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Adolph von Menzel Skizzenbuch 1839 - 1846 Der Text aus dem Begleitheft von Walter Weidmann (1935)
Adolph Menzel (* Breslau 8.12.1815 + Berlin 9.2.1905) lebte in der Überzeugung, daß man vor allem im Kleinen treu sein muß, um womöglich einst auch das Große zu bezwingen. Aus dieser soliden Einstellung erklärt es sich, wenn der Maler in der vorbereitenden Skizze die grundlage für jede künstlerische Gestaltung gesehen hat; erst mußte der Mechanismus der Natur durch solche Proben klargelegt sein, bevor mit Pinsel und Palette die verschiedenen Eindrücke zur Harmonie gestaltet wurden. In der Tat ist der Bleistift die stärkste Waffe Menzels im großen Angriff auf die natur gewesen. Deshalb vermögen wir in das Verständnis seiner Kunst gar nicht besser einzudringen, als wenn wir von den Skizzen herkommend, uns mit seinem Lebenswerk beschäftigen. In den öffentlichen Sammlungen Berlins sind Menzels Schöpfungen so vollständig vertreten wie die keines anderen Meisters sonst in der Welt. Unbewußt hat der Künstler vorgesorgt, daß so große Schätze späterhin von den Museen geborgen wurden. Seiner eigenen Produktion war es nämlich ein gestrenger Richter, stand ihr manchmal sogar feindlich gegenüber, und er lebte in der Vorstellung, daß an jeder seiner Arbeiten noch fortgesetzt zu feilen sei. Durch diese Hemmungen entstanden dann oft Bedenken, wenn wieder einmal etwas aus dem Atelier fortgegeben werden sollte, und es blieb die Neigung vorherrschend, möglichst vieles für eine spätere Revision aufzustapeln. So konnte es sich ereignen, daß nach Menzels Tode (1905) über 4000 Handzeichnungen auf einen neuen Besitzer warteten, auch fanden sich eine Anzahl bedeutender Gemälde aus den frühen Mannesjahren vor, die bisher ein obskures Dasein führten, weil der Meister ihren wahren Wert für die Kunst verkannte. Eine umfangreiche Gedächtnisausstellung zu Ehren des Verstorbenen in der nationalgalerie bot den besten Anlaß, das im Atelier behütete Material kritisch zu sichten; alsdann konnte auch aus staatlichen Mitteln alles angekauft werden, was die einsicht in sein Lebenswerk wertvollergänzen mochte. Durch diese Schau kam zutage, daß Menzels Ruhm als Illustrator der Zeit Friedrich des Großen noch überstrahlt wurde von dem vollendeten Können, mit dem er die Natur vom nichtigen gegenstand bis zum kompliziertesten Gebilde abzuschildern wußte. |
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"Eingreifende Unglücksfälle haben dennoch das Gute, daß sie den ganzen Menschen noch ganz anders entscheiden als schon vorher, kurz einen doppelten Menschen aus ihm machen." Zu einem doppelten Menschen und potenzierten Künstler wuchs der blutjunge Menzel empor, als es galt, für Franz Kugler altpreußisch-schlicht vorgetragene Lebensbeschreibung Friedrich des Großen an 400 Holzschnitte zu liefern. Mit beispielloser Ausdauer sammelte er in Skizzen zunächst Material anhand von zeitgenössischen Gemälden, Stichen usw., was das Porträtwerk Friedrich II. (von Kindesbeinen an) wie das seiner Umgebung betreffen konnte; ein genaues Studium der alten Uniformen, Waffen, Innenräume und Außenarchitektur schloß sich an. Es bleibt nun übrig, zu begreifen, daß Menzels Genie aus diesen manchmal schon vermoderten Requisiten eine künstlerische Welt erstehen ließ, die scheinbar genau der Vorstellung entspricht, wie auch wir uns das friderizianische Zeitalter denken würden. In Wahrheit ist allerdings Menzels künstlerische Suggestionskraft so stark, daß wir uns gegen sie diese Epoche lebensnah überhaupt nicht aufbauen könnten. Man war versucht, in Menzels Leben ein tragisches Moment zu erblicken, indem seine Gnomenhaftigkeit in Zusammmenhang gebracht wurde mit einer unglücklichen Liebe. bei näherem Zusehen möchte indessen diese Ansicht kaum motiviert erscheinen. Durch eine zufälligen Begegnung beim Abendzeichnen lernte der Künstler schon früh in Berlin den Tapetenfabrikanten Carl Heinrich Arnold kennen, der am Monbijouplatz mit zwei anmutigen Töchtern und dem Sohne Carl ein geselliges Haus machte. |
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demnach möchte Fräulein Arnold eine sehr verwöhnte und kühle Schönheit gewesen sein. Offenbar legte sie Wert darauf, in der großen Gesellschaft zu glänzen, jedenfalls heiratete sie, eingentlich ziemlich spät, einen Professor, der in diplomatischen Diensten stand. An Arnolds nach Kassel schreibt der Meister über dieses Bildnis: "Wie die Ähnlichkeit beschaffen ist, mögen die Götter wissen?! da ich es, nachdem F. fort war, aus dem Kopf noch überarbeitet habe, um wenigstens ein Etwas des machwerks zu retten. Wie es mit den Dingen ist, mit denen man anfänglich spaßt, da verreitet man sich. "Der Schlußsatz mag in der Tat doppelsinnig aufzufassen sein, läßt aber dann die Deutung zu, daß die falsche Richtung erkannt und noch rechtzeitig Konterdampf gegeben wurde Entgegen vielen Anekdoten, die meist schlecht erfunden sind, hat sich der Künstler über seine Gestalt, die bekanntlich vom kleinsten Format (1,40m) war, ganz selbstbewußt und unbefangen geäußert; es war die bald nach den Märzunruhen in einem brief nach Kassel: "Wie ich Ihnen überhaupt gestehe, es schmerzt mich jetzt zum erstenmale, was mir bis dahin ziemlich einerlei war: daß kein großer starker Kerl aus mir geworden ist." Der Fortzug der Familie Arnold aus Berlin (1836) bedeutete für den Meister einen schmerzlichen Verlust, doch tauschte man hin und wider briefe aus, die gelegentlich auch zu Besuchen in Berlin und Kassel führten. Ein Lied über diese besondere Liebe:
In dem Stabsarzt Dr. Puhlmann besaß Menzel einen unermüdlichen Spaßvogel und alten Kämpen, der sich in 50jähriger Freundschaft bewährte; hier stellte sich die Beziehung her durch einen kleinen Auftrag, den der Kunstverein Potsdam zu vergeben hatte. beide hockten gern beim Rotspon, und es war ihnen eine nette Entspannung, wenn sie sich fern von Fachsimpelei, den freundlichen Eingebungen dieser Gottesgabe überließen. Tiefer gesehen war Adolph Menzel ein ganz inniger Mensch, der außerhalb seiner engsten Familie keine rechten Entfaltungsmöglichkeiten fand; auch weil ihn jeder gesellschaftliche Zwang störte, der uns zur Heuchelei eine Zuflucht nehmen läßt. So lebte er ganz dem Kreise seiner Liebe, und als seine Mutter gestorben war, blieben ihm Schwester Emilie und Bruder Richard eng verbunden als Gegenstand seiner unentwegten Fürsorge. Späterhin heiratete Elilie den Musikdirektor Hermann Krigar, der dann die Hausgemeinschaft teilte. Für Emilies Sprößlinge Otto und grete malte der gute Onkel Adolph einst jenes Kinderalbum, in dessen Betrachtung die Erwachsenen noch einmal zu Kindern werden. Richard, von Beruf Musiker, verabschiedete sich schon früh von dieser Welt; er wurde das Opfer eines Lungenleidens. bei Maler Menzel ließ das Schicksal hingegen die Milde walten, daß er trotz Erreichen des biblischen Alters, noch vor Emilie in die Ewigkeit einging. Menzel besaß ein feines, wenngleich bedingtes, Verständnis für Musik, und er legte Wert darauf, daß in seinem Hause diese Muse gepflegt wurde. Zur Befriedigung der alltäglichen Ansprüche mußten sich seine Geschwister ans Tafelklavier