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Jacob Burckhardt - Die Kultur der Renaissance in Italien

Jacob Burckhardt - Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch.
Fünfter Abschnitt: Die Geselligkeit und die Feste - Die Sprache als Basis der Geselligkeit

Die höhere Geselligkeit, die hier als Kunstwerk, als eine höchste und bewusste Schöpfung des Volkslebens auftritt, hat ihre wichtigste Vorbedingung und Grundlage in der Sprache.

In der Blütezeit des Mittelalters hatte der Adel der abendländischen Nationen eine »höfische« Sprache für den Umgang wie für die Poesie zu behaupten gesucht. So gab es auch in Italien, dessen Dialekte schon frühe so weit auseinander gingen, im 13. Jahrhundert ein sogenanntes »Curiale«, welches den Höfen und ihren Dichtern gemeinsam war. Die entscheidende Tatsache ist nun, dass man dasselbe mit bewusster Anstrengung zur Sprache aller Gebildeten und zur Schriftsprache zu machen suchte. Die Einleitung der noch vor 1300 redigierten »hundert alten Novellen« gesteht diesen Zweck offen zu. Und zwar wird hier die Sprache ausdrücklich als von der Poesie emanzipiert behandelt; das Höchste ist der einfach klare, geistig schöne Ausdruck in kurzen Reden, Sprüchen und Antworten. Dieser geniesst eine Verehrung wie nur je bei Griechen und Arabern: »Wie viele haben in einem langen Leben doch kaum ein einziges bel parlare zutage gebracht!«

Allein die Angelegenheit, um welche es sich handelte, war um so schwieriger, je eifriger man sie von sehr verschiedenen Seiten aus betrieb. In diesen Kampf führt uns Dante mitten hinein; seine Schrift »von der italienischen Sprache«1) ist nicht nur für die Frage selbst wichtig, sondern auch das erste raisonnierende Werk über eine moderne Sprache überhaupt. Sein Gedankengang und seine Resultate gehören in die Geschichte der Sprachwissenschaft, wo sie auf immer einen hochbedeutenden Platz einnehmen. Hier ist nur zu konstatieren, dass schon lange Zeit vor Abfassung der Schrift die Sprache eine tägliche wichtige Lebensfrage gewesen sein muss, dass alle Dialekte mit parteiischer Vorliebe und Abneigung studiert worden waren und dass die Geburt der allgemeinen Idealsprache von den stärksten Wehen begleitet war.

Das Beste tat freilich Dante selber durch sein grosses Gedicht. Der toscanische Dialekt wurde wesentlich die Basis der neuen Idealsprache2). Wenn damit zu viel gesagt sein sollte, so darf der Ausländer um Nachsicht bitten, indem er schlechtweg in einer höchst bestrittenen Frage der vorherrschenden Meinung folgt.

In Literatur und Poesie mag nun der Hader über diese Sprache, der Purismus ebensoviel geschadet als genützt, er mag manchem sonst sehr begabten Autor die Naivetät des Ausdruckes geraubt haben. Und andere, die der Sprache im höchsten Sinne mächtig waren, verliessen sich hinwiederum auf den prachtvoll wogenden Gang und Wohllaut derselben als auf einen vom Inhalt unabhängigen Vorzug. Auch eine geringe Melodie kann nämlich, von solch einem Instrument getragen, herrlich klingen. Allein wie dem auch sei, in gesellschaftlicher Beziehung hatte diese Sprache einen hohen Wert. Sie war die Ergänzung zu dem edeln, stilgemässen Auftreten überhaupt, sie nötigte den gebildeten Menschen, auch im Alltäglichen Haltung und in ungewöhnlichem Momenten äussere Würde zu behaupten. Schmutz und Bosheit genug hüllten sich allerdings auch in dies klassische Gewand wie einst in den reinsten Attizismus, allein auch das Feinste und Edelste fand in ihr einen gültigen Ausdruck. Vorzüglich bedeutend aber ist sie in nationaler Beziehung, als ideale Heimat der Gebildeten aller Staaten des früh zerrissenen Landes3). Zudem gehört sie nicht nur den Adligen oder sonst irgendeinem Stande, sondern der Aermste und Geringste hat Zeit und Mittel übrig, sich ihrer zu bemächtigen, sobald er nur will. Noch heutzutage (und vielleicht mehr als je) wird der Fremde in solchen Gegenden Italiens, wo sonst der unverständlichste Dialekt herrscht, bei geringen Leuten und Bauern oft durch ein sehr reines und rein gesprochenes Italienisch überrascht und besinnt sich vergebens auf Aehnliches bei denselben Menschenklassen in Frankreich oder gar in Deutschland, wo auch die Gebildeten an der provinzialen Aussprache festhalten. Freilich ist das Lesenkönnen in Italien viel verbreiteter als man nach den sonstigen Zuständen, z. B. des bisherigen Kirchenstaates, denken sollte, allein wie weit würde dies helfen ohne den allgemeinen, unbestrittenen Respekt vor der reinen Sprache und Aussprache als einem hohen und werten Besitztum? Eine Landschaft nach der andern hat sich derselben offiziell anbequemt, auch Venedig, Mailand und Neapel noch zur Zeit der Blüte der Literatur und zum Teil wegen derselben. Piemont ist erst in unserm Jahrhundert durch freien Willensakt ein recht italienisches Land geworden, indem es sich diesem wichtigsten Kapital der Nation, der reinen Sprache, anschloss4). Der Dialektliteratur wurden schon seit Anfang des 16. Jahrhunderts gewisse Gegenstände freiwillig und mit Absicht überlassen, und zwar nicht etwa lauter komische, sondern auch ernste5). Der Stil, welcher sich darin entwickelte, war allen Aufgaben gewachsen. Bei andern Völkern findet eine bewusste Trennung dieser Art erst sehr viel später statt.

