Jetzt kommen zwei Rätsel, die mit Sicherheit nicht einfach zu erfassen sind, aber in der Renaissance eine sehr wesentliche Rolle spielten. Wir alle feiern Ostern und kennen sicherlich die Geschichte der Kreuzigung und Auferstehung. Es fällt uns relativ leicht, uns ein Gemälde mit den drei Gekreuzigten vorzustellen. Das ist eine der bekanntesten Darstellungen. Viele von uns tragen ein Kreuz um den Hals - ob nun als Schmuck oder aus Glaubensgründen. Manchmal ist dieses Kreuz derart filigran aus Gold oder Silber gearbeitet, daß die Christusfigur gleich mit dran hängt. Wenn es darum geht, was es mit der Symbolik des Kreuzes so auf sich hat, dann wird es etwas schwieriger, weil wir damit das gesamte Christentum erklären könnten. Wir wollen uns aber trotzdem diesem Thema widmen und sollten es auf sehr sachliche Art und Weise tun. Natürlich wurden und werden solche Darstellungen auch als Altargemälde verwandt und angebetet. Wir bewegen uns demnach auf einem sehr schmalen Grat. Im ersten Rätsel geht es um die Figur des toten Jesus Christus nach oder während der Kreuzabnahme und im zweiten Rätsel um den auferstandenen Christus. Fangen wir also mit dem toten Christus an: Allein die Idee, den toten Christus, der ja auch noch drei Tage später auferstehen sollte, darzustellen, ist nicht gerade einfach zu erfassen. Einerseits ist da dieser gequälte und zerschundene Körper, der am Kreuz hing. Andererseits mußte dieser Körper am 3. Tag zur Auferstehung mehr oder weniger perfekt gezeigt werden. Dann kommt der religiöse Gehalt dazu. Der tote Körper mußte neben all dem Schrecken auch noch anbetungswürdig aussehen, denn schließlich handelte es sich um den Sohn Gottes. Vergleiche es einfach mit der Darstellung Marias. Auch diese Figur muß einen besonderen Eindruck beim Betrachter erwecken, sonst wäre sie nicht glaubwürdig. Das Thema der Inquisition ist ebenfalls im Hinterkopf zu behalten. Frag dich einfach, wie so eine Darstellung aussehen könnte, wenn du in kürzester Zeit als Ketzer verbrannt werden wolltest. Wichtig waren in der Darstellung die Leidensmerkmale, also die Löcher in Händen und Füßen und der Lanzenstich. Und ob nun Christus auf einem Bett liegt oder im Sarg; die Maler haben sich so ziemlich alles einfallen lassen, um einen leidenden, aber ebenso charismatischen toten Körper zu zeigen. Besonders interessant sind auch Kleinigkeiten, wie die Augen des toten Christus in Marias Armen. Hans Memling zeigt einen toten Körper mit geöffneten Augen, der sich die Wunde des Lanzenstiches zu halten scheint, obwohl er eigentlich tot ist. Ebenso, gibt es Gemälde, die uns sehr heftig mit der Wirklichkeit dieses Themas konfrontieren. So ein toter Christus in Marias Armen geht ja noch, aber das Titelbild dieses Rätsels, der tote Christus im Sarg von Hans Holbein d. J von 1521 ist weitaus schonungsloser. Und wenn ein Maler wie Mantegna die Perspektive derart perfekt beherrscht, dann zeigt er das selbstverständlich auch im Bild. Falls auf den Gemälden noch andere Personen, wie Maria, die Jünger oder die schlafenden Wachen am Grab dargestellt sind, hab ich sie bewußt weggeschnitten, weil hier in diesem Rätsel nur der tote Körper von Interesse ist und nicht der religiöse Gehalt im Vordergrund stehen soll. Die nun folgenden Gemäldeausschnitte sind chronologisch geordnet. So erhältst du einen Eindruck, der sich vor allem drei Fragestellungen widmet: Welchen Stil beherrschten die Künstler zu welcher Zeit (perspektivische Verkürzung, Anatomie)? - Was drückt der dargestellte Christus für dich aus? - Worauf mag der Maler in seiner Darstellung besonderen Wert gelegt haben? |
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1290 Giotto
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1410-20 Robert Campin |
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1435 Rogier van der Weyden
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1440 Fra Angelico |
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1450 Dieric Bouts
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1460-80 Rogier van der Weyden |
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1460 Giovanni Bellini
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1460 Giovanni Bellini |
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1464 Rogier van der Weyden
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1470 Carlo Crivelli |
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1472 Giovanni Bellini
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1474 Cosme Tura |
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1475-78 Antonello da Messina
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1475-80 Hans Memling |
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1475 Hans Memling
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1482 Ercole de Roberti |
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1488 Giovanni di Bartholomeo
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1490 David Gerard |
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1490 Andrea Mantegna
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1495 Pietro Perugino |
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1502 Luca Signorelli
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1505 Giovanni Bellini |
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1507-08 Quentin Massys
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1507 Raffael |
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1508 Lorenzo Lotto
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1510-20 Jan Gossaert |
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1510 Romanino
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1515 Bartholomeo |
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1515 Matthias Grünwald
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1520 Andrea del Sarto |
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1520 Vittore Carpaccio
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1526-18 Fiorentino Rosso |
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1525 Corregio
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1525 Quentin Massys |
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1528 Jacopo Pontormo
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1559 Tintoretto |
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1570 Alessandro Allori
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1577 El Greco |
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1592 Giovanni Battista Crespi |
1606 Annibale Carracci
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Sie werden mich ansehen,
den sie durchbohrt haben.
Sacharja 12,10
Um die neunte Stunde rief Jesus laut:
“ Eli, Eli, lema sabachtanie?”,
das heißt:
“Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?” ( Mt 27, 46)
Hat Gott Jesus verlassen?
Was sagt Jesus da?
Er betet :
Psalm 22!
“Es ist vollbracht!”
“... Gott ist tot - dieses ist der fürchterlichste Gedanke,
daß alles Ewige, alles Wahre nicht ist,
die Negation selbst in Gott ist;
der höchste Schmerz, das Gefühl der vollkommenen Rettungslosigkeit,
das Aufgeben alles Höheren ist damit verbunden.
- Der Verlauf bleibt aber nicht hier stehen, sondern es tritt nun die Umkehrung ein;
Gott nämlich erhält sich in diesem Prozeß, und dieser ist nur der Tod des Todes.
Gott steht wieder auf zum Leben: es wendet sich somit zum Gegenteil...”
und nun käme der auferstandene Christus: