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VI.
Krobyle und Korinna.

Krobyle. Nun, Korinnchen, so hast du denn gelernt, daß es nichts so erschreckliches darum ist, aus einer Jungfer eine Frau zu werden, wie du dir eingebildet hast? Der schöne junge Herr, der dichs gelehrt hat, hat dir auch, zum Einstand, nicht weniger als eine Mine da gelassen, wofür ich dir auf der Stelle ein schönes Halsband kaufen will.

Korinna. Thut das, liebes Mütterchen! - und daß nur auch etliche Rubinen dran sind, wie an der Philänis ihrem!

Krobyle. Es soll so schön seyn als du es nur verlangen kannst. Aber nun will ich dir auch sagen, mein liebes Kind, was du nun weiter zu beobachten hast, und wie die Männer behandelt seyn wollen. Denn wir haben nun einmal kein anderes Mittel uns durch die Welt zu bringen als dieß. Weißt du nicht, wie kümmerlich wir uns diese zwey Jahre her, seit deines seligen Vaters Tode, haben behelfen müssen? So lang er lebte, fehlte es uns freylich an Nichts; er war ein Kupferschmidt, und hatte einen großen Nahmen im Piräus; noch auf diesen heutigen Tag kann man dort alle Augenblicke schwören hören, so ein Arbeiter wie Philinus werde nicht wieder kommen! Aber nach seinem seligen Ende fand ich mich gar bald gezwungen, die Zangen, den Amboß und den Hammer um zwey Minen zu verkaufen. Wir lebten davon so lang es reichen wollte, und seitdem sie aufgezehrt sind, hab' ich Mühe genug gehabt, mit weben, zetteln, und spinnen kaum den nothdürftigsten Unterhalt für dich und mich zu verdienen; alles in Hofnung -

Korinna. Der Mine, die ich so eben verdient habe?

Krobyle. Warum nicht gar! Ich rechnete darauf, wenn du nur erst in dieses Alter gekommen wärest, würdest du im Stande seyn mich wieder zu ernähren, und dich selbst in hübsche Umstände zu setzen, und Geld zu verdienen, und dir schöne Kleider und Mägde zu deiner Bedienung anzuschaffen.

Korinna. Ich, Mutter? Was meynst du damit? Wie soll das zugehen?

Krobyle. Dazu, Kind, brauchst du weiter nichts, als mit jungen Herren umzugehen, mit ihnen zu schmausen, und für ihr baares Geld bey ihnen auf dem Sopha zu liegen.

Korinna. Wie die Tochter der Daphnis, die Lyra?

Krobyle. So ungefehr.

Korinna. Aber die ist ja eine Hetäre?1)

Krobyle. Dächte man nicht was es wäre! Mach' es wie sie, so wirst du auch so reich werden wie sie, und viele Liebhaber bekommen. Was weinst du, Korinna? Siehst du nicht, wie groß die Anzahl der Hetären ist, und wie man ihnen die Aufwartung macht, und was sie für ein Einkommen haben? Hab' ich nicht diese nehmliche Tochter der Daphnis gekannt ehe sie noch mannbar war? Heilige Adrastea! wenn sie was anders als Lumpen auf dem Leibe hatte! -2) Nun siehst du wie sie dahergeht, über und über in Gold und bunt gestickten Kleidern, und vier Mägde hinter ihr drein.

Korinna. Und wie kam denn Lyra zu dem allem?

Krobyle. Das will ich dir sagen, Kind. Vor allem hielt sie sich immer nett und reinlich in Kleidung und an ihrer ganzen Person; sie war gegen jedermann freundlich, aber brach darum nicht alle Augenblicke in ein lautes Kichern und Lachen aus, wie Du zu thun pflegst, sondern es war immer etwas anmuthiges und anziehendes in ihrem Lächeln. Im Umgang mit den Mannsleuten die zu ihr kamen oder sie zu sich rufen ließen, hielt sie zwischen schüchterner Zurückhaltung und unanständiger Frechheit den Mittelweg; sie betrog keinen in seiner Erwartung, aber warf sich auch keinem in die Arme. Verdingt sie sich zu einem Gastmahl, so betrinkt sie sich niemals (denn dadurch macht man sich zum Gespötte und den Mannsleuten ekelhaft) noch überfüllt sie sich mit essen wie Leute die keine Lebensart haben, sondern rührt alles nur mit den Fingerspitzen an, nimmt schweigend einen Bissen nach dem andern, ohne sich beyde Backen vollzustopfen, und trinkt langsam, nicht auf Einen Zug, sondern mit öfterem Absetzen.

Korinna. Auch wenn sie Durst hat, Mutter?

Krobyle. Dann am meisten, Korinna. Auch hat sie nicht immer den Mund zum reden offen, sondern spricht nicht mehr als sich schickt, übt ihren Witz nie auf Unkosten eines Anwesenden, und sieht keinen an als den, der sie gedungen hat. Das ist es wodurch sie sich so beliebt bey ihnen macht. Und wenn man sich endlich zu Bette legt, wird sie nie die geringste Leichtfertigkeit oder Unanständigkeit begehen, sondern alles ist bey ihr bloß darauf angelegt, und das ist ihr einziges Bestreben, wie sie das Herz des Mannes, bey dem sie ist, gewinnen, und einen wahren Liebhaber aus ihm machen wolle.3) Siehe, Korinna, das ists warum jedermann so gut von ihr spricht. Also brauchst du sie nur in diesem allem zum Muster zu nehmen, so werden auch wir glücklich werden. Denn was das übrige betrifft, da ist ein großer - vergieb mir, liebste Adrastea!4) ich sage kein Wort mehr - Wenn du nur lebst, so wünsch' ich mir nichts weiter!

