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Jupiter. Daß du mir ja nichts gegen Ganymeden sprichst,1) Momus! Ich würde es sehr übel nehmen, wenn du den lieben Jungen durch Einwendungen gegen seinen Stammbaum betrüben wolltest.
Momus. So will ich auch nichts von einem gewissen Adler sagen der ebenfalls im Himmel sogar auf deinem königlichen Scepter sitzt, und sein Nest beynahe auf deinem Kopfe gemacht hat, vermuthlich um dafür angesehen zu werden als ob er zur Familie gehöre: dem Ganymed zu Gefallen nichts weiter von ihm! Aber Attis, und Korybas, und Sabazius,2) wie gieng es zu daß auch diese mit hieher berufen worden sind? Und der Mithras dort aus Medien in seinem Kaftan und Turban, der kein Wort griechisch kann, und nicht einmal weiß was man von ihm will wenn man auf seine Gesundheit trinkt? Diese feinen Herren sind es ohne Zweifel, um derentwillen die Scythen und Geten, ohne sich um uns zu bekümmern, die Unsterblichkeit eigenmächtig vergeben, und auf ihre eigene Faust zu Göttern machen wen sie wollen; auf eben die Art wie Zamolxis, ein Sclave seines Zeichens, sich ich weiß nicht wie in unsre Rolle heimlich eingeschlichen hat. Und gleichwohl, Götter, möchte das Alles noch erträglich seyn: aber du, Ägyptisches in Leinen eingewickeltes Hundegesicht,3) wer bist du, mein feiner Herr, und wie kommst du dazu, daß du dich unter die Götter einbellen zu können glaubst? Und was will der Memphitische gefleckte Bulle4) dort, daß er Kniebeugungen annimmt, Orakel spricht, und Propheten im Solde hat? Ich schäme mich auch noch der Ibis und Affen und Böcke und anderer noch abgeschmackterer Götter zu erwähnen, die uns aus Ägypten ich weiß nicht wie in den Himmel eingestopft worden sind: aber wahrlich, wie ihr andern Götter geduldig zusehen könnt, daß das alles eben so viel und noch mehr als ihr selbst angebetet wird, oder wie du, Jupiter, leiden kannst daß sie dir Schaafbockshörner aufsetzen, - das geht über meinen Begriff.5)
Jupiter. Was du von den Ägyptiern meldest, ist in der That schändlich. Indessen steckt doch in diesen Dingen meistens ein geheimer Sinn, und wer nicht initiirt ist, sollte sich schlechterdings nicht herausnehmen, darüber zu lachen.6)
Momus. Also brauchen wir wohl am Ende noch gar Mysterien, um zu wissen daß Götter Götter und Hundsköpfe Hundsköpfe sind?
Jupiter. Laß die Ägyptischen Angelegenheiten ruhen, sag ich; wir wollen uns ein andermal Zeit dazu nehmen sie zu untersuchen. Fahre fort, wenn du sonst noch gegen jemand etwas zu erinnern hast.
Momus. So sey es dann Trophonius, und was mich am meisten ärgert, Amphilochus,7) der, wiewohl der Sohn eines versuchten Muttermörders nichts destoweniger in Cilicien herzhaft den Wahrsager macht, und, um ein paar armselige Schillinge zu gewinnen, die guten Leute die ihn fragen mit seinen Lügen zum Besten hat. Daher kommt es denn auch, daß du, Apollo, deinen Credit verlohren hast, und daß ein jeder Stein und ein jeder Altar, der mit Öl begossen, bekränzt und von irgend einem Taschenspieler, deren es jetzt so viele giebt, bedient wird, Orakel von sich giebt. Es ist so weit gekommen, daß die Bildsäule des Athleten Polydamas zu Olympia und des Theagenes zu Thasos8) das Fieber vertreibt, und daß man dem Hektor zu Ilion, und in der Thrazischen Halbinsel gegenüber dem Protesilaus opfert. Seitdem unsrer nun so viele geworden sind, nehmen Meineide und alle Arten von Gottlosigkeiten überhand,9) und wir fallen, wie billig, in Verachtung. Und so viel dann von den Unächten und Eingeschlichnen! Ich höre aber auch ausserdem noch so viel Nahmen, wovon das was sie bezeichnen sollen weder unter uns zu finden ist noch überhaupt existiren kann; und ich nehme mir also die Freyheit, Jupiter, auch über diese Undinge zu lachen. Oder wo wäre denn etwa diese Tugend, von der so viel Aufhebens gemacht wird, wo die Natur, und das Verhängniß, und das Glück - große Wörter, deren Begriffe sich unter einander selbst aufheben,10) und die nirgends als in den platten Köpfen der Philosophen, von welchen sie ausgedacht worden, vorhanden sind. Und gleichwohl hat sich das unverständige Volk diese Hirngespinste so tief in den Kopf setzen lassen, daß uns kein Mensch mehr opfern will, weil er wohl weiß, daß, wenn er auch zehntausend Hekatomben darbrächte, das Glück ihm doch nichts anders geben wird als was über ihn verhängt ist und was ihm die Parzen zugesponnen haben.11) Ich möchte aber wohl von dir hören, Jupiter, ob du jemals die Tugend, die Natur oder das Verhängniß mit Augen gesehen12) hast? Denn gehört mußt du sie in den Disputationen der Philosophen oft genug haben, oder du müßtest stocktaub seyn; sie schreyen laut genug daß du sie hören kannst. Ich hätte zwar noch viel anzubringen, aber es ist Zeit daß ich aufhöre: denn ich sehe daß meine Rede vielen nicht behagen will, und daß sie den Mund zum pfeiffen spitzen; besonders diejenigen, die sich von der Freyheit meiner Zunge getroffen fühlen. Zum Schlusse also, Jupiter, will ich, wenn du es erlaubst, ein Decret ablesen, das ich über diese Materie bereits aufgesetzt habe.
* Pausanias bemerkt, daß die Thasier das Gesez, vermöge dessen sie dieses Urtheil fällten, vermuthlich von den Atheniensern geborgt hätten. Denn diese hatten ein von Drakon herrührendes Gesez, kraft dessen auch leblosen Dingen, die den Tod eines Menschen verursacht hatten, der Prozeß gemacht wurde. So nöthig fand es dieser Gesetzgeber, einem so reizbaren und leichtsinnigen VoIke, wie die Athenienser waren, den möglichst grösten Abscheu vor Menschenmord einzuprägen.
Ein herzlicher Dank an Volker für die Übersendung der Ursprungsdatei.
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