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Marie von Ebner-Eschenbach - Aphorismen

Bild von 1916

 

 

Marie von Ebner-Eschenbach
(13.09.1830 - 12.03.1916)

APHORISMEN (1879)

Sag etwas, das sich von selbst versteht, zum ersten Mal,
und du bist unsterblich.

Was uns an der sichtbaren Schönheit entzückt, ist ewig
nur die unsichtbare.

Die verstehen sehr wenig, die nur das verstehen, was
sich erklären läßt.

Ein Urteil läßt sich widerlegen, aber niemals ein
Vorurteil.

Vertrauen ist Mut, und Treue ist Kraft.

Siege, aber triumphiere nicht.

Die jetzigen Menschen sind zum Tadeln geboren. Vom
ganzen Achilles sehen sie nur die Ferse.

Die glücklichen Pessimisten! Welche Freude empfinden
sie, sooft sie bewiesen haben, daß es keine Freude gibt.

Es hat noch niemand etwas Ordentliches geleistet, der
nicht etwas Außerordentliches leisten wollte.

Der Zufall ist die in Schleier gehüllte Notwendigkeit.

Andere neidlos Erfolge erringen sehen, nach denen
man selbst strebt, ist Größe.

Der Hochmut ist ein plebejisches Laster.

Geduld mit der Streitsucht der Einfältigen! Es ist nicht
leicht zu begreifen, daß man nicht begreift.

Die größte Nachsicht mit einem Menschen entspringt
aus der Verzweiflung an ihm.

Alt werden heißt sehend werden.

Anmut ist ein Ausströmen der inneren Harmonie.

Die einfachste und bekannteste Wahrheit erscheint
uns augenblicklich neu und wunderbar, sobald wir sie
zum ersten Mal an uns selbst erleben.

Wie weise muß man sein, um immer gut zu sein!

Wir verlangen sehr oft nur deshalb Tugenden von
anderen, damit unsere Fehler sich bequemer breitmachen
können.

Der Verstandesmensch verhöhnt nichts so bitter wie
den Edelmut, dessen er sich unfähig fühlt.

Der Gescheitere gibt nach! Eine traurige Wahrheit;
sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.

Künstler, was du nicht schaffen mußt, das darfst du
nicht schaffen wollen.

Je mehr du dich selbst liebst, je mehr bist du dein
eigener Feind.

Eiserne Ausdauer und klaglose Entsagung sind die zwei
äußersten Pole der menschlichen Kraft.

Nichts wird so oft unwiederbringlich versäumt wie
eine Gelegenheit, die sich täglich bietet.

Warten lernen wir gewöhnlich dann, wenn wir nichts
mehr zu erwarten haben.

Die Leidenschaft ist immer ein Leiden, auch die
befriedigte.

Schüchterne Dummheit und verschämte Armut sind
den Göttern heilig.

Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann,
so ist es der Glaube an die eigene Kraft.

Die Konsequenzen unserer guten Handlungen verfolgen
uns unerbittlich und sind oft schwerer zu tragen als
die der bösen.

Die Gutmütigkeit gemeiner Menschen gleicht dem Irrlicht.
Vertraue nur seinem gleißenden Scheine, es führt
dich gewiß in den Sumpf.

Gebrannte Kinder fürchten das Feuer oder vernarren
sich darein.

Es gibt Frauen, die ihre Männer mit einer ebenso blinden,
schwärmerischen und rätselhaften Liebe lieben
wie Nonnen ihr Kloster.

Mitleid ist Liebe im Negligé.

Ehen werden im Himmel geschlossen, aber daß sie gut
geraten, darauf wird dort nicht gesehen.

Wer an die Freiheit des menschlichen Willens glaubt,
hat nie geliebt und nie gehaßt.

Die meisten Menschen brauchen mehr Liebe, als sie
verdienen.

Einer der seltensten Glücksfälle, die uns werden können,
ist die Gelegenheit zu einer gut angewendeten
Wohltat.

Ein Dichter, der einen Menschen kennt, kann hundert
schildern.

Die meisten Nachahmer lockt das Unnachahmliche.

Haben und nichts geben ist in manchen Fällen schlechter
als stehlen.

Der Arme rechnet dem Reichen die Großmut niemals
als Tugend an.

Die Leute, denen man nie widerspricht, sind entweder
die, welche man am meisten liebt, oder die, welche
man am geringsten achtet.

Die meiste Nachsicht übt der, der die wenigste braucht.

Wenn ein Mensch uns zugleich Mitleid und Ehrfurcht
einflößt, dann ist seine Macht über uns unbegrenzt.

Vernunft annehmen kann niemand, der nicht schon
welche hat.

Wenn jemand etwas kann, was gewöhnliche Menschen
nicht können, so trösten diese sich damit, daß er gewiß
von allem, was sie können, nichts kann.

Hüte dich vor der Tugend, die zu besitzen ein Mensch
von sich selber rühmt.

Wenn man nur die Alten liest, ist man sicher, immer
neu zu bleiben.

Das Mitleid des Schwächlings ist eine Flamme, die
nicht wärmt.

Wer sich an seine eigene Kindheit nicht mehr deutlich
erinnert, ist ein schlechter Erzieher.

Eingebildete Übel gehören zu den unheilbaren.
Selbst der bescheidenste Mensch hält mehr von sich,
als sein bester Freund von ihm hält.

Wenn der Kunst kein Tempel mehr offen steht, dann
flüchtet sie in die Werkstatt.

Man muß das Gute tun, damit es in der Welt sei.

Der Haß ist ein fruchtbares, der Neid ein steriles Laster.

Wir sollen immer verzeihen, dem Reuigen um seinetwillen,
dem Reuelosen um unsertwillen.

Das Motiv einer guten Handlung ist manchmal nichts
anderes als zur rechten Zeit eingetretene Reue.

Auch die Tugend ist eine Kunst, und auch ihre Anhänger
teilen sich in Ausübende und bloße Liebhaber.

Was du zu müssen glaubst, ist das, was du willst.

Die Toren wissen gewöhnlich das am besten, was der
Weise verzweifelt, jemals in Erfahrung zu bringen.

Das Alter verklärt oder versteinert.

Die Güte, die nicht grenzenlos ist, verdient den Namen
nicht.

Es ist ein Unglück, daß ein braves Talent und ein braver
Mann so selten zusammenkommen!

In einem guten Buche stehen mehr Wahrheiten, als
sein Verfasser hineinzuschreiben meinte.

Wir entschuldigen nichts so leicht wie Torheiten, die
uns zuliebe begangen wurden.

Unbegründeter Tadel ist manchmal eine feine Form
der Schmeichelei.

Sei deines Willens Herr und deines Gewissens Knecht.

Natur ist Wahrheit; Kunst ist die höchste Wahrheit.

Zu späte Erfüllung einer Sehnsucht labt nicht mehr.

Die lechzende Seele zehrt sie auf wie glühendes Eisen
einen Wassertropfen.

Das Vertrauen ist etwas so Schönes, daß selbst der ärgste
Betrüger sich eines gewissen Respektes nicht erwehren
kann vor dem, der es ihm schenkt.

In der Jugend lernt, im Alter versteht man.

Wenn die Neugier sich auf ernsthafte Dinge richtet,
dann nennt man sie Wissensdrang.

Etwas sollen wir unseren sogenannten guten Freunden
immer abzulernen suchen — ihre Scharfsichtigkeit für
unsere Fehler.

Die Liebe hat nicht nur Rechte, sie hat auch immer
recht.

Was für die Gegenwart zu gut ist, ist gut genug für die
Zukunft.

Nicht jene, die streiten, sind zu fürchten, sondern jene,
die ausweichen.

In jedem tüchtigen Menschen steckt ein Poet; er
kommt beim Schreiben zum Vorschein, beim Lesen,
beim Sprechen oder beim Zuhören.

Unerfüllbare Wünsche werden als fromme bezeichnet.
Man scheint anzunehmen, daß nur die profanen in
Erfüllung gehen.

Der Geist ist ein intermittierender, die Güte ein
permanenter Quell.

Man kann viele Dinge kaufen, die unbezahlbar sind.

Wenn zwei brave Menschen über Grundsätze streiten,
haben immer beide recht.

Nichts ist weniger verheißend als Frühreife; die junge
Distel sieht einem zukünftigen Baume viel ähnlicher
als die junge Eiche.

Wenn die Mißgunst aufhören muß, fremdes Verdienst
zu leugnen, fängt sie an, es zu ignorieren.

Die Teilnahme der meisten Menschen besteht aus einer
Mischung von Neugier und Wichtigtuerei.

Macht ist Pflicht — Freiheit ist Verantwortlichkeit.

Seit dem bekannten Siege der Schildkröte über den
Hasen hält sie sich für eine Schnelläuferin.

Es gibt Fälle, in denen vernünftig sein feige sein heißt.

Sich mit wenigem begnügen ist schwer, sich mit vielem
begnügen unmöglich.

Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun.

Die Bescheidenheit, die zum Bewußtsein kommt,
kommt ums Leben.

Wenn du einen vielbetretenen Weg lange gehst, so
gehst du ihn endlich allein.

Es gibt Menschen mit leuchtendem und Menschen mit
glänzendem Verstande. Die ersten erhellen ihre Umgebung,
die zweiten verdunkeln sie.

Man fordere nicht Wahrhaftigkeit von den Frauen,
solange man sie in dem Glauben erzieht, ihr
vornehmster Lebenszweck sei — zu gefallen.

An das Gute glauben nur die wenigen, die es üben.

Der am unrechten Orte vertraute, wird dafür am
unrechten Orte mißtrauen.

Es würde viel weniger Böses auf Erden getan, wenn
das Böse niemals im Namen des Guten getan werden
könnte.

Alles wird uns heimgezahlt, wenn auch nicht von
denen, welchen wir geborgt haben.

Es gibt eine schöne Form der Verstellung: die Selbstüberwindung
— und eine schöne Form des Egoismus:
die Liebe.

Wenn ein edler Mensch sich bemüht, ein begangenes
Unrecht gutzumachen, kommt seine Herzensgüte am
reinsten und schönsten zutage.

Vertrauensselig — ein schönes Wort. Vertrauen macht
selig den, der es hat, und den, der es einflößt.

Wir sind so eitel, daß uns sogar an der Meinung der
Leute, an denen uns nichts liegt, etwas gelegen ist.

Es gibt nicht nur eine Volksindividualität, es gibt eine
Stadt-, eine Dorfindividualität; jedes Haus hat seine,
jede Hütte hat ihre besondere Physiognomie.

Die Sehenden sind es nicht, die sich für sehend halten,
immer nur die Blinden.

Wenn man das Dasein als eine Aufgabe betrachtet,
dann vermag man es immer zu ertragen.

Schwächliche Grämlichkeit, die alle fünf gerade sein
läßt, ist die Karikatur der Resignation.

Der Gläubige, der nie gezweifelt hat, wird schwerlich
einen Zweifler bekehren.

Es stände besser um die Welt, wenn die Mühe, die man
sich gibt, die subtilsten Moralgesetze auszuklügeln, an
die Ausübung der einfachsten gewendet würde.

Die Menschen, denen wir eine Stütze sind, geben uns
den Halt im Leben.

Man kann nicht allen helfen! sagt der Engherzige
und — hilft keinem.

Nichts entfernt zwei innerlich wenig verwandte Menschen
mehr voneinander als das Zusammenleben.

Wer nichts weiß, muß alles glauben.

Eltern verzeihen ihren Kindern die Fehler am schwersten,
die sie selbst ihnen anerzogen haben.

Du kannst so rasch sinken, daß du zu fliegen meinst.

Was liegt dem Narren an einem vernünftigen Menschen?

Die wichtigste Person für ihn ist der andere Narr,
der ihn gelten läßt.

Verständnis des Schönen und Begeisterung für das
Schöne sind eins.

Wo die Eitelkeit anfängt, hört der Verstand auf.

Auch was wir am meisten sind, sind wir nicht immer.

Der Geist einer Sprache offenbart sich am deutlichsten
in ihren unübersetzbaren Worten.

Um in eine Versammlung feiner Leute treten zu dürfen,
muß man den Frack tragen, die Uniform oder — die
Livree.

Wer Geduld sagt, sagt Mut, Ausdauer, Kraft.

Das Verständnis reicht oft weiter als der Verstand.

So mancher meint ein gutes Herz zu haben und hat nur
schwache Nerven.

Zwei sehr verschiedene Tugenden können einander
lange und scharf befehden; der Augenblick bleibt nicht
aus, in dem sie erkennen, daß sie Schwestern sind.

Beim Tode eines geliebten Menschen schöpfen wir
eine Art Trost aus dem Glauben, daß der Schmerz über
unsern Verlust sich nie vermindern wird.

Was ein Mensch glaubt und woran er zweifelt, ist
gleich bezeichnend für die Stärke seines Geistes.

Der herbste Tadel läßt sich ertragen, wenn man fühlt,
daß der Tadelnde lieber loben würde.

Auch in ein neues Glück muß man sich schicken lernen.

Alte Diener sind kleine Tyrannen, an die die große
Tyrannin Gewohnheit uns knüpft.

Verschmähtes Erbarmen kann sich in Grausamkeit
verwandeln wie verschmähte Liebe in Haß.

Aus dem Verlangen nach dem Überflüssigen ist die
Kunst entstanden.

Man kann nicht jedes Unrecht gut, wohl aber jedes
Recht schlecht machen.

Es gibt Gelegenheiten, bei denen man sonst ganz wahrhaftigen
Menschen keinen Glauben schenken darf.

Zum Beispiel dem Großmütigen, wenn er von seinen
Ausgaben, und dem Sparsamen, wenn er von seinen
Einnahmen spricht.

Der Gedanke an die Vergänglichkeit aller irdischen
Dinge ist ein Quell unendlichen Leids — und ein Quell
unendlichen Trostes.

Fortwährendem Entbehren folgt Stumpfheit ebenso
gewiß wie übermäßigem Genuß.

Wo wäre die Macht der Frauen, wenn die Eitelkeit der
Männer nicht wäre?

Menschen, die nach immer größerem Reichtum jagen,
ohne sich jemals Zeit zu gönnen, ihn zu genießen, sind
wie Hungrige, die immerfort kochen, sich aber nie zu
Tische setzen.

Einen Gedanken verfolgen — wie bezeichnend dies
Wort! Wir eilen ihm nach, erhaschen ihn, er entwindet
sich uns, und die Jagd beginnt von neuem. Der Sieg
bleibt zuletzt dem Stärkeren. Ist es der Gedanke, dann
läßt er uns nicht ruhen, immer wieder taucht er auf —
neckend, quälend, unserer Ohnmacht, ihn zu fassen,
spottend. Gelingt es aber der Kraft unseres Geistes, ihn
zu bewältigen, dann folgt dem heißen Ringkampf ein
beseligendes, untrennbares Bündnis auf Leben und Tod,
und die Kinder, die ihm entspringen, erobern die Welt.

Die Sittlichkeit verfeinert die Sitte und die Sitte
wiederum die Sittlichkeit.

Der eitle, schwache Mensch sieht in jedem einen Richter,
der stolze, starke hat keinen Richter als sich selbst.

Arme Leute schenken gern.

Autoren, die bestohlen werden, sollten sich darüber
nicht beklagen, sondern freuen. In einer Gegend, in der
Waldfrevel nicht vorkommt, hat der Wald keinen Wert.

Wenn alberne Leute sich bemühen, ein Geheimnis vor
uns zu verbergen, dann erfahren wir es gewiß, so wenig
uns auch danach gelüstet.

Merkmal großer Menschen ist, daß sie an andere weit
geringere Anforderungen stellen als an sich selbst.

Lieber von einer Hand, die wir nicht drücken möchten,
geschlagen, als von ihr gestreichelt werden.

Wer in Gegenwart von Kindern spottet oder lügt,
begeht ein todeswürdiges Verbrechen.

Die Eitelkeit weist jede gesunde Nahrung von sich, lebt
ausschließlich von dem Gifte der Schmeichelei und
gedeiht dabei in üppigster Fülle.

Der Schmerz ist der große Lehrer der Menschen. Unter
seinem Hauche entfalten sich die Seelen.

Der Mann ist der Herr des Hauses; im Hause aber soll
nur die Frau herrschen.

Treue Liebe kann zwischen Menschen von sehr verschiedenem,
dauernde Freundschaft nur zwischen
Menschen von gleichem Werte bestehen. Aus diesem
Grunde ist die zweite viel seltener als die erste.

Der alte Satz: Aller Anfang ist schwer, gilt nur für
Fertigkeiten. In der Kunst ist nichts schwerer als
beenden und bedeutet zugleich vollenden.

Wenig Leidenschaft, große Herzenswärme, Verstand,
Anmut, leichte Umgangsformen, Respekt vor dem
Ernst, Verständnis für den Schmerz — Summa summarum:
— Liebenswürdigkeit.

Eine gescheite Frau hat Millionen geborener Feinde: —
alle dummen Männer.

Ein Schwachkopf, der über andere Menschen urteilen
soll, kann sich höchstens in ihre Lage, nie aber in ihre
Denk- und Empfindungsweise versetzen.

Es gibt nichts Böses, aber auch kaum etwas Gutes, das
nicht schon aus Eitelkeit getan worden wäre.

Ein scheinbarer Widerspruch gegen ein Naturgesetz ist
nur die selten vorkommende Betätigung eines andern
Naturgesetzes.

Eine Vernunftehe schließen heißt in den meisten Fällen,
alle seine Vernunft zusammenzunehmen, um die
wahnsinnigste Handlung zu begehen, die ein Mensch
begehen kann.

Wer es versteht, den Leuten mit Anmut und Behagen
Dinge auseinanderzusetzen, die sie ohnehin wissen,
der verschafft sich am geschwindesten den Ruf eines
gescheiten Menschen.

Über das Kommen mancher Leute tröstet uns nichts
als — die Hoffnung auf ihr Gehen.

Was nennen die Menschen am liebsten dumm? Das
Gescheite, das sie nicht verstehen.

Ein Streit zwischen wahren Freunden, wahren Liebenden
bedeutet gar nichts. Gefährlich sind nur die Streitigkeiten
zwischen Menschen, die einander nicht ganz
verstehen.

Zu jeder Zeit liegen einige große Wahrheiten in
der Luft; sie bilden die geistige Atmosphäre des
Jahrhunderts.

Wer sich keine Annehmlichkeit versagen kann, wird
sich nie ein Glück erobern.

Ein Gedanke kann nicht erwachen, ohne andere zu
wecken.

Die unerträglichsten Heuchler sind die, die jedes
Vergnügen, das ihnen geboren wird, von der Pflicht zur
Taufe tragen lassen.

Es gibt eine Menge kleiner Unarten und Rücksichtslosigkeiten,
die an und für sich nichts bedeuten, aber
furchtbar sind als Kennzeichen der Beschaffenheit
einer Seele.

Wenn die Großmut vollkommen sein soll, muß sie
eine kleine Dosis Leichtsinn enthalten.

Es gehört immer etwas guter Wille dazu, selbst das Einfachste
zu begreifen, selbst das Klarste zu verstehen.

Der Verstand, der uns nicht hindert, hie und da eine
großherzige Dummheit zu begehen, ist ein braver
Verstand.

Jung sein ist schön, alt sein ist bequem.

Die Gedankenlosigkeit hat mehr ehrliche Namen
zugrunde gerichtet als die Bosheit.

Wenn du durchaus nur die Wahl hast zwischen einer
Unwahrheit und einer Grobheit, dann wähle die
Grobheit; wenn jedoch die Wahl getroffen werden muß
zwischen einer Unwahrheit und einer Grausamkeit,
dann wähle die Unwahrheit.

Die Wortkargen imponieren immer. Man glaubt
schwer, daß jemand kein anderes Geheimnis zu bewahren
habe als das seiner Unbedeutendheit.

Die Empfindung des Einsamseins ist schmerzlich,
wenn sie uns im Gewühl der Welt, unerträglich jedoch,
wenn sie uns im Schoße unserer Familie überfällt.

Verwöhnte Kinder sind die unglücklichsten; sie lernen
schon in jungen Jahren die Leiden der Tyrannen
kennen.

Man hat einen zu guten oder einen zu schlechten Ruf;
nur den Ruf hat man nicht, den man verdient.

Er ist ein guter Mensch! sagen die Leute gedankenlos.

Sie wären sparsamer mit diesem Lobe, wenn sie
wüßten, daß sie kein höheres zu erteilen haben.

Du wüßtest gern, was deine Bekannten von dir sagen?
Höre, wie sie von Leuten sprechen, die mehr wert sind
als du.

Im Laufe des Lebens verliert alles seine Reize wie seine
Schrecken; nur eines hören wir nie auf zu fürchten: das
Unbekannte.

Der Charakter des Künstlers ernährt oder verzehrt sein
Talent.

Ein Mann, der sich im Gespräche mit seiner Frau
widerlegt fühlt, fängt sogleich an, sie zu überschreien.

Er will und kann beweisen, daß ihm immer, auch wenn
er falsch singt, die erste Stimme gebührt.

Fähigkeit ruhiger Erwägung — Anfang aller Weisheit,
Quell aller Güte!

Ausnahmen sind nicht immer Bestätigung der alten
Regel; sie können auch die Vorboten einer neuen Regel
sein.

Manche Leute wären frei, wenn sie zu dem Bewußtsein
ihrer Freiheit kommen könnten.

Mut des Schwachen, Milde des Starken — beide
anbetungswürdig.

Suche immer zu nützen, suche nie dich unentbehrlich
zu machen.

Die Frau verliert in der Liebe zu einem ausgezeichneten
Manne das Bewußtsein ihres eigenen Wertes; der
Mann kommt erst recht zum Bewußtsein des seinen
durch die Liebe einer edlen Frau.

Der Schwächling ist immer bereit; sogar seine Tugenden
zu verleugnen, wenn sie Anstoß erregen sollten.

Der Philosoph zieht seine Schlüsse; der Poet muß die
seinen entstehen lassen.

So manche Wahrheit ging von einem Irrtum aus.

Ein literarischer Dieb, der sich das Stehlen recht sauer
werden läßt, kann sein Leben lang für einen originellen
und ehrlichen Mann gelten.

Wenn du sicher wählen willst im Konflikt zweier
Pflichten, wähle diejenige, die zu erfüllen dir schwerer
fällt.

In den meisten Fällen ist die Familie für ein junges
Talent entweder ein Treibhaus oder ein Löschhorn.

Ein wahrer Freund trägt mehr zu unserm Glücke bei als
tausend Feinde zu unserm Unglück.

Die Großen schaffen das Große, die Guten das
Dauernde.

Ein anregendes Buch — eine den Appetit reizende
Speise.

Der Verstand und das Herz stehen auf sehr gutem Fuße
miteinander. Eines vertritt oft die Stelle des andern so
vollkommen, daß es schwer ist zu entscheiden, welches
von beiden tätig war.

Manuskripte vermodern im Schranke oder reifen darin.
Wer in die Öffentlichkeit tritt, hat keine Nachsicht zu
erwarten und keine zu fordern.

Ein Mann mit großen Ideen ist ein unbequemer
Nachbar.

Mehr noch als nach dem Glück unserer Jugend sehnen
wir uns im Alter nach den Wünschen unserer Jugend
zurück.

Die Forderungen der strengsten Moral sind nicht
immer mit denen des Berufs, sei er ein noch so hoher,
in Einklang zu bringen.

Das Tüttelchen Wahrheit, das in mancher Lüge
enthalten ist, das macht sie furchtbar.

Erstritten ist besser als erbettelt.

Unseren schlechten Eigenschaften gegenüber gibt es
nur ewigen Kampf oder schimpflichen Frieden.

Was du wirklich besitzest, das wurde dir geschenkt.

Was ist Reue? Eine große Trauer darüber, daß wir sind,
wie wir sind.

Schrittweises Zurückweichen ist oft schlimmer als ein
Sturz.

Es ist keine Sünde, ein Dummkopf zu sein, aber die
größten Sünden werden von Dummköpfen begangen.

Wohl jedem, der nur liebt, was er darf, und nur haßt,
was er soll.

Die kleinsten Sünder tun die größte Buße.

An groß angelegte Menschen denkt sichs gut, mit fein
angelegten Menschen lebt sichs gut.

Für die Anspruchsvollen plagt man sich, aber die
Anspruchslosen liebt man.

Respekt vor dem Gemeinplatz! Er ist seit Jahrhunderten
aufgespeicherte Weisheit.

Ein fauler und ein fleißiger Mensch können nicht gut
miteinander leben, der faule verachtet den fleißigen gar
zu sehr.
Wenn man nicht aufhören will, die Menschen zu
lieben, darf man nicht aufhören, ihnen Gutes zu tun.

Das edle: Ich will! hat keinen schlimmeren Feind als
das feige, selbstbetrügerische: Ja, wenn ich wollte!

Es kommt alles auf die Umgebung an. Die Sonne im
lichten Himmelsraume hat eine viel geringere Meinung
von sich als die Unschlittkerze, die im Keller
brennt.

Der Künstler versäume nie, die Spuren des Schweißes
zu verwischen, den sein Werk gekostet hat. Sichtbare
Mühe ist zuwenig Mühe.

Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft
über das Leben.

Man darf die Phantasie verführen, aber Gewalt darf
man ihr nicht antun wollen.

Bewunderung der Tugend ist Talent zur Tugend.

Nicht tödlich, aber unheilbar, das sind die schlimmsten
Krankheiten.

Kein Mensch steht so hoch, daß er anderen gegenüber
nur gerecht sein dürfte.

Der Umgang mit einem Egoisten ist darum so verderblich,
weil die Notwehr uns allmählich zwingt, in seinen
Fehler zu verfallen.

Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die
vorüber, in der man kann.

Das gibt sich, sagen schwache Eltern von den Fehlern
ihrer Kinder. O nein, es gibt sich nicht, es entwickelt
sich!

Das Recht des Stärkeren ist das stärkste Unrecht.

Der größte Feind des Rechtes ist das Vorrecht.

Zwischen Können und Tun liegt ein Meer und auf seinem
Grunde gar oft die gescheiterte Willenskraft.

Ein stolzer Mensch verlangt von sich das Außerordentliche,
ein hochmütiger schreibt es sich zu.

Viele Leute glauben, wenn sie einen Fehler erst eingestanden
haben, brauchen sie ihn nicht mehr abzulegen.

Beim Wiedersehen nach einer Trennung fragen die
Bekannten nach dem, was mit uns, die Freunde nach
dem, was in uns vorgegangen.

Die bedauernswertesten Menschen sind die, die
Pflichtgefühl besitzen, aber nicht die Kraft, ihm zu
genügen.

Es gibt überall verschämte Arme, nur nicht in der
Literatur.

Wer sich mit wenig Ruhm begnügt, verdient nicht
vielen.

Sagen, was man denkt, ist manchmal die größte
Torheit und manchmal — die größte Kunst.

Menschen, die viel von sich sprechen, machen — so
ausgezeichnet sie im übrigen sein mögen — den Eindruck
der Unreife.

Es gibt mehr naive Männer als naive Frauen.

Der Weise ist selten klug.

Wo gibt es noch einmal zwei Dinge so entgegengesetzt
und doch so nahe verwandt, so unähnlich und doch so
oft kaum voneinander zu unterscheiden wie Bescheidenheit
und Stolz?

Wieviel Bewegung wird hervorgebracht durch das
Streben nach Ruhe!

Echte Propheten haben manchmal, falsche Propheten
haben immer fanatische Anhänger.

Soweit die Erde Himmel sein kann, soweit ist sie es in
einer glücklichen Ehe.

Demut ist Unverwundbarkeit.

Ein guter Witz muß den Schein des Unabsichtlichen
haben. Er gibt sich nicht dafür, aber siehe da, der
Scharfsinn des Hörers entdeckt ihn, entdeckt den
geistreichen Gedanken in der Maske eines schlichten
Wortes. Ein guter Witz reist inkognito.

Manche Tugenden kann man erwerben, indem man
sie lange Zeit heuchelt. Andere zu erringen, wird man
um so unfähiger, je mehr man sich den Anschein gibt,
sie zu besitzen. Zu den ersten gehört der Mut, zu den
zweiten die Bescheidenheit.

Nicht teilnehmen an dem geistigen Fortschreiten
seiner Zeit heißt moralisch im Rückschritt sein.

Der Staat ist am tiefsten gesunken, dessen Regierung
schweigend zuhören muß, wenn die offenkundige
Schufterei ihr Sittlichkeit predigt.

Ich bereue nichts, sagt der Übermut, ich werde nichts
bereuen, die Unerfahrenheit.

Wohlerzogene Menschen sprechen in Gesellschaft
weder vom Wetter noch von der Religion.

Nicht leisten können, was andere leisten — du mußt
dich bescheiden. Nicht mehr leisten können, was du
selbst einmal geleistet hast — zum Verzweifeln.

Liebhabereien bewahren vor Leidenschaften; eine Liebhaberei
wird zur Leidenschaft.

Welch ein Unterschied liegt darin, wie mans macht
und wie sichs macht!

Den Strich, den das Genie in einem Zuge hinwirft,
kann das Talent in glücklichen Stunden aus Punkten
zusammensetzen.

Ein Nichts vermag das Vertrauen in die eigene Kraft zu
erschüttern, aber nur ein Wunder vermag es wieder zu
befestigen.

Vieles erfahren haben heißt noch nicht Erfahrung
besitzen.

In jede hohe Freude mischt sich eine Empfindung der
Dankbarkeit.

Die Menschen, bei denen Verstand und Gemüt sich die
Waage halten, gelangen spät zur Reife.

Wer niemals Ehrfurcht empfunden hat, wird sie auch
niemals erwecken.

Wo gibt es noch einmal zwei Dinge so entgegengesetzt
und doch so nahe verwandt, so unähnlich und doch so
oft kaum voneinander zu unterscheiden wie Bescheidenheit
und Stolz?

Es gäbe keine Geselligkeit, alle Familienbande würden
gelockert, wenn die Gedanken der Menschen auf ihrer
Stirn zu lesen wären.

Wenn mein Herz nicht spricht, dann schweigt auch
mein Verstand, sagt die Frau. Schweige, Herz, damit
der Verstand zu Worte kommt, sagt der Mann.

Nicht, was wir erleben, sondern wie wir empfinden,
was wir erleben, macht unser Schicksal aus.

An Rheumatismen und an wahre Liebe glaubt man erst,
wenn man davon befallen wird.

Die Langeweile, die in manchem Buche herrscht,
gereicht ihm zum Heil; die Kritik, die schon ihren
Speer erhoben hatte, schläft ein, bevor sie ihn
geschleudert hat.

Ärzte werden gehaßt aus Überzeugung und aus
Ökonomie.

Liebe alle Menschen, der Leidende aber sei dein Kind.
Die Ambrosia der früheren Jahrhunderte ist das
tägliche Brot der späteren.

Ein wirklich guter und liebenswürdiger Mensch kann
so viel Freunde haben, als er will, aber nicht immer die,
die er will.

Auf angeborene Tugenden ist man nicht stolz.

Ein ganzes Buch — ein ganzes Leben.

Was Menschen und Dinge wert sind, kann man erst
beurteilen, wenn sie alt geworden.

Der Wohlwollende fürchtet Mißgunst nicht.

Wir hätten wenig Mühe, wenn wir niemals unnötige
Mühe hätten.

Es findet nicht nur jeder Odysseus seinen Homer,
sondern auch jeder Mohammed seine Chadidscha.

Wohl dem, der sagen darf: Der Tag der Aussaat war der
Tag der Ernte!

Jeder Weltmann verkehrt lieber mit einem wohlerzogenen
Bösewicht als mit einem schlecht erzogenen
Heiligen.

Wenn wir an Freuden denken, die wir erlebt haben
oder noch zu erleben hoffen, denken wir sie uns immer
ungetrübt.

Nicht jeder große Mann ist ein großer Mensch.

Die uns gespendete Liebe, die wir nicht als Segen und
Glück empfinden, empfinden wir als eine Last.

Nichts lernen wir so spät und verlernen wir so früh, als
zugeben, daß wir unrecht haben.

Die Taten reden, aber den Ungläubigen überzeugen sie
doch nicht.

Jeder Dichter und alle ehrlichen Dilettanten schreiben
mit ihrem Herzblute, aber wie diese Flüssigkeit beschaffen
ist, darauf kommt es an.

Je weiter unsere Erkenntnis Gottes dringt, desto weiter
weicht Gott vor uns zurück.

Die Natur hat leicht verschwenden; auch das scheinbar
ganz nutzlos Verstreute fällt zuletzt doch in ihren
Schoß.

Der Genius weist den Weg, das Talent geht ihn.
Die Menschen, die wir am meisten verwöhnen, sind
nicht immer die, die wir am meisten lieben.

Dem großen Dichter muß man ein starkes Selbstgefühl
zugute halten. Eine gewisse Gottähnlichkeit ist dem
nicht abzusprechen, der aus seinem Geiste Menschen
schafft.

Überlege einmal, bevor du gibst, zweimal, bevor du
annimmst, und tausendmal, bevor du verlangst.

Der Maßstab, den wir an die Dinge legen, ist das Maß
unseres eigenen Geistes.

Der Künstler hat nicht dafür zu sorgen, daß sein Werk
Anerkennung finde, sondern dafür, daß es sie verdiene.

Ein einziges Wort verrät uns manchmal die Tiefe eines
Gemüts, die Gewalt eines Geistes.

Sobald eine Mode allgemein geworden ist, hat sie sich
überlebt.

Wer die materiellen Genüsse des Lebens seinen idealen
Gütern vorzieht, gleicht dem Besitzer eines Palastes, der
sich in den Gesindestuben einrichtet und die Prachtsäle
leer stehen läßt.

Der kleinste Fehler, den ein Mensch uns zuliebe ablegt,
verleiht ihm in unseren Augen mehr Wert als die größten
Tugenden, die er sich ohne unser Zutun aneignet.

Es ist schlimm, wenn zwei Eheleute einander langweilen;
viel schlimmer jedoch ist es, wenn nur einer von
ihnen den andern langweilt.

Die größte Gewalt über einen Mann hat die Frau, die
sich ihm zwar versagt, ihn aber in dem Glauben zu
erhalten versteht, daß sie seine Liebe erwidere.

Was noch zu leisten ist, das bedenke; was du schon
geleistet hast, das vergiß.

Im Laufe des Lebens nützen unsere Laster sich ab wie
unsere Tugenden.

Die Welt gehört denen, die sie haben wollen, und wird
von jenen verschmäht, denen sie gehören sollte.

Der Kritizismus kann dich zum Philosophen machen,
aber nur der Glauben zum Apostel.

Wenn ich nicht predigen müßte, würde ich mich nicht
kasteien, sagte ein wahrheitsliebender Priester.

Was liegt am Ruhm, da man den Nachruhm nicht
erleben kann?

Treue üben ist Tugend, Treue erfahren ist Glück.

Der Augenblick tritt niemals ein, in dem der Dummkopf
den Weisen nicht für fähig hielte, einen Unsinn
zu sagen oder eine Torheit zu begehen.

Die Gleichgültigkeit, der innere Tod, ist manchmal ein
Zeichen von Erschöpfung, meistens ein Zeichen von
geistiger Impotenz und immer — guter Ton.

Wir sind für nichts so dankbar wie für Dankbarkeit.

Es darf so mancher Talentlose von dem Werke so manches
Talentvollen sagen: Wenn ich das machen könnte,
würde ich es besser machen.

Tiefe Bildung glänzt nicht.

Ein Gewaltiger erlebt Gewaltiges in seinen vier Pfählen.

Wenn wir auch der Schmeichelei keinen Glauben
schenken, der Schmeichler gewinnt uns doch. Einige
Dankbarkeit empfinden wir immer für den, der sich die
Mühe gibt, uns angenehm zu belügen.

Tue deine Pflicht so lange, bis sie deine Freude wird.

Nächstenliebe lebt mit tausend Seelen, Egoismus mit
einer einzigen, und die ist erbärmlich.

Aus dem Mitleid mit anderen erwächst die feurige, die
mutige Barmherzigkeit; aus dem Mitleid mit uns selbst
die weichliche, feige Sentimentalität.

Je kleiner das Sandkörnlein ist, desto sicherer hält es
sich für den Mittelpunkt der Welt.

Nur die allergescheitesten Leute benützen ihren
Scharfsinn zur Beurteilung nicht bloß anderer, sondern
auch ihrer selbst.

In der Fähigkeit, einen edlen Wunsch intensiv und
heiß zu nähren, liegt etwas wie Erfüllung.

Gemeinsame geistige Tätigkeit verbindet enger als das
Band der Ehe.

Das Vernünftige ist durchaus nicht immer das Gute,
das Vernünftigste jedoch muß auch das Beste sein.

Späte Freuden sind die schönsten; sie stehen zwischen
entschwundener Sehnsucht und kommendem Frieden.

Künstler haben gewöhnlich die Meinung von uns, die
wir von ihren Werken haben.

Um ein öffentliches Amt glänzend zu verwalten,
braucht man eine gewisse Anzahl guter und —
schlechter Eigenschaften.

Sehr geringe Unterschiede begründen manchmal sehr
große Verschiedenheiten.

Der Spott endet, wo das Verständnis beginnt.

Hoffnungslose Liebe macht den Mann kläglich und die
Frau beklagenswert.

Alle anderen Enttäuschungen sind gering im Vergleich
zu denen, die wir an uns selbst erleben.

Je kürzer der Fleiß, je länger der Tag.

Den Menschen, die große Eigenschaften besitzen,
verzeiht man ihre kleinen Fehler am schwersten.

Dem Hungrigen ist leichter geholfen als dem
Übersättigten.

Weh der Frau, die nicht im Falle der Not ihren Mann
zu stellen vermag.

Und ich habe mich so gefreut! sagst du vorwurfsvoll,
wenn dir eine Hoffnung zerstört wurde. Du hast dich
gefreut — ist das nichts?

Rücksichtslosigkeiten, die edle Menschen erfahren
haben, verwandeln sich in Rücksichten, die sie
erweisen.

Das unfehlbare Mittel, Autorität über die Menschen zu
gewinnen, ist, sich ihnen nützlich zu machen.

Wenn man ein Seher ist, braucht man kein Beobachter
zu sein.

Der ans Ziel getragen wurde, darf nicht glauben, es
erreicht zu haben.

Es ist die Frage, was man im Leben sucht, Unterhaltung
oder Liebe. Im ersten Falle darf man es nicht allzu
genau mit der moralischen, im zweiten nicht allzu
genau mit der geistigen Beschaffenheit der Menschen
nehmen, mit denen man sich umgibt.

Den Feind unserer Marotte unseren Freund nennen
heißt gescheit sein.

Sogar der edelste Mensch ist unfähig, einer Handlung
vollkommen gerecht zu werden, die er selbst unter
keiner Bedingung zu vollziehen vermöchte.

Wenn wir nur noch das sehen, was wir zu sehen wünschen,
sind wir bei der geistigen Blindheit angelangt.

Unser Stolz auf den Besitz irgendeiner guten Eigenschaft
erleidet einen argen Stoß, wenn wir sehen, wie
stolz andere auf das Nichtbesitzen derselben guten
Eigenschaft sind.

Die wahre Ehrfurcht geht niemals aus der Furcht
hervor.

Die größte Gleichmacherin ist die Höflichkeit; durch
sie werden alle Standesunterschiede aufgehoben.

Wenn jeder dem andern helfen wollte, wäre allen
geholfen.

Das Gemüt bleibt jung, solange es leidensfähig bleibt.

Ausdauer ist eine Tochter der Kraft, Hartnäckigkeit
eine Tochter der Schwäche, nämlich — der Verstandesschwäche.

Theorie und Praxis sind eins wie Seele und Leib, und
wie Seele und Leib liegen sie großenteils miteinander
in Streit.

Die Liebe überwindet den Tod, aber es kommt vor, daß
eine kleine üble Gewohnheit die Liebe überwindet.

In der großen Welt gefällt nichts so sehr wie die Gleichgültigkeit
dagegen, ob man ihr gefällt.

Die Laster sind untereinander näher verwandt als die
Tugenden.

Die Palme beugt sich, aber nicht der Pfahl.

Man muß, schon etwas wissen, um verbergen zu
können, daß man nichts weiß.

Die meisten Menschen ertragen es leichter, daß man
ihnen zuwider handelt, als daß man ihnen zuwider
spricht.

Die Gelassenheit ist eine anmutige Form des
Selbstbewußtseins.

Begreifen — geistiges Berühren. Erfassen — geistiges
Sichaneignen.

Die Unschuld des Mannes heißt Ehre; die Ehre der
Frau heißt Unschuld.

Gedanken, die schockweise kommen, sind Gesindel.

Gute Gedanken erscheinen in kleiner Gesellschaft. Ein
göttlicher Gedanke kommt allein.

Es muß sein! — grausamster Zwang. Es hat sein
müssen! — bester Trost.

Als eine Frau lesen lernte, trat die Frauenfrage in die
Welt.

Während des Beisammenseins mit geliebten Menschen
kann man sich in den Zustand der Trennung von ihnen
ebensowenig hineindenken wie in den des Todes.

Eitelkeit ist mächtiger als Scham.

Der Weltmann kennt gewöhnlich die Menschen, aber
nicht den Menschen. Beim Dichter ists umgekehrt.

Im Grunde ist jedes Unglück gerade nur so schwer, wie
man es nimmt.

Nur wieder empor nach jedem Sturz aus der Höhe!

Entweder fällst du dich tot, oder es wachsen dir Flügel.

Das Erfundene kann vervollkommnet, das Geschaffene
nur nachgeahmt werden.

Niemand ist so beflissen, immer neue Eindrücke zu
sammeln, wie der, der die alten nicht zu verarbeiten
versteht.

Die Änderung, die unser Naturell im Laufe des Lebens
erfährt, sieht manchmal aus wie eine Änderung
unseres Charakters.

Liebe ist Qual, Lieblosigkeit ist Tod.

Die Sitte ist schon gerichtet, zu deren Gunsten wir kein
anderes Argument vorzubringen wissen als das ihrer
Allgemeinheit.

Die Kleinen schaffen, der Große erschafft.

Daß andere Leute kein Glück haben, finden wir sehr
leicht natürlich, daß wir selbst keines haben, immer
unfaßbar.

Erinnere dich der Vergessenen — eine Welt geht dir auf.

Alle irdische Gewalt beruht auf Gewalttätigkeit.

Die Grausamkeit des Ohnmächtigen äußert sich als
Gleichgültigkeit.

Am unbarmherzigsten im Urteil über fremde Kunstleistungen
sind die Frauen mittelmäßiger Künstler.

Im Alter sind wir der Schmeichelei viel zugänglicher als
in der Jugend.

Die Frau, die ihren Mann nicht beeinflussen kann,
ist ein Gänschen, die Frau, die ihn nicht beeinflussen
will — eine Heilige.

Der Egoismus glücklicher Menschen ist leichtsinnig,
seiner selbst unbewußt. Der Egoismus unglücklicher
Menschen ist verbissen und von seinem Recht zu bestehen
überzeugt.

Man bleibt jung, solange man noch lernen, neue
Gewohnheiten annehmen und Widerspruch ertragen
kann.

Da zuletzt doch alles auf unser Glauben hinausläuft,
müssen wir jedem Menschen das Recht zugestehen,
lieber das zu glauben, was er sich selbst, als was andere
ihm weisgemacht.

Gutmütigkeit ist eine alltägliche Eigenschaft, Güte die
höchste Tugend.

Unsere Fehler bleiben uns immer treu, unsere guten
Eigenschaften machen alle Augenblicke kleine
Seitensprünge.

In der Jugend meinen wir, das Geringste, das die Menschen
uns gewähren können, sei Gerechtigkeit. Im
Alter erfahren wir, daß es das Höchste ist.

Genug weiß niemand, zuviel so mancher.

Alles Wissen geht aus einem Zweifel hervor und endigt
in einem Glauben.

Wenn der Mann das Amt hat, und die Frau den
Verstand, dann gibt es eine gute Ehe.

Wo Geschmacklosigkeit daheim ist, wird auch immer
etwas Roheit wohnen.

Bis zu einem gewissen Grade selbstlos sollte man schon
aus Selbstsucht sein.

Der Verstand macht Märtyrer so gut wie die Phantasie.

Er verläßt die seinen am Ende, sie bleibt den ihren
getreu.

Die Rücksichten, die uns in der Welt erwiesen werden,
stehen meistens in näherer Beziehung zu unseren
Ansprüchen als zu unseren Verdiensten.

Feuer läutert, verdeckte Glut frißt an.

Herrschaft behaupten wollen heißt kämpfen wollen.

Nutzen stiften wollen heißt freilich auch kämpfen
wollen, aber — um den Frieden.

Habe einen guten Gedanken, man borgt dir zwanzig.

Es gibt Menschen im Zopfstil: viele hübsche Einzelheiten,
das Ganze abgeschmackt.

Das Gefühl schuldiger Dankbarkeit ist eine Last, die
nur starke Seelen zu ertragen vermögen.

Die Menschen der alten Zeit sind auch die der neuen,
aber die Menschen von gestern sind nicht die von
heute.

Es kommt vor, daß Berge Mäuse gebären; manchmal
tritt aber auch der entsetzliche Fall ein, daß einer Maus
zugemutet wird, einen Berg zu gebären.

Die Kunst ist im Niedergang begriffen, die sich von der
Darstellung der Leidenschaft zu der des Lasters wendet.

Man darf anders denken als seine Zeit, aber man darf
sich nicht anders kleiden.

Grobheit — geistige Unbeholfenheit.

Die Kritik ist von geringer Qualität, die meint, ein
Kunstwerk nur dann richtig beurteilen zu können,
wenn sie die Verhältnisse kennt, unter denen es
entstanden ist.

Wir können uns nicht genug darüber wundern, wie so
wichtig den andern ihre eigenen Angelegenheiten sind.

Dem, der uns Gutes tut, sind wir nie so dankbar wie
dem, der uns Böses tun könnte, es aber unterläßt.

So mancher meint ein Don Juan zu sein und ist nur ein
Faun.

Vorurteil stützt die Throne, Unwissenheit die Altäre.

Die Genußsucht frißt alles, am liebsten aber das Glück.

Die einzigen von der Welt unbestrittenen Ehren, die
einer Frau zuteil werden können, sind die, die sie im
Reflex der Ehren ihres Mannes genießt.

Die Kraft verleiht Gewalt, die Liebe leiht Macht.

Jeder Künstler soll es der Vogelmutter nachmachen, die
sich um ihre Brut nicht mehr bekümmert, sobald sie
flügge geworden ist.

Frieden kannst du nur haben, wenn du ihn gibst.

Den Angriffen der Gemeinheit gegenüber ist es schwer,
nicht in Selbstüberhebung zu verfallen.

Im Unglück finden wir meistens die Ruhe wieder, die
uns durch die Furcht vor dem Unglück geraubt wurde.

Die Geschichte hat Helden und Werkzeuge und macht
beide unsterblich.

Die großen Augenblicke im guten wie im bösen Sinne
sind die, in denen wir getan haben, was wir uns nie
zugetraut hätten.

Wenn die Nachtigallen aufhören zu schlagen, fangen
die Grillen an zu zirpen.

An die Stützen, die wir wanken fühlen, klammern wir
uns doppelt fest.

Das meiste haben wir gewöhnlich in der Zeit getan, in
der wir meinten, zu wenig zu tun.

Der Witzling ist der Bettler im Reich der Geister; er
lebt von Almosen, die das Glück ihm zuwirft — von
Einfällen.

Die allerstillste Liebe ist die Liebe zum Guten.

Beim Genie heißt es: Laß dich gehen!
Beim Talent: Nimm dich zusammen!

Ein böser Mensch vermag leichter einen guten als ein
guter einen bösen Vorsatz auszuführen.

Der einfachste Mensch ist immer noch ein sehr
kompliziertes Wesen.

Du kannst dem Glück nicht ein Pförtlein öffnen, ohne
zugleich vor der Sorge ein Tor aufzureißen.

Wer auf meine Liebe nicht sündigt, glaubt nicht an sie.

Viele Worte sind lange zu Fuß gegangen, ehe sie
geflügelte Worte wurden.

