche ich zu Dorsten hätte verraten und unterwegs wieder aufgehoben werden können. Da wir nun aufgepackt hatten, lief Jupiter auch aus dem Wald und schrie uns nach, ob ihn denn Ganymedes verlassen wollte? Ich antwortet ihm: ja, wenn er den Flöhen das begehrte Privilegium nicht mitteilen wollte. "Ich wollte lieber (antwortet' er wieder), daß sie miteinander im Cocyto lägen!" Ich mußte lachen, und weil ich ohnedas noch leere Pferd hatte, ließ ich ihn aufsitzen, demnach er aber nicht besser reiten konnte als eine Nuß mußte ich ihn aufs Pferd binden lassen, da sagte er, daß ihn unser Scharmützel an diejenige Schlacht gemahnt hätte, welche die Lapithae hiebevor mit den Centauris bei des Pirithoi Hochzeit angefangen hätten.
Wie nun alles vorüber war und wir mit unsern Gefangenen davonpostierten, als ob uns jemand jagte, bedachte erst der gefangene Leutnant, was er für ein groben Fehler begangen, daß er nämlich ein so schönen Truppen Reuter dem Feind so ohnvorsichtig in die Händ geführt und dreizehn so brave Kerl auf die Fleischbank geliefert hätte, fing derowegen an zu desperieren und kündete mir das Quartier wieder auf, das ich ihm selbsten gegeben hatte, ja er wollte mich gleichsam zwingen, ich sollte ihn totschießen lassen, denn er gedachte nicht allein, daß dieses Übersehen ihm eine große Schand sein und unverantwortlich fallen, sondern auch an seiner künftigen Beförderung verhinderlich sein würde, wofern es anders nicht gar dazu käme, daß er den Schaden mit seinem Kopf bezahlen müßte: Ich aber sprach ihm zu und hielt ihm vor, daß manchem rechtschaffenen Soldaten das unbeständige Glück seine Tück bewiesen, ich hätte aber darum noch keinen gesehen, der deswegen verzagt, oder gar verzweifelt sei, sein Beginnen sei ein Zeichen der Kleinmütigkeit, tapfere Soldaten aber gedächten, die empfangenen Schäden ein andermal wieder einzubringen; mich würde er nimmermehr dahin bringen, daß ich das Kartell verletzte oder ein so schändliche Tat wider alle Billigkeit und löblicher Soldaten Gewohnheit und Herkommen beginge. Da er nun sah, daß ich nicht dran wollte, fing er an mich zu schmähen, in Meinung, mich zum Zorn zu bewegen, und sagte: Ich hätte nicht aufrecht und redlich mit ihm gefochten, sondern wie ein Schelm und Strauchmörder gehandelt und seinen bei sich gehabten Soldaten das Leben als ein Dieb abgestohlen; worüber seine eigenen Bursch, die wir gefangen hatten, mächtig erschraken, die meinigen aber ebensosehr ergrimmten, also daß sie ihn wie ein Sieb durchlöchert hätten, wenn ichs nur zugelassen, maßen ich genug abzuwehren bekam. Ich aber bewegte mich nicht einmal über seine Reden, sondern nahm beides Freund und Feind zum Zeugen dessen, was da geschah, und ließ ihn Leutnant binden und als einen Unsinnigen verwahren; versprach auch, ihn Leutnant, sobald wir in unsern Posten kämen und es meine Offizier zulassen wollten, mit meinen eigenen Pferden und Gewehr, worunter er dann die Wahl haben sollte, auszustaffieren und ihm öffentlich mit Pistolen und Degen zu weisen, daß Betrug im Krieg wider seinen Gegenteil zu üben in Rechten erlaubt sei, warum er nicht bei seinen Wagen geblieben, darauf er bestellt gewesen; oder da er ja hätte sehen wollen, was im Wald stecke, warum er dann zuvor nicht rechtschaffen hätte rekognoszieren lassen, welches ihm besser angestanden wäre, als daß er jetzund so unsinnige Narrenpossen anfing, daran sich doch niemand kehren würde. Hierüber gaben mir beides Freund und Feind recht, und sagten: Sie hätten unter hundert Parteigängern nicht einen angetroffen, der auf solche Schmähewort nicht nur den Leutnant totgeschossen, sondern auch alle Gefangenen mit der Leich geschickt hätte.
Also brachte ich meine Beuten und Gefangenen den andern Morgen glücklich nach Soest und bekam mehr Ehr und Ruhm von dieser Partei als zuvor nimmer, jeder sagte: "Dies gibt wieder ein jungen Johann de Werd!" Welches mich trefflich kitzelte; aber mit dem Leutnant Kugeln zu wechseln oder zu raufen wollte der Kommandant nicht zugeben, denn er sagte, ich hätte ihn schon zweimal überwunden. je mehr sich nun dergestalt mein Lob wieder vermehrte, je mehr nahm der Neid bei denen zu, die mir ohnedas mein Glück nicht gönneten.
Das 8. Kapitel
Wie er den Teufel im Trog gefunden, Springinsfeld aber schöne Pferd erwischt
Meines Jupiters konnte ich nicht loswerden, denn der Kommandant begehrte ihn nicht, weil nichts an ihm zu rupfen war, sondern sagte, er wollte mir ihn schenken; also bekam ich einen eigenen Narrn und durfte keinen kaufen, wiewohl ich das Jahr zuvor selbst für einen mich hatte gebrauchen lassen müssen. So wunderlich ist das Glück, und so veränderlich ist die Zeit! Kurz zuvor tribulierten mich die Läus, und jetzt habe ich den Flöhe-Gott in meiner Gewalt; vor einem halben Jahr dienete ich einem schlechten Dragoner für einen Jungen; nunmehro aber vermochte ich zween Knecht, die mich Herr hießen; es war noch kein Jahr vergangen, daß mir die Buben nachliefen, mich zur Hur zu machen, jetzt wars an dem, daß die Mägdlein selbst aus Liebe sich gegen mich vernarrten: Also wurde ich beizeiten gewahr, daß nichts Beständigers in der Welt ist, als die Unbeständigkeit selbsten. Dahero mußte ich sorgen, wenn das Glück einmal seine Mucken gegen mich auslasse, daß es mir meine jetzige Wohlfahrt gewaltig eintränken würde.
Damals zog der Graf von der Wahl, als Obrister Gubernator des Westfälischen Kreises, aus allen Garnisonen einige Völker zusammen, eine Cavalcada durchs Stift Münster gegen die Vecht, Meppen, Lingen und der Orten zu tun, vornehmlich aber zwo Kompagnien hessische Reuter im Stift Paderborn auszuheben, welche zwo Meilen von Paderborn lagen und den Unserigen daselbsten viel Dampfs antaten; ich wurde unter unsern Dragonern mitkommandiert, und als sich einige Truppen zu Hamm gesammelt, gingen wir schnell fort und berenneten bemeldter Reuter Quartier, welches ein schlechtverwahrtes Städtlein war, bis die Unserigen hernachkamen. Sie unterstunden durchzugehen, wir jagten sie aber wieder zurück in ihr Nest, es wurde ihnen angeboten, sie ohne Pferd und Gewehr, jedoch mit dem was der Gürtel beschließe, passieren zu lassen; aber sie wollten sich nicht dazu verstehen, sondern mit ihren Karbinern wie Musketierer wehren: also kams dazu, daß ich noch dieselbe Nacht probieren mußte, was ich für Glück in Stürmen hätte, weil die Dragoner vornan gingen, da gelang es mir so wohl, daß ich samt dem Springinsfeld gleichsam mit den ersten ganz ohnbeschädigt in das Städtlein kam, wir leerten die Gassen bald, weil niedergemacht wurde, was sich im Gewehr befand, und sich die Bürger nicht hatten wehren wollen, also ging es mit uns in die Häuser, Springinsfeld sagte: wir müßten ein Haus vornehmen, vor welchem ein großer Haufen Mist läge, denn in denselben pflegten die reichsten Kauze zu sitzen, denen man gemeiniglich die Offizier einlogierte; darauf griffen wir ein solches an, in welchem Springinsfeld den Stall, ich aber das Haus zu visitieren vornahm, mit dieser Abred, daß jeder dasjenige was er bekam, mit dem andern parten sollte; also zündet' jeder seinen Wachsstock an, ich rufte nach dem Vater im Haus, kriegte aber kein Antwort, weil sich jedermann versteckt hatte, geriet indessen in eine Kammer, fand aber nichts als ein leer Bett darinnen und einen beschlossenen Trog, den hämmert ich auf in Hoffnung etwas Kostbares zu finden, aber da ich den Deckel auftat, richtet' sich ein kohlschwarzes Ding gegen mich auf, welches ich für den Luzifer selbst ansah: ich kann schwören, daß ich mein Lebtag nie so erschrocken bin als eben damals, da ich diesen schwarzen Teufel so unversehens erblickte: "Daß dich dieser und jener erschlag!" sagte ich gleichwohl in solchem Schrecken und zuckte mein Äxtlein, damit ich den Trog aufgemacht, und hatte doch das Herz nicht, ihm solches in Kopf zu hauen; er aber kniete nieder, hub die Händ auf, und sagte: "Min leve Heer, ich bitte ju doer Gott, schinkt mi min Levent!" Da hörte ich erst, daß es kein Teufel war, weil er von Gott redet' und um sein Leben bat; sagte demnach, er sollte sich aus dem Trog geheien, das tat er und ging mit mir so nackend, wie ihn Gott erschaffen hatte. Ich schnitt ein Stück von meinem Wachs und gabs ihm mir zu leuchten, das tat er gehorsamlich und führet' mich in ein Stüblein, da ich den Hausvater fand, der samt seinem Gesind dies lustige Spektakel ansah und mit Zittern um Gnad bat! Diese erhielt er leicht, weil wir den Bürgern ohnedas nichts tun durften und er mir des Rittmeisters Bagage, darunter ein ziemlich wohlgespickt verschlossen Felleisen war, einhändigte, mit Bericht, daß der Rittmeister und seine Leut, bis auf einen Knecht und gegenwärtigen Mohren, sich zu wehren auf ihre Posten gangen wären; indessen hatte der Springinsfeld besagten Knecht auch mit sechs gesattelten schönen Pferden im Stall erwischt, die stellten wir ins Haus, verriegelten solches und ließen den Mohren sich anziehen, den Wirt aber auftragen, was er für seinen Rittmeister zurichten müssen. Als aber die Tor geöffnet, die Posten besetzt und unser General-Feldzeugmeister Herr Graf von der Wahl eingelassen wurde, nahm er sein Logiment in eben demselben Haus darin wir uns befanden, darum mußten wir bei finsterer Nacht wieder ein ander Quartier suchen. Das fanden wir bei unsern Kameraden, die auch mit Sturm ins Städtlein kommen waren, bei denselbigen ließen wir uns wohl sein und brachten den übrigen Teil der Nacht mit Fressen und Saufen zu, nachdem ich und Springinsfeld miteinander unsere Beuten geteilt hatten; ich bekam für mein Teil den Mohren und die zwei besten Pferd, darunter ein spanisches war, auf welchem ein Soldat sich gegen seinen Gegenteil durfte sehen lassen, mit dem ich nachgehends nicht wenig prangte, aus dem Felleisen aber kriegte ich unterschiedliche köstliche Ring und in einer güldenen Kapsel mit Rubinen besetzt des Prinzen von Oranien Conterfait, weit ich dem Springinsfeld das übrige alles ließ, kam also, wenn ich alles halber hinweg hätte schenken wollen, mit Pferden und allem über die zweihundert Dukaten, für den Mohren aber, der mich am allersaursten ankommen war, wurde mir vom General-Feldzeugmeister, als welchem ich ihn präsentierte, nicht mehr als zwei Dutzend Taler verehrt. Von dannen gingen wir schnell an die Ems, richteten aber wenig aus, und weil sichs eben traf, daß wir auch gegen Recklinghausen zu kamen, nahm ich Erlaubnis, mit Springinsfeld meinem Pfaffen zuzusprechen, dem ich hiebevor den Speck gestohlen hatte, mit demselben machte ich mich lustig und erzählte ihm, daß mir der Mohr den Schrecken, den er und seine Köchin neulich empfunden, wieder eingetränkt hätte, verehrte ihm auch eine schöne schlagende Halsuhr zum freundlichen Valete, so ich aus des Rittmeisters Felleisen bekommen hatte, pflegte also aller Orten diejenigen zu Freunden zu machen, so sonsten Ursach gehabt hätten, mich zu hassen.
Das 9. Kapitel
Ein ungleicher Kampf, in welchem der Schwächste obsieget, und der Überwinder gefangen wird
Meine Hoffart vermehrte sich mit meinem Glück, daraus endlich nichts anders als mein Fall erfolgen konnte. Ungefähr ein halbe Stund von Rehnen kampierten wir, als ich mit meinem besten Kameraden Erlaubnis begehrte, in dasselbe Städtlein zu gehen, etwas an unserm Gewehr flicken zu lassen, so wir auch erhielten. Weil aber unser Meinung war, uns einmal rechtschaffen miteinander lustig zu machen, kehrten wir im besten Wirtshaus ein und ließen Spielleut kommen, die uns Wein und Bier hinuntergeigen mußten: da gings in floribus her und blieb nichts unterwegen, was nur dem Geld wehe tun möchte, ja ich hielt Bursch von andern Regimentern zu Gast und stellte mich nicht anders als wie ein junger Prinz, der Land und Leut vermag und alle Jahr ein groß Geld zu verzehren hat. Dahero wurde uns auch besser als einer Gesellschaft Reuter, die gleichfalls dort zehrte, aufgewartet, weils jene nicht so toll hergehen ließen, das verdroß sie und fingen an mit uns zu kippeln. "Woher kommts", sagten sie untereinander, "daß diese Stiegelhupfer (denn sie hielten uns für Musketierer, maßen kein Tier in der Welt ist, das einem Musketierer gleicher siehet als ein Dragoner, und wenn ein Dragoner vom Pferd fällt, so stehet ein Musketierer wieder auf) ihre Heller so weisen?" Ein anderer antwortet': "jener Säugling ist gewiß ein Strohjunker, dem seine Mutter etliche Milchpfennig geschickt, die er jetzo seinen Kameraden spendiert, damit sie ihn künftig irgendswo aus dem Dreck oder etwa durch ein Graben tragen sollen." Mit diesen Worten zieleten sie auf mich, denn ich wurde für einen jungen Edelmann bei ihnen angesehen. Solches wurd mir durch die Kellerin hinterbracht, weil ichs aber nicht selbst gehört, konnte ich anders nichts dazu tun, als daß ich ein groß Bierglas mit Wein einschenken und solches auf Gesundheit aller rechtschaffenen Musketierer herumgehen, auch jedesmal solchen Alarm dazu machen ließ, daß keiner sein eigen Wort hören konnte; das verdroß sie noch mehr, derowegen sagten sie öffentlich: "Was Teufels haben doch die Stiegelhüpfer für ein Leben?" Springinsfeld antwortet': "Was gehts die Stiefelschmierer an?" Das ging ihm hin, denn er sah so gräßlich drein und machte so grausame und bedrohliche Mienen, daß sich keiner an ihn reiben durfte. Doch stieß es ihnen wieder auf, und zwar einem ansehnlichen Kerl, der sagte: "Und wenn sich die Maurenscheißer auch auf ihrem Mist (er vermeinte, wir lägen da in der Garnison, weil unsere Kleidungen nicht so wetterfarbig aussahen wie derjenigen Musketierer, die Tag und Nacht im Feld liegen) nicht so breit machen dürften, wo wollten sie sich dann sehen lassen? man weiß ja wohl, daß jeder von ihnen in offenen Feldschlachten unser Raub sein muß gleichwie die Taub eines jeden Stoßfalken!" Ich antwortet ihm: "Wir müssen Städt und Festungen einnehmen, und solche werden uns auch zu verwahren vertrauet, dahingegen ihr Reuter auch vor dem geringsten Rattennest keinen Hund aus dem Ofen locken könnet; warum wollten wir uns dann in dem, was mehr unser als euer ist, nicht dürfen lustig machen?" Der Reuter antwortet': "Wer Meister im Feld ist, dem folgen die Festungen, daß wir aber die Feldschlachten gewinnen müssen, folget aus dem, daß ich so drei Kinder, wie du eins bist, mit samt ihren Musketen nicht allein nicht fürchten, sondern ein Paar davon auf den Hut stecken und den dritten erst fragen wollte, wo deiner noch mehr wären? und säße ich nur bei dir", sagte er gar höhnisch, "so wollte ich dem Junkern zu Bestätigung der Wahrheit ein paar Dachteln geben!" Ich antwortet ihm: "Ob ich zwar vermeine, ein so gut Paar Pistolen zu haben als du, wiewohl ich kein Reuter, sondern nur ein Zwitter zwischen ihnen und den Musketierern bin, schau! so hat doch ein Kind das Herz mit seiner Musketen allein einem solchen Prahler zu Pferd, wie du einer bist, gegen all sein Gewehr im freien Feld nur zu Fuß zu erscheinen." "Ach du Kujon", sagte der Kerl, "ich halte dich für einen Schelmen, wenn du nicht wie ein redlicher von Adel alsbald deinen Worten eine Kraft gibst." Hierauf warf ich ihm einen Handschuh zu, und sagte: "Siehe da, wenn ich diesen im freien Feld durch meine Muskete nicht zu Fuß wieder von dir bekomme, so habe genugsame Macht und Gewalt, mich für denjenigen zu halten und auszuschreien, wie mich deine Vermessenheit gescholten hat." Hierauf zahlten wir den Wirt, und der Reuter machte seinen Karabiner und Pistolen, ich aber meine Muskete fertig, und da er mit seinen Kameraden von uns an den bestimmten Ort ritt, sagte er zu meinem Springinsfeld: er sollte mir nur allgemach das Grab bestellen; dieser aber antwortet' ihm, er möchte solches auf ein Vorsorg seinen eigenen Kameraden für sich selbst zu bestellen anbefohlen; mir aber verwies er meine Frechheit und sagte unverhohlen, er besorge, ich werde aus dem letzten Loch pfeifen. Ich lachte hingegen, weil ich mich schon vorlängst besonnen hatte, wie ich einem wohlmontierten Reuter begegnen müsse, wenn mich einmal einer zu Fuß mit meiner Muskete im weiten Feld feindlich angreifen sollte. Da wir nun an den Ort kamen, wo der Betteltanz angehen sollte, hatte ich meine Musket bereits mit zweien Kugeln geladen, frisch Zündkraut aufgerührt und den Deckel auf der Zündpfannen mit Unschlitt verschmiert, wie vorsichtige Musketierer zu tun pflegen, wenn sie das Zündloch und Pulver auf der Pfannen im Regenwetter vor Wasser verwahren wollen.
Ehe wir nun auseinandergingen, bedingten beiderseits Kameraden miteinander, daß wir uns im freien Feld angreifen und zu solchem End der eine von Ost, der ander aber von West in ein umzäuntes Feld eintreten sollten, und alsdann möge ein jeder sein Bestes gegen den andern tun, wie ein Soldat tun soll, welcher dergestalt seinen Feind vor Augen kriegt; es sollte sich auch weder vor, in, noch nach dem Kampf keiner von beiden Parteien unterstehen, seinem Kameraden zu helfen, noch dessen Tod oder Beschädigung zu rächen. Als sie solches einander mit Mund und Hand versprochen hatten, gaben ich und mein Gegner einander auch die Händ und verzieh je einer dem andern seinen Tod: in welcher allerunsinnigsten Torheit, welche je ein vernünftiger Mensch begehen kann, ein jeder hoffte, seiner Gattung Soldaten das Prae zu erhalten, gleichsam als ob des einen oder andern Teils Ehr und Reputation an dem Ausgang unseres teuflischen Beginnens gelegen gewesen wäre. Da ich nun an meinem bestimmten Ende mit doppeltbrennendem Lunten in angeregtes Feld trat und meinen Gegenteil vor Augen sah, stellte ich mich, als ob ich das alte Zündkraut im Gang abschüttete, ich tats aber nicht, sondern rührte Zündpulver nur auf den Deckel meiner Zündpfannen, blies ab und paßte mit zween Fingern auf der Pfann auf, wie bräuchlich ist, und ehe ich meinem Gegenteil, der mich auch wohl im Gesicht hielt, das Weiße in Augen sehen konnte, schlug ich auf ihn an und brennte mein falsch Zündkraut auf dem Deckel der Pfannen vergeblich hinweg; mein Gegner vermeinte, die Musket hätte mir versagt und das Zündloch wäre mir verstopft, sprengte derowegen mit einer Pistol in der Hand gar zu begierig recta auf mich dar, in Meinung, mir meinen Frevel zu bezahlen; aber ehe er sichs versah, hatte ich die Pfann offen und wieder angeschlagen, hieß ihn auch dergestalt willkomm sein, daß Knall und Fall eins war.