setzen, für die Aufwartung mit Kammermusik wurden des öfteren das Quartett Paul Meyerheim oder die Brüder Begas freundlichst eingeladen. Besonders liebte er Mozart, und die Oper "Die Hochzeit des Figaro" hat er unzählige Male gehört. Bei Beurteilung des inneren Wertes der Kompositionen pflegte der Meister denselben strengen Maßstab anzulegen, der ihm selbst als der ideale verschwebte. Es sollte auch hier jede Schöpfung technisch auf das solideste fundiert sein; eine musikalische Stimmungsmalerei, die mit undurchsichtigen Mitteln arbeitet, lehnte er dagegen instinktiv ab. Richard Wagners Phantasien befremdeten ihn eingentlich. Ein Mitempfinden blieb aus, weil die mächtige Erotik, die untrennbar mit diesem Genius verbunden bleibt, aus einem Lande stammmt, dessen Boden Menzel nie berührt hat. Immerhin soll er sich wenigstens zum "Siegfriedsidyll" nicht ablehnend verhalten naben. |
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Der Künstler verfügte über eine nie ermattende Arbeitskraft, und es ist kaum zu fassen, wie sein unscheinbarer Körper für viele Jahrzehnte solche Strapazen auszuhalten vermochte. In der Jugend, bei Ausführungen der lithographischen Aufträge, bediente er sich zumeinst der linken Hand, weil Zeichnungen auf dem Stein in Spiegelschrift gearbeitet werden müssen. Dergestalt bildete sich bei ihm die Gewohnheit heraus, mit der Linken zu zeichnen, während die rechte Hand den Pinsel führte. Pünktliche Einhaltung der Tischzeiten hielt er für nebensächlich, und schließlich verschob er seine Hauptmahlzeit auf die späten Abendstunden. Als er einst in Bayern mit eiinem Kollegen die Landschaft skizzierte, schlug dieser vor, man solle doch der Atzung wegen die Studien abbrechen! Das wurde aber strikt abgelehnt mit dem Bemerken: "Wer ist der herr? Menzel... oder der Magen?"
Ein recht intimer Reiz haftet unserm Skizzenbuch an, weil wir bei der Durchsicht auch Menzels engsten Familienkreis kennenlernen: Schwester Emilie wurde - so stellen wir beim Blättern sogleich fest - häufig als Modell beansprucht: wir sehen sie z.B. am Nähtischchen sitzend oder zurückgelehnt im Schlafe: einmal sogar kann sie nicht umhin, sich die Nase zu putzen. Dann wieder tritt Bruder Richard ans geöffnete Fenster, lehnt sich weit hinaus und weiß wegen seiner hageren Gestalt unser Mitgefühl zu erregen. Auf einem Bandern Blatt steht er neben Emilie am Klavier und lauscht ihrem Spiel, oder er beugt sich über ein Notenblatt, mit dessen Deutung sie sich gerade abgibt. Des öfteren gucken wir selbst aus dem Fenster hinunter auf das treiben in der Straße. Die Objekte erscheinen uns dann prompt in jeder Verkürzung, wie sie einem Niveauunterschied von zwei Stockwerken entspricht. Bei jener Dame, mit eingefallenen Zügen, die in der Sofaecke schlafend die Füße sorgsam auf einem Fußbänkchen gebettet hät, will erwogen sein, ob sie Menzels Mutter darstellt. Andere mögen darin vielleicht die Gattin des späteren Justizministers Dr. Maercker vermuten. Diese Familie wohnte im nämlichen Hause, und sie war mit Menzels befreundet. Des Künstlers Mutter starb jedenfalls Herbst 1846 just in der Woche, als Carl Arnold junior aus Kassel in der Schöneberger Straße zu Besuch eintraf. Bei Menzels ruht er nun auf dem Diwan; er ist inzwischen von der Ausquartierung zu Bildhauer Drake heingekehrt, mit der er vorliebnehmen mußte, bis die Beerdigung der alten Dame erfolgt war. Carlchen ist ein eleganter junger Mann und Zunftgenosse, der pflichtgemäß dem Skizzenbuch einverleibt wurde. Wir merken ihm ordentlich den Stolz an, den er über solche Auszeichnungen bekundet.