Wisset, die euch Haß predigen, erlösen euch nicht.

Wir werden vom Schicksal hart oder weich geklopft; es
kommt auf das Material an.

Freundlichkeit kann man kaufen.

Die Aufgabe vieler Dichtergenerationen ist keine
andere, als das Werkzeug blank zu erhalten.

Welcher Autor darf sagen, daß der Gedanke an die
Oberflächlichkeit der meisten Leser ihm stets ein
peinlicher und nicht mitunter auch ein tröstlicher sei?

Der Platz des Unparteiischen ist auf Erden zwischen
den Stühlen; im Himmel aber wird er zur Rechten
Gottes sitzen.

Kein Mensch weiß, was in ihm schlummert und zutage
kommt, wenn sein Schicksal anfängt, ihm über den
Kopf zu wachsen.

Geniere dich vor dir selbst; das ist der Anfang aller
Vorzüglichkeit.

Die Literatur wird heutzutage meist als Kunsthandwerk
betrieben.

Der Verstand wird meist auf Kosten des Gemütes ausgebildet.
« — O nein, aber es gibt mehr bildungsfähige
Köpfe als bildungsfähige Herzen.
Das scheinbar am unnötigsten gebrachte, törichtste
Opfer steht der absoluten Weisheit immer noch näher
als die klügste Tat der sogenannten berechtigten
Selbstsucht.
»

Einen mit Weisheit Gesalbten darf man nie warm werden
lassen, sonst trieft er.

Man kann sich nicht im erworbenen Besitz von eigentlich
unveräußerlichen Gütern befinden, ohne etwas
von seinem Rechtssinn einzubüßen.

Die Reue treibt den Schwachen zur Verzweiflung und
macht den Starken zum Heiligen.

Je ungebildeter ein Mensch, desto schneller ist er mit
einer Ausrede fertig.

Die Erfolge des Tages gehören der verwegenen
Mittelmäßigkeit.

Alberne Leute sagen Dummheiten, gescheite Leute
machen sie.

Was andere uns zutrauen, ist meist bezeichnender für
sie als für uns.

Der Arbeiter soll seine Pflicht tun, der Arbeitgeber soll
mehr tun als seine Pflicht.

Der Pfennig der Witwe wird von der Kirche dankbar
quittiert. Willst du gleichen Lohn empfangen im Tempel
der Kunst, dann sei ein Krösus und bringe dein Hab
und Gut.

Bei den Hottentotten ist nicht einmal Napoleon
berühmt.

Die Katzen halten keinen für eloquent, der nicht
miauen kann.

Ob das Werkzeug früher versagt oder die Hand, ist ein
großer Unterschied, kommt aber auf eins heraus.

Das Leben erzieht die großen Menschen und läßt die
kleinen laufen.

Geistlose Lustigkeit — Fratze der Heiterkeit.

Es glaube doch nicht jeder, der imstande war, seine
Meinung von einem Kunstwerk aufzuschreiben, er
habe es kritisiert.

Bitter ist der Tadel, aus dem wir mit dem besten Willen
keinen Nutzen ziehen können.

Einen Menschen kennen heißt ihn lieben oder ihn
bedauern.

Steril ist der, dem nichts einfällt; langweilig ist, wer ein
paar alte Gedanken hat, die ihm alle Tage neu einfallen.

Es gibt wenig aufrichtige Freunde — die Nachfrage ist
auch gering.

Wer von Schaffensfreude spricht, hat höchstens
Mücken geboren.

Die Wunden, die unserer Eitelkeit geschlagen werden,
sind halb geheilt, wenn es uns gelingt, sie zu verbergen.

Wir sind leicht bereit, uns selbst zu tadeln, unter der
Bedingung — daß niemand einstimmt.

Sei froh, wenn jeder Lober dir nur einen Neider
erweckt.

Klarheit ist Wahrhaftigkeit in der Kunst.

So weit deine Selbstbeherrschung geht, so weit geht
deine Freiheit.

Was du bekrittelst, hast du verloren.

Der Leichtsinnige kümmert sich nicht einmal um
den morgigen Tag, und ihr wollt ihn mit der Ewigkeit
schrecken?

Es ist schwer, den, der uns bewundert, für einen
Dummkopf zu halten.

Wenn wir nur das Unrecht hassen und nicht die, die
es tun, werden wir unsere Kampfgenossen und unsere
Feinde lieben.

Daß so viel Ungezogenheit gut durch die Welt kommt,
daran ist die Wohlerzogenheit schuld.

Nur der Denkende erlebt sein Leben, am Gedankenlosen
zieht es vorbei.

Wenn ihr wüßtet, daß ihr solidarisch seid für jedes
begangene Unrecht, das Lästern würde euch vergehen.

Es ist unglaublich, was die Welt vergißt und — was sie
nicht vergißt.

Der sich gar zu leicht bereit findet, seine Fehler einzusehen,
ist selten der Besserung fähig.

Manche Menschen haben ein Herz von Eisen und drin
ein Fleckchen so weich wie Brei.

Die öffentliche Meinung wird verachtet von den
erhabensten und von den am tiefsten gesunkenen
Menschen.

Es gibt keine schüchternen Lehrlinge mehr, es gibt nur
noch schüchterne Meister.

Was geschehen ist, solange die Welt steht, braucht deshalb
nicht zu geschehen, solange sie noch stehen wird.
Anspruchslosigkeit ist Seligkeit.

Unbefangenheit, Geradheit, Bescheidenheit sind auch
göttliche Tugenden.

Mißtraue deinem Urteil, sobald du darin den Schatten
eines persönlichen Motivs entdecken kannst.

Der Ignorant weiß nichts, der Parteimann will nichts
wissen.

Wir sind in Todesangst, daß die Nächstenliebe sich zu
weit ausbreiten könnte, und richten Schranken gegen
sie auf — die Nationalitäten.

Alle historischen Rechte veralten.

Nichts Besseres kann der Künstler sich wünschen als
grobe Freunde und höfliche Feinde.

Ein armer wohltätiger Mensch kann sich manchmal
reich fühlen, ein geiziger Krösus nie.

Der Ruhm der kleinen Leute heißt Erfolg.

Besondere Stände haben sich gebildet, um uns zu vermitteln,
was nur durch die unmittelbarste Einwirkung
in uns lebendig werden kann.

Der völlig vorurteilslos wäre, müßte es auch gegen das
Vorurteil sein.

Es gäbe keine soziale Frage, wenn die Reichen von
jeher Menschenfreunde gewesen wären.

Wer hat nicht schon das, was er sich zutraut, für das
gehalten, was er vermag?

Ein Held — hochheiliger Ernst der Natur;
eine Heldin — Spiel der Natur.

Immer wird die Gleichgültigkeit und die Menschenverachtung
dem Mitgefühl und der Menschenliebe
gegenüber einen Schein von geistiger Überlegenheit
annehmen können.

Wir unterschätzen das, was wir haben, und überschätzen
das, was wir sind.

So manches können wir anderen zuliebe tun; unsere
Schuldigkeit tun wir immer nur uns selbst zuliebe.

Es gibt eine nähere Verwandtschaft als die zwischen
Mutter und Kind: die zwischen dem Künstler und
seinem Werke.

Die Summe unserer Erkenntnisse besteht aus dem, was
wir gelernt, und aus dem, was wir vergessen haben.

Begeisterung spricht nicht immer für den, der sie
erweckt, und immer für den, der sie empfindet.

Eine stillstehende Uhr hat doch täglich zweimal richtig
gezeigt und darf nach Jahren auf eine lange Reihe von
Erfolgen zurückblicken.

Während ein Feuerwerk abgebrannt wird, sieht
niemand nach dem gestirnten Himmel.

Was wir unserem besten Freunde nicht anvertrauen
würden, rufen wir ins Publikum.

Auch der ungewöhnlichste Mensch ist gehalten, seine
ganz gewöhnliche Schuldigkeit zu tun.

Eine ungeschickte Schmeichelei kann uns tiefer
demütigen als ein wohlbegründeter Tadel.

Der Hans, der etwas erlernte, was Hänschen nicht
gelernt, der weiß es gut.

Ein Hauptzweck unserer Selbsterziehung ist, die Eitelkeit
in uns zu ertöten, ohne welche wir nie erzogen
worden wären.

Das Talent zu herrschen täuscht oft über den Mangel
an anderem Talent.

Was wissen wir nicht alles zur Entschuldigung von
Fehlern und Übelständen vorzubringen, aus denen wir
Nutzen ziehen!

Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde
der Freiheit.

Nichts bist du, nichts ohne die andern. Der verbissenste
Misanthrop braucht die Menschen doch, wenn auch
nur, um sie zu verachten.

Kein Toter ist so gut begraben wie eine erloschene
Leidenschaft.

Man kann den Leuten aus dem Wege gehen, vor lauter
Verachtung oder — vor lauter Respekt.

Die Treue ist etwas so Heiliges, daß sie sogar einem
unrechtmäßigen Verhältnisse Weihe verleiht.

An dem Manna der Anerkennung lassen wir es uns
nicht genügen, uns verlangt nach dem Gifte der
Schmeichelei.

Überlege wohl, bevor du dich der Einsamkeit ergibst,
ob du auch für dich selbst ein heilsamer Umgang bist.

Wir sind Herr über unsere gerechtfertigten Neigungen
und werden von den ungerechtfertigten am Narrenseil
geführt.

Glaube deinen Schmeichlern — du bist verloren;
glaube deinen Feinden — du verzweifelst.

Jeder Mensch hat ein Brett vor dem Kopf — es kommt
nur auf die Entfernung an.

Am weitesten in der Rücksichtslosigkeit bringen es
die Menschen, die vom Leben nichts verlangen als ihr
Behagen.

Der kleinste Hügel vermag uns die Aussicht auf einen
Chimborasso zu verdecken.

Wir können es im Alter zu nichts Schönerem bringen
als zu einem milden und anspruchslosen Quietismus.

Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in
Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie
geträumt hat.

Es steht etwas über unseren schaffensfreudigen Gedanken,
das feiner und schärfer ist als sie. Es sieht ihrem
Entstehen zu, es überwacht, ordnet und zügelt sie, es
mildert ihnen oft die Farben, wenn sie Bilder weben,
und hält sie am knappsten, wenn sie Schlüsse ziehen.
Seine Ausbildung hängt von der unserer edelsten
Fähigkeiten ab. Es ist nicht selbst schöpferisch, aber wo
es fehlt, kann nichts Dauerndes entstehen; es ist eine
moralische Kraft, ohne die unsere geistige nur Schemen
hervorbringt; es ist das Talent zum Talent, sein
Halt, sein Auge, sein Richter, es ist — das künstlerische
Gewissen.

Was dein Wort zu bedeuten hat, erfährst du durch den
Widerhall, den es erweckt.

Die Großmut ist nicht immer am rechten Platz, der
Geiz aber ist immer am unrechten.

Auch das kleinste Licht hat sein Atmosphärchen.

Nichts schwerer als den gelten lassen, der uns nicht
gelten läßt.

Wir sträuben uns gegen das Leiden, wer aber möchte
nicht gelitten haben?

Wenn eine Frau sagt »Jeder «, meint sie: jedermann.
Wenn ein Mann sagt »Jeder «, meint er: Jeder Mann.

Wie teuer du eine schöne Illusion auch bezahltest, du
hast doch einen guten Handel gemacht.

Wohl finden wir unsere Worte auf den Lippen der
Freunde wieder, aber nicht mehr als unser, sondern als
ihr Eigentum.

Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eins
vermissen: dein Wandern zum Ziel.

Wir suchen die Wahrheit, finden wollen wir sie aber
nur dort, wo es uns beliebt.

So reich unser Leben an wohlausgenützten Gelegenheiten
war, vortrefflichen Menschen nahe zu stehen, so
reich ist es überhaupt gewesen.

Langeweile ist eine Halbschwester der Verzweiflung.

Ihr jubelt über die Macht der Presse — graut euch nie
vor ihrer Tyrannei?

Beständiges unwillkürliches Lernen ist Sache des
Genies.

Dafür, daß uns am Lobe nichts liegt, wollen wir
besonders gelobt sein.

Das Schlechte, an das sogar die Bosheit nicht mehr
glaubt, an das glaubt noch die Albernheit.

Edle Menschen sehen ihren geistigen wie ihren
materiellen Reichtum als ein anvertrautes Gut an.

Immer dasselbe tun, wenn auch noch so gedankenlos, —
endlich wirds eine Methode.

Die Gewohnheit ist langlebiger als die Liebe und
überwindet manchmal sogar die Verachtung.

Ein Blitz vom Himmel — dem steh ich! Eine Schaufel
voll Kehricht — der weich ich aus!

Menschenverachtung — ein Panzer, der mit Stacheln
gefüttert ist.

O Diamant! der Bimsstein gehört auch zu den
Mineralien.

Je törichter dein Hoffen, um so fester.

Der Witz ist ein brillanter Emporkömmling von
zweifelhafter Abstammung.

Es gibt leider nicht sehr viele Eltern, deren Umgang für
ihre Kinder wirklich ein Segen ist.

Gleichgültigkeit jeder Art ist verwerflich, sogar die
Gleichgültigkeit gegen uns selbst.

Manche Ehen sind ein Zustand, in dem zwei Leute
es weder mit noch ohne einander durch längere Zeit
aushalten können.

Charakter eines Menschen: seine gebändigte, zugehauene,
zugeschliffene oder seine wild wuchernde Natur.

Der Verstand kann ein Held sein, die Klugheit ist
meistens ein Feigling.

Sich von einem ungerechten Verdacht reinigen wollen
ist entweder überflüssig oder vergeblich.

Die Heiterkeit des Unglücklichen ist oft rührender als
seine rührendste Klage.

Läufer sind schlechte Geher.

Wenn wir die ersehnte Ruhe endlich haben werden,
werden wir nichts mehr von ihr haben.

Die öffentliche Meinung ist die Dirne unter den
Meinungen.

Heitere Resignation — es gibt nichts Schöneres.

Im Entwurf, da zeigt sich das Talent, in der Ausführung
die Kunst.

Geistlose kann man nicht begeistern, aber fanatisieren
kann man sie.

Große Menschen sind da — aber nicht für die Kleinen.

Wer Gleichheit zu schaffen verstände, müßte der Natur
Gewalt antun können.

Es gibt kein Wunder für den, der sich nicht wundern
kann.

Nichts macht uns feiger und gewissenloser als der
Wunsch, von allen Menschen geliebt zu werden.

Der Mittelmäßige fühlt sich dem Ausgezeichneten
gegenüber immer im Zustande der Notwehr.

Es gehört weniger Mut dazu, der allein Tadelnde als der
allein Lobende zu sein.

Eine stolz getragene Niederlage ist auch ein Sieg.

Wenn die, die uns nachfolgten, uns nicht mehr
erreichen können, schwören sie darauf, daß wir
uns verirrt haben.

Schaffen führt zum Glauben an einen Schöpfer.

Auch in dem elendesten Dasein gibt es ein Häkchen, an
das ein Faden des Heils sich anknüpfen ließe.

Die Wahrheit hat Kinder, die sie nach einiger Zeit
verleugnet; sie heißen Wahrheiten.

Es schreibt keiner wie ein Gott, der nicht gelitten hat
wie ein Hund.

Was ein Kind tut, soll nicht als eine Handlung,
sondern als ein Symptom aufgefaßt werden.

Die Männer sind auf allen Gebieten die Führenden,
nur auf dem Wege zum Himmel überlassen sie den
Frauen den Vortritt.

Es gibt ein Buch, das viele, die es auswendig wissen,
nicht kennen.

Ohne Phantasie keine Güte, keine Weisheit.

Kinder und Greise fabeln. Die ersten, weil ihr Verstand
die Herrschaft über die Phantasie noch nicht gewonnen,
die zweiten, weil er sie verloren hat.

Ein großes Können — ein großes Genießen.

Die Moral, die gut genug war für unsere Väter, ist nicht
gut genug für unsere Kinder.

Die kleinen Miseren des Lebens helfen uns manchmal
über sein großes Elend hinweg.

Wir müssen immer lernen, zuletzt auch noch sterben
lernen.

 

 

Ein herzlicher Dank an Volker für die Übersendung der *.txt Datei.

Wer ist der Gewissenhafte ???

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