Ich retirierte mich hierauf zu meinen Kameraden, die mich gleichsam küssend empfingen, die seinigen aber entledigten ihn aus seinem Stegreif und taten gegen ihn und uns wie redliche Kerl, maßen sie mir auch meinen Handschuh mit großem Lob wiederschickten. Aber da ich meine Ehr am größten zu sein schätzte, kamen fünfundzwanzig Musketier aus Rehnen, welche mich und meine Kameraden gefangen nahmen: Ich zwar wurde alsbald in Ketten und Band geschlossen und der Generalität überschickt, weil alle Duell bei Leib- und Lebensstraf verboten waren.
Das 10. Kapitel
Der General-Feldzeugmeister schenkst dem Jäger das Leben, und macht ihm sonst gute Hoffnung
Demnach unser General-Feldzeugmeister strenge Kriegsdisziplin zu halten pflegte, besorgte ich die Verlierung meines Kopfs; hingegen hatte ich noch Hoffnung davonzukommen, weil ich bereits in so blühender Jugend jederzeit mich gegen den Feind wohl gehalten und einen großen Ruf und Namen der Tapferkeit erworben. Doch war solche Hoffnung ungewiß, weil dergleichen täglicher Händel halber die Notdurft erfordert', ein Exempel zu statuieren. Die Unserigen hatten eben damals ein festes Rattennest berennet und auffordern lassen, aber ein abschlägige Antwort bekommen, weil der Feind wußte, daß wir kein grob Geschütz führten. Derowegen rückte unser Graf von der Wahl mit dem ganzen Corpo vor besagten Ort, begehrte durch einen Trompeter abermal die Übergab und drohete zu stürmen, es erfolgte aber nicht anders als dieses nachgesetzte Schreiben:
Hoch-Wohlgeborner Graf, etc. Aus E. Gräfl. Excell. an mich Abgelassenem habe vernommen, was Dieselbe im Namen der Röm. Kais. Maj. an mich gesinnen: Nun wissen aber Euer Hoch-Gräfl. Excell. Dero hohen Vernunft nach, wie übel-anständig, ja unverantwortlich einem Soldaten fallen würde, wann er einen solchen Ort, wie dieser ist, dem Gegenteil ohne sonderbare Not einhändigte: Wessentwegen Dieselbe mir dann verhoffentlich nicht verdenken werden, wann ich mich befleißige zu verharren, bis die Waffen Euer Excell. dem Ort zusprechen. Kann aber E. Excell. meine Wenigkeit außerhalb Herren-Diensten in ichtwas zu gehorsamen die Gelegenheit haben, so werde ich sein
E. Excell.
Aller-dienstwilligster Diener
N. N.
Hierauf wurde in unserm Lager unterschiedlich von dem Ort diskurriert, denn solches liegen zu lassen war gar nicht ratsam, zu stürmen ohn eine Presse hätte viel Blut gekostet, und wäre doch noch mißlich gestanden, ob mans übermeistert hätte oder nicht? hätte man aber erst die Stück und alle Zugehör von Münster oder Hamm her holen sollen, so wäre gar viel Mühe, Zeit und Unkosten darauf gelaufen. Indem man nun bei Großen und Kleinen ratschlagte, fiel mir ein, ich sollte mir diese Occasion zunutz machen, um mich zu erledigen; also gebot ich meinem Witz zusammen und bedachte mich, wie man den Feind betrügen möchte, weils nur an den Stücken mangelte. Und weil mir gleich zufiel, wie die Sach zu tun sein möchte, ließ ich meinen Obristleutnant wissen, daß ich Anschläg hätte, durch welche der Ort ohne Mühe und Unkosten zu bekommen wäre, wenn ich nur Pardon erlangen und wieder auf freien Fuß gestellt werden könnte. Etliche alte und versuchte Soldaten lachten darüber, und sagten: "Wer hangt, der langt; der gut Gesell gedenkt sich loszuschwätzen!" Aber der Obristleutnant selbst und andere die mich kannten, nahmen meine Reden an wie einen Glaubensartikel: Weswegen er selbsten zum General-Feldzeugmeister ging und demselben mein Vorgeben anbrachte, mit Erzählung vieles Dings, das er von mir zu sagen wußte: Weil denn nun der Graf hiebevor auch vom Jäger gehört hatte, ließ er mich vor sich bringen und so lange meiner Band entledigen; Der Graf hielt eben Tafel, als ich hinkam, und mein Obristleutnant erzählte ihm, als ich verwichenem Frühling mein erste Stund unter S. Jakobs Pforten zu Soest Schildwacht gestanden, sei unversehens ein starker Platzregen mit großem Donner und Sturmwind kommen, deswegen sich jedermann aus dem Feld und den Gärten in die Stadt salviert, und weil das Gedräng beides von Laufenden und Reitenden ziemlich dick worden, hätte ich schon damals den Verstand gehabt, der Wacht ins Gewehr zu rufen, weil in solchem Gelauf eine Stadt am besten einzunehmen sei; "zuletzt" (sagte der Obristleutnant ferner) "kam ein altes Weib ganz tropfnaß daher, die sagte, eben als sie beim Jäger vorbeipassierte: ›Ja, ich hab dies Wetter schon wohl vierzehn Tag in meinem Rücken stecken gehabt!‹ Als der Jäger solches höret' und eben einen Stecken in Händen hatte, schlug er sie damit übern Buckel, und sagte: ›Du alte Hex, hast dus denn nicht ehe herauslassen können? hast du eben müssen warten, bis ich anfange Schildwacht zu stehen?‹ Da ihm aber sein Offizier abwehrte, antwortet' er: ›Es geschieht ihr recht, das alte Rabenaas hat schon vor vier Wochen gehört, daß jedermann nach einem guten Regen geschrien, warum hat sie ihn den ehrlichen Leuten nicht ehe gegönnet? so wäre vielleicht Gerst und Hopfen besser geraten.‹" Worüber der General-Feldzeugmeister, wiewohl er sonst ein ernsthafter Herr war, trefflich lachte. Ich aber gedachte: "Erzählt der Obristleutnant dem Grafen solche Narrnpossen, so hat er ihm gewißlich auch nicht verschwiegen, was ich sonst angestellt habe." Ich aber wurde vorgelassen.
Als mich nun der General-Feldzeugmeister fragte, was mein Anbringen wäre? antwortet ich: "Gnädiger Herr, etc. Obzwar mein Verbrechen und E. Excell. rechtmäßig Gebot und Verbot mir beide das Leben absprechen, so heißet mich jedoch meine alleruntertänigste Treu (die ich Dero Röm. Kais. Maj. meinem Allergnädigsten Herrn bis in Tod zu leisten schuldig bin) ein Weg als den andern meines wenigen Orts dem Feind einen Abbruch tun und erst-Allerhöchstgedachter Röm. Kais. Maj. Nutzen und Kriegswaffen befördern." Der Graf fiel mir in die Red, und sagte: "Hast du mir nicht neulich den Mohren gebracht?" Ich antwortet: "Ja gnädiger Herr." Da sagte er: "Wohl, dein Fleiß und Treu möchte vielleicht meritiern, dir das Leben zu schenken, was hast du aber für ein Anschlag, den Feind aus gegenwärtigem Ort zu bringen ohne sonderbaren Verlust der Zeit und Mannschaft?" Ich antwortet: "Weil der Ort vor grobem Geschütz nicht bestehen kann, so hält meine Wenigkeit dafür, der Feind würde bald akkordiern, wenn er nur eigentlich glaubt', daß wir Stück bei uns haben." "Das hätte mir wohl ein Narr gesagt", antwortet' der Graf, "wer wird sie aber überreden, solches zu glauben?" Ich antwortet: "Ihre eigenen Augen. Ich habe ihre hohe Wacht mit meinem Perspektiv gesehen, die kann man betrügen, wenn man nur etliche Blöcke, den Brunnenteichlen gleich, auf Wagen ladet und dieselben mit einem starken Gespann in das Feld führet, so werden sie schon glauben, es seien grobe Stück, vornehmlich wenn E. Gräfl. Excell. irgendswo im Feld etwas aufwerfen läßt, als ob man Stücke dahin pflanzen wollte." "Mein liebes Bürschlein", antwortet' der Graf, "es sind keine Kinder drinnen, sie werden diesem Spiegelfechten nicht glauben, sondern die Stück auch hören wollen, und wenn der Poß dann nicht angehet", sagte er zu den umstellenden Offiziern, "so werden wir von aller Welt verspottet!" Ich antwortet: "Gnäd. Herr, ich will schon Stücke in ihren Ohren lassen klingen, wenn man nur ein paar Doppelhaken und ein ziemlich groß Faß haben kann, allein wird ohne den Knall sonst kein Effekt vorhanden sein; sollte man aber ja wider Verhoffen nur Spott damit erlangen, so werde ich der Inventor, weil ich ohnedas sterben muß, solchen Spott mit mir dahinnehmen und denselben mit meinem Leben aufheben." Ob nun zwar der Graf nicht daran wollte, so persuadierte ihn jedoch mein Obristleutnant dahin, denn er sagte, daß ich in dergleichen Sachen so glückselig sei, daß er im wenigsten zweifele, daß dieser Poß nicht auch angehen werde. Derowegen befahl ihm der Graf die Sach anzustellen, wie er vermeinte, daß sichs tun ließe, und sagte im Scherz zu ihm: Die Ehr, so er damit erwürbe, sollte ihm allein zustehen.
Also wurden drei solcher Blöcke zuwege gebracht und vor jedes vierundzwanzig Pferd gespannt, wiewohl nur zwei genug gewesen wären; diese führten wir gegen Abend dem Feind ins Gesicht, indessen aber hatte ich auch drei Doppelhaken und ein Stückfaß, so wir von einem Schloß bekamen, unterhanden und richtete ein und anders zu, wie ichs haben wollte, das wurde bei Nacht zu unserer visierlichen Artollerei verschafft: den Doppelhaken gab ich doppelte Ladung und ließ sie durch berührtes Faß (dem der vordere Boden genommen war) losgehen, gleich ob es drei Losungschüsse hätten sein sollen, das donnerte dermaßen, daß jedermann Stein und Bein verschworen hätte, es wären Quartierschlangen oder halbe Kartaunen gewesen; unser General-Feldzeugmeister mußte der Gaukelfuhr lachen und ließ dem Feind abermal einen Akkord anbieten, mit dem Anhang, wenn sie sich nicht noch diesen Abend bequemen würden, daß es ihnen morgen nicht mehr so gut werden sollte: Darauf wurden alsbald beiderseits Geiseln geschickt, der Akkord geschlossen und uns noch dieselbige Nacht ein Tor der Stadt eingegeben. Welches mir trefflich zugut kam, denn der Graf schenkte mir nicht allein das Leben, das ich Kraft seines Verbots verwirkt hatte, sondern ließ nach noch selbige Nacht auf freien Fuß stellen und befahl dem Obristleutnant in meiner Gegenwart, daß er mir das erste Fähnlein, so ledig wurde, geben sollte: Welches ihm aber ungelegen war, denn er hatte der Vettern und Schwäger so viel, die aufpaßten, daß ich vor denselben nicht zugelassen werden konnte.
Das 11. Kapitel
Hält allerhand Sachen in sich von geringer Wichtigkeit und großer Einbildung
Es begegnete mir auf demselbigen Marsch nichts Merkwürdiges mehr; da ich aber wieder nach Soest kam, hatten mir die lippstädtischen Hessen meinen Knecht, den ich bei meiner Bagage im Quartier gelassen, samt einem Pferd auf der Weid hinweggefangen, von demselben erkundigte der Gegenteil mein Tun und Lassen, dahero hielten sie mehr von mir als zuvor, weil sie hiebevor durch das gemeine Geschrei beredt worden, zu glauben, daß ich zaubern könnte. Er erzählte ihnen auch, daß er einer von den Teufeln gewesen sei, die den Jäger von Werl auf der Schäferei so erschreckt hätten; da solches erstbesagter Jäger erfuhr, schämte er sich so sehr, daß er abermal das Reißaus spielete und von Lippstadt zu den Holländern lief: Aber es war mein größtes Glück, daß mir dieser Knecht gefangen worden, maßen aus der Folge meiner Histori zu vernehmen sein wird.
Ich fing an mich etwas reputierlicher zu halten als zuvor, weil ich so stattliche Hoffnung hatte, in Bälde ein Fähnlein zu haben; ich gesellete mich allgemach zu den Offiziern und jungen Edelleuten, die eben auf dasjenige spanneten, was ich in Bälde zu kriegen mir einbildete; diese waren deswegen meine ärgsten Feinde und stellten sich doch gegen mich als meine besten Freunde, so war mir der Obristleutnant auch nicht so gar grün, weil er Befehl hatte, mich vor seinen Verwandten zu befördern; mein Hauptmann war mir darum abhold, weil ich mich an Pferden, Kleidern und Gewehr viel braver hielt als er und dem alten Geizhals nicht mehr wie hiebevor spendierte, er hätte lieber gesehen, daß mir neulich der Kopf hinweggeschlagen als ein Fähnlein versprochen worden wäre, denn er gedachte meine schönen Pferd zu erben; so haßte mich mein Leutnant eines einzigen Worts halber, das ich neulich unbedachtsam laufen lassen, das fügte sich also: Wir waren miteinander in letzter Cavalcada kommandiert, eine gleichsam verlorne Wacht zu halten; als nun das Schildwachthalten an mir war, (welches liegend geschehen mußte, unangesehen es stockfinster Nacht war) kroch er Leutnant auch auf dem Bauch zu mir wie ein Schlang, und sagte: "Schildwacht merkst du was?" Ich antwortet: "Ja Herr Leutnant." "Was da? Was da?" sagte er. Ich antwortet: "Ich merke, daß sich der Herr fürchtet." Von dieser Zeit an hatte ich kein Gunst mehr bei ihm, und wo es am ungeheursten war, wurde ich zum ersten hin kommandiert, ja er suchte an allen Orten und Enden Gelegenheit und Ursach, mir noch ehe ich Fähnrich würde das Wams auszuklopfen, weil ich mich gegen ihn nicht wehren dürfte. Nicht weniger feindeten mich auch alle Feldweibel an, weil ich ihnen allen vorgezogen wurde. Was aber gemeine Knecht waren, die fingen auch an, in ihrer Liebe und Freundschaft zu wanken, weil es das Ansehen hatte, als ob ich sie verachtete, indem ich mich nicht sonderlich mehr zu ihnen sondern wie obgemeldt zu größern Hansen gesellete, die mich drum nicht desto lieber sahen. Das Allerärgste war, daß mir kein einziger Mensch sagte, wie jedermann gegen mich gesinnet, so konnte ichs auch nicht merken, weil mir mancher die besten Wort unter Augen gab, der mich doch lieber tot gesehen hätte! Ich lebte eben dahin wie ein Blinder in aller Sicherheit und wurde je länger je hoffärtiger, und wenn ich schon wußte, daß es ein oder andern verdroß, so ichs etwa denen von Adel und vornehmen Offiziern mit Pracht bevortat, so ließ ichs drum nicht unterwegen; ich scheute mich nicht, nachdem ich Gefreiter worden, ein Koller von sechzig Reichstalern, rote scharlachne Hosen und weiße atlassene Ärmel überall mit Gold und Silber verbrämt zu tragen, welches damals eine Tracht der höchsten Offizier war, darum stachs ein jeden in die Augen; ich war aber ein schrecklich junger Narr, daß ich den Hasen so laufen ließ, denn hätte ich mich anders gehalten und das Geld, das ich so unnützlich an den Leib hängte, an gehörige Ort und End verschmieret, so hätte ich nicht allein das Fähnlein bald bekommen, sondern mir auch nicht so viel zu Feinden gemacht. Ich ließ es aber hierbei noch nicht bleiben, sondern putzte mein bestes Pferd, das Springinsfeld vom hessischen Rittmeister bekommen hatte, mit Sattel, Zeug und Gewehr dergestalt heraus, daß man mich, wenn ich darauf saß, gar wohl für einen andern Ritter St. Georgen hätte ansehen mögen. Nichts vexierte mich mehr, als daß ich mich keinen Edelmann zu sein wußte, damit ich meinen Knecht und Jungen auch in meine Liberei hätte kleiden mögen: Ich gedachte, all Ding hat seinen Anfang, wenn du ein Wappen hast, so hast du schon ein eigene Liberei, und wenn du Fähnrich wirst, so mußt du ja ein Petschier haben, wenn du schon kein Junker bist. Ich war nicht lang mit solchen Gedanken schwanger gangen, als ich mir durch einen Comitem Palatinum ein Wappen geben ließ, das waren drei rote Larven in einem weißen Feld und auf dem Helm ein Brustbild eines jungen Narrn in kälbernem Habit, mit einem Paar Hasenohren, vorne mit Schellen geziert; denn ich dachte, dies schicke sich am besten zu meinem Namen, weil ich Simplicius hieße; so wollte ich mich auch des Narrn gebrauchen, mich in meinem künftigen hohen Stand dabei zu erinnern, was ich zu Hanau für ein Gesell gewesen, damit ich nicht gar zu hoffärtig würde, weil ich mich schon jetzt keine Sau zu sein bedünken ließ: Also wurde ich erst rechtschaffen der erste meines Namens, Stammes und Wappens, und wenn mich jemand damit hätte foppen wollen, so hätte ich ihm ohne Zweifel einen Degen oder Paar Pistoln anpräsentiert.
Wiewohl ich damals noch nichts nach dem Weibervolk fragte, so ging ich doch gleichwohl mit denen von Adel, wenn sie irgends Jungfrauen besuchten, deren es denn viel in der Stadt gab, mich sehen zu lassen und mit meinen schönen Haaren, Kleidern und Federbüschen zu prangen. Ich muß bekennen, daß ich meiner Gestalt halber allen andern vorgezogen wurde, mußte aber daneben hören, daß mich die verwöhnten Schleppsäck einem schönen und wohlgeschnitzten hölzernen Bild verglichen, an welchem außer der Schönheit sonst weder Kraft noch Saft wäre, denn es war sonst nichts an mir das ihnen gefiel; so konnte ich auch ohne das Lautenschlagen sonst noch nichts machen oder vorbringen, das ihnen angenehm gewesen wäre, weil ich noch nichts von Lieben wußte. Als mich aber auch diejenigen, die sich um das Frauenzimmer umtun konnten, meiner holzböckischen Art und Ungeschicklichkeit halber anstachen, um sich selbst dadurch beliebter zu machen und ihre Wohlredenheit zu rühmen: Ich aber hingegen sagte, daß es genug sei, wenn ich noch zur Zeit meine Freud an einem blanken Degen und einer guten Musketen hätte; nachdem auch das Frauenzimmer diese meine Rede billigte, verdroß es sie so sehr, daß sie mir heimlich den Tod schwuren, ohnangesehen keiner war, der das Herz hatte, mich herauszufordern oder Ursach zu geben, daß ich einen von ihnen gefordert hätte, dazu ein paar Ohrfeigen oder sonst ziemlich empfindliche Wort genug wären gewesen, zudem ich mich auch ziemlich breitmachte. Woraus das Frauenzimmer mutmaßete, daß ich ein resoluter Jüngling sein müßte; sagten auch unverhohlen, daß bloß meine Gestalt und rühmlicher Sinn bei einer Jungfer das Wort besser tun könne als alle anderen Komplimente, die Amor je erfunden; welches die Anwesenden noch mehr verbitterte.
