Schicklichkeitsregel
"GALATEO" oder "Das Buch der guten Sitten", dem die unten angeführten Zitate entnommen sind, erschien 1558 und wurde bald international berühmt. Der Autor Giovanni della Casa nannte das Buch nach einem Bischof der Zeit, der wegen seines makellosen Lebenswandels hohes Ansehen genoß.
- Jeder soll sich gut kleiden, entsprechend seinem Alter und seiner gesellschaftlichen Stellung. Tut er dies nicht, wird es ihm als Zeichen der Verachtung gegen andere ausgelegt.
- Wer zu dünne oder ungewöhnlich dicke oder vielleicht krumme Beine hat, soll keine grellen oder bunten Strümpfe tragen, um nicht die Aufmerksamkeit auf seine Mängel zu lenken.
- Vermeide möglichst Geräusche, die dem Ohr wehe tun, wie das Lutschen und das Knirschen mit den Zähnen.
- Man ... hüte sich davor, sich die Finger fettig zu machen, damit man seine Serviette nicht beschmutze, denn ein solcher Anblick ist anderen unappetitlich. Auch ist es nicht schicklich, sie am Brot abzureiben.
- Witz soll wie das Knabbern eines Schafes und nicht wie der Biß eines Hundes sein, denn würde er beißen wie ein Hund, wäre er nicht witzig, sondern beleidigend.
- Enthalte dich jeglicher Grobheit, denn wenngleich solches lustig erscheinen mag, sollen ehrenwerte Leute nur ehrenwerte Mittel anwenden, um andere zu ergötzen.
- Man rühme sich niemals seiner Geburt, seiner Ehre oder seines Reichtums, noch weniger seines Verstandes ... was viele Leute tun.
- Du sollst weder zu langsam sprechen, als hättest du die Lust am Reden verloren, noch zu schnell, als wärest du versessen darauf, sondern wie ein maßvoller Mensch.
- Man darf sich nicht zufriedengeben, die Dinge gut zu verrichten, man soll danach trachten, sie auch anmutig zu tun.
Quelle der Zitate: Die Renaissance von John R. Hale und der Redaktion der TIME-LIFE-Bücher
Jacopo Pontormo malte Giovanni della Casa 1542-46
Casa, Giovanni della, ital. Schriftsteller, geb. 28. Juni 1503 in Florenz, gest. 14. Nov. 1556 in Rom, widmete sich in Bologna und Florenz der schönen Literatur und der Rechtswissenschaft und begab sich dann nach Rom. 1538 wurde er Weltgeistlicher und schon 1544 Erzbischof von Benevent. Von 1544–50 war er Nunzius Pauls III. in Venedig, um die Republik zu bewegen, dem Bündnis des Papstes, der Schweizer und Heinrichs II. gegen Karl V. beizutreten. Er schrieb zu diesem Zweck zwei berühmte Reden. Von Papst Julius III. etwas vernachlässigt, lebte er in Venedig den Wissenschaften und der Dichtkunst. Erst Paul IV. berief ihn wieder nach Rom und ernannte ihn zum Staatssekretär. C. gehört wegen der Reinheit und Eleganz seines Stils zu den vorzüglichsten italienischen Prosaikern. Sein berühmtestes, aber recht dürftiges Werk ist der »Galateo« (Vened. 1558 u. ö.), ein Lehrbuch des gesellschaftlichen Anstandes. Diesem schließt sich das weit bedeutendere »Degli uffici comuni tra gli amici superiori ed inferiori« an, ursprünglich lateinisch geschrieben, später von C. selbst ins Italienische übersetzt. Seine verschiedenen Reden zeichnen sich durch korrekte Sprache und Empfindung aus. In seinen lyrischen Gedichten ersetzte er die eintönige Weichlichkeit der Petrarchisten durch eine gewisse Würde und Strenge des Ausdrucks. Seine lateinischen Gedichte und prosaischen Schriften ahmen die Alten aufs glücklichste nach. Gesamtausgaben seiner Werke erschienen Florenz 1707, 3 Bde. (mit Biographie; Vened. 1752, 3 Bde.; Mail. 1806, 4 Bde., u. ö.).
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