Korinna. Aber, liebe Mutter, sind die Herren, die uns miethen, alle so wie der Eukritus, bey dem ich gestern schlief?

Krobyle. Nicht alle; es giebt noch bessere; manche darunter sind schon älter und mannhafter; es melden sich aber auch manche an, die nichts weniger als so hübsch und wohlgemacht sind.

Korinna. Und bey denen muß man auch schlafen?

Krobyle. Ja wohl, meine Tochter! denn die geben auch am meisten; die schönen Herren sind in sich selbst verliebt, und rechnen uns ihre Schönheit gar hoch an. Du hingegen mußt immer nur darauf sehen wer am meisten giebt, wenn du die Zeit recht bald erleben willst, wo alle Leute mit Fingern auf dich weisen und sagen werden: sieh einmal Korinnen, der Krobyle Tochter? wie reich sie ist, und wie dreymal glücklich sie ihre Mutter gemacht hat! - Was sagst du? Willst du meinem Rathe folgen? Ja, das willst du, ich weiß es, und so wirst du in kurzem die erste unter allen seyn. - Nun, geh und bade dich; vielleicht kommt der junge Eukritus heute wieder; wenigstens hat er mirs versprochen.5)


  1. Korinnchen war eines ehrlichen Bürgers Tochter zu Athen, und bisher als eine solche auferzogen worden. Ungeachtet der Hetärenstand gewissermaßen privilegiert war, so war er doch, wie billig, nicht weniger mit einer bürgerlichen als sittlichen Makel behaftet; eine Hetäre zu werden war also etwas, wodurch ein ehrliches Mädchen, wie arm sie auch war, sich sehr zu degradieren glaubte, und die junge naive Korinna erschrack vor dem Nahmen, wiewohl ihr die Sache nicht so übel gefiel. Zurück
     
  2. - so strafe mich! - Denn dieß will sie mit Anrufung der Adrastea sagen. Adrasten ist, nach der wahrscheinlichsten Meynung nur ein Beynahme der Nemesis, von Adrastes, einem alten Könige zu Argos und Sicyon, der ihr den ersten Tempel erbaut haben soll. Aus einer Stelle des Pausanias im 33sten Kapitel seiner Beschreibung von Attika läßt sich schließen, daß diese Göttin besonders auch von Liebenden als eine Patronin betrachtet wurde; und vermuthlich rührt es daher, daß Lukian in diesen Dialogen seine Frauenzimmer mehrmals bey der Adrastea schwören läßt. Zurück
     
  3. Natürlicher Weise war dieß das letzte Ziel einer Hetäre, die Verstand und Conduite hatte, wie diese Lyra, welche Krobyle ihrer Tochter, als einer Anfängerin, zum Muster vorstellt. Ein bloßer Kundsmann blieb bey dem gewöhnlichen Preise; die Freygebigkeit eines eigentlichen Liebhabers hingegen war so groß als seine Leidenschaft. Zurück
     
  4. Krobyle hat nicht das Herz es ganz herauszusagen was sie auf der Zunge hatte, (nehmlich daß Korinna viel jünger und schöner sey als Lyra) aus Furcht Adrastea möchte es ihr für einen Übermuth ausdeuten, und es, zu Bestrafung der Mutter, die Tochter entgelten lassen. Denn Nemesis oder Adrastea strafte immer durch das wodurch man sich versündigte. Zurück
     
  5. Nur ein paar Worte über die Moralität dieser ziemlich anstößig klingenden Unterredung zwischen Mutter und Tochter. Krobyle, die in äusserst dürftigen Umständen ist, baut das Glück ihrer Tochter und die Hofnung ihres Alters auf das Gewerbe, das sie Korinnen mit ihrer Schönheit treiben lehrt. Ob sie daran recht gethan habe, ist ja wohl keine Frage. Aber Personen ihres Standes denken in ihren Umständen selten feiner und edler, und es wird in großen Städten, selbst unter Leuten, von deren Stand und Erziehung man billig mehr fodern könnte, nie an Müttern wie Krobyle fehlen. Und ist der Grundsatz, dem sie in ihrem Plan folgt, das was moralisch besser und edler ist, im Collisionsfalle, dem Nützlichern aufzuopfern, etwa nicht der nehmliche, wornach die große Welt von jeher gehandelt hat? Das Gewerbe, das Korinna treiben sollte, war bey den Griechen so wenig ehrsam als bey uns, aber es war erlaubt; und vorausgesetzt, daß sie es nun einmal ergriffen hatte, so that Krobyle nichts als ihre Schuldigkeit, indem sie ihrer Tochter über die sichersten Mittel sich beliebt zu machen, einen zweckmäßigen Unterricht gab, wozu sie als Mutter einen nähern Beruf hatte, als Sokrates beym Xenophon, die schöne Theodota in der Verführungskunst zu unterweisen. Der Hauptpunkt aber, den man in Beurtheilung dieses und aller übrigen Hetärengespräche nie aus den Augen verlieren muß, ist: daß es bey Sittengemählden dieser Art, wo Menschen wie sie sind, nicht wie sie nach den reinsten moralischen Grundsätzen seyn sollten, geschildert werden, bloß auf Wahrheit der Darstellung ankommt. Die Absicht ist hier nicht Beyspiele zur Bewunderung und Nachahmung aufzustellen, sondern uns eine gewisse Gattung von Menschen kennen zu lehren. Hat der Mahler seine Personen nur recht getroffen, was an ihnen zu billigen oder nicht zu billigen ist, wird uns unser eigenes Gefühl schon sagen. Zurück

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Ein herzlicher Dank an Volker für die Übersendung der Ursprungsdatei.

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