Das 12. Kapitel
Das Glück tut dem Jäger unversehens eine adelige Verehrung
Ich hatte zwei schöne Pferd, die waren alle meine Freud, die ich selbiger Zeit in der Welt genoß; alle Tag ritt ich mit denselben auf die Reitschul oder sonst spazieren, wenn ich sonst nichts zu tun hatte; nicht zwar, als hätten die Pferd noch etwas bedurft zu lernen, sondern ich tats darum, damit die Leut sehen sollten, daß die schönen Kreaturen mir zugehörten. Wenn ich dann so durch eine Gasse daherprangte, oder vielmehr das Pferd mit mir dahintanzte, und das alberne Volk zusah und zueinander sagte: "Sehet, das ist der Jäger! Ach welch ein schön Pferd! Ach wie ein schöner Federbusch!" oder: "Min God, war vor en prave Kerl is mi datt" so spitzte ich die Ohren gewaltig und ließ mirs so sanft tun, als ob mich die Königin Nicaula dem weisen Salomon in seiner höchsten Majestät sitzend verglichen hätte: Aber ich Narr hörete nicht, was vielleicht damals verständige Leut von mir hielten oder meine Mißgönner von mir sagten; diese letzteren wünschten mir ohn Zweifel, daß ich Hals und Bein brechen sollte, weil sie mirs nicht gleichtun konnten; andere aber gedachten gewißlich, wenn jedermann das Seinig hätte, daß ich nicht so toll daherziehen würde; in Summa, die Allerklügsten müssen mich ohn allen Zweifel für einen jungen Lappen gehalten haben, dessen Hoffart notwendig nicht lang dauren würde, weil sie auf einem schlechten Fundament bestünde und nur aus ungewissen Beuten unterhalten werden müßte. Und wenn ich selber die Wahrheit bekennen soll, muß ich gestehen, daß diese letzteren nicht unrecht urteilten, wiewohl ichs damals nicht verstund, denn es war nicht anders mit mir, als daß ich meinem Mann oder Gegenteil das Hemd hätte rechtschaffen heißmachen können, wenn einer mit mir zu tun hätte bekommen, also daß ich wohl für einen einfachen guten Soldaten hätte passieren können, wiewohl ich gleichsam noch ein Kind war. Aber diese Ursach macht' mich so groß, daß jetziger Zeit der geringste Roßbub den allertapfersten Helden von der Welt totschießen kann, wäre aber das Pulver noch nit erfunden gewesen, so hätt ich die Pfeife wohl im Sack müssen stecken lassen.
Meine Gewohnheit war, wenn ich so herumterminierte, daß ich alle Weg und Steg, alle Gräben, Moräst, Büsch, Bühel und Wasser beritten, dieselbigen mir bekannt machte und ins Gedächtnis faßte, damit wenns etwa an ein oder anderm Ort künftig eine Occasion setzte, mit dem Feind zu scharmützeln, ich mir des Orts Gelegenheit beides offensive und defensive zunutz machen könnte. Zu solchem End ritt ich einsmals ohnweit der Stadt bei einem alten Gemäur vorüber, darauf vor Zeiten ein Haus gestanden; im ersten Anblick gedachte ich, dies wäre ein gelegener Ort darin aufzupassen oder sich dahin zu retiriern, sonderlich für uns Dragoner, wenn wir von Reutern übermannt und gejagt werden sollten. Ich ritt in den Hof, dessen Gemäur ziemlich verfallen war, zu sehen, ob man sich auch auf den Notfall zu Pferd dahin salviern und wie man sich zu Fuß daraus wehren könnte. Als ich nun zu solchem End alles genau besichtigen und bei dem Keller, dessen Gemäur noch rund umher aufrechtstund, vorüberreiten wollte, konnte ich mein Pferd, welches sonst im geringsten nichts scheuete, weder mit Lieb noch Leid nicht hinbringen, wo ichs hin wollte, ich sporte es, daß michs daurte, aber es half nichts! ich stieg ab und führt es an der Hand die verfallene Kellerstegen hinunter, wovon es doch scheuete, damit ich mich ein andermal danach richten könnte; aber es hupfte zurück, so sehr es immer mochte; doch brachte ichs endlich mit guten Worten und Streichen hinunter, und indem ichs strich und ihm liebkoste, wurde ich gewahr, daß es vor Angst schwitzte und die Augen stets in ein Eck des Kellers richtete, dahin es am allerwenigsten wollte und ich auch das Geringste nicht sah, darob der schlimmste Kollerer hätte wetterlaunisch werden mögen. Als ich nun so mit Verwunderung dastund und dem Pferd zusah, wie es vor Furcht zitterte, kam mich auch ein solches Grausen an, daß mir nicht anderst wurde, als ob man mich bei den Haaren über sich zöge und einen Kübel voll kalt Wasser über mich abgösse, doch konnte ich nichts sehen, aber das Pferd stellte sich viel seltsamer, also daß ich mir nichts anders einbilden konnte, als ich müßte vielleicht nur samt dem Pferd verzaubert sein und in demselben Keller mein Ende nehmen; derowegen wollte ich wieder zurück, aber mein Pferd tat mir nicht folgen, dahero wurde ich noch ängstiger und so verwirrt, daß ich schier nicht wußte, was ich tat. Zuletzt nahm ich eine Pistol auf den Arm und band das Pferd an einen starken Holderstock (der im Keller aufgewachsen war) der Meinung, aus dem Keller zu gehen und Leut in der Nähe zu suchen, die meinem Pferd wieder heraufhülfen, und indem ich hiermit umgehe, fällt mir ein, ob nicht vielleicht in diesem alten Gemäur ein Schatz verborgen läge, dahero es so ungeheur sein möchte? Ich glaubte meinem Einfall und sah mich genauer um, und sonderlich in dem Eck, dahin mein Pferd so gar nicht wollte, wurde ich eines Stück Gemäurs gewahr, ohngefähr so groß als ein gemeiner Kammerladen, welches dem andern alten Gemäur beides an der Farb und Arbeit nicht allerdings glich; da ich aber hinzugeben wollte, wurde mir abermal wie zuvor, nämlich als ob mir alle Haar gen Berg stünden, welches mich in meiner Meinung stärkte, daß nämlich ein Schatz daselbst verborgen sein mußte.
Zehen-, ja hundertmal lieber hätte ich Kugeln gewechselt, als mich in solcher Angst befunden. Ich wurde gequält und wußte doch nicht von wem, denn ich sah oder hörte nichts; ich nahm das ander Pistol auch von meinem Pferd und wollte damit durchgehen und das Pferd stehen lassen, vermochte aber die Stegen nicht hinaufzukommen, weil mich, wie mich deuchte, ein starke Luft aufhielt; da lief mir erst die Katz den Buckel hinauf! Zuletzt fiel mir ein, ich sollte meine Pistoln lösen, damit die Bauren, so in der Nähe im Feld arbeiteten, mir zuliefen, und mit Rat und Tat zu Hilf kämen; das tat ich, weil ich sonst kein Mittel, Rat noch Hoffnung hatte oder wußte aus diesem ungeheuren Wunderort zu kommen, ich war auch so erzürnt oder vielmehr so desperat, (denn ich weiß selber nicht mehr wie mir gewesen ist) daß ich im Losschießen meine Pistol gerad an den Ort kehret, allwo ich vermeinte, daß die Ursach meiner seltsamen Begegnis steckte, und traf obangeregtes Stück Gemäur mit zweien Kuglen so hart, daß es ein Loch gab, darein man zwo Fäust hätte stecken mögen. Als der Schuß geschehen, wieherte mein Pferd und spitzt' die Ohren, welches mich herzlich erquickte, nicht weiß ich, ist damals das Ungeheur oder Gespenst verschwunden oder hat sich das arme Tier über das Schießen erfreut? Einmal, ich faßte wieder ein frisch Herz und ging ganz unverhindert und ohn alle Furcht zu dem Loch, das ich erst durch den Schuß geöffnet hatte, da fing ich an die, Maur vollends einzubrechen und fand von Silber, Gold und Edelgesteinen einen solchen reichen Schatz, der mir noch bis auf diese Stund wohl bekäme, wenn ich ihn nur recht zu verwahren und anzulegen gewußt hätte. Es waren aber sechs Dutzend altfränkische silberne Tischbecher, ein groß gülden Pokal, etliche Duplet, vier silberne und ein güldenes Salzfaß, ein altfränkische güldne Kette, unterschiedliche Demant, Rubin, Saphir und Smaragd, beides in Ringen und andern Kleinodien gefaßt, item ein ganz Lädlein voll großer Perlen, aber alle verdorben oder abgestanden, und dann in einem versporten ledernen Sack achtzig von den ältsten Joachimstalern aus feinem Silber, sodann 893 Goldstücke mit dem französischen Wappen und einem Adler, welche Münz niemand kennen wollte, weil man, wie sie sagten, die Schrift nicht lesen konnte. Diese Münz, die Ring und Kleinodien steckte ich in meine Hosensäck, Stiefeln, Hosen und Pistolhalfter, und weil ich keinen Sack bei mir hatte, sintemal ich nur spazierengeritten war, schnitt ich meine Schabrack vom Sattel und packte in dieselbige (weil sie gefüttert war und mir gar wohl für einen Sack dienen konnte) das übrig Silbergeschirr, hängte die güldene Kette an den Hals, saß fröhlich zu Pferd und ritt meinem Quartier zu. Wie ich aber aus dem Hof kam, wurde ich zweier Bauren gewahr, welche davonlaufen wollten, sobald sie mich sahen, ich ereilte sie leichtlich, weil ich sechs Füße und ein eben Feld hatte, und fragte sie, warum sie hätten wollen ausreißen? und warum sie sich so schrecklich fürchteten? Da erzählten sie mir, daß sie vermeint hätten, ich wäre das Gespenst, das in gegenwärtigem öden Edelhof wohne, welches die Leute, wenn man ihm zu nahe käme, elendiglich zu traktieren pflege; und als ich ferner um dessen Beschaffenheit fragte, gaben sie mir zur Antwort, daß aus Furcht des Ungeheuers oft in vielen Jahren kein Mensch an denselben Ort komme, es sei denn jemand Fremder, der verirre und ungefähr dahin gerate: Die gemeine Sag ginge im Land, es wäre ein eiserner Trog voller Gelds darinnen, den ein schwarzer Hund hüte, zusamt einer verfluchten Jungfrauen, und wie die alt Sag ginge, sie auch selbsten von ihren Großeltern gehört hätten, so sollte ein fremder Edelmann, der weder seinen Vater noch Mutter kenne, ins Land kommen, dieselbe Jungfrau erlösen, den eisernen Trog mit einem feurigen Schlüssel aufschließen und das verborgen Geld davonbringen. Dergleichen alberne Fabeln erzählten sie mir noch viel, weil sie aber gar zu schlecht klingen, will ich geliebter Kürze halber abbrechen. Hernach fragte ich sie, was sie beide denn da gewollt hätten, da sie doch ohndas nicht in das Gemäur gehen dürften? Sie antworteten, sie hätten einen Schuß samt einem lauten Schrei gehöret, da seien sie zugelaufen, zu sehen, was da zu tun sein möchte? Als ich ihnen aber sagte, daß ich zwar geschossen hätte, der Hoffnung, es würden Leut zu mir ins Gemäur kommen, weil mir auch ziemlich angst worden, wüßte aber von keinem Geschrei nichts: Da antworteten sie, man möchte in diesem Schloß lang hören schießen, bis jemand hineinläuft aus unserer Nachbarschaft, denn es ist in Wahrheit so abenteurlich damit beschaffen, daß wir dem Junkern nicht glauben würden, wenn er sagte, er wäre darinnen gewesen, dafern wir ihn nicht selbst wieder heraus hätten sehen reiten. Hierauf wollten sie viel Dings von mir wissen, vornehmlich wie es darin beschaffen wäre und ob ich die Jungfrau samt dem schwarzen Hund auf dem eisernen Trog nicht gesehen hätte? Also daß ich ihnen, wenn ich nur aufschneiden wollen, seltsame Bären hätte anbinden können, aber ich sagte ihnen im geringsten nichts, auch nicht einmal, daß ich den köstlichen Schatz ausgehoben, sondern ritt meines Wegs in mein Quartier und beschaute meinen Fund, der mich herzlich erfreute.
Das 13. Kapitel
Simplicii seltsame Grillen und Luftgebäu, auch wie er seinen Schatz verwahrt
Diejenigen, die wissen was das Geld gilt, und dahero solches für ihren Gott halten, haben dessen nicht geringe Ursach; denn ist jemand in der Welt, der dessen Kräfte und beinahe göttlichen Tugenden erfahren hat, so bin ichs: Ich weiß, wie einem zumut ist, der dessen einen ziemlichen Vorrat hat, so hab ich auch nicht nur einmal erfahren, wie derjenige gesinnet sei, der keinen einzigen Heller vermag. ja ich dürfte mich vermessen zu erweisen, daß es alle Tugend und Wirkungen viel kräftiger hat und vermag als alle Edelgestein, denn es vertreibt alle Melancholei wie der Demant; es macht Lust und Beliebung zu den Studiis wie der Smaragd, darum werden gemeiniglich mehr reicher als armer Leut Kinder Studenten; es nimmt hinweg Furchtsamkeit, macht den Menschen fröhlich und glückselig wie der Rubin; es ist dem Schlaf oft hinderlich wie die Granaten, hingegen hat es auch eine große Kraft, die Ruhe und den Schlaf zu befördern wie der Hyacinth; es stärket das Herz und machet den Menschen freudig, sittsam, frisch und mild, wie der Saphir und Amethyst; es vertreibst böse Träum, machet fröhlich, schärfet den Verstand, und so man mit jemand zankt, macht es daß man siegt, wie der Sardus, vornehmlich wenn man alsdann den Richter brav damit schmiert; es löscht aus die geilen und unkeuschen Begierden, sonderlich weil man schöne Weiber ums Geld kriegen kann. In Summa, es ist nicht auszusprechen, was das liebe Geld vermag, wie ich denn hiebevor in meinem ›Schwarz und Weiß‹ etwas davon geschrieben, wenn mans nur recht zu brauchen und anzulegen weiß.
Was das meinige anbelangt, das ich damals beides mit Rauben und Findung dieses Schatzes zuwegen gebracht, so hatte dasselbe ein seltsame Natur an sich, denn erstlich machte es mich hoffärtiger als ich zuvor war, so gar, daß mich auch im Herzen darin verdroß, daß ich nur Simplicius heißen sollte; es hindert' mir den Schlaf wie der Amethyst, denn ich lag manche Nacht und spekulierte, wie ich solches anlegen und noch mehr dazu bekommen möchte. Es machte mich zu einem perfekten Rechenmeister, denn ich überschlug, was mein ungemünztes Silber und Gold wert sein möchte, summierte solches zu demjenigen, das ich hin und wieder verborgen und noch bei mir im Säckel hatte, und befand ohne die Edelgestein ein namhaftes Fazit! Es gab mir auch seine eigene angeborne Schalkheit und böse Natur zu versuchen, indem es mir das Sprichwort (wo viel ist, begehrt man immer mehr) rechtschaffen auslegte, und mich so geizig machte, daß mir jedermann hätte feind werden mögen. Ich bekam von ihm wohl närrische Anschläg und seltsame Grillen ins Hirn und folgte doch keinem einzigen Einfall, den ich kriegte: Einmal kam mirs in Sinn, ich sollte den Krieg quittieren, mich irgends hinsetzen und mit einem schmutzigen Maul zum Fenster naussehen; aber geschwind reute michs wieder, vornehmlich da ich bedachte, was für ein freies Leben ich führte und was für Hoffnung ich hatte, ein großer Hans zu werden; da gedachte ich dann: Hui Simplici, laß dich adeln und wirb dem Kaiser ein eigene Kompagnie Dragoner aus deinem Säckel, so bist du schon ein ausgemachter junger Herr, der mit der Zeit noch hoch steigen kann. Sobald ich aber zu Gemüt führte, daß meine Hoheit durch ein einzig unglücklich Treffen fallen oder sonst durch einen Friedenschluß samt dem Krieg in Bälde ein End nehmen könnte, ließ ich mir diesen Anschlag auch nicht mehr belieben. Alsdann fing ich an, mir mein vollkommen männlich Alter zu wünschen, denn wenn ich solches hätte, sagte ich zu mir selber, so nähmest du ein schöne junge reiche Frau, alsdann kauftest du irgends einen adeligen Sitz und führtest ein geruhiges Leben; ich wollte mich auf die Viehzucht legen und mein ehrlich Auskommen reichlich haben können, da ich aber wußte, daß ich noch viel zu jung hierzu war, mußte ich diesen Anschlag auch fahren lassen. Solcher und dergleichen Einfäll hatte ich viel, bis ich endlich resolvierte, meine besten Sachen irgendhin in einer wohlverwahrten Stadt einem begüterten Mann in Verwahrung zu geben und zu verharren, was das Glück ferner mit mir machen würde. Damals hatte ich meinen Jupiter noch bei mir, denn ich konnte seiner nicht los werden; derselbe redte zu Zeiten sehr subtil und tat etliche Wochen gar klug sein, hatte mich auch über alle Maßen lieb, weil ich ihm viel Guts tat, und demnach er mich immer in tiefen Gedanken gehen sah, sagte er zu mir: "Liebster Sohn, schenket Euer Schindgeld, Gold und Silber weg." Ich sagte: "Warum mein lieber Jove?" "Darum", antwortet' er, "damit Ihr Euch Freunde dadurch machet und Eurer unnützen Sorgen los werdet." Ich sagte, daß ich lieber gern mehr hätte. Darauf sagte er: "So sehet, wo Ihr mehr bekommt; aber auf solche Weis werdet Ihr Euch Euer Lebtag weder Ruhe noch Freunde schaffen, laßt die alten Schabhäls geizig sein, Ihr aber haltet Euch, wie es einem jungen braven Kerl zustehet, Ihr sollt noch viel eher Mangel an guten Freunden als Geld erfahren." Ich dachte der Sach nach und befand zwar, daß Jupiter wohl von der Sach redte, der Geiz aber hatte mich schon dergestalt eingenommen, daß ich gar nit gedachte etwas hinzuschenken, doch verehrte ich zuletzt dem Kommandanten ein paar silberne und übergoldte Duplet, meinem Hauptmann aber ein paar silberne Salzfässer, damit ich aber nichts anders ausrichtete, als daß ich ihnen nur das Maul auch nach dem übrigen wässerig machte, weil es rare Antiquitäten waren; meinem getreuesten Kameraden Springinsfeld schenkte ich zwölf Reichstaler, der riet mit dagegen, ich sollte mein Reichtum von mir tun oder gewärtig sein, daß ich dadurch in Unglück käme, denn die Offizier sähen nicht gern, daß ein gemeiner Soldat mehr Geld hätte als sie; so hätte er auch wohl ehemals gesehen, daß ein Kamerad den andern ums Gelds halber heimlich ermordet; bisher hätte ich wohl heimlich halten können, was ich an Beuten erschnappt, denn jedermann glaubte, ich hätte alles wieder an Kleider, Pferd und Gewehr gehängt, nunmehr aber würde ich niemand kein Ding mehr verkleiben oder weis machen können, daß ich kein übrig Geld hätte, denn jeder machte den gefundenen Schatz jetzt größer als er an sich selbst sei, und ich ohnedas nicht mehr wie hiebevor spendiere; er müsse oft hören, was unter der Bursch für ein Gemurmel gehe, sollte er an meiner Statt sein, so ließe er den Krieg Krieg sein, setzte sich irgend hin in Sicherheit und ließ den lieben Gott walten. Ich antwortet: "Hör Bruder, wie kann ich die Hoffnung, die ich zu einem Fähnlein habe, so leichtlich in Wind schlagen?" "Ja ja", sagte Springinsfeld, "hol mich dieser und jener, wenn du ein Fähnlein bekommst, die anderen, so auch darauf hoffen, sollten dir ehe tausendmal den Hals brechen helfen, wenn sie sehen, daß eins ledig und du bekommen solltest, lehre mich nur keine Karpfen kennen, denn mein Vater ist ein Fischer gewesen. Halt mirs zugut Bruder, denn ich habe länger zugesehen, wie es im Krieg hergehet, als du; siehest du nicht, wie mancher Feldweibel bei seinem kurzen Gewehr grau wird, der vor vielen eine Kompagnie zu haben meritierte, vermeinest du, sie seien nicht auch Kerl, die etwas haben hoffen dürfen? zudem so gebühret ihnen von Rechts wegen mehr als dir solche Beförderung, wie du selber erkennest." Ich mußte schweigen, weil Springinsfeld aus einem teutschen aufrichtigen Herzen mir die Wahrheit so getreulich sagte und nicht heuchelte, jedoch biß ich die Zähne heimlich übereinander, denn ich bildete mir damals trefflich viel ein.
Doch erwog ich diese und meines Jupiters Reden sehr fleißig und bedachte, daß ich keinen einzigen angebornen Freund hätte, der sich meiner in Nöten annehmen oder meinen Tod, er geschehe heimlich oder öffentlich, rächen würde; auch konnte ich mir leicht einbilden, wie die Sach an sich selbsten war, dennoch aber ließ weder mein Ehr- noch Geldgeiz zu, viel weniger die Hoffnung groß zu werden, den Krieg zu quittiern und mir Ruhe zu schaffen, sondern ich verblieb bei meinem ersten Vorsatz, und indem sich eben eine Gelegenheit auf Köln präsentierte, (indem ich neben hundert Dragonern etliche Kaufleut und Güterwagen von Münster dorthin konvoyiern helfen mußte), packte ich meinen gefundenen Schatz zusammen, nahm ihn mit und gab ihn einem von den vornehmsten Kaufleuten daselbst gegen Aushändigung einer spezifizierten Handschrift aufzuheben, das waren vierundsiebenzig Mark ungemünzt fein Silber, fünfzehen Mark Gold, achtzig Joachimstaler und in einem verpetschierten Kästlein unterschiedliche Ringe und Kleinodien, so mit Gold und Edelgesteinen achthalb Pfund in allem gewogen, samt 893 antikischen gemünzten Goldstück, deren jedes anderthalbe Goldgulden schwer war. Meinen Jupiter bracht ich auch dahin, weil ers begehrte und in Köln ansehenliche Verwandte hatte, gegen dieselben rühmte er die Guttaten, die er von mir empfangen, und machte, daß sie mir viel Ehr erwiesen. Mir aber riet er noch allezeit, ich sollte mein Geld besser anlegen und mir Freunde dafür kaufen, die mir mehr als das Gold in der Kisten nutzen würden.
Das 14. Kapitel
Wie der Jäger vom Gegenteil gefangen wird
Auf dem Zurückweg machte ich mir allerhand Gedanken, wie ich mich inskünftig halten wollte, damit ich doch jedermanns Gunst erlangen möchte, denn Springinsfeld hatte mir einen unruhigen Floh ins Ohr gesetzt und mich zu glauben persuadiert, als ob mich jedermann neidete, wie es denn in der Wahrheit auch nicht anders war. So erinnerte ich mich auch dessen, was mir die berühmte Wahrsagerin zu Soest ehemals gesagt, und belud mich deshalber mit noch größern Sorgen. Mt diesen Gedanken schärfte ich meinen Verstand trefflich und nahm gewahr, daß ein Mensch, der ohne Sorgen dahin lebt, fast wie ein Vieh sei. Ich sann aus, welcher Ursach halber mich ein oder ander hassen möchte, und erwog, wie ich einem jeden begegnen müßte, damit ich dessen Gunst wieder erlangte, verwundert mich daneben zum höchsten, daß die Kerl so falsch sein und mir lauter gute Wort geben sollten, da sie mich nicht liebten! Derowegen gedachte ich mich anzustellen wie die anderen und zu reden was jedem gefiel, auch jedem mit Ehrerbietung zu begegnen, ob mirs schon nicht ums Herz wäre; vornehmlich aber merkte ich klar, daß meine eigene Hoffart mich mit den meisten Feinden beladen hatte, deswegen hielt ich für nötig, mich wieder demütig zu stellen, ob ichs schon nicht sei, mit den gemeinen Kerlen wieder unten und oben zu liegen, vor den Höhern aber den Hut in Händen zu tragen und mich der Kleiderpracht in etwas abzutun, bis sich etwa mein Stand änderte. Ich hatte mir von dem Kaufherrn in Köln hundert Taler geben lassen, solche samt Interesse wieder zu erlegen, wenn er mir meinen Schatz aushändigte, dieselben gedachte ich unterwegs dem Convoi halb zu verspendieren, weil ich nunmehr erkennete, daß der Geiz keine Freunde macht. Solchergestalt war ich resolviert, mich zu ändern und noch auf diesem Weg den Anfang zu machen: Ich machte aber die Zech ohn den Wirt. Denn da wir durch das Bergische Land passiern wollten, paßten uns an einem sehr vorteilhaften Ort achtzig Feurröhr' und fünfzig Reuter auf, eben als ich selbfünft mit einem Korporal geschickt wurde voranzureiten und die Straße zu partiern: Der Feind hielt sich still, als wir in ihren Halt kamen, ließ uns auch passiern, damit wenn sie uns angegriffen hätten, der Convoi nicht gewarnet würde bis er auch zu ihnen in die Enge käme; schickte uns aber einen Kornett mit acht Reutern nach, die uns im Gesicht behielten, bis die Ihrigen unsern Convoi selbst angriffen und wir umkehrten, uns auch zu'n Wagen zu tun; da gingen sie auf uns los und fragten, ob wir Quartier wollten? Ich für meine Person war wohl beritten, denn ich hatte mein bestes Pferd unter mir, ich wollte aber gleichwohl nicht ausreißen, schwang mich herum auf eine kleine Ebne zu sehen, ob da Ehr einzulegen sein möchte. Indessen hörte ich stracks an der Salve, welche die Unserigen empfingen, was die Glock geschlagen, trachtete derowegen nach der Flucht, aber der Kornett hatte alles vorbedacht und uns den Paß schon abgeschnitten, und indem ich durchzuhauen bedacht war, bot er mir, weil er mich für einen Offizier ansah, nochmals Quartier an; ich gedachte, das Leben eigentlich davonzubringen ist besser als ein ungewisses Hasard, sagte derowegen: Ob er mir Quartier halten wollte, als ein redlicher Soldat? Er antwortet': ja rechtschaffen! Also präsentierte ich ihm meinen Degen und gab mich dergestalt gefangen. Er fragte mich gleich, was ich für einer sei, denn er sehe mich für einen Edelmann und also auch für einen Offizier an? Da ich ihm aber antwortet, ich würde der Jäger von Soest genannt, antwortet' er: "So hat Er gut Glück, daß Er uns vor vier Wochen nicht in die Händ geraten, denn zu selbiger Zeit hätte ich Ihm kein Quartier geben noch halten dürfen, dieweil man Ihn damal bei uns für einen öffentlichen Zauberer gehalten hat."
Dieser Kornett war ein tapferer junger Kavalier und nicht über zwei Jahr älter als ich, er erfreute sich trefflich, daß er die Ehr hatte, den berühmten Jäger gefangen zu haben, deswegen hielt er auch das versprochen Quartier sehr ehrlich und auf holländisch, deren Gebrauch ist, ihren gefangenen spanischen Feinden von demjenigen, was der Gürtel beschließt, nichts zu nehmen; ja er ließ mich nicht einmal visitieren, ich aber war selbst der Bescheidenheit das Geld aus meinen Schubsäcken zu tun und ihnen solches zuzustellen, da es an ein Partens ging; sagte auch dem Kornett heimlich, er sollte sehen, daß ihm mein Pferd, Sattel und Zeug zuteil würde, denn er im Sattel dreißig Dukaten finden würde und das Pferd ohnedas seinesgleichen schwerlich hätte. Von deswegen wurde mir der Kornett so hold, als ob ich sein leiblicher Bruder wäre, er saß auch gleich auf mein Pferd und ließ mich auf dem seinigen reiten, von dem Convoi aber blieben nicht mehr als sechs tot und dreizehn wurden gefangen, darunter acht beschädigt, die übrigen gingen durch und hatten das Herz nicht, dem Feind im freien Feld die Beut wieder abzujagen, das sie fein hätten tun können, weil sie alle zu Pferd waren.
Nachdem die Beuten und Gefangenen geteilet worden, gingen die Schweden und Hessen (denn sie waren aus unterschiedlichen Garnisonen) noch selbigen Abend voneinander, mich und den Korporal samt noch dreien Dragonern behielt der Komett, weil er uns gefangen bekommen, dahero wurden wir in eine Festung geführt, die nicht gar zwei Meilen von unserer Garnison lag. Und weil ich hiebevor demselben Ort viel Dampfs angetan, war mein Nam daselbst wohl bekannt, ich selber aber mehr gefürcht als geliebt. Da wir die Stadt vor Augen hatten, schickte der Kornett einen Reuter voran, seine Ankunft dem Kommandanten zu verkünden, auch anzuzeigen, wie es abgelaufen und wer die Gefangenen seien; davon es ein Geläuf in der Stadt gab, daß nit auszusagen, weil jeder den Jäger gern sehen wollte; da sagte einer dies, der ander jenes von mir, und war nicht anders anzusehen, als ob ein großer Potentat seinen Einzug gehalten hätte.
Wir Gefangenen wurden strack zum Kommandanten geführt, welcher sich sehr über meine Jugend verwundert'; er fragte mich, ob ich nie auf schwedischer Seiten gedient hätte und was ich für ein Landsmann wäre? Als ich ihm nun die Wahrheit sagte, wollte er wissen, ob ich nicht Lust hätte, wieder auf ihrer Seiten zu bleiben? Ich antwortet ihm, daß es mir sonst gleich gülte, allein weil ich dem römischen Kaiser einen Eid geschworen hätte, so dünkte mich, es gebühre mir solchen zu halten. Darauf befahl er uns zum Gewaltiger zu führen und erlaubte doch dem Kornett auf sein Anhalten uns zu gastiern, weil ich hiebevor meine Gefangenen (darunter sein Bruder sich befunden) auch solchergestalt traktiert hätte. Da nun der Abend kam, fanden sich unterschiedliche Offizier, sowohl Soldaten von Fortun als geborne Kavalier, beim Kornett ein, der mich und den Korporal auch holen ließ; da wurde ich, die Wahrheit zu bekennen, von ihnen überaus höflich traktiert: Ich machte mich so lustig, als ob ich nichts verloren gehabt, und ließ mich so vertraulich und offenherzig vernehmen, als ob ich bei keinem Feind gefangen, sondern bei meinen allerbesten Freunden wäre, dabei befliß ich mich der Bescheidenheit soviel mir immer möglich war, denn ich konnte mir leicht einbilden, daß dem Kommandanten mein Verhalten wieder notifiziert würde, so auch geschehen, maßen ich nachmals erfahren.
Den andern Tag wurden wir Gefangenen und zwar einer nach dem andern vor den Regiments-Schulzen geführt, welcher uns examinierte; der Korporal war der erste und ich der ander. Sobald ich in den Saal trat, verwundert' er sich auch über meine Jugend und sagte, mir solche vorzurücken: "Mein Kind, was hat dir der Schwed getan, daß du wider ihn kriegest?" Das verdroß mich, vornehmlich da ich ebenso junge Soldaten bei ihnen gesehen als ich war, antwortet derhalben: "Die schwedischen Krieger haben mir meine Schnellkugeln oder Klicker genommen, die wollte ich gern wieder holen." Da ich ihn nun dergestalt bezahlte, schämten sich seine beisitzenden Offizier, maßen einer anfing auf Latein zu sagen: Er sollte von ernstlichen Sachen mit mir reden, er hörte wohl, daß er kein Kind vor sich hätte. Da merkte ich, daß er Eusebius hieße, weil ihn derselbige Offizier so nannte; darauf fragte er mich um meinen Namen, und nachdem ich ihm denselben genennet, sagte er: "Es ist kein Teufel in der Höll, der Simplicissimus heißet." Da antwortet ich: "So ist auch vermutlich keiner in der Höll, der Eusebius heißt!" Bezahlte ihn also wie unsern Musterschreiber Cyriacum, so aber von den Offiziern nicht am besten aufgenommen wurde, maßen sie mir sagten, ich sollte mich erinnern, daß ich ihr Gefangener sei und nicht Scherzens halber hergeholt worden wäre. Ich wurde dieses Verweises wegen drum nicht rot, bat auch nicht um Verzeihung, sondern antwortete: Weil sie mich für einen Soldaten gefangen hielten und nicht für ein Kind wieder laufen lassen würden, so hätte ich mich versehen, daß man mich auch nicht als ein Kind gefoppt hätte; wie man mich gefragt, so hätte ich geantwortet, hoffte auch, ich würde nicht unrecht daran getan haben. Darauf fragten sie mich um mein Vaterland, Herkommen und Geburt, und vornehmlich, ob ich nit auch auf schwedischer Seiten gedient hätte? item, wie es in Soest beschaffen? wie stark selbige Garnison sei und was des Dings mehr ist etc. Ich antwortet auf alles behend, kurz und gut, und zwar wegen Soest und selbiger Garnison soviel als ich zu verantworten getraute, konnte aber wohl verschweigen, daß ich das Narrnhandwerk getrieben, weil ich mich dessen schämte.
Das 15. Kapitel
Mit welchen Conditionibus der Jäger wieder los worden
Indessen erfuhr man zu Soest, wie es mit dem Convoi abgelaufen, und daß ich mit dem Korporal und andern mehr gefangen, auch wo wir hingeführt worden, derhalben kam gleich den andern Tag ein Trommelschläger uns abzuholen, dem wurde der Korporal und die drei anderen gefolgt und ein Schreiben mitgegeben folgenden Inhalts, das mir der Kommandant zu lesen überschickte:
Monsieur, etc. Durch Wiederbringern diesen Tambour ist mir dessen Schreiben eingehändigt worden, schicke darauf hiermit gegen empfangene Ranzion den Korporal samt den übrigen dreien Gefangenen. Was aber Simplicium den Jäger anbelangt, kann selbiger, weil er hiebevor auf dieser Seiten gedient, nicht wieder hinüber gelassen werden. Kann ich aber dem Herrn im übrigen außerhalb Herrn-Pflichten in etwas bedient sein, so hat derselbe an mir einen willigen Diener, als der ich so weit bin und verbleibe
Des Herrn Dienst-bereitwilliger
N. de S. A.
Dieses Schreiben gefiel mir nicht halb, und mußte mich doch für diese Kommunikation bedanken. Ich begehrte mit dem Kommandanten zu reden, bekam aber die Antwort, daß er schon selbst nach mir schicken würde, wenn er zuvor den Trommelschläger abgefertigt hätte, so morgen früh geschehen sollte, bis dahin ich mich zu gedulden.
Da ich nun die bestimmte Zeit überwartet hatte, schickte der Kommandant nach mir, als es eben Essenszeit war; da widerfuhr mir das erstemal die Ehr, zu ihm an seine Tafel zu sitzen; solang man aß, ließ er mir mit dem Trunk zusprechen und gedachte weder Klein noch Großes von demjenigen, was er mit mir vorhatte, und mir wollte es auch nicht anstehen, etwas davon anzufangen. Demnach man aber abgesessen und ich einen ziemlichen Dummel hatte, sagte er: "Lieber Jäger, Ihr habt aus meinem Schreiben verstanden, unter was für einem Prätext ich Euch hier behalte; und zwar so hab ich gar kein unrechtmäßige Sach oder etwas vor, das wider Räson oder Kriegsgebrauch wäre, denn Ihr habt mir und dem Regiments-Schultheiß selbst gestanden, daß Ihr hiebevor auf unserer Seiten bei der Hauptarmee gedienet, werdet Euch derhalben resolvieren müssen, unter meinem Regiment Dienst anzunehmen, so will ich Euch mit der Zeit und wenn Ihr Euch wohl verhaltet dergestalt akkommodieren, dergleichen Ihr bei den Kaiserlichen nimmer hättet hoffen dürfen: Widrigenfalls werdet Ihr mich nicht verdenken, wenn ich Euch wiederum demjenigen Obristleutnant überschicke, welchem Euch die Dragoner hiebevor abgefangen haben." Ich antwortet: "Hochgeehrter Herr Obrist, (denn damals war noch nicht der Brauch, daß man Soldaten von Fortun ›Ihr Gnaden‹ titulierte, ob sie gleich Obriste waren) ich hoffe, weil ich der Kron Schweden noch deren Konföderierten, viel weniger dem Obristleutnant niemalen mit Eid verpflichtet, sondern nur ein Pferdjung gewesen, daß dannenher ich nicht verbunden sei, schwedische Dienst anzunehmen und dadurch den Eid zu brechen, den ich dem römischen Kaiser geschworen, derowegen meinen hochgeehrten Herrn Obristen allergehorsamst bittend, Er beliebe mich dieser Zumutung zu überheben." "Was", sagt' der Obriste, "verachtet Ihr denn die schwedischen Dienste? Ihr müßt wissen, daß Ihr mein Gefangener seid, und ehe ich Euch wieder nach Soest lasse, dem Gegenteil zu dienen, ehe will ich Euch einen andern Prozeß weisen oder im Gefängnis verderben lassen", danach wisse ich mich zu richten. Ich erschrak zwar über diese Wort, gab mich aber drum noch nicht, sondern antwortete: Gott wolle mich vor solcher Verachtung sowohl als vorm Meineid behüten; im übrigen stünde ich in untertäniger Hoffnung, der Herr Obriste würde mich seiner weitberühmten Diskretion nach wie einen Soldaten traktiern. "Ja", sagte er, "ich wüßte wohl wie ich Euch traktieren könnte, da ich der Strenge nach prozedieren wollte; aber bedenkt Euch besser, damit ich nicht Ursachen ergreife, Euch etwas anders zu weisen." Darauf wurde ich wieder ins Stockhaus geführt.
Jedermann kann unschwer erachten, daß ich dieselbe Nacht nicht viel geschlafen, sondern allerhand Gedanken gehabt habe; den Morgen aber kamen etliche Offizier mit dem Kornett so mich gefangen bekommen zu mir, unterm Schein, mir die Zeit zu kürzen, in Wahrheit aber mir weis zu machen, als ob der Obriste gesinnt wäre, mir als einem Zauberer den Prozeß machen zu lassen, da ich mich nicht anders bequemen würde. Wollten mich also erschrecken und sehen was hinter mir steckte; weil ich mich aber meines guten Gewissens tröstete, nahm ich alles gar kaltsinnig an und redete nicht viel, merkte dabei, daß es dem Obristen um nichts anders zu tun war, als daß er mich ungern in Soest sah, so konnte er sich auch leicht einbilden, daß ich selbigen Ort, wenn er mich ledig ließe, wohl nicht verlassen würde, weil ich meine Beförderung dort hoffte und noch zwei schöne Pferd und sonst köstliche Sachen allda hatte. Den folgenden Tag ließ er mich wieder zu sich kommen, und fragte, ob ich mich auf ein und anders resolviert hätte? Ich antwortet: "Dies, Herr Obrister, ist mein Entschluß, daß ich ehe sterben als meineidig werden will! Wenn aber mein hochgeehrter Herr Obrist mich auf freien Fuß zu stehen und mit keinen Kriegsdiensten zu belegen belieben wird, so will ich dem Herrn Obristen mit Herz, Mund und Hand versprechen, in sechs Monaten keine Waffen wider die Schwed- und Hessischen zu tragen oder zu gebrauchen." Solches ließ sich der Obrist stracks gefallen, bot mir darauf die Hand und schenkte mir zugleich die Ranzion, befahl auch dem Secretario, daß er deswegen einen Revers in duplo aufsetzte, den wir beide unterschrieben, darin er mir Schutz, Schirm und alle Freiheit solang ich in der ihm anvertrauten Festung verbliebe versprach: Ich hingegen reservierte mich über obige zwei Punkte, daß ich, solang ich mich in derselben Festung aufhalten würde, nichts Nachteiliges wider dieselbige Garnison und ihren Kommandanten praktizieren noch etwas das ihr zu Nachteil und Schaden vorgenommen würde verhehlen, sondern vielmehr deren Nutzen und Frommen fördern und ihren Schaden nach Möglichkeit wenden, ja wenn der Ort feindlich attackiert würde, denselben defendieren helfen sollte und wollte.