Die in dem Skizzenbuch angehäuften zeichnungen sind technisch so verschieden behandelt, als ob sie nicht alle derselben Zeit ihr Dasein verdankten. Während die Gewandstudien manchmal recht konservativ ausgefallen sind, staunen wir, wie sehr sich die Linienführung ei Dartstellung des deklarierten Schauspielers oder dem "Traber" vereinfachte. Dennoch wurzelt die Entstehung all dieser Skizzen in einer höheren geistigen Einheit des Schaffens. Das Genie Menzels eintwickelt nämlich, vorsichtig tastend, aus dem Thema selbst erst die Technik, die am besten geeignet ist, den gegenstand naturgetreu wiederzugeben. So unterscheidet sich der Meister wesnetlich gerade durch seine fülle an Ausdrucksmitteln von anderen Künstlern, die jeweils das Sujet in ihre Manier umdenken, bevor sie es stilisierend in eine angemessene Form bringen. Unwandelbare Ruhe und leidenschaftliche Bewegtheit sind die Grenzen, die den Kreis seiner künstlerischen Erwägungen umschreiben. Rückblickend auf jene Skizzenbücher, die etwa ein Jahrzehnt früher eintstanden waren, können wir sie vergleichend heranziehen, um die volle Höhe des nunmehr Erreichten zu ermessen. Mit einem harten Bleistift wurden damals die Studien, zumeist uaf kargem Raum, bezeihungslos aneinander gereiht, wobei die Motive in einer Isolierung verharrten. Welch ein Wandel dagegen, voll von Intuition.! In der Zeichenweise um 1846. Der Meister faßt jetzt die stumpfe Fläche seines Skizzenheftes als einen ideellen Raum auf, in derm er frei schalten darf, um ihn nach jeder Richtung mit Figuren oder sonstwie zu beleben. Motive von der Straße und aus der Wohnung werden neben- , über- und durcheinander auf demselben Blatt festgehalten, zuweilen in recht kühnen Verkürzungen. Indessen, für unser Auge entsteht keine verwirrende Buntheit der Eindrücke, weil der ordnende Geist Menzels sie uns zu einer eigenen, harmonischen Welt erschließt. Der Zeit dieser vollendeten Reife bleib es vorbehalten, daß außer der Deutung der natur in ihren feinsten Zügen manchmal noch der Schwingung zarter Stimmungsreize und persönlicher Bekenntnisse Ausdruck verliehen wurde. Das sinnende junge Mädchen mit dem gescheitelten Haar ist von einer Anmut beseelt, die an Erlebnisse aus dem Reich der Töne erinnert. Im Anschaen der vielen Tierstudien stehen wir betroffen vor manchen Einzeheiten, weil uns aus der künstlerischen leistung zugleich Adolph Menzels ganze Liebe zu diesen Kreaturen entgegenleuchtet. Dezember 1935, Walter Weidmann |
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...:-)))...und natürlich gehst Du bei Deinem nächsten Berlin Besuch in die Alte Nationalgalerie auf der Museumsinsel und ins Kupferstichkabinett bei der Philharmonie, um Dir all diese Bilder im Original anzusehen ...:-)))... nimm Dir Zeit mit - und - vergiß neben Adolf von Menzel Caspar David Friedrich und all die anderen Künstler nicht...:-)))...
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