Die Denkweise der Gebildeten über den Wert der Sprache als Medium der höhern Geselligkeit stellt der Cortigiano6) sehr vollständig dar. Es gab schon damals, zu Anfang des 16. Jahrhunderts, Leute, welche geflissentlich die veralteten Ausdrücke aus Dante und den übrigen Toscanern seiner Zeit festhielten, bloss weil sie alt waren. Für das Sprechen verbittet sich der Autor dieselben unbedingt und will sie auch für das Schreiben nicht gelten lassen, indem dasselbe doch nur eine Form des Sprechens sei. Hierauf folgt dann konsequent das Zugeständnis: dasjenige Reden sei das schönste, welches sich am meisten den schön verfassten Schriften nähere. Sehr klar tritt der Gedanke hervor, dass Leute, die etwas Bedeutendes zu sagen haben, ihre Sprache selber bilden und dass die Sprache beweglich und wandelbar, weil sie etwas Lebendiges ist. Man möge die schönsten beliebigen Ausdrücke brauchen, wenn nur das Volk sie noch brauche, auch solche aus nichttoscanischen Gegenden, ja hie und da französische und spanische, wenn sie der Gebrauch schon für bestimmte Dinge angenommen habe7). So entstehe, mit Geist und Sorgfalt, eine Sprache, welche zwar nicht eine rein antik toscanische, wohl aber eine italienische wäre, reich an Fülle wie ein köstlicher Garten voller Blumen und Früchte. Es gehört sehr wesentlich mit zu der allgemeinen Virtuosität des Cortigiano, dass nur in diesem ganz vollkommenen Gewande seine feine Sitte, sein Geist und seine Poesie zutage treten.

Da nun die Sprache eine Angelegenheit der lebendigen Gesellschaft geworden war, so setzten die Archaisten und Puristen trotz aller Anstrengung ihre Sache im wesentlichen nicht durch. Es gab zu viele und treffliche Autoren und Konversationsmenschen in Toscana selbst, welche sich über das Streben jener hinwegsetzten oder lustig machten; letzteres vorzüglich, wenn ein Weiser von draussen kam und ihnen, den Toscanern, dartun wollte, sie verständen ihre eigene Sprache nicht8). Schon das Dasein und die Wirkung eines Schriftstellers wie Machiavelli riss alle jene Spinnweben durch, insofern seine mächtigen Gedanken, sein klarer, einfacher Ausdruck in einer Sprache auftraten, welche eher alle andern Vorzüge hatte als den eines reinen Trecentismo. Andererseits gab es zu viele Oberitaliener, Römer, Neapolitaner usw., welchen es lieb sein musste, wenn man in Schrift und Konversation die Ansprüche auf Reinheit des Ausdruckes nicht zu hoch spannte. Sie verleugnen zwar Sprachformen und Ausdrücke ihres Dialektes völlig, und ein Ausländer wird es leicht für falsche Bescheidenheit halten, wenn z. B. Bandello öfter hoch und teuer protestiert: »Ich habe keinen Stil; ich schreibe nicht florentinisch, sondern oft barbarisch; ich begehre der Sprache keine neuen Zierden zu verleihen; ich bin nur ein Lombarde und noch dazu von der ligurischen Grenze her9).« Allein gegenüber der strengen Partei behauptete man sich in der Tat am ehesten, indem man auf höhere Ansprüche ausdrücklich verzichtete und sich dafür der grossen allgemeinen Sprache nach Kräften bemächtigte. Nicht jeder konnte es Pietro Bembo gleichtun, welcher als geborener Venezianer zeitlebens das reinste Toscanisch, aber fast als eine fremde Sprache schrieb, oder einem Sannazaro, der es als Neapolitaner ebenso machte. Das Wesentliche war, dass jeder die Sprache in Wort und Schrift mit Achtung behandeln musste. Daneben mochte man den Puristen ihren Fanatismus, ihre Sprachkongresse10) u. dgl. lassen; schädlich im Grossen wurden sie erst später, als der originale Hauch in der Literatur ohnehin schwächer war und noch ganz andern, viel schlimmern Einflüssen unterlag. Endlich stand es der Academia della Crusca frei, das Italienische wie eine tote Sprache zu behandeln. Sie war aber so machtlos, dass sie nicht einmal die geistige Französierung desselben im vorigen Jahrhundert verhindern konnte. (Vgl. S. 409, Anm. [7])