Hierauf behielt er mich wieder bei dem Mittagimbiß und tat mir mehr Ehr an, als ich von den Kaiserlichen mein Lebtag hätte hoffen dürfen; dadurch gewann er mich dergestalt nach und nach, daß ich nit wieder nach Soest gangen wäre, wenn er mich schon dahin lassen und meines Versprechens ledig zählen wollen.
Das 16. Kapitel
Wie Simplicius ein Freiherr wird
Wann ein Ding sein soll, so schickt sich alles dazu, ich vermeinte, das Glück hätte mich zur Ehe genommen oder wenigst sich so eng zu mir verbunden, daß mir die allerwiderwärtigsten Begegnisse zum Besten gedeihen müßten, da ich über des Kommandanten Tafel saß und vernahm, daß mein Knecht mit meinen zwei schönen Pferden von Soest zu mir kommen wäre; ich wußte aber nicht (wie ichs hernach im Auskehren befand) daß das tückische Glück der Sirenen Art an sich hat, die denjenigen am übelsten wollen, denen sie sich am geneigtesten erzeigen, und einen der Ursach halber desto höher hebt, damit es ihn hernach desto tiefer stürze.
Dieser Knecht (den ich hiebevor von den Schweden gefangen bekommen hatte) war mir über alle Maßen getreu, weil ich ihm viel Guts tat, dahero sattelt' er alle Tag meine Pferd und ritt dem Trommelschläger, der mich abholen sollte, ein gut Stück Wegs von Soest aus entgegen, solang er aus war, damit ich nicht allein nicht so weit gehen, sondern auch nit nackend oder zerlumpt (denn er vermeinte, ich wäre ausgezogen worden) nach Soest kommen dürfte. Also begegnet' er dem Trommelschläger und seinen Gefangenen und hatte mein bestes Kleid ausgepackt. Da er mich aber nicht sah, sondern vernahm, daß ich bei dem Gegenteil Dienst anzunehmen aufgehalten werde, gab er den Pferden die Sporn, und sagte: "Adieu Tambour und Ihr Korporal, wo mein Herr ist, da will ich auch sein." Ging also durch und kam zu mir, eben als mich der Kommandant ledig gesprochen hatte und mir große Ehr antat. Er verschaffte darauf meine Pferd in ein Wirtshaus, bis ich mir selbsten ein Logiment nach meinem Willen bestellen möchte, und pries mich glückselig wegen meines Knechts Treu, verwundert' sich auch, daß ich als ein gemeiner Dragoner und noch so junger Kerl so schöne Pferd vermögen und so wohl montiert sein sollte, lobte auch das eine Pferd, als ich Valet nahm und in besagtes Wirtshaus ging, so trefflich, daß ich gleich merkte, daß er mirs gern abgekauft hätte, weil er mirs aber aus Diskretion nicht feil machte, sagte ich, wenn ich die Ehr begehren dürfte, daß ers von meinetwegen behalten wollte, so stünde es zu seinen Diensten; er schlugs aber anzunehmen rund ab, mehr darum, dieweil ich ein ziemlichen Rausch hatte, und er die Nachred nicht haben wollte, daß er einem Trunkenen etwas abgeschwätzt, so ihn vielleicht nüchtern reuen möchte, als daß er des edlen Pferds gern gemangelt.
Dieselbige Nacht bedachte ich, wie ich künftig mein Leben anstellen wollte: Entschloß mich derohalben, die sechs Monat über zu verbleiben wo ich wäre, und also den Winter, der nunmehr vor der Tür war, in Ruhe dahinzubringen, wozu ich denn Gelds genug wußte hinauszulangen, wenn ich meinen Schatz zu Köln schon nicht angriffe: In solcher Zeit, gedachte ich, wächst du vollends aus und erlangst deine völlige Stärke und kannst dich danach auf den künftigen Frühling wieder desto tapferer unter die kaiserliche Armee ins Feld begeben.
Des Morgens frühe anatomiert ich meinen Sattel, welcher weit besser gespickt war, als derjenige, den der Kornett von mir bekommen, nachgehends ließ ich mein bestes Pferd vor des Obristen Quartier bringen, und sagte zu ihm: Demnach ich mich resolviert, die sechs Monat, in welchen ich nicht kriegen dürfte, unter des Herrn Obristen Schutz allhier ruhig zuzubringen, also seien mir meine Pferd nichts nutz, um welche es schad wäre, wenn sie verderben sollten, bitte ihn derowegen, er wollte belieben, gegenwärtigem Soldatenklepper einen Platz unter den seinigen zu gönnen und solches von mir als ein Zeichen dankbarer Erkenntnis für empfangene Gnaden unschwer annehmen: Der Obriste bedankte sich mit großer Höflichkeit und sehr courtoisen Offerten, schickte mir auch denselben Nachmittag seinen Hofmeister mit einem gemästen lebendigen Ochsen, zwei fetten Schweinen, einer Tonne Wein, vier Tonnen Bier, zwölf Fuder Brennholz, welches alles er nur für mein neu Losament, das ich eben auf ein halb Jahr bestellt hatte, bringen, und sagen ließ: Weil er sehe, daß ich bei ihm hausen wollte, und sich leicht einbilden könnte, daß es im Anfang mit Viktualien schlecht bestellt sei, so schicke er mir zur Haussteur neben einem Trunk ein Stück Fleisch mitsamt dem Holz, solches dabei kochen zu lassen, mit fernerm Anhang, dafern er mir in etwas behilflich sein könnte, daß ers nicht unterlassen wollte: Ich bedankte mich so höflich als ich konnte, verehrte dem Hofmeister zwo Dukaten und bat ihn, mich seinem Herrn bestens zu rekommendieren.
Da ich sah, daß ich meiner Freigebigkeit halber bei dem Obristen so hoch geehrt wurde, gedachte ich mir auch bei dem gemeinen Mann ein gutes Lob zu machen, damit man mich für keinen kahlen Bärnhäuter hielte; ließ derowegen in Gegenwart meines Hauswirts meinen Knecht vor mich kommen, zu demselben sagte ich: "Lieber Niklas, du hast mir mehr Treu erwiesen, als ein Herr seinem Knecht zumuten darf, nun aber da ichs um dich nicht zu verschulden weiß, weil ich dieser Zeit keinen Herrn und also auch keinen Krieg habe, daß ich etwas erobern könnte, dich zu belohnen, wie mirs wohl anstünde; zumal auch wegen meines stillen Lebens, das ich hinfort zu führen gedenke, keinen Knecht mehr zu halten bedacht, also gebe ich dir hiemit für deinen Lohn das ander Pferd, samt Sattel, Zeug und Pistolen, mit Bitt, du wollest damit vorliebnehmen und dir für diesmal einen andern Herrn suchen; kann ich dir inskünftig in etwas bedient sein, so magst du jederzeit mich drum ersuchen." Hierauf küßte er mir die Händ und konnte vor Weinen schier nicht reden, wollte auch durchaus das Pferd nicht nehmen, sondern hielt für besser, ich sollte es versilbern und zu meinem Unterhalt gebrauchen, zuletzt überredt ich ihn doch, daß ers annahm, nachdem ich ihm versprochen, ihn wieder in Dienst zu nehmen, sobald ich jemand brauchte. Über diesem Abscheid wurde mein Hausvater so mitleidig, daß ihm auch die Augen übergingen, und gleichwie mich mein Knecht bei der Soldateska, also erhub mich mein Hausvater bei der Bürgerschaft wegen dieser Tat mit großem Lob über alle schwangeren Baurn; der Kommandant hielt mich für einen so resoluten Kerl, daß er auch getraute Schlösser auf meine Paroln zu bauen, weil ich meinen Eid, dem Kaiser geschworen, nicht allein treulich, sondern auch dasjenig das ich mich gegen ihn verschrieben, desto steifer zu halten, mich selbst meiner herrlichen Pferd, Gewehr und des getreuen Knechts entblößte.
Das 17. Kapitel
Womit der Jäger die sechs Monat hinzubringen gedenkt, auch etwas von der Wahrsagerin
Ich glaube, es sei kein Mensch in der Welt, der nicht einen Hasen im Busen habe, denn wir sind ja alle einerlei Gemächts, und kann ich bei meinen Birn wohl merken, wenn andere zeitig sind. "Hui Geck", möchte mir einer antworten, "wenn du ein Narr bist, meinst du darum, andere seiens auch?" Nein, das sag ich nicht, denn es wäre zuviel geredt; aber dies halte ich dafür, daß einer den Narrn besser verbirgt als der ander: Es ist einer drum kein Narr, wenn er schon närrische Einfäll hat, denn wir haben in der Jugend gemeiniglich alle dergleichen, welcher aber solche herausläßt, wird für einen gehalten, weil teils ihn gar nicht, andere aber nur halb sehen lassen: Welche ihren gar unterdrücken, sind rechte Saurtöpf; die aber den ihrigen nach Gelegenheit der Zeit bisweilen ein wenig mit den Ohren hervorgucken und Atem schöpfen lassen, damit er nicht gar bei ihnen ersticke, dieselbigen halte ich für die besten und verständigsten Leut. Ich ließ den meinen nur zu weit heraus, da ich mich in einem so freien Stand sah und noch Geld wußte, maßen ich einen Jungen annahm, den ich als einen Edelpagen kleidete und zwar in die närrischsten Farben, nämlich veielbraun und gelb ausgemacht, so meine Liberei sein mußte, weil mirs so gefiel; derselbe mußte mir aufwarten, als wenn ich ein Freiherr und kurz zuvor kein Dragoner oder vor einem halben Jahr ein armer Roßbub gewesen wäre.
Dies war die erste Torheit, so ich in dieser Stadt beging, welche, ob sie gleich ziemlich groß war, wurde sie doch von niemand gemerkt, viel weniger getadelt: Aber was machts? die Welt ist der so voll, daß sie keiner mehr acht noch selbige verlacht oder sich drüber verwundert, weil sie deren gewohnt ist; so hatte ich auch den Ruf eines klugen und guten Soldaten und nicht eines Narrn, der die Kinderschuh noch trägt. Ich dingte mich und meinen Jungen meinem Hausvater in die Kost und gab ihm an Bezahlung auf Abschlag, was mir der Kommandant wegen meines Pferds an Fleisch und Holz verehrt hatte; zum Getränk aber mußte mein Jung den Schlüssel haben, weil ich denen die mich besuchten, gern davon mitteilte, denn sintemal ich weder Bürger noch Soldat war und also keinen meinesgleichen hatte, der mir Gesellschaft leisten mögen, hielt ich mich zu beiden Teilen und bekam dahero täglich Kameraden genug, die ich ungetränkt nicht bei mir ließ. Zum Organisten allda machte ich aus den Bürgern die beste Kundschaft, weil ich die Musik liebte und (ohne Ruhm zu melden) ein trefflich gute Stimm hatte, die ich bei mir nicht verschimmlen lassen wollte; dieser lehrte mich, wie ich komponiern sollte, item auf dem Instrument besser schlagen sowohl als auch auf der Harfen, so war ich ohnedas auf der Lauten ein Meister, schaffte mir dahero eine eigene und hatte schier täglich meinen Spaß damit: Wenn ich dann satt war zu musizieren, ließ ich den Kürschner kommen, der mich im Paradeis in allen Gewehren unterwiesen, mit demselben exerzierte ich mich, um noch perfekter zu werden. So erlangte ich auch beim Kommandanten, daß mich einer von seinen Konstablen die Büchsenmeistereikunst und etwas mit dem Feurwerk umzugehen um die Gebühr lehrete. Im übrigen hielt ich mich sehr still und eingezogen, also daß sich die Leut verwunderten, wenn sie sahen, daß ich stets über den Büchern saß wie ein Student, da ich doch Raubens und Blutvergießens gewohnt gewesen.
Mein Hausvater war des Kommandanten Spürhund und mein Hüter, maßen ich merkte, daß er all mein Tun und Lassen demselben hinterbracht', ich konnte mich aber artlich darein schicken, denn ich gedachte des Kriegswesens kein einzig Mal, und wenn man davon redte, tat ich, als ob ich niemals kein Soldat gewesen und nur darum da wäre, meinen täglichen Exerzitien, deren ich erst gedacht, abzuwarten. Ich wünschte zwar, daß meine sechs Monat bald herum wären, es konnte aber niemand abnehmen, welchem Teil ich alsdann dienen wollte. Sooft ich dem Obristen aufwartete, behielt er mich auch an seiner Tafel, da setzt' es denn je zuweiln solche Diskurs, dadurch mein Vorsatz ausgeholt werden sollte, ich antwortet aber jederzeit so vorsichtig, daß man nicht wissen konnte, was Sinns ich sei. Einsmals sagte er zu mir: "Wie stehts Jäger, wollt Ihr noch nicht schwedisch werden, gestern ist mir ein Fähnrich gestorben?" Ich antwortet: "Hochgeehrter Herr Obrist, stehet doch einem Weib wohl an, wenn sie nach ihres Manns Tod nicht gleich wieder heirat, warum sollte ich mich denn nicht sechs Monat patientieren." Dergestalt entging ich jederzeit und kriegte doch des Obristen Gunst je länger je mehr, so gar, daß er mir sowohl in- als außerhalb der Festung herumzuspazieren vergönnte, ja ich durfte endlich den Hasen, Feldhühnern und Vögeln nachstellen, welches seinen eigenen Soldaten nicht gegönnet war: So fischte ich auch in der Lipp' und war so glücklich damit, daß es das Ansehen hatte, als ob ich beides Fisch und Krebs aus dem Wasser bannen könnte. Darum ließ ich mir nur ein schlechtes Jägerkleid machen, in demselbigen strich ich bei Nacht (denn ich wußte alle Weg und Steg) in die Soestische Börde und holte meine verborgenen Schätz hin und wider zusammen, schleppte solche in gedachte Festung und ließ mich an, als ob ich ewig bei den Schweden wohnen wollte.
Auf demselbigen Weg kam die Wahrsagerin von Soest zu mir, die sagte: "Schau mein Sohn, hab ich dir hiebevor nicht wohl geraten, daß du dein Geld außerhalb der Stadt Soest verbergen solltest? Ich versichere dich, daß es dein größtes Glück gewesen, daß du gefangen worden, denn wärest du heimkommen, so hätten dich einige Kerl, welche dir den Tod geschworen, weil du ihnen beim Frauenzimmer bist vorgezogen worden, auf der Jagd erwürgt." Ich antwortet: "Wie kann jemand mit mir eifern, da ich doch dem Frauenzimmer nichts nachfrage?" "Versichert", sagte sie, "wirst du des Sinns nicht verbleiben wie du jetzt bist, so wird dich das Frauenzimmer mit Spott und Schand zum Land hinausjagen, du hast mich jederzeit verlacht, wenn ich dir etwas zuvorgesagt habe, wolltest du mir abermal nicht glauben, wenn ich dir mehr sagte? Findest du an dem Ort, wo du jetzt bist, nicht geneigtere Leut als in Soest? Ich schwöre dir, daß sie dich nur gar zu lieb haben und daß dir solche übermachte Lieb zum Schaden gereichen wird, wenn du dich nicht nach derselbigen akkommodierest." Ich antwortet ihr, wenn sie ja so viel wüßte, als sie sich dafür ausgebe, so sollte sie mir dafür sagen, wie es mit meinen Eltern stünde und ob ich mein Lebtag wieder zu denselben kommen würde? sie sollte aber nicht so dunkel, sondern fein teutsch mit der Sprach heraus. Darauf sagte sie, ich sollte alsdann nach meinen Eltern fragen, wenn mir mein Pflegvater unversehens begegne und führe meiner Säugammen Tochter am Strick daher; lachte darauf überlaut, und hängte dran, daß sie mir von sich selbst mehr gesagt, als andern die sie drum gebeten hätten: hernach machte sie sich, weil ich sie nur anfing zu foppen, geschwind von mir, als ich ihr zuvor etliche Taler verehrt, weil ich doch schwer am Silbergeld zu tragen hatte. Ich hatte damals ein schön Stück Geld und viel köstliche Ring und Kleinodien beieinander, denn wo ich hiebevor unter den Soldaten etwas von Edelgesteinen wußte oder auf Partei und sonst antraf, brachte ichs an mich und dazu nicht einmal ums halbe Geld, was es gültig war. Solches schrie mich immerzu an, es wollte gern wieder unter die Leut; ich folgte auch gar gern, denn weil ich ziemlich hoffärtig war, prangte ich mit meinem Gut und ließ solches meinen Wirt ohne Scheu sehen, der bei den Leuten mehr daraus machte als es war: Dieselbigen aber verwunderten sich, wo ich doch alles hergebracht haben müßte, denn es war genugsam erschollen, daß ich meinen gefundenen Schatz zu Köln liegen hatte, weil der Kornett des Kaufmanns Handschrift gelesen, da er mich gefangen bekommen.
Das 18. Kapitel
Wie der Jäger anfängt zu buhlen, und ein Handwerk daraus macht
Mein Vorsatz, die Büchsenmeisterei- und Fechtkunst in diesen sechs Monaten vollkommen zu lernen, war gut, und ich begriffs auch: aber es war nit genug, mich vorm Müßiggang, der ein Ursprung vieles Übels ist, allerdings zu behüten, vornehmlich weil niemand war, der mir zu gebieten hatte. Ich saß zwar emsig über allerhand Büchern, aus denen ich viel Guts lernete, es kamen mir aber auch teils unter die Händ, die mir wie dem Hund das Gras gesegnet wurden. Die unvergleichliche ›Arcadia‹, aus der ich die Wohlredenheit lernen wollte, war das erste Stück, das mich von den rechten Historien zu den Liebesbüchern und von den wahrhaften Geschichten zu Heldengedichten zog: Solcherlei Gattungen brachte ich zuwegen wo ich konnte, und wenn mir eins zuteil wurde, hörte ich nit auf bis ichs durchgelesen, und sollte ich Tag und Nacht darüber gesessen sein; diese lehreten mich für das Wohlreden mit der Leimstangen laufen. Doch wurde dieser Mangel damals bei mir nicht so heftig und stark, daß man ihn mit Seneca ein göttliches Rasen, oder wie er in Thomae Thomai Welt-Gärtlein beschrieben wird, eine beschwerliche Krankheit hätte nennen können; denn wo meine Lieb hinfiel, da erhielt ich leichtlich und ohne sonderbare Mühe, was ich begehrte, also daß ich keine Ursach zu klagen bekam wie andere Buhler und Leimstängler, die voller phantastischer Gedanken, Mühe, Begierden, heimlich Leiden, Zorn, Eifer, Rachgier, Rasen, Weinen, Protzen, Drohen und dergleichen tausendfältigen Torheiten stecken und sich vor Ungeduld den Tod wünschen. Ich hatte Geld und ließ mich dasselbe nit dauren und überdas ein gute Stimm, übte mich stetig auf allerhand Instrumenten; anstatt des Tanzens, dem ich nie bin hold worden, wies ich die Gerade meines Leibs, wenn ich mit meinem Kürschner focht; überdas hatte ich einen trefflich glatten Spiegel und gewöhnte mich zu einer freundlichen Lieblichkeit, also daß mir das Frauenzimmer, wenn ich mich dessen schon nicht sonderlich annahm, wie Aurora dem Clito, Cephalo und Tithoni, Venus dem Anchise, Atidi und Adoni, Ceres dem Glauco, Ulysse und Jasioni, und die keusche Diana selbst ihrem Endymione von sich selbst nachlief, mehr als ich dessen begehrte.
Um dieselbige Zeit fiel Martini ein, da fängt bei uns Teutschen das Fressen und Saufen an und währet bei teils bis in die Fasnacht, da wurde ich an unterschiedliche Ort sowohl bei Offiziern als Bürgern die Martinsgans verzehren zu helfen eingeladen; da setzt' es denn zuzeiten so etwas, weil ich bei solchen Gelegenheiten mit dem Frauenzimmer in Kundschaft kam; meine Laute und Gesang die zwangen ein jede mich anzuschauen, und wenn sie mich also betrachteten, wußte ich zu meinen neuen Buhlenliedern, die ich selber machte, so anmutige Blick und Gebärden hervorzubringen, daß sich manches hübsche Mägdlein darüber vernarrte und mir unversehens hold ward. Und damit ich nit für einen Hungerleider gehalten würde, stellte ich auch zwo Gastereien, die eine zwar für die Offizier und die ander für die vornehmsten Bürger an, dadurch ich mir bei beiden Teilen Gunst und einen Zutritt vermittelte, weil ich kostbar auftragen ließ. Es war mir aber alles nur um die lieben Jungfrauen zu tun, und ob ich gleich bei einer oder der andern nit fand, was ich suchte (denn es gab auch noch etliche, die es verhalten konnten), so ging ich doch ein Weg als den andern zu ihnen, damit sie diejenigen, die mir mehr Gunst erzeugten als ehrlichen Jungfrauen gebührt, in keinen bösen Verdacht bringen, sondern glauben sollten, daß ich mich bei denselbigen auch nur Diskurs halber aufhielte. Und das überredet ich ein jede insonderheit, daß sie es von den andern glaubte, und nit anders meinte, als wäre sie allein diejenige, die sich meiner erfreute.
Ich hatte gerad sechs die mich liebten und ich sie hinwiederum, doch hatt keine mein Herz gar oder mich allein; an der einen gefielen mir nur die schwarzen Augen, an der andern die goldgelben Haar, an der dritten die liebliche Holdseligkeit und an den übrigen auch so etwas, das die andere nicht hatte. Wenn ich aber ohne diese andere besuchte, so geschah es nur entweder aus abgesagter Ursach oder weilen es fremd und neu war und ich ohnedas nichts ausschlug oder verachtete, indem ich nit immer an demselben Ort zu bleiben gedachte. Mein Jung, der ein Erzschelm war, hatte genug zu tun mit Kupplen und Buhlenbrieflein hin und wieder zu tragen, und wußte reinen Mund und meine losen Händel gegen eine und die ander so geheimzuhalten, daß nichts drüber war; davon bekam er von den Schleppsäcken ein Haufen Favor, so mich aber am meisten kosteten, maßen ich hierdurch ein Ansehnliches verschwendete und wohl sagen konnte: ›Was mit Trommeln gewonnen wird, gehet mit Pfeifen wieder dahin.‹ Dabei hielt ich meine Sachen so geheim, daß mich der Hundertste für keinen Buhler halten konnte, ohn der Pfarrer, bei welchem ich nicht mehr so viel geistliche Bücher entlehnte als zuvor.
Das 19. Kapitel
Durch was Mittel sich der Jäger Freund' gemacht, und was für Andacht er bei einer Predigt hatte
Wenn das Glück einen stürzen will, so hebt es ihn zuvor in alle Höhe, und der gütige Gott lässet auch einen jeden vor seinem Fall so treulich warnen. Das widerfuhr mir auch, ich nahms aber nicht an! Ich hielt in meinem Sinn gänzlich dafür, daß mein damaliger Stand so fest gegründet wäre, daß mich kein Unglück davon stürzen könnte, weil mir jedermann, insonderheit aber der Kommandant selbst so wohl wollte; diejenigen, auf welche er viel hielt, gewann ich mit allerhand Ehrerbietungen, seine getreuen Diener brachte ich durch Geschenk auf meine Seiten, und mit denen, so etwas mehr als meinesgleichen warn, soff ich Brüderschaft und schwur ihnen ohnverbrüchliche Treue und Freundschaft; die gemeinen Bürger und Soldaten waren mir deswegen hold, weil ich jedem freundlich zusprach. "Ach was für ein freundlicher Mensch", sagten sie oft zusammen, "ist doch der Jäger, er redt ja mit dem Kind auf der Gassen und erzürnt keinen Menschen!" Wenn ich ein Häschen oder etliche Feldhühner fing, so schickte ichs denen in die Küchen, deren Freundschaft ich suchte, lud mich dabei zu Gast und ließ etwa ein Trunk Wein, welcher der Orten teuer war, dazuholen, ja ich stellte es so an, daß schier aller Kosten über mich ging. Wenn ich dann mit jemand bei solchen Gelagen in ein Gespräch kam, lobte ich jedermann ohne mich selbst nicht und wußte mich so demütig zu stellen, als ob ich die Hoffart nie gekannt hätte. Weil ich denn nun hierdurch eines jeden Gunst kriegte und jedermann viel von mir hielt, gedachte ich nicht, daß mir etwas Unglücklichs widerfahren könnte, vornehmlich weil mein Säckel noch ziemlich gespickt war.
Ich ging oft zum ältesten Pfarrer derselbigen Stadt, als der mir aus seiner Bibliothek viel Bücher lehnete, und wenn ich ihm eins wiederbrachte, so diskurrierte er von allerhand Sachen mit mir, denn wir akkommodierten uns so miteinander, daß einer den andern gern leiden mochte: Als nun nicht nur die Martinsgäns und Metzelsuppen hin und wieder, sondern auch die heiligen Weihnachtsfeiertage vorbei waren, verehrte ich ihm eine Flaschen voll Straßburger Branntewein zum neuen Jahr, welchen er, der Westfälinger Gebrauch nach, mit Kandelzucker gern einläpperte, und kam daraufhin ihn zu besuchen, als er eben in meinem ›Joseph‹ las, welchen ihm mein Wirt ohne mein Wissen geliehen hatte: Ich entfärbte mich, daß einem solchen gelehrten Mann meine Arbeit in die Hände kommen sollte, sonderlich weil man dafürhält, daß einer am besten aus seinen Schriften erkannt werde; er aber machte mich zu sich setzen, und lobte zwar meine Invention, schalt aber, daß ich mich so lang in der Seliche (die Potiphars Weib gewesen) Liebeshändeln hätte aufgehalten; "Wessen das Herz voll ist, gehet der Mund über", sagte er ferners; "wenn der Herr nicht selbsten wüßte wie einem Buhler ums Herz ist, so hätte er dieses Weibs Passiones nicht so wohl ausfahren oder vor Augen stellen können." Ich antwortet, was ich geschrieben hätte, das wäre mein eigene Erfindung nicht, sondern hätte es aus andern Büchern extrahiert, mich um etwas im Schreiben zu üben. "Ja ja", antwortet' er, "das glaube ich gern (scil.), aber Er versichere sich, daß ich mehr von Ihm weiß, als Er sich einbildet!" Ich erschrak, da ich diese Worte hörte, und gedachte: "Hat dirs denn St. Velten gesagt?" Und weil er sah, daß ich meine Farb änderte, fuhr er ferner fort, und sagte: "Der Herr ist frisch und jung, Er ist müßig und schön, Er lebt ohn Sorg und wie ich vernehme in allem Überfluß; darum bitte und ermahne ich Ihn im Herrn, daß Er bedenken wolle, in was für einem gefährlichen Stand Er sich befindet, Er hüte sich vor dem Tier das Zöpf hat, will Er anders sein Glück und Heil beobachten; der Herr möchte zwar gedenken: ›Was gehts den Pfaffen an, was ich tu und lasse (ich gedachte: Du hasts erraten!), oder was hat er mir zu befehlen?‹ Es ist wahr, ich bin ein Seelsorger! Aber, Herr seid versichert, daß mir Eure, als meines Guttäters, zeitliche Wohlfahrt aus christlicher Lieb so hoch angelegen ist, als ob Ihr mein eigener Sohn wäret; immer schad ists und Ihr könnts bei Eurem himmlischen Vater in Ewigkeit nicht verantworten, wenn Ihr Euer Talent, das er Euch verliehen, vergrabt und Euer edel Ingenium, das ich aus gegenwärtiger Schrift erkenne, verderben lasset; mein getreuer und väterlicher Rat wäre, Ihr legtet Eure Jugend und Eure Mittel, die Ihr hier so unnützlich verschwendet, zum Studieren an, damit Ihr heut oder morgen beides Gott und den Menschen und Euch selbst bedient sein könnet, und ließet das Kriegswesen, zu welchem Ihr, wie ich höre, so große Lust traget, sein wie es ist, ehe Ihr eine Schlappe davontraget, und dasjenige Sprichwort wahr zu sein an Euch befindet, welches heißt: junge Soldaten, alte Bettler." Ich hörte diese Sentenz mit großer Ungeduld, weil ich dergleichen zu vernehmen nicht gewohnt war, jedoch stellte ich mich viel anders als mirs ums Herz war, damit ich mein Lob, daß ich ein feiner Mensch wäre, nicht verliere; bedankte mich zumal auch sehr für seine erwiesene Treuherzigkeit und versprach, mich auf sein Einraten zu bedenken, gedachte aber bei mir selbst wie des Goldschmieds Jung und was es den Pfaffen geheie, wie ich mein Leben anstelle, weil es damals mit mir aufs höchste kommen war und ich die nunmehr gekosten Liebswollüste nicht mehr entbehren wollte; es gehet aber mit solchen Warnungen nicht anders her, wenn die Jugend schon Zaum und Sporn entwöhnet hat und in vollen Sprüngen ihrem Verderben zurennt.
Das 20. Kapitel
Wie er dem treuherzigen Pfarrer ander Werg an die Kunkel legte, damit er sein epikurisch Leben zu korrigieren vergesse
Ich war in den Wollüsten doch nicht so gar ersoffen oder so dumm, daß ich nicht gedacht hätte, jedermanns Freundschaft zu behalten, solang ich noch in derselbigen Festung zu verbleiben (nämlich bis der Winter vorüber) willens war; so erkannte ich auch wohl, was es einem für Unrat bringen könnte, wenn er der Geistlichen Haß hätte, als welche Leut bei allen Völkern, sie seien gleich was Religion sie wollen, einen großen Kredit haben; derowegen nahm ich meinen Kopf zwischen die Ohren und trat gleich den andern Tag wieder auf frischem Fuß zu obgedachtem Pfarrer und log ihm mit gelehrten Worten ein solchen zierlichen Haufen daher, wasgestalten ich mich resolviert hätte ihm zu folgen, daß er sich, wie ich aus seinen Gebärden sehen konnte, herzlich darüber erfreute. "Ja", sagte ich, "es hat mir seithero, auch schon in Soest, nichts anders als ein solcher englischer Ratgeber gemangelt, wie ich einen an meinem hochgeehrten Herrn angetroffen habe; wenn nur der Winter bald vorüber oder sonst das Wetter bequem wäre, daß ich fortreisen könnte!" Bat ihn daneben, er wollte mir doch ferner mit gutem Rat beförderlich sein, auf welche Academiam ich mich begeben sollte? Er antwortet', was ihn anbelangt, so hätte er zu Leiden studiert, mir aber wollte er nach Genf geraten haben, weil ich, der Aussprach nach, ein Hochteutscher wäre! "Jesus Maria!" antwortet ich, "Genf ist weiter von meiner Heimat als Leiden!" "Was vernehme ich?" sagte er hierauf mit großer Bestürzung, "ich höre wohl, der Herr ist ein Papist! O mein Gott, wie finde ich mich betrogen!" "Wieso, wieso Herr Pfarrer?" sagte ich, "muß ich darum ein Papist sein, weil ich nicht nach Genf will?" "O nein", sagte er, "sondern daran höre ichs, weil Ihr die Mariam anrufet." Ich sagte: "Sollte denn einem Christen nit gebühren, die Mutter seines Erlösers zu nennen?" "Das wohl", antwortet' er, "aber ich ermahne und bitte Ihn so hoch als ich kann, Er wolle Gott die Ehr geben und mir gestehen, welcher Religion Er beigetan sei? denn ich zweifle sehr, daß Er dem Evangelio glaube (ob ich Ihn zwar alle Sonntag in meiner Kirchen gesehen), weil Er das verwichene Fest der Geburt Christi weder bei uns noch den Lutherischen zum Tisch des Herrn gangen!" Ich antwortet: "Der Herr Pfarrer hört ja wohl, daß ich ein Christ bin, und wenn ich keiner wäre, so würde ich mich nicht so oft in der Predigt haben eingefunden, im übrigen aber gestehe ich, daß ich weder petrisch noch paulisch bin, sondern allein simpliciter glaube, was die zwölf Artikel des allgemeinen hl. christlichen Glaubens in sich halten, werde mich auch zu keinem Teil vollkommen verpflichten, bis mich ein oder ander durch genugsame Erweisungen persuadiert zu glauben, daß er vor den andern die rechte wahre und allein seligmachende Religion habe." "Jetzt", sagte er, "glaube ich erst recht, daß Er ein kühnes Soldatenherz habe, sein Leben tapfer dran zu wagen, weil Er gleichsam ohne Religion und Gottesdienst auf den alten Kaiser hinein dahinleben und so frevelhaftig seine Seligkeit in die Schanz schlagen darf! Mein Gott, wie kann aber ein sterblicher Mensch, der entweder verdammt oder selig werden muß, immermehr so keck sein? Ist der Herr in Hanau erzogen und nit anders im Christentum unterrichtet worden? Er sage mir doch, warum Er seiner Eltern Fußstapfen in der reinen christlichen Religion nicht nachfolget? Oder warum Er sich ebensowenig zu dieser als zu einer andern begeben will, deren Fundamenta sowohl in der Natur als Hl. Schrift doch so sonnenklar am Tag liegen, daß sie auch in Ewigkeit weder Papist noch Lutheraner nimmermehr wird umstoßen können?" Ich antwortet: "Herr Pfarrer, das sagen auch alle anderen von ihrer Religion, welchem soll ich aber glauben? vermeint der Herr wohl, es sei so ein Geringes, wenn ich einem Teil, den die andern zwei lästern und einer falschen Lehr bezichtigen, meiner Seelen Seligkeit vertraue? Er sehe doch (aber mit meinen unparteiischen Augen) was Conrad Vetter und Johannes Naß wider Lutherum und hingegen Luther und die Seinigen wider den Papst, sonderlich aber Spangenberg wider Franciscum, der etlich hundert Jahr für einen heiligen und gottseligen Mann gehalten worden, in offenen Druck ausgehen lassen; zu welchem Teil soll ich mich denn tun, wenn je eins das ander ausschreiet, es sei kein gut Haar an ihm! vermeint der Herr Pfarrer, ich tue unrecht, wenn ich einhalte, bis ich meinen Verstand völliger bekomme und weiß was schwarz oder weiß ist? Sollte mir wohl jemand raten hineinzuplumpen, wie die Fliege in ein heißen Brei? O nein, das wird der Herr Pfarrer verhoffentlich mit gutem Gewissen nicht tun können. Es muß ohnumgänglich eine Religion recht haben, und die andern beiden unrecht; sollte ich mich nun zu einer ohne reiflichen Vorbedacht bekennen, so könnte ich ebensobald ein unrechte als die rechte erwischen, so mich hernach in Ewigkeit reuen würde, ich will lieber gar von der Straß bleiben, als nur irr laufen; zudem sind noch mehr Religionen, denn nur die in Europa, als die Armenier, Abessinier, Griechen, Georgianer und dergleichen, und Gott geb was ich für eine davon annehme, so muß ich mit meinen Religionsgenossen den andern allen widersprechen. Wird nun der Herr Pfarrer mein Ananias sein, so will ich ihm mit großer Dankbarkeit folgen und die Religion annehmen, die er selbst bekennt."
Darauf sagte er: "Der Herr steckt in großem Irrtum, aber ich hoffe zu Gott, er werde Ihn erleuchten und aus dem Schlamm helfen; zu welchem End ich Ihm denn unsere Konfession inskünftig dergestalt aus Hl. Schrift bewähren will, daß sie auch wider die Pforten der Höllen bestehen solle." Ich antwortet, dessen würde ich mit großem Verlangen gewärtig sein, gedachte aber bei mir selber, wenn du mir nur nichts mehr von meinen Liebchen vorhältst, so bin ich mit deinem Glauben wohl zufrieden. Hierbei kann der Leser abnehmen, was ich damals für ein gottloser böser Bub gewesen, denn ich machte dem guten Pfarrer deswegen vergebliche Mühe, damit er mich in meinem ruchlosen Leben ungehindert ließe, und gedachte: Bis du mit deinen Beweistümern fertig bist, so bin ich vielleicht wo der Pfeffer wächst.
Das 21. Kapitel
Wie der Jäger unversehens zum Ehmann wird
Gegen meinem Quartier über wohnet' ein reformierter Obristleutnant, der hatte ein überaus schöne Tochter, die sich ganz adelig trug; ich hätte längst gern Kundschaft zu ihr gemacht, unangesehen sie mir anfänglich nicht beschaffen zu sein deuchte, daß ich sie allein lieben und auf ewig haben möchte, doch schenkte ich ihr manchen Gang und noch viel mehr liebreicher Blick, sie wurde mir aber so fleißig verhütet, daß ich kein einzig Mal, als ich mir wünschete, mit ihr zu reden kommen konnte, so durfte ich auch so unverschämt nit hineinplatzen, weil ich mit ihren Eltern keine Kundschaft hatte und mir der Ort für einen Kerl von so geringem Herkommen als mir das meinige bewußt war, viel zu hoch vorkam; am allernächsten gelangte ich zu ihr, wenn wir etwa in oder aus der Kirch gingen, da nahm ich denn die Zeit so fleißig in acht, mich ihr zu nähern, daß ich oft ein paar Seufzer anbrachte, das ich meisterlich konnte, ob sie zwar alle aus falschem Herzen gingen: Hingegen nahm sie solche auch so kaltsinnig an, daß ich mir einbilden mußte, daß sie sich nicht so leicht wie eines schlechten Bürgers Tochter verführen lassen würde, und indem ich gedachte, sie würde mir schwerlich zuteil, wurden meine Begierden nach ihr desto heftiger.
Mein Stern, der mich das erstemal zu ihr vermittelte, war derjenige, den die Schüler zu immerwährendem Gedächtnis um selbige Zeit des Jahrs herumfragen, damit anzuzeigen, daß die drei Weisen durch einen solchen nach Bethlehem begleitet worden, so ich anfänglich für ein gut Omen hielt, weil mir dergleichen einer in ihre Wohnung leuchtete, da ihr Vater selbst nach mir schickte: "Monsieur", sagte er zu mir, "seine Neutralität, die er zwischen Bürgern und Soldaten hält, ist eine Ursach, daß ich ihn zu mir bitten lassen, weil ich wegen einer Sach, die ich zwischen beiden Teilen ins Werk zu richten vorhabe, einen unparteiischen Zeugen bedarf." Ich vermeinte, er hätte was Wundergroßes im Sinn, weil Schreibzeug und Papier auf dem Tisch war, bot ihm derowegen zu allen ehrlichen Geschäften meine bereitfertigsten Dienst an, mit sondern Komplimenten, daß ich mirs nämlich für eine große Ehr halten würde, wenn ich so glückselig sei, ihm beliebige Dienst zu leisten. Es war aber nichts anders, als (wie an vielen Orten der Gebrauch ist) ein Königreich zu machen, maßen es eben an der Hl. Drei König Abend war, dabei sollte ich zusehen, daß es recht zuginge und die Ämter ohne Ansehung der Personen durch das Los ausgeteilt würden. Zu diesem Geschäft, bei welchem des Obristen Secretarius auch war, ließ der Obristleutnant Wein und Konfekt langen, weil er ein trefflicher Zechbruder und es ohnedas nach dem Nachtessen war; der Secretarius schrieb, ich las die Namen, und die Jungfer zog die Zettel, ihre Eltern aber sahen zu; und ich mag eben nicht ausführlich erzählen, wie es hergangen, dann ich die erste Kundschaft an diesem Ort machte. Sie beklagten sich über die langen Winternächt und gaben mir damit zu verstehen, daß ich, solche desto leichter zu passieren, wohl zu ihnen zu Licht kommen dürfte, indem sie ohnedas keine besonders großen Geschäfte hätten. Dies war nun eben das, was ich vorlängsten gewünscht.
Von diesem Abend an (da ich mich zwar nur ein wenig bei der Jungfer zutäppisch machte) fing ich wieder auf ein neues an mit der Leimstangen zu laufen und am Narrenseil zu ziehen; also daß sich beides die Jungfer und ihre Eltern einbilden mußten, ich hätte die Angel geschluckt, wiewohl mirs nicht halber Ernst war; ich putzte mich als nur gegen die Nacht, wenn ich zu ihr wollte, wie die Hexen, und den Tag über hatte ich mit den Liebesbüchern zu tun, daraus stellte ich Buhlenbrieflein an meine Liebste, eben als ob ich hundert Meil Wegs von ihr gewohnt hätte oder in viel Jahren nicht zu ihr käme; zuletzt machte ich mich gar gemein, weil mir meine Löffelei nicht sonderlich von den Eltern gewehrt, sondern zugemutet ward, ich sollte ihre Tochter auf der Lauten lernen schlagen. Da hatte ich nun einen freien Zutritt, bei Tag sowohl als hiebevor des Abends, also daß ich meinen gewöhnlichen Reimen
Ich und eine Fledermaus
Fliegen nur bei Nachte aus
änderte und ein Liedlein machte, in welchem ich mein Glück lobte, weil es nur auf so manchen guten Abend auch so freudenreiche Tag verliehen an denen ich in meiner Liebsten Gegenwart meine Augen weiden und mein Herz um etwas erquicken könnte, hingegen klagte ich auch in eben demselbigen Lied über mein Unglück und bezichtigte dasselbige, daß es mir die Nächt verbittere und mir nicht gönnete, solche auch wie die Tag mit liebreicher Ergötzung hinzubringen; und ob es zwar um etwas zu frei kam, so sang ichs doch meiner Liebsten mit andächtigen Seufzern und einer lustreizenden Melodei, dabei die Laute das ihrig trefflich tat und gleichsam die Jungfer mit mir bat, sie wollte doch kooperieren, daß mir die Nächte so glücklich als die Tage bekommen möchten; aber ich bekam ziemlich abschlägige Antwort, denn sie war trefflich klug und konnte mich auf meine Erfindungen, die ich bisweilen artlich anbrachte, gar höflich beschlagen. Ich nahm mich gar wohl in acht, von der Verehelichung zu schweigen, ja wenn schon diskursweis davon geredt wurde, stellete ich doch alle meine Wort auf Schrauben; welches meiner Jungfer Schwester, die schon verheirat war, bald merkte, und dahero mir und meinem lieben Mägdlein alle Päß verlegte, damit wir nicht so oft wie zuvor allein beisammensein sollten, denn sie sah wohl, daß mich ihre Schwester von Herzen liebte, und daß die Sach in die Läng kein gut tun würde.
Es ist ohnnötig, alle Torheiten meiner Löffelei umständlich zu erzählen, weil dergleichen Possen ohnedas alle Liebesschriften voll sind. Genug ists, wenn der günstige Leser weiß, daß es zuletzt dahin kam, daß ich erstlich mein liebes Dingelchen zu küssen und endlich auch andere Narrnpossen zu tun mich erkühnen durfte, solchen erwünschten Fortgang verfolgte ich mit allerhand Reizungen, bis ich bei Nacht von meiner Liebsten eingelassen wurde und mich so hübsch zu ihr ins Bett fügte, als wenn ich zu ihr gehört hätte. Weil jedermann weiß, wie es bei dergleichen Kürben pfleget gemeiniglich herzugehen, so dürfte sich wohl der Leser einbilden, ich hätte etwas Ungebührliches begangen: jawohl nein! denn alle meine Gedanken waren umsonst, ich fand einen solchen Widerstand, dergleichen ich mir nimmermehr bei keinem Weibsbild anzutreffen gedenken können, weil ihr Absehen einzig und allein auf Ehr und den Ehestand gegründet war, und wenn ich ihr solchen gleich mit den allergrausamsten Flüchen versprach, so wollte sie jedoch vor der ehelichen Kopulation kurzum nichts geschehen lassen, doch gönnete sie mir, auf ihrem Bett neben ihr liegen zu bleiben, auf welchem ich auch ganz ermüdet vor Unmut sanft einschlummerte. Ich wurde aber gar ungestüm aufgeweckt, denn morgens um vier Uhr stand der Obristleutnant vorm Bett mit einer Pistol in der einen und einer Fackel in der andern Hand: "Krabat", schrie er überlaut seinem Diener zu, der auch mit einem bloßen Säbel neben ihm stand, "geschwind Krabat, hole den Pfaffen!" Wovon ich denn erwachte und sah, in was für einer Gefahr ich mich befand. "O wehe", gedacht ich, "du sollest gewiß zuvor beichten, ehe er dir den Rest gibt!" Es wurde mir ganz grün und gelb vor den Augen, und wußte nicht, ob ich sie recht auftun sollte oder nit? "Du leichtfertiger Gesell", sagte er zu mir, "soll ich dich finden, daß du mein Haus schändest? tät ich dir Unrecht, wenn ich dir und dieser Vettel, die deine Hur worden ist, den Hals bräche? Ach du Bestia, wie kann ich mich doch nur enthalten, daß ich dir nit das Herz aus dem Leib herausreiße und zu kleinen Stücken zerhackt den Hunden darwerfe?" Damit biß er die Zähn übereinander und verkehrte die Augen als ein unsinnig Tier. Ich wußte nicht was ich sollte, und meine Beischläferin konnte nichts als weinen; endlich da ich mich ein wenig erholete, wollte ich etwas von unserer Unschuld vorbringen, er aber hieß mich das Maul halten, indem er wieder auf ein neues anfing mir aufzurücken, daß er mir viel ein anders vertraut ich aber hingegen ihn mit der allergrößten Untreu von der Welt gemeint hätte. Indessen kam seine Frau auch dazu, die fing eine nagelneue Predigt an, also daß ich wünschte, ich läge irgends in einer Dornhecken; ich glaub auch, sie hätte in zweien Stunden nicht aufgehört, wenn der Krabat mit dem Pfarrer nicht kommen wäre.
Ehe dieser ankam, unterstund ich etlichmal aufzustehen, aber der Obristleutnant machte mich mit bedrohlichen Mienen liegen bleibend, also daß ich erfahren mußte, wie gar keine Courage ein Kerl hat, der auf einer bösen Tat ertappt wird, und wie einem Dieb ums Herz ist, den man erwischt, wenn er eingebrochen, ob er gleich noch nichts gestohlen hat; ich gedenk der lieben Zeit, wenn mir der Obristleutnant samt zwei solchen Kroaten aufgestoßen wäre, daß ich sie alle drei zu jagen unterstanden, aber jetzt lag ich da wie ein ander Bärnhäuter und hatte nicht das Herz, nur das Maul, geschweig die Fäust recht aufzutun. "Seht Herr Pfarrer", sagte er, "das schöne Spektakul, zu welchem ich Euch zum Zeugen meiner Schand berufen muß!" und kaum hatte er diese Wort ordentlich vorgebracht, da fing er wieder an zu wüten und das Tausend ins Hundert zu werfen, daß ich nichts anders als vom Halsbrechen und Händ in Blut waschen verstehen konnte; er schäumte ums Maul wie ein Eber und stellte sich nicht anders, als ob er gar von Sinnen kommen wollte, also daß ich alle Augenblick gedachte, jetzt jagt er dir eine Kugel durch den Kopf! Der Pfarrer aber wehrte mit Händen und Füßen, daß nichts Tödliches geschehe, so ihn hernach reuen möchte. "Was?" sagte er, "Herr Obristleutnant, braucht Euer hohe Vernunft und bedenkt das Sprichwort, daß man zu geschehenen Dingen das Beste reden soll; dies schöne junge Paar, das seinesgleichen schwerlich im Land hat, ist nicht das erste und auch nicht das letzte, so sich von den unüberwindlichen Kräften der Liebe meistern lassen; dieser Fehler, den sie beide begangen, kann auch durch sie, da es anders ein Fehler zu nennen, wieder leichtlich gebessert werden; zwar lobe ichs nit, sich auf diese Art zu verehelichen, aber gleichwohl hat dieses junge Paar hierdurch weder Galgen noch Rad verdient, der Herr Obristleutnant auch keine Schand davon zu gewarten, wenn er nur diesen Fehler (der ohnedas noch niemand bewußt) heimlich halten und verzeihen, seinen Konsens zu beider Verehelichung geben und diese Ehe durch den gewöhnlichen Kirchgang öffentlich bestätigen lassen wird." "Was?" antwortet' er, "sollte ich ihnen anstatt billiger Straf erst noch hofieren und große Ehr antun? ich wollte sie ehe morgenden Tags beide zusammenbinden und in der Lipp' ertränken lassen! Ihr müßt mir sie in diesem Augenblick kopuliern, maßen ich Euch deswegen holen lassen, oder ich will sie alle beide wie die Hühner erwürgen."
Ich gedachte: "Was willst du tun, es heißt: Vogel friß oder stirb'; zudem so ist es eine solche Jungfer, deren du dich nicht schämen darfst, ja wenn du dein Herkommen bedenkest, so bist du kaum wert, hinzusetzen wo sie ihre Schuh hinstellt"; doch schwur ich und bezeugte hoch und teur, daß wir nichts Unehrlichs miteinander zu schaffen gehabt hätten; aber mir wurde geantwortet, wir sollten uns gehalten haben, daß man nichts Böses von uns argwöhnen können, diesen Weg aber würden wir den einmal gefaßten Verdacht niemand benehmen. Hierauf wurden wir von gemeldtem Pfarrer im Bett sitzend zusammgegeben, und nachdem solches geschehen, aufzustehen und miteinander aus dem Haus zu gehen gemüßiget. Unter der Tür sagte der Obristleutnant zu mir und seiner Tochter, wir sollten uns in Ewigkeit vor seinen Augen nicht mehr sehen lassen. Ich aber, als ich mich wieder erholt und den Degen auch an der Seiten hatte, antwortet gleichsam im Scherz: "Ich weiß nicht, Herr Schwährvater, warum Er alles so widersinns anstellt, wenn andere neue Eheleut kopuliert werden, so führen sie die nächsten Verwandten schlafen, Er aber jagt mich nach der Kopulation nit allein aus dem Bett, sondern auch gar aus dem Haus, und anstatt des Glücks, das er mir in Ehestand wünschen sollte, will er mich nicht so glückselig wissen, meines Schwähers Angesicht zu sehen und ihm zu dienen; wahrlich, wenn dieser Brauch aufkommen sollte, so würden die Verehelichungen wenig Freundschaft mehr in der Welt stiften."
Das 22. Kapitel
Wie es bei der Hochzeit ablief, und was er weiter anzufangen sich vorgestellt
Die Leut in meinem Losament verwunderten sich alle, da ich diese Jungfer mit mir heimbrachte, und noch vielmehr, da sie sahen, daß sie so ungescheut mit mir schlafen ging; denn ob mir zwar dieser Poß, so mir widerfahren, grandige Grillen in Kopf brachte, so war ich doch so närrisch nit, meine Braut zu verschmähen; ich hatte zwar die Liebste im Arm, hingegen aber tausenderlei Gedanken im Kopf, wie ich mein Sach heben und legen wollte; bald gedacht ich, es ist dir recht geschehen, und bald vermeint ich, es wäre mir der allergrößte Schimpf von der Welt widerfahren, welchen ich ohne billige Rach mit Ehren nicht verschmerzen könnte: Wenn ich aber besann, daß solche Rach wider meinen Schwährvater und also auch wider meine unschuldige fromme Liebste laufen müßte, fielen alle meine Anschläg. Ich schämte mich so sehr, daß ich mir vornahm, mich einzuhalten und vor keinem Menschen mehr sehen zu lassen, befand aber, daß ich alsdann erst die allergrößte Narrheit begehen würde. Endlich war mein Schluß, ich wollte vor allen Dingen meines Schwährvaters Freundschaft wieder gewinnen und mich im übrigen gegen jedermann anlassen, als ob mir nichts Übels widerfahren und wegen meiner Hochzeit alles wohl ausgerichtet hätte. Ich sagte zu mir selber: "Weil alles auf eine seltsame ungewöhnliche Weis sich geschickt und seinen Anfang genommen, so mußt du es auch auf solche Gattung ausmachen, sollten die Leut erfahren, daß du Verdruß an deiner Heirat hättest, und wider deinen Willen kopuliert worden wärest, wie ein arme Jungfer an einen alten reichen Ehekrüppel, so hättest du nur Spott davon."
In solchen Gedanken ließ ich mir früh tagen, wiewohl ich lieber länger im Bett verblieben wäre; ich schickte am allerersten nach meinem Schwager, der meines Weibs Schwester hatte, und hielt ihm kurz vor, wie nahe ich ihm verwandt worden, ersuchte ihn daneben, er wollte seine Liebste kommen lassen, um etwas zurichten zu helfen, damit ich den Leuten auch bei meiner Hochzeit zu essen geben könnte; er aber wollte belieben, unsern Schwähr und Schwieger meinetwegen zu begütigen, so wollte ich indessen ausgehen, Gäste zu bitten, die den Frieden zwischen mir und ihm vollends machten. Solches nahm er zu verrichten auf sich, und ich verfügte mich zum Kommandanten, dem erzählte ich mit einer kurzweiligen und örtlichen Manier, was ich und mein Schwährvater für eine neue Mode angefangen hätten, Hochzeit zu machen, welche Gattung so geschwind zugehe, daß ich in einer Stund die Heirats-Abred, den Kirchgang und die Hochzeit auf einmal vollzogen; allein weil mein Schwährvater die Morgensupp gesparet hätte, wäre ich bedacht, an deren Statt ehrlichen Leuten von der Specksuppen mitzuteilen, zu der ich ihn untertänig eingeladen haben wollte. Der Kommandant wollte sich meines lustigen Vortrags schier zu Stücken lachen, und weil ich sah, daß sein Kopf recht stund, ließ ich mich noch freier heraus und entschuldigte mich deswegen, daß ich notwendig jetzt nit wohl klug sein müßte, weil andere Hochzeiter vier Wochen vor und nach der Hochzeit nit recht bei Sinnen seien; andere Hochzeiter zwar hätten vier Wochen Zeit, in welchen sie allgemach ihre Torheiten unvermerkt herauslassen und also ihren Mangel an dem Witz ziemlich verbergen könnten; weil mich aber die ganze Bräuterei vollkommen überfallen, so mußte ich auch die Narrnpossen häufig fliegen lassen, damit ich mich hernach desto vernünftiger im Ehestand anlassen könnte. Er fragte mich, wie es mit der Heirats-Notul beschaffen wäre und wieviel mir mein Schwährvater Füchse, deren der alte Schabhals viel hätte, zum Heiratgut gebe? Ich antwortet, daß unser Heirats-Abred nur in einem Punkte bestünde, der laute, daß ich und seine Tochter uns in Ewigkeit vor seinen Augen nicht mehr sollten sehen lassen, dieweil aber weder Notarien noch Zeugen dabeigewesen, hoffe ich, er sollte wieder revoziert werden, vornehmlich weil alle Heirat' zu Fortpflanzung guter Freundschaft gestiftet würden, es wäre denn Sach, daß er nur seine Tochter wie Pythagoras die seinige verheiratet hätte, so ich aber nimmermehr glauben könnte, weil ich ihn meines Wissens niemal beleidigt.
Mit solchen Schwänken, deren man an mir dies Orts sonst nicht gewohnt war, erhielt ich, daß der Kommandant samt meinem Schwährvater, welchen er hierzu wohl persuadieren wollte, bei meiner Specksuppen zu erscheinen versprach: Er schickt' auch gleich ein Faß Wein und einen Hirsch in meine Küchen, ich aber ließ dergestalt zurichten, als ob ich Fürsten hätte traktieren wollen, brachte auch eine ansehenliche Gesellschaft zuwegen, die sich nit allein brav miteinander lustig machten, sondern auch vor allen Dingen meinen Schwährvater und Schwieger dergestalt mit mir und meinem Weib versöhneten, daß sie uns mehr Glücks wünschten, als sie uns die vorige Nacht fluchten. In der ganzen Stadt aber wurde ausgesprengt, daß unsere Kopulation mit Fleiß auf so ein fremde Gattung angestellt worden wäre, damit uns beiden kein Poß von bösen Leuten widerfahre; mir aber war diese schnelle Hochzeit trefflich gesund, denn wenn ich doch verehelicht und gemeinem Gebrauch nach über die Kanzel hätte abgeworfen werden sollen, so hätten sich besorglich Schleppsäck gefunden, die mir ein verhinderliches Gewirr drein zu machen unterstanden, denn ich hatte solcher unter den Bürgerstöchtern ein ganz halb Dutzend, die mich mehr als allzuwohl kannten.
Den andern Tag traktierte mein Schwährvater meine Hochzeitgäst, aber bei weitem nit so wohl als ich, denn er war karg; da wurde erst mit mir geredt, was ich für eine Hantierung treiben und wie ich die Haushaltung anstellen wollte, da merkte ich erst, daß ich meine edle Freiheit verloren hatte und unter einer Botmäßigkeit leben sollte. ich ließ mich gar gehorsamlich an und begehrte zuvor meines lieben Schwährvaters als eines verständigen Kavaliers getreuen Rat zu vernehmen und dem zu folgen, welche Antwort der Kommandant lobte, und sagte: "Dieweil er ein junger frischer Soldat ist, so wäre es ein große Torheit, wenn er mitten in jetzigen Kriegsläuften ein anders als das Soldatenhandwerk zu treiben vor die Hand nähme, es ist weit besser, sein Pferd in eines andern Stall zu stellen, als eines andern in dem seinigen zu füttern; was mich anbelangt, so will ich ihm ein Fähnlein geben, wenn er will." Mein Schwähr und ich bedankten uns, und ich schlugs nit mehr aus wie zuvor, wies doch dem Kommandanten des Kaufmanns Handschrift, der meinen Schatz zu Köln in Verwahrung hat. "Dieses", sagte ich, "muß ich zuvor holen, ehe ich schwedische Dienst annehme; denn sollte man gewahr werden, daß ich ihrem Gegenteil dienete, so werden sie mir zu Köln die Feige weisen und das Meinige behalten, welches sich so leichtlich nicht im Weg finden läßt." Sie gaben mir beide recht, und wurde also zwischen uns dreien abgeredt, zugesagt und beschlossen, daß ich in wenig Tagen mich nach Köln begeben, meinen Schatz dort erheben, mich nachgehends wieder damit in der Festung einstellen und ein Fähnlein annehmen sollte; dabei wurde auch ein Tag ernennet, an welchem meinem Schwährvater eine Kompagnie samt der Obristleutnant-Stelle bei des Kommandanten Regiment übergeben werden sollte; denn sintemal der Graf von Götz damals mit vielen kaiserlichen Völkern in Westfalen lag und sein Quartier zu Dortmund hatte, versah sich der Kommandant auf den künftigen Frühling einer Belagerung und bewarb sich dahero um gute Soldaten, wiewohl diese Sorg vergeblich war, dieweil ermeldter Graf von Götz, weil Johann de Werd im Breisgau geschlagen worden, selbigen Frühling Westfalen quittieren und am Ober-Rheinstrom wegen Breisach wider den Fürsten von Weimar agieren mußte.