  1. De vulgari eloquio ed. Corbinelli, Parisiis 1577. Laut Boccaccio, vita di Dante, p. 77, kurz vor seinem Tode verfasst. - Ueber die rasche und merkliche Veränderung der Sprache bei seinen Lebzeiten äussert er sich im Anfang des Convito. Zurück
     
  2. Das allmähliche Vordringen derselben in Literatur und Leben könnte ein einheimischer Kenner leicht tabellarisch darstellen. Es müsste konstatiert werden, wie lange sich während des 14. und 15. Jahrhunderts die einzelnen Dialekte in der täglichen Korrespondenz, in den Regierungsschriften und Gerichtsprotokollen, endlich in den Chroniken und in der freien Literatur ganz oder gemischt behauptet haben. Auch das Fortleben der ital. Dialekte neben einem reinern oder geringem Latein, welches dann als offizielle Sprache diente, käme dabei in Betracht. Zurück
     
  3. So empfindet es schon Dante: De vulgari eloquio I, c. 17,18. Zurück
     
  4. Man schrieb und las in Piemont schon lange vorher toscanisch, aber man schrieb und las eben wenig. Zurück
     
  5. Man wusste auch recht wohl, wohin im täglichen Leben der Dialekt gehörte und wohin nicht. Gioviano Pontano darf den Kronprinzen von Neapel ausdrücklich vor dessen Gebrauch warnen (Jov. Pontan. de principe). Bekanntlich waren die letzten Bourbons darin weniger bedenklich. - Den Hohn über einen mailänd. Kardinal, der in Rom seinen Dialekt behaupten wollte, s. bei Bandello, Parte II, Nov. 31. Zurück
     
  6. Bald. Castiglione, il cortigiano, L. I, fol. 27, s. Aus der dialogischen Form leuchtet doch überall die eigene Meinung hervor. Zurück
     
  7. Nur durfte man darin nicht zu weit gehen. Die Satiriker mischten spanische und Folengo (unter dem Pseudonym Limerno Pitocco, in seinem Orlandino) französische Brocken immer nur Hohnes wegen ein. In den Komödien spricht etwa ein Spanier ein lächerliches Kauderwelsch von Spanisch und Italienisch. Es ist schon sehr aussergewöhnlich, dass eine Strasse in Mailand, welche zur Franzosenzeit, 1500 bis 1512, 1515 bis 1522, Rue belle hiess, noch heute Rugabella heisst. Von der langen spanischen Herrschaft ist an der Sprache fast keine Spur, an Gebäuden und Strassen höchstens hie und da der Name eines Vizekönigs haften geblieben. Erst im 18. Jahrhundert drangen mit den Gedanken der französischen Literatur auch viele französische Wendungen und Einzelausdrücke ins Italienische ein; der Purismus unseres Jahrhunderts war und ist noch bemüht, sie wieder wegzuschaffen. Zurück
     
  8. Firenzuola, opere I, in der Vorrede zur Frauenschönheit, und II, in den Ragionamenti vor den Novellen. Zurück
     
  9. Bandello, Parte I, Proemio und Nov. 1 und 2. - Ein anderer Lombarde, der eben genannte Teofilo Folengo in seinem Orlandino, erledigt die Sache mit heiterm Spott. Zurück
     
  10. Ein solcher fand, wie es scheint, in Bologna zu Ende 1531 unter Bembos Vorsitz statt. S. den Brief des Claud. Tolomei, bei Firenzuola, opere, vol. II, Beilagen. Zurück

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