Das 23. Kapitel
Simplicius kommt in eine Stadt, die er zwar nur pro forma Köln nennet, seinen Schatz abzuholen
Es schickt sich ein Ding auf mancherlei Weis, des einen Unstern kommt staffelweis und allgemach, und einen andern überfällt das seinige mit Haufen; das meinige aber hatte einen so süßen und angenehmen Anfang, daß ich mirs wohl für kein Unglück, sondern für das höchste Glück rechnete. Kaum über acht Tag hatte ich mit meinem lieben Weib im Ehestand zugebracht, da ich in meinem Jägerkleid, mit einem Feurrohr auf der Achsel, von ihr und ihren Freunden meinen Abschied nahm; ich schlich mich glücklich durch, weil mir alle Weg bekannt, also daß mir keine Gefahr unterwegs aufstieß, ja ich wurde von keinem Menschen gesehen, bis ich nach Deutz, so gegen Köln über diesseits Rhein liegt, vor den Schlagbaum kam. Ich aber sah viel Leut, sonderlich einen Bauren im Bergischen Land, der mich allerdings an meinen Knan im Spessart gemahnte, sein Sohn aber dessen Simplicio sich am besten verglich. Dieser Baurenbub hütete der Schwein, als ich bei ihm vorüber passieren wollte, und weil die Säu mich spürten, fingen sie an zu grunzen, der Knab aber über sie zu fluchen: daß sie der Donner und Hagel erschlagen und ›de Tüfel dartoo halen solte‹; das hörte die Magd und schrie dem Jungen zu, er sollte aufhören zu fluchen, oder sie wollts dem Vater sagen. Der antwortet' der Knabe, sie sollte ihn im Hintern lecken und ihre ›Mour dartoo brühen‹; der Baur hörte seinem Sohn gleichfalls zu, lief derowegen mit seinem Prügel aus dem Haus, und schrie: "Halt du hundert tausend etc. Schelm, ick sall di lehren sweren, de Hagel schla di dan, dar di der Tüfel int Liff fahr", erwischt' ihn damit bei der Kartausen, prügelt' ihn wie einen Tanzbären und sagte zu jedem Streich: "Du böse Bof, ick sall di leeren floeken, de Tüfel hal di dan, ick sall di im Arse lecken, ick sall di lehren dine Mour brühen, etc." Diese Zucht erinnert' mich natürlich an mich und meinen Knan, und ich war doch nicht so ehrlich oder gottselig, daß ich Gott gedankt hätte, weil er mich aus solcher Finsternis und Ignoranz gezogen und zu einer bessern Wissenschaft und Erkenntnis gebracht; warum wollte denn mein Glück, das er mir täglich zuschickt', in die Länge haben harren können? Da ich nun nach Köln kam, kehrte ich bei meinem Jupiter ein, so damals ganz klug war; als ich ihm nun vertraute, warum ich da wäre, sagte er mir gleich, daß ich besorglich leer Stroh dreschen würde, weil der Kaufmann, dem ich das Meinige aufzuheben geben, Bankerott gespielt und ausgerissen wäre; zwar seien meine Sachen obrigkeitlich petschiert, er selbst aber, sich wieder einzustellen, zitiert worden, aber man zweifle sehr an seiner Wiederkunft, weil er das Beste so fortzubringen gewesen, mit sich genommen; bis nun die Sach erörtert würde, könnte viel Wasser den Rhein hinunterlaufen. Wie angenehm mir diese Botschaft war, kann ein jeder leicht ermessen; ich fluchte ärger als ein Fuhrmann, aber was halfs, ich hatte drum meine Sachen nit wieder und überdas keine Hoffnung, solche zu bekommen; so hatte ich auch über zehn Taler Zehrgeld nit zu mir genommen, daß ich also mich nit so lang aufhalten konnte, als es die Zeit erforderte. Überdas hatte es auch Gefahr auf sich, so lange dazubleiben, denn ich mußte sorgen, daß, weil ich einer feindlichen Garnison zugetan wäre, ich verkundschaft würde und also nicht allein gar um das Meinige, sondern noch dazu in größere Ungelegenheit kommen; sollte ich denn unverrichter Sach wieder zurück, das Meinige mutwillig dahinten lassen und den Hingang für den Hergang haben, das dünkte mich auch nicht ratsam sein. Zuletzt wurde ich mit mir selber eins, ich wollte mich in Köln aufhalten, bis die Sach erörtert würde, und die Ursach meines Ausbleibens meiner Liebsten berichten; verfügte mich demnach zu einem Prokurator der ein Notarius war, und erzählte ihm mein Tun, bat ihn, mir um die Gebühr mit Rat und Tat beizuspringen, ich wollte ihm neben der Tax wenn er meine Sach beschleunigte, mit einer guten Verehrung begegnen. Weil er denn hoffte, es würde an mir etwas zu fischen sein, nahm er mich gutwillig an und dingte mich auch in die Kost, darauf ging er andern Tags mit mir zu denjenigen Herren, welche die Fallimentssachen zu erörtern haben, gab vidimierte Kopie von des Kaufmanns Handschrift ein und legte das Original vor, worauf wir zur Antwort bekamen, daß wir uns bis zu gänzlicher Erörterung der Sach patientieren müßten, weil die Sachen, davon die Handschrift sage, nicht alle vorhanden wären.
Also versah ich mich des Müßiggangs wieder auf ein Zeitlang, bis ich sehen wollte, wie es in großen Städten hergehet; mein Kostherr war, wie gehört, ein Notarius und Prokurator, daneben hatte er etwa ein halb Dutzend Kostgänger und hielt stets acht Pferd auf der Streu, welche er den Reisenden ums Geld hinzuleihen pflegte; dabei hatte er einen teutschen und einen welschen Knecht, die sich beides zum Fahren und Reiten gebrauchen ließen und der Pferd warteten, mit welcher drei- oder vierthalbfachen Hantierung er nicht allein seine Nahrung reichlich gewann, sondern auch ohn Zweifel trefflich vorschlug, denn weil keine Juden in selbige Stadt kommen dürfen, konnte er mit allerlei Sachen desto besser wuchern.
Ich lernete viel in der Zeit die ich bei ihm war, vornehmlich aber alle Krankheiten kennen, so die größte Kunst an einem Doctor Medicinae ist, denn man sagt, wenn man eine Krankheit recht erkenne, so sei dem Patienten schon halb geholfen. Daß ich nun solche Wissenschaft begriff, daran war mein Wirt Ursach, denn von seiner Person fing ich an, auch auf andere und deren Komplexion zu sehen. Da fand ich manchen todkrank, der seine Krankheit oft selbst nit wußte und auch von andern Menschen, ja von den Doctoribus selbst für einen Gesunden gehalten wurde. Ich fand Leut, die waren vor Zorn krank, und wenn sie diese Krankheit anstieß, so verstellten sie die Gesichter wie die Teufel, brülleten wie die Löwen, kratzten wie die Katzen, schlugen um sich wie die Bären, bissen drein wie die Hund, und damit sie sich ärger stellen möchten als die rasenden Tier, warfen sie auch mit allem das sie in die Hände kriegten um sich wie die Narren. Man sagt, diese Krankheit komme von der Gall her, aber ich glaube, daß sie ihren Ursprung daher habe, wenn ein Narr hoffärtig sei, derhalben wenn du einen Zornigen rasen hörest, sonderlich über ein gering Ding, so halt kecklich dafür, daß er mehr stolz als klug sei. Aus dieser Krankheit folget unzählig viel Unglück, sowohl dem Kranken selbst als andern; dem Kranken zwar endlich die Lähme, Gicht und ein frühzeitiger, wo nicht gar ewiger Tod! und kann man diese Kranken, ob sie schon gefährlich krank sind, mit gutem Gewissen keine Patienten nennen, weil ihnen die Patienz am allermeisten mangelt. Etliche sah ich am Neid daniederliegen, von welchen man sagt, daß sie ihr eigen Herz fressen, weil sie immer so bleich und traurig dahertreten. Diese Krankheit halte ich für die allergefährlichste, weil sie vom Teufel ihren Ursprung hat, wiewohl sie von lauter Glück herrühret, das des Kranken Feind hat; und welcher einen solchen von Grund aus kuriert, der dürfte sich beinahe rühmen, er hätte einen Verlornen zum christlichen Glauben bekehrt, weil diese Krankheit keinen rechtschaffenen Christen anstößt, als die da nur die Sünd und Laster neiden. Die Spielsucht halte ich auch für eine Krankheit, nicht allein weil es der Nam mit sich bringt, sondern weil diejenigen so damit behaftet, ganz giftig darauf verpicht sind. Diese hat ihren Ursprung vom Müßiggang und nicht vom Geiz, wie etliche vermeinen, und wenn du Wollust und Müßiggang hinwegnimmest, vergehet diese Krankheit von sich selbst. So befand ich, daß Fressen und Saufen auch ein Krankheit ist, und daß solche aus der Gewohnheit und nicht aus dem Überfluß herkommt, Armut ist zwar gut dafür, aber sie wird dadurch nicht von Grund aus geheilet, denn ich sah Bettler im Luder und reiche Filz Hunger leiden; sie bringt ihre Arznei auf dem Rücken mit sich, der heißt Mangel, wo nit am Gut, doch an der übrigen Gesundheit des Leibs, also daß endlich diese Kranken gemeiniglich von sich selbst gesund werden müssen, wenn sie nämlich entweder aus Armut oder anderer Krankheit halber nit mehr zehren können. Die Hoffart hielt ich für eine Art der Phantasterei, welche ihren Ursprung aus der Unwissenheit habe, denn wenn sich einer selbst kennet und weiß wo er her ist und endlich hinkommt, so ist unmöglich, daß er mehr so ein hoffärtiger Narr sein kann. Wenn ich einen Pfauen oder welschen Hahn sehe, der sich ausspreitet und so etwas daherkollert, muß ich mich vernarren, daß diese unvernünftigen Tier dem armen Menschen in seiner großen Krankheit so artlich spotten können; ich hab kein sonderliche Arznei dawider finden können, weil diese, so daran krank liegen, ohne die Demut ebensowenig als andere Narren zu kurieren sind. Ich fand auch, daß Lachen eine Krankheit ist, denn Philemon ist ja dran gestorben, und Democritus ist bis an sein End damit infiziert gewesen. So sagen auch noch auf den heutigen Tag unsere Weiber, sie möchten sich zu Tod lachen! Man sagt, es habe seinen Ursprung von der Leber, aber ich glaube ehender, es komme aus übriger Torheit her, sintemal viel Lachen kein Anzeichen eines vernünftigen Manns ist. Es ist unvonnöten, eine Arznei dawider zu verordnen, weil es nicht allein eine lustige Krankheit ist, sondern auch manchem vergehet, ehe ers gern hat. Nicht weniger merkte ich, daß der Vorwitz auch eine Krankheit und sonderlich dem weiblichen Geschlecht schier angeboren sei; ist zwar gering anzusehen, aber in Wahrheit sehr gefährlich, maßen wir noch alle an unsrer ersten Mutter Kuriosität zu däuen haben. Von den übrigen, als Faulheit, Rachgier, Eifer, Frevel, Gebrechen der Lieb und andern dergleichen Krankheiten und Lastern will ich für diesmal schweigen, weil ich mir niemals vorgenommen, etwas davon zu schreiben, sondern wieder auf meinen Kostherrn kommen, der mir Ursach gab, dergleichen Gebrechen nachzusinnen, weil er vom Geiz bis aufs äußerste Haar eingenommen und besessen war.
Das 24. Kapitel
Der Jäger fängt einen Hasen mitten in einer Stadt
Dieser hatte, wie obgemeldet, unterschiedliche Hantierungen, dadurch er Geld zusammenkratzte, er zehrte mit seinen Kostgängern und seine Kostgänger nit mit ihm, und er hätte sich und sein Hausgesind mit demjenigen was sie ihm eintrugen, gar reichlich ernähren können, wenns der Schindhund nur dazu hätte angewendet, aber er mästete uns auf schwäbisch und hielt gewaltig zurück; ich aß anfangs nit mit seinen Kostgängern, sondern mit seinen Kindern und Gesind, weil ich nit viel Geld bei mir hatte; da setzte es schmale Bißlein, so meinem Magen, der nunmehr zu den westfälischen Traktamenten gewöhnet war, ganz spanisch vorkam; kein gut Stück Fleisch kriegten wir auf den Tisch, sondern nur dasjenige, so acht Tag zuvor von der Studenten Tafel getragen, von denselben zuvor überall wohl benagt und nunmehr vor Alter so grau als Methusalem worden war; darüber machte dann die Kostfrau (welche die Küche selbst versehen mußte, denn er dingte ihr keine Magd) ein schwarze saure Brüh und überteufelts mit Pfeffer, da wurden dann die Beiner so sauber abgeschleckt, daß man alsbald Schachstein daraus hätte drehen können, und doch waren sie alsdann noch nit recht ausgenutzt, sondern sie kamen in einen hierzu verordneten Behälter, und wenn unser Geizhals deren ein Quantität beisammen hatte, mußten sie erst klein zerhackt und das übrige Fett bis auf das alleräußerste herausgesotten werden, nicht weiß ich, wurden die Suppen daraus geschmälzt oder die Schuh damit geschmiert. An den Fasttagen, deren mehr als genug einfielen und alle solenniter gehalten wurden, weil der Hausvater diesfalls gar gewissenhaft war, mußten wir uns mit stinkenden Bücklingen, versalznen Bolchen, faulen Stock- und andern abgestandenen Fischen herumbeißen, denn er kaufte alles der Wohlfeile nach und ließ sich die Mühe nicht dauren, zu solchem Ende selbst auf den Fischmarkt zu gehen und anzupacken, was jetzt die Fischer auszuschmeißen im Sinn hatten. Unser Brot war gemeiniglich schwarz und altbacken, der Trank aber ein dünn saur Bier, das mir die Därm hätte zerschneiden mögen, und mußte doch gut abgelegen Märzenbier heißen. Überdas vernahm ich von seinem teutschen Knecht, daß es Sommerszeit noch schlimmer hergehe, denn da sei das Brot schimmlig, das Fleisch voller Würm und ihre beste Speisen wäre irgends zu Mittag ein paar Rettig und auf den Abend eine Handvoll Salat. Ich fragte, warum er denn bei dem Filz bleibe? da antwort er mir, daß er die meiste Zeit auf der Reis sei und derhalben mehr auf der Reisenden Trinkgelder, als seinen Schimmeljuden bedacht sein müßte; er getraute seinem Weib und Kindern nicht in Keller, weil er sich selbsten den Tropfwein kaum gönnete, und sei in Summa ein solcher Geldwolf, dergleichen kaum noch einer zu finden; das so ich bisher gesehen, sei noch nichts, wenn ich noch ein Weil da verblieben würde ich gewahr nehmen, daß er sich nicht schäme, einen Esel um ein Fettmönch zu schinden. Einsmals brachte er sechs Pfund Sülzen oder Rinderkuttlen heim, das setzte er in seinen Speiskeller, und weil zu seiner Kinder großem Glück das Tagfenster offenstund, banden sie ein Eßgabel an einen Stecken und angelten damit alle Kuttelfleck heraus, welche sie alsobald und halbgekocht in großer Eil verschlangen und vorgaben, die Katz hätte es getan. Aber der Erbsenzähler wollt es nit glauben, fing derhalben die Katz, wog sie und befand, daß sie mit Haut und Haar nicht so schwer war, als seine Kuttlen gewesen. Weil er denn so gar unverschämt handlete, also begehrte ich nit mehr an seiner Leute, sondern an gemeldter Studenten Tafel, es koste auch was es wolle, zu essen, wobei es zwar etwas herrlicher herging, wurde mir aber wenig damit geholfen, denn alle Speisen die man uns versetzte, waren nur halb gar, so unserm Kostherrn an zwei Orten zupaß kam, erstlich am Holz, so er gespart, und daß wir nit soviel verdauen konnten; überdas so dünkte mich, er zählte uns alle Mundvoll in Hals hinein und kratzte sich hintern Ohren, wenn wir recht futterten; sein Wein war ziemlich gewässert und nit der Art, die Däuung zu befördern; der Käs, den man am End jeder Mahlzeit aufstellte, war gemeinlich steinhart, die holländische Butter aber dermaßen versalzen, daß keiner über ein Lot davon auf einen Imbiß genießen konnte; das Obst mußte man wohl so lang auf- und abtragen, bis es mürb und zu essen tauglich war, wenn dann etwa ein oder ander darauf stichelte, so fing er einen erbärmlichen Hader mit seinem Weib an, daß wirs hörten, heimlich aber befahl er ihr, sie sollte nur bei ihrer alten Geigen bleiben. Einsmals brachte ihm einer von seinen Klienten einen Hasen zur Verehrung, den sah ich in der Speiskammer hangen und gedachte, wir würden einmal Wildbret essen dürfen, aber der teutsche Knecht sagte mir, daß er uns nicht an die Zähn brennen würde, denn sein Herr hätte den Kostgängern ausgedingt, daß er so keine Schnabelweid speisen dürfte, ich sollte nur nachmittag auf den Alten Markt gehen und sehen, ob ich ihn nit dorten zu verkaufen finden würde: Darauf schnitt ich dem Hasen ein Stücklein vom Ohr, und als wir über dem Mittagimbiß saßen und unser Kostherr nicht bei uns war, erzählte ich, daß unser Geizhals ein Hasen zu verkaufen hätte, um den ich ihn zu betrügen gedächte, wenn mir einer aus ihnen folgen wollte, also daß wir nicht allein Kurzweil anrichten, sondern den Hasen selbst kriegen wollen; jeder sagte ja, denn sie hätten unserm Wirt gern vorlängst ein Schabernack angetan, dessen er sich nit beklagen dürfte. Also verfügten wir uns den Nachmittag an denjenigen Ort, den ich vom Knecht erlernt hatte, da unser Kostherr zu stehen pflegte, wenn er so etwas zu verkaufen hingab, um aufzupassen, was der Verkäufer lösete, damit er nicht etwa um ein Fettmönch betrogen würde. Wir sahen ihn bei vornehmen Leuten, mit denen er diskurrierte; ich hatte einen Kerl angestellt, der ging zu dem Hocken, der den Hasen verkaufen sollte, und sagte: "Landsmann, der Has ist mein, und ich nehm ihn als ein gestohlen Gut auf Recht hinweg, er ist mir heut nacht von meinem Fenster hinweggefischt worden, und läßt du ihn nicht gutwillig folgen, so gehe ich auf deine Gefahr und Unrechtskosten mit dir hin, wo du willst." Der Unterkäufer antwort, er sollte sehen, was er zu tun hätte, dort stünde ein vornehmer Herr, der ihm den Hasen zu verkaufen geben hätte, welcher ihn ohn Zweifel nicht gestohlen haben würde: Als nun diese zween so wortwechselten, bekamen sie gleich einen Umstand, so unser Geizhals stracks in acht nahm und hörte, wieviel die Glock schlug, winkte derowegen dem Unterkäufer, daß er den Hasen folgen lassen sollte, weil er wegen der vielen Kostgänger noch mehr Schimpf besorgte. Mein Kerl aber, den ich hierzu angestellt hatte, wußte dem Umstand gar artlich das Stück vom Ohr zu weisen und dasselbe in dem Ritz zu messen, daß ihm also jedermann recht gab und den Hasen zusprach: Indessen näherte ich mich auch mit meiner Gesellschaft, als ob wir ungefähr daherkämen, stund an dem Kerl der den Hasen hatte, und fing an mit ihm darum zu marken; und nachdem wir des Kaufs eins wurden, stellt ich den Hasen meinem Kostherrn zu, mit Bitt, solchen mit sich heimzunehmen und auf unsern Tisch zurichten zu lassen, dem Kerl aber, den ich hierzu bestellt, gab ich anstatt der Bezahlung für den Hasen ein Trinkgeld zu zwei Kannen Bier. Also mußte uns unser Geizhals den Hasen wider seinen Willen zukommen lassen und durfte noch dazu nichts sagen, dessen wir genug zu lachen hatten, und wenn ich länger in seinem Haus hätte verbleiben sollen, wollte ich ihm noch viel dergleichen Stücklein bewiesen